- Der Käufer und Darlehensnehmer ist bei einem mit einem Kaufvertrag i. S. von § 358 III BGB verbundenen Darlehensvertrag so zu stellen, wie er bei einem nicht finanzierten Teilzahlungsgeschäft stehen würde, bei dem er den Kaufpreis in Raten an den Verkäufer zu entrichten hätte (§ 359 Satz 1 BGB). Das heißt, dass noch offene Darlehensraten grundsätzlich wie Kaufpreisraten zu behandeln sind und der Käufer/Darlehensnehmer sich auch gegenüber dem die Rückzahlung des Darlehens fordernden Darlehensgeber auf die Verjährung der Kaufpreisschuld berufen darf (Einwendungsdurchgriff).
- Für eine Hemmung der Verjährung nach § 203 BGB genügt jeder Meinungsaustausch über den geltend gemachten Anspruch oder die ihn begründenden Umstände, sofern nicht jeder Anspruch sofort und eindeutig abgelehnt wird.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.09.2013 – 15 U 11/12
Sachverhalt: Die Parteien schlossen am 21.03.2003 einen Darlehensvertrag, in dem sich die Klägerin verpflichtete, dem Beklagten ein Darlehen in Höhe von 22.857,99 € zu gewähren. Dieses Darlehen sollte zur Finanzierung eines Pkw dienen und war durch den damaligen Vertragshändler V vermittelt worden. Von ihm erwarb der Beklagte auch das zu finanzierende Fahrzeug. Über das Vermögen des V wurde am 29.04.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wurde diese Sicherungseigentümerin des Pkw, der dem Beklagten gegen Zahlung der monatlich fälligen Raten zum Gebrauch überlassen wurde.
Am 07.04.2004 erlitt das Fahrzeug unfallbedingt einen wirtschaftlichen Totalschaden. Es wurde zum Autohaus des V geschleppt, der unmittelbar mit dem Kaskoversicherer des Beklagten abrechnete. Dieser zahlte an V eine Entschädigung in Höhe von 16.062,46 €. Das beschädigte Fahrzeug verblieb bei V und wurde in der Folgezeit repariert.
V übergab der Klägerin sodann einen Scheck über 16.220,40 €. Diesen Betrag schrieb die Klägerin dem Konto des Beklagten am 03.06.2004 gut und teilte ihm am Folgetag mit:
„Ihre Finanzierung ist vorbehaltlich der Einlösung des von der Firma V eingereichten Schecks in Höhe von 16.220,40 € erledigt. … Unter der Voraussetzung, dass die vertraglich per Lastschrift von uns eingezogenen Raten bis einschließlich 01.06.04 eingelöst bleiben, haben wir Ihnen das Guthaben von 273 € auf das Konto … überwiesen.“
Der Fahrzeugbrief wurde dem Vertragshändler V ausgehändigt, der das Fahrzeug verwertete.
Nachdem der Scheckbetrag rückbelastet worden war, übergab V der Klägerin einen weiteren Scheck über 16.220,40 €. Diesen Betrag schrieb die Klägerin dem Konto des Beklagten am 24.06.2004 gut. Wegen dieser Gutschrift wies der am 25.06.2004 für den Beklagten erstellte Jahreskontoauszug 2004 einen Endsaldo von Null aus.
Unter dem 25.08.2004 schrieb die Klägerin dem Beklagten:
„Bezugnehmend auf unser Schreiben vom 04.06.04 müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass der Scheck der Firma V über den Ablösebetrag von 16.220,40 € nicht eingelöst geblieben ist. Aus diesem Grund besteht Ihre Finanzierung weiterhin und weist derzeit einen Rückstand von 824 € auf.“
Der Beklagte setzte sich daraufhin mit V in Verbindung. Dieser teilte ihm am 23.08.2004 telefonisch mit, dass alles in Ordnung sei und die Klägerin zwischenzeitlich das Geld vollständig erhalten habe. Sollte die Klägerin trotzdem irgendwelche Beträge vom Konto des Beklagten abbuchen, werde er, B, dem Beklagten diese Beträge sofort in bar erstatten.
Am 02.09.2004 buchte die Klägerin 1.097,98 € vom Konto des Beklagten ab, woraufhin der Beklagte das Autohaus des V aufsuchte. Dort wurde ihm der Betrag in bar erstattet und erklärt, dass das Darlehen vollständig abgelöst sei. Mit Schreiben vom 27.06.2005 teilte die Klägerin dem Beklagten indes mit, dass er noch 6.320,70 € brutto zu zahlen habe.
Das LG Kassel hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 5.367,27 € nebst Zinsen zu zahlen. Es hat gemeint, der Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin sei weder verjährt noch verwirkt. Das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment folge nicht aus dem Schreiben vom 04.06.2004. Darin sei dem Beklagten ausdrücklich mitgeteilt worden, dass „die Erledigung der Finanzierung unter dem Vorbehalt der Scheckeinlösung“ stehe. Der erste Scheck sei jedoch gerade nicht eingelöst worden. Ebenso wenig folge ein Umstandsmoment aus dem Jahreskontoauszug 2004 vom 25.06.2004. Dieser Jahreskontoauszug bilde – gleichsam als Momentaufnahme – genau den Zeitpunkt ab, in dem der zweite Scheck gebucht gewesen sei. Eine Zurückbuchung dieses Schecks sei dadurch nicht ausgeschlossen worden.
Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Jedenfalls die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift durch.
Bei dem Darlehensvertrag vom 21.03.2003 und dem Kaufvertrag über den Pkw … handelt es sich um verbundene Verträge i. S. des § 358 III BGB, da beide Verträge als wirtschaftliche Einheit anzusehen sind (vgl. auch die Widerrufsbelehrung unter der Vertragsurkunde vom 21.03.2003: „den mit dem Darlehensvertrag verbundenen Kaufvertrag/Fahrzeugbestellung“).
Nach § 359 Satz 1 BGB kann ein Verbraucher die Rückzahlung des Darlehens verweigern, soweit Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag ihn gegenüber dem Unternehmer, mit dem er den verbundenen Vertrag geschlossen hat, zur Verweigerung seiner Leistung berechtigen würden (sog. Einwendungsdurchgriff). Zu den Einwendungen i. S. des § 359 Satz 1 BGB zählt auch die Einrede der Verjährung (vgl. etwa BGH, Urt. v. 25.09.2001 – XI ZR 109/01, BGHZ 149, 43, 47 f.; Urt. v. 14.09.2004 – XI ZR 248/03, NJW-RR 2005, 415, 416; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.02.2001 – 6 U 121/00, NJW-RR 2002, 856; Emmerich, JuS 2002, 297, 298; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl. [2013], § 359 Rn. 3; Prasse, in: Schulze/Grziwotz/Lauda [Hrsg.], BGB – Kommentiertes Vertrags- und Prozessformularbuch, 2011, § 359 Rn. 13).
Vor diesem Hintergrund unterliegt die durch eine Kündigung des Darlehensvertrags entstandene Rückzahlungsforderung bei einem finanzierten Kauf der kaufrechtlichen Verjährung (vgl. BGH, Urt. v. 14.09.2004 – XI ZR 248/03, NJW-RR 2005, 415, 416; Bülow, in: Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 7. Aufl. [2011], § 495 Rn. 220). Nach dem Schutzzweck des § 359 Satz 1 BGB soll nämlich der Verbraucher gegenüber (Rück-)Zahlungsansprüchen des Darlehensgebers grundsätzlich genau so stehen, wie er gegenüber der Kaufpreisforderung des Verkäufers stünde, wenn nur mit diesem kontrahiert worden wäre. Das Gesetz stellt daher beim Einwendungsdurchgriff auf die hypothetische Rechtslage ab, die bestehen würde, wenn der Verbraucher nur dem Verkäufer gegenüberstünde. Das ergibt sich aus der vom Gesetzgeber gewählten Konjunktivformulierung „berechtigen würden“ (vgl. BGH, Urt. v. 25.09.2001 – XI ZR 109/01, BGHZ 149, 43, 47 f.; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2012, § 359 Rn. 7). Der Käufer und Darlehensnehmer ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut beim verbundenen Geschäft also so zu stellen, wie er bei einem nicht finanzierten Teilzahlungsgeschäft stehen würde, bei dem er den Kaufpreis in Raten an den Verkäufer zu entrichten hätte. Daher sind noch offene Darlehensraten grundsätzlich wie Kaufpreisraten zu behandeln (vgl. BGH, Urt. v. 25.09.2001 – XI ZR 109/01, BGHZ 149, 43, 48; Staudinger/Kessal-Wulf, a. a. O., § 359 Rn. 7). Folgerichtig kann der Verbraucher alle den Kaufpreisanspruch betreffenden rechtshindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Einwendungen oder Einreden auch dem Darlehensgeber entgegenhalten. Dazu zählt auch die Einrede der Verjährung, da die bei Teilzahlungskrediten typische Auszahlung des Darlehens an den Verkäufer mit ihrer Erfüllungswirkung außer Betracht zu bleiben hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.09.2001 – XI ZR 109/01, BGHZ 149, 43, 46 ff.; Urt. v. 14.09.2004 – XI ZR 248/03, NJW-RR 2005, 415, 416; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.02.2001 – 6 U 121/00, NJW-RR 2002, 856; Coester, JURA 1992, 617, 622; Staudinger/Kessal-Wulf, a. a. O., § 359 Rn. 7; NK-BGB/Ring, BGB, 2. Aufl. [2012], § 359 Rn. 8).
Zwar sind seit dem 01.01.2002 die Verjährungsfristen für Ansprüche aus einem Darlehensvertrag auf der einen und aus einem Kaufvertrag auf der anderen Seite grundsätzlich gleich lang (§§ 195, 199 I BGB). Gleichwohl bleibt der Einwendungsdurchgriff in derartigen Fällen von Bedeutung, da der Beginn der jeweiligen Verjährungsfrist an unterschiedliche Zeitpunkte anknüpft (vgl. dazu etwa Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 359 Rn. 3; MünchKomm-BGB/Habersack, 6. Aufl. [2012], § 359 Rn. 42; NK-BGB/Ring, a. a. O., § 359 Rn. 8).
Da – wie dargelegt – der Kaufvertrag über den Pkw … mit dem am 21.03.2003 zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensvertrag ein verbundenes Geschäft i. S. des § 358 III BGB bildet, kann der Beklagte der Klägerin gemäß § 359 Satz 1 BGB daher entgegenhalten, dass bei einem normalen Teilzahlungskauf der gesamte noch streitige Zahlungsanspruch bereits verjährt wäre.
Der Zahlungsanspruch wäre hier grundsätzlich mit Ablauf des 31.12.2007 verjährt gewesen (§§ 195, 199 I BGB). Allerdings war die Verjährung zeitweise gehemmt, da zwischen den Parteien einige Monate lang Verhandlungen i. S. des § 203 BGB über den Anspruch der Klägerin schwebten. Für den Begriff der Verhandlung i. S. des § 203 BGB reicht nämlich jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächliche Grundlage aus, wenn nicht sofort und eindeutig die Verhandlung abgelehnt wird (s. etwa BGH, Urt. v. 26.09.2006 – VI ZR 124/05, juris Rn. 5; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl. [2013], § 203 Rn. 2). Im vorliegenden Fall haben Verhandlungen in diesem Sinne zwischen den Parteien im Zeitraum zwischen dem 08.07.2005 und dem 07.10.2005 stattgefunden. Sodann sind die Verhandlungen zwischen den Parteien eingeschlafen. In einem derartigen Fall enden die Verhandlungen in jenem Zeitpunkt, in dem nach Treu und Glauben eine Äußerung der anderen Seite spätestens zu erwarten gewesen wäre. Dabei ist es unerheblich, welche Seite sich nun verschweigt (vgl. Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 203 Rn. 13). Hier wäre mit Blick auf die Fristsetzung in dem Schreiben der Klägerin vom 07.10.2005 spätestens am 19.10.2005 eine Äußerung vonseiten des Beklagten zu erwarten gewesen, sodass mit Ablauf dieses Tages die Verhandlungen i. S. des § 203 BGB ein Ende gefunden haben. Damit war der Zahlungsanspruch mit Ablauf des 12.04.2008 verjährt, sodass der Eingang des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids … am 17.04.2009 keine Hemmung der Verjährung mehr herbeiführen konnte.
Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin auch keinen durchsetzbaren Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren. …
Die Revision ist nicht zuzulassen.
Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 543 II 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Sache eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 04.11.2008 – 1 BvR 2587/06, NJW 2009, 572, 573; BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 27.05.2010 – 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010, 1235, 1236; BVerfG [3. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 29.09.2010 – 1 BvR 2649/06, BVerfGK 18, 105 = juris Rn. 28; BGH, Beschl. v. 04.07.2002 – V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 223 = NJW 2002, 3029; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl. [2013], § 543 Rn. 5; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl. [2012], § 543 Rn. 11; BeckOK-ZPO/Kessal-Wulf, Stand: 01.04.2013, § 543 Rn. 19). Klärungsbedürftig sind dabei solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 19.07.2007 – 1 BvR 650/03, BVerfGK 11, 420 = NJW-RR 2008, 26, 29; Beschl. v. 27.05.2010 – 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010, 1235, 1236; Zöller/Heßler, a. a. O., § 543 Rn. 11). Hat der BGH eine Rechtsfrage bereits geklärt, kann sich weiterer Klärungsbedarf ergeben, wenn nicht nur einzelne Instanzgerichte oder Literaturstimmen der Auffassung des BGH (weiterhin) widersprechen oder wenn neue Argumente ins Feld geführt werden, die den BGH zu einer Überprüfung seiner Auffassung veranlassen könnten (vgl. BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 04.11.2008 – 1 BvR 2587/06, NJW 2009, 572, 573; BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 27.05.2010 – 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010, 1235; Musielak/Ball, a. a. O., § 543 Rn. 5a).
Nach diesen Maßstäben wirft die Sache keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage nicht an, ob der Einzelrichter im Berufungsverfahren die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zulassen kann (diese Frage grundsätzlich bejahend BGH, Urt. v. 16.07.2003 – VIII ZR 286/02, NJW 2003, 2900, 2901).
Die Zulassung der Revision ist im vorliegenden Fall auch nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§ 543 II 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des BGH, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschl. v. 04.07.2002 – V ZR 75/02, NJW 2002, 2957; Beschl. v. 27.03.2003 – V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292 f. = NJW 2003, 1943, 1945; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. [2013], § 543 Rn. 4b; BeckOK-ZPO/Kessal-Wulf, a. a. O., § 543 Rn. 26).
Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des BGH findet im vorliegenden Fall gerade nicht statt. Der Senat weicht auch nicht von dem in dem Anwaltsschriftsatz der Klägerin vom 13.06.2013 herangezogenen Urteil des XI. Zivilsenats des BGH in dem Verfahren XI ZR 201/09 (NJW 2011, 1870) ab. Dieser Entscheidung lagen keine verbundenen Verträge i. S. des § 358 III BGB zugrunde. Der XI. Zivilsenat des BGH musste sich daher in dieser Entscheidung nicht mit der hier vorliegenden Fallkonstellation eines Einwendungsdurchgriffs befassen.