1. Ein Neu­wa­gen, der in der Far­be „Track-Grau Me­tal­lic“ be­stellt wur­de, aber in der Far­be „Pi­ri­ne­os Grau“ ge­lie­fert wird, ist man­gel­haft (§ 434 I 1 BGB), ob­wohl es sich bei „Pi­ri­ne­os Grau“ eben­falls um ei­ne graue Me­tal­lic­far­be han­delt. Denn die Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung der Kauf­ver­trags­par­tei­en er­schöpft sich nicht in der Grund­far­be „Grau“ bzw. „Grau Me­tal­lic“, son­dern um­fasst auch die Nu­an­cen, die ge­ra­de der Farb­ton „Track-Grau“ be­inhal­tet.
  2. Ei­ne Klau­sel in den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen ei­nes Neu­wa­gen­händ­lers, wo­nach ei­ne „Ab­wei­chung im Farb­ton so­wie Än­de­rung des Lie­fer­um­fangs … wäh­rend der Lie­fer­zeit vor­be­hal­ten“ blei­ben, „so­fern der Kauf­ge­gen­stand nicht er­heb­lich ge­än­dert wird und die Än­de­run­gen für den Käu­fer zu­mut­bar sind“, ist we­gen ei­nes Ver­sto­ßes ge­gen § 308 Nr. 4 BGB un­wirk­sam.

AG Wei­ßen­burg i. Bay., Ur­teil vom 12.12.2013 – 2 C 818/12
(nach­fol­gend: LG Ans­bach, Be­schluss vom 09.07.2014 – 1 S 66/14)

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten um Scha­dens­er­satz aus ei­nem Kfz-Kauf­ver­trag.

Am 14.09.2011 ver­kauf­te die Be­klag­te, ei­ne ge­werb­li­che Kfz-Händ­le­rin, dem Klä­ger ei­nen Pkw (SE­AT) zum Preis von 22.490 €. In dem Kauf­ver­trag hieß auf der Vor­der­sei­te un­ter an­de­rem: „Far­be: Track-Grau Me­tal­lic (2V2V)“. Auf der Rück­sei­te des Ver­trags­for­mu­lars wa­ren die Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten ab­ge­druckt. Dort hieß es un­ter an­de­rem:

„Ab­wei­chung im Farb­ton so­wie Än­de­rung des Lie­fer­um­fangs sei­tens des Her­stel­lers/lm­por­teurs blei­ben wäh­rend der Lie­fer­zeit vor­be­hal­ten, so­fern der Kauf­ge­gen­stand nicht er­heb­lich ge­än­dert wird und die Än­de­run­gen für den Käu­fer zu­mut­bar sind.“

Am 20.01.2012 wur­de das Fahr­zeug dem Klä­ger über­ge­ben. Statt in „Track-Grau Me­tal­lic“ war es in „Pi­ri­ne­os Grau“ la­ckiert. Die­se Farb­ab­wei­chung rüg­te der Klä­ger spä­tes­tens am 22.01.2012 bei der Be­klag­ten.

Mit An­walts­schrei­ben vom 08.02.2012 for­der­te er die Be­klag­te – die der An­sicht ist, es lie­ge al­len­falls ein un­we­sent­li­cher Man­gel vor – dann (er­folg­los) auf, ihm bis zum 22.02.2012 ein Fahr­zeug in der rich­ti­gen Far­be zu lie­fern.

Der Klä­ger be­haup­tet, ei­ne Um­la­ckie­rung sei­nes Fahr­zeugs kos­te 3.250 €.

Die im We­sent­li­chen auf Zah­lung die­ses Be­tra­ges nebst Zin­sen ge­rich­te­te Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger kann die Kla­ge­for­de­rung ge­mäß den §§ 437, 440, 281 BGB ver­lan­gen.

Zwi­schen den Par­tei­en liegt ein Kauf­ver­trag über den strelt­ge­gen­ständ­li­chen SE­AT vor. Die­ser ist auch man­gel­haft.

Ein Sach­man­gel liegt vor, wenn die Sa­che nicht die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit hat. Zur Be­schaf­fen­heit ei­nes Kraft­fahr­zeugs ge­bört auch die Far­be. Die­se hat für Käu­fer re­gel­mä­ßig ei­ne ganz er­heb­li­che Be­deu­tung. Hier wur­de das Fahr­zeug nicht in der ver­ein­bar­ten Far­be ge­lie­fert. Ver­ein­bart war „Track-Grau Me­tal­lic“. Dies er­gibt sich aus dem ein­deu­ti­gen Wort­laut des· Kauf­ver­trags.

Die Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten kön­nen dar­an nichts än­dern. Die­se sind un­wirk­sam.

Sie wur­den von der Be­klag­ten ge­stellt und be­nach­tei­li­gen den Klä­ger un­an­ge­mes­sen. Dies er­gibt sich aus § 308 Nr. 4 BGB. Da­nach sind Klau­seln im­mer dann un­wirk­sam, wenn sich der [Ver­wen­der] vor­be­hält, die ver­spro­che­ne Leis­tung zu än­dern, so­fern dies dem an­de­ren Ver­trags­teil nicht zu­mut­bar ist. Zu­mut­bar ist es für den an­de­ren Ver­trags­teil nur dann, wenn er weiß, un­ter wel­chen Be­din­gun­gen und aus wel­chen Grün­den ei­ne Än­de­rung der Leis­tung er­fol­gen kann. Das ist in der Klau­sel Nr. 3.4 der Be­klag­ten nicht der Fall. Es wird nur pau­schal ge­sagt, der Farb­ton kön­ne ge­än­dert wer­den, so­fern die Än­de­rung nicht er­heb­lich und … für den Käu­fer zu­mut­bar sei. Die Klau­sel gibt hicht an, was Grün­de für ei­ne Än­de­rung des Farb­tons sein kön­nen. Da­mit ist die Klau­sel für den Klä­ger un­zu­mut­bar, denn nach die­ser Klau­sel kann die Be­klag­te den Farb­ton je­der­zeit än­dern und muss da­für kei­ne Grün­de an­ge­ben, und der Klä­ger hat kei­ne Mög­lich­keit, die Be­rech­ti­gung die­ser Grün­de zu über­prü­fen. Die Lie­fe­rung des Fahr­zeugs in „Pi­ri­ne­os Grau“ ist da­mit ei­ne Ab­wei­chung von der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit und stellt ei­nen Man­gel dar.

Ob die­se Ab­wei­chung von der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit er­heb­lich ist, kann of­fen blei­ben. Je­der Man­gel be­rech­tigt zum Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung. Nur Scha­dens­er­satz statt der gan­zen Leis­tung („gro­ßer Scha­dens­er­satz'“) kann der Käu­fer re­gel­mä­ßig nicht … ver­lan­gen, wenn der Man­gel un­er­heb­lich ist (§ 281 I 3 BGB). Hier wird aber nicht Scha­dens­er­satz statt der gan­zen Leis­tung ver­langt. Das wä­re dann der Fall, wenn der Klä­ger das Fahr­zeug an die Be­klag­te zu­rück­ge­ben woll­te und von ihr Wert­er­satz für ein Fahr­zeug in der rich­ti­gen La­ckie­rung ha­ben woll­te. Dies möch­te er aber nicht. Er möch­te sein Fahr­zeug be­hal­ten und nur die Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten er­setzt ver­lan­gen.

Dar­auf hat er auch An­spruch. lns­be­son­de­re hat er auch die not­wen­di­ge Frist ge­setzt. Er hat die Be­klag­te am 08.02.2012 an­ge­schrie­ben und Nach­er­tül­lung. in ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist bis 22.02.2012 ver­langt. Die Be­klag­te ver­wei­ger­te je­de Nach­er­fül­lung.

Der Klä­ger kann da­her die Kos­ten der Man­gel­be­sei­ti­gung als Scha­dens­er­satz ver­lan­gen.

Nach dem über­zeu­gen­den und nicht an­ge­grif­fe­nen Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten be­lau­fen sich die Kos­ten zur Be­sei­ti­gung des Man­gels, ei­ne Um­la­ckie­rung des Fahr­zeugs, auf 5.197,42 €. Da der Klä­ger ins­ge­samt we­ni­ger ver­langt, ist die Kla­ge be­grün­det …

Hin­weis: Mit Be­schluss vom 09.07.2014 – 1 S 66/14 – hat das LG Ans­bach dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es be­ab­sich­ti­ge, die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das amts­ge­richt­li­che Ur­teil ge­mäß § 522 II ZPO zu­rück­zu­wei­sen, weil sie of­fen­sicht­lich kei­ne Aus­sicht auf Er­folg ha­be. In dem Hin­weis­be­schluss heißt es un­ter an­de­rem:

Die Be­den­ken der Be­ru­fungs­klä­ge­rin ge­gen das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil des AG Wei­ßen­burg ver­mag die Kam­mer nicht zu tei­len.

Auch nach Ein­schät­zung der Kam­mer stellt die Tat­sa­che, dass dem Klä­ger an­statt des be­stell­ten Fahr­zeugs in der Far­be „Track-Grau Me­tal­lic“ ein Fahr­zeug in der Far­be „Pi­ri­ne­os Grau“ ge­lie­fert wur­de, ei­ne Ab­wei­chung von der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit dar und be­grün­det des­halb ei­nen Sach­man­gel i. S. von § 434 BGB. Dies gilt auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Tat­sa­che, dass es sich bei dem „Pi­ri­ne­os Grau“ eben­falls um ei­ne graue Me­tal­lic­far­be han­delt. An­ders als die Be­klag­te und Be­ru­fungs­klä­ge­rin meint, er­schöpft sich die Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung nicht in der Grund­far­be „Grau“ bzw. „Grau Me­tal­lic“, son­dern um­fasst auch die Nu­an­cen, die ge­ra­de der Farb­ton „Track-Grau“ be­inhal­te­te. Aus die­sem Grund stellt auch ei­ne – nach Auf­fas­sung der Be­klag­ten – op­tisch le­dig­lich ge­ring­fü­gi­ge Ab­wei­chung letzt­lich ei­nen Man­gel dar.

Auch Punkt 4 von Zif­fer 3 der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen führt zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Zu Recht ist das Amts­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen, dass die­ser vor­lie­gend auf­grund ei­nes Ver­sto­ßes ge­gen § 308 Nr. 4 BGB un­wirk­sam ist. Ge­mäß § 308 Nr. 4 BGB ist ins­be­son­de­re die Ver­ein­ba­rung ei­nes Rechts des Ver­wen­ders un­wirk­sam, die ver­spro­che­ne Leis­tung zu än­dern oder von ihr ab­zu­wei­chen, wenn nicht die Ver­ein­ba­rung der Än­de­rung oder Ab­wei­chung un­ter Be­rück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ver­wen­ders für den an­de­ren Ver­trags­teil zu­mut­bar ist.

Hier­bei ist zum ei­nen er­for­der­lich, dass zu­nächst der Wort­laut der Klau­sel es dem Kun­den er­mög­licht, Art und Um­fang der Leis­tungs­än­de­rung in ei­nem ge­wis­sen Maß kal­ku­lie­ren zu kön­nen (vgl. MünchKomm-BGB/Wurm­nest, 6. Aufl. [2012], § 308 Nr. 4 Rn. 8). Nicht aus­rei­chend ist es des­halb, wenn der Ver­wen­der Leis­tungs­än­de­run­gen ‚so­weit für den Kun­den zu­mut­bar‘ vor­be­hält, denn aus ei­ner sol­chen For­mu­lie­rung sind die maß­ge­ben­den Kri­te­ri­en zur Be­ur­tei­lung der Zu­mut­bar­keit ge­ra­de nicht er­sicht­lich und für den Kun­den nicht nach­zu­voll­zie­hen (vgl. BGH, Urt. v. 30.06.2009 – XI ZR 364/08, NJW-RR 2009, 1641; Urt. v. 20.01.1983 – VII ZR 105/81, NJW 1983, 1322). Ge­nau so liegt der Fall hier. So ist für den Kun­den in kei­ner Wei­se er­sicht­lich, von wel­chen Kri­te­ri­en es ab­hängt, dass ei­ne er­heb­li­che Än­de­rung des Kauf­ge­gen­stan­des vor­liegt bzw. Än­de­run­gen im Lie­fer­um­fang etc. für den Käu­fer zu­mut­bar sind.

Zum an­de­ren er­gibt auch die bran­chen­spe­zi­fi­sche (vgl. MünchKomm-BGB/Wurm­nest, a. a. O., § 308 Nr. 4 Rn. 8) Ab­wä­gung zwi­schen dem In­ter­es­se der Be­klag­ten an der Mög­lich­keit der Än­de­rung ih­rer Leis­tung und de­nen des Klä­gers an der Un­ver­än­der­lich­keit der ver­ein­bar­ten Leis­tung, dass der Än­de­rungs­vor­be­halt dem Klä­ger ge­gen­über vor­lie­gend un­zu­mut­bar ist.

So han­delt es sich bei ei­ner Neu­wa­gen­be­stel­lung re­gel­mä­ßig um ein für den Käu­fer be­deut­sa­mes Ge­schäft, wel­ches die­ser in den meis­ten Fäl­len nur ein­mal in­ner­halb meh­re­rer Jah­re vor­nimmt und wel­ches ei­nen be­deu­ten­den An­teil ei­nes durch­schnitt­li­chen Jah­res­ein­kom­mens in An­spruch nimmt. Ent­spre­chend ge­naue Vor­stel­lun­gen ha­ben die Käu­fer re­gel­mä­ßig hin­sicht­lich Mo­dell und Aus­stat­tung des Neu­wa­gens. Der Käu­fer ho­no­riert die­se In­di­vi­dua­li­sie­rung sei­nes Wunsch­fahr­zeugs, in­dem er re­gel­mä­ßig ei­nen Preis zahlt, der über dem Preis für ein be­reits her­ge­stell­tes Neu­fahr­zeug liegt, das eben nicht in al­len Be­lan­gen sei­nen Wunsch­vor­stel­lun­gen ent­spricht. Ein Än­de­rungs­vor­be­halt sei­tens des Ver­käu­fers be­züg­lich Form­än­de­run­gen, Ab­wei­chun­gen im Farb­ton etc. ne­giert ge­nau die­se vom Käu­fer ex­tra ge­wünsch­te In­di­vi­dua­li­sie­rung. Da­bei spielt es auch kei­ne Rol­le, dass sich die Be­klag­te vor­lie­gend auf Än­de­run­gen be­schränkt, de­nen sie sich selbst von Her­stel­ler­sei­te aus aus­ge­setzt sieht. Zum ei­nen hat es die Ver­käu­fe­rin an­ge­sichts re­la­tiv kur­zer Lie­fer­zei­ten von ca. zwölf Wo­chen selbst in der Hand, noch vor Kauf­ver­trags­ab­schluss die Ver­füg­bar­keit des ge­wünsch­ten Mo­dells zu über­prü­fen oder sich selbst ge­gen­über dem Her­stel­ler oder Händ­ler be­züg­lich et­wai­ger Än­de­run­gen ab­zu­si­chern. Die­ses Ri­si­ko auf den Käu­fer zu ver­la­gern ist die­sem auch bei für die­sen er­kenn­ba­ren Re­import-Ge­schäf­ten nicht zu­mut­bar.

Aus den oben ge­nann­ten Grün­den ist auch die im Kauf­ver­trag ent­hal­te­ne For­mu­lie­rung ‚… Mo­del­län­de­run­gen so­wie Aus­stat­tungs­än­de­run­gen durch den Her­stel­ler ge­hen zu Las­ten des Käu­fers.‘ un­wirk­sam …“

Die Be­klag­te hat die Be­ru­fung dar­auf­hin zu­rück­ge­nom­men. Das Ur­teil des AG Wei­ßen­burg i. Bay. ist des­halb seit dem 07.08.2014 rechts­kräf­tig.

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