- Die Angabe „Bezahlung und Abholung innerhalb von sieben Tagen“ in einem Angebot innerhalb einer Internetauktion genügt weder für die Annahme eines relativen Fixgeschäfts i. S. von § 323 II Nr. 2 BGB noch einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung i. S. von § 158 BGB.
- Der nicht belieferte Käufer kann seinen Schaden gemäß §§ 280, 281 BGB auf der Grundlage eines konkreten Deckungsgeschäfts berechnen. Dies gilt aber nicht, wenn er durch ein Deckungsgeschäft keinen gleichwertigen Kaufgegenstand erwirbt; denn ansonsten könnte der Käufer aus der Pflichtverletzung des Verkäufers einen unberechtigten Vorteil ziehen.
OLG Stuttgart, Urteil vom 25.11.2011 – 3 U 173/11
Sachverhalt: Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Pkw-Kaufvertrags.
Der Beklagte bot auf der Internetplattform X im Dezember 2010 seinen gebrauchten Mercedes Pagode 230 SL Automatic (Baujahr 1967, 150 PS/110 kW) zum Verkauf an. In dem in das Internet eingestellten Angebot heißt es unter anderem:
„… H-Gutachten vorhanden, TÜV wird neu gemacht.
An alle Spaßanbieter: Bei Nichtabnahme werden 20 % vom Auktionsergebnis sofort zur Zahlung fällig. Gerichtsstand ist Stuttgart.
Reiner Privatverkauf – keine Gewährleistung – Bezahlung und Abholung innerhalb 7 Tagen“.
Am 26.12.2010 wurde das Verkaufsangebot des Beklagten von einem Bieter, der im Internet unter dem Namen J aufgetreten ist, zu einem Kaufpreis von 23.000 € angenommen.
Nachdem der Kläger dem Beklagten am 27.12.2010 per E-Mail mitgeteilt hatte, dass eine Abholung des Pkw erst in der dritten Kalenderwoche 2011 möglich sei, verwies der Beklagte auf sein Angebot, wonach der Pkw innerhalb von sieben Tagen abgeholt und der Kaufpreis innerhalb dieser Frist bar gezahlt werden solle, und teilte mit, er sei ab dem 04.01.2011 wieder geschäftlich im Ausland. Außerdem ist in der Antwort des Beklagten vom 28.12.2010 unter anderem zu lesen: „Es wäre ganz toll, wenn Sie es vorher irgendwie hinbekommen“.
Am 03.01.2011 erklärte der Beklagte gegenüber dem Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit Schreiben vom 25.01.2011 setzte der Kläger dem Beklagten eine Frist bis zum 18.02.2011 zur Übergabe des Fahrzeuges Zug um Zug gegen Zahlung von 23.000 €.
Der Kläger hat den Beklagten auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags in Anspruch genommen und behauptet, er habe am 18.02.2011 einen Pkw Mercedes Pagode 280 SL (Erstzulassung 1968, Schaltgetriebe) zum Kaufpreis von 29.700 € erworben. Er meint, der Beklagte sei zur Erstattung des Differenzbetrags in Höhe von 6.700 € nebst Zinsen verpflichtet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und gemeint, es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger gegenüber dem Beklagten tatsächlich als Käufer aufgetreten sei. Denn dem Kläger stehe jedenfalls kein Schadensersatzanspruch zu. Der Kaufvertrag habe unter der Bedingung (§ 158 BGB) gestanden, dass das Fahrzeug innerhalb von sieben Tagen vom Käufer abgeholt und bezahlt werde. Da der Kläger das Fahrzeug weder innerhalb der gesetzten Frist abgeholt noch den Kaufpreis gezahlt habe, sei die Bedingung für den Kaufvertragsabschluss nicht eingetreten. Ob das vom Kläger neu angeschaffte Fahrzeug einen gleichwertigen Deckungskauf darstelle, könne offenbleiben.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags gemäß §§ 433, 280, 281, 249 BGB steht dem Kläger nicht zur Seite. Dieser ist zwar Vertragspartner des Beklagten geworden (1.). Zudem liegt weder ein relatives Fixgeschäft vor (2.) noch eine rechtsgeschäftliche Bedingung, von der die Rechtwirksamkeit des Kaufvertrags abhängig war (3.). Jedoch fehlt es an der Gleichwertigkeit des vom Kläger getätigten Deckungskaufs mit der Folge, dass der vom Kläger vorgenommene Kauf nicht Grundlage für eine Ersatzpflicht des Beklagten sein kann (4.).
1. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Es unterliegt keinen vernünftigen Zweifeln, dass der Kläger Inhaber des X-Accounts mit dem Namen J ist. Wäre er nicht der Inhaber dieses Accounts, wäre er nicht dazu in der Lage gewesen, die Vertragsunterlagen und den gewechselten E-Mail-Schriftverkehr zu den Akten zu reichen. Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Kläger die X-Rechnung vom 15.12.2010 vorgelegt hat, aus der sich sein Mitgliedsname J ergibt.
2. Nach dem Inhalt des Angebots des Beklagten wurde zwischen den Parteien kein relatives Fixgeschäft i. S. von § 323 II Nr. 2 BGB vereinbart.
a) Für ein relatives Fixgeschäft im Sinne dieser Vorschrift genügt nicht, dass die Leistungszeit bestimmt ist (BGH, NJW 2001, 2878). Der Gläubiger muss im Vertrag vielmehr den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden haben. Die Einhaltung der Leistungszeit muss nach dem Parteiwillen derart wesentlich sein, dass mit der zeitgerechten Leistung das Geschäft stehen und fallen soll (BGHZ 110, 96; BGH, NJW-RR 1989, 1373). Auf einen solchen Willen können Klauseln wie „fix“, „genau“, „präzis“, „prompt“ oder „spätestens“ in Verbindung mit einer bestimmten Leistungszeit hindeuten (BGH, DB 1983, 385; OLG München, DB 1975, 1789; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl. [2011], § 323 Rn. 20). Verbleiben nach der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls Zweifel an der genauen Willensrichtung der Parteien, ist davon auszugehen, dass kein Fixgeschäft vorliegt (BGH, DB 1983, 385; BeckOK-BGB/Grothe, Stand: 01.02.2007, § 323 Rn. 23).
Bei einem relativen Fixgeschäft ist der Vertragspartner berechtigt, ohne Setzung einer Nachfrist nach Ablauf der vereinbarten Leistungsfrist vom Kaufvertrag zurückzutreten.
b) Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist im vorliegend Fall ein relatives Fixgeschäft zu verneinen. Denn die im Angebot des Beklagten enthaltene Formulierung „Bezahlung und Abholung innerhalb 7 Tagen“ ist nach dem Empfängerhorizont nicht dahin zu verstehen, dass das Geschäft mit einer zeitgerechten Abholung und Bezahlung stehen und fallen sollte (§§ 133, 157 BGB). Das Angebot enthält insoweit lediglich eine kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit, was nach der zitierten Rechtsprechung gerade nicht ausreichend ist. Der zitierte Passus aus dem Angebot ist nicht anders zu beurteilen, wie wenn der Beklagte in sein Angebot aufgenommen hätte, dass der Wagen bis zum 03.01.2011 zu bezahlen und abzuholen sei. Es fehlt neben dem Leistungszeitpunkt ein Zusatz, aus dem sich klar ergibt, dass es dem Beklagten auf die Einhaltung dieser Frist ganz maßgeblich ankommt. Insbesondere hat der Beklagte nicht deutlich gemacht, dass die Abholung und Bezahlung spätestens bis 03.01.2011 zu erfolgen hat oder nur innerhalb von sieben Tagen erfolgen kann. Jedenfalls verbleiben Zweifel an einem entsprechenden Willen des Beklagten, die einer Auslegung als relatives Fixgeschäft entgegenstehen.
Für eine andere Interpretation kann der Inhalt der im Sachverhalt wiedergegebenen E-Mail des Beklagten vom 28.12.2011 nicht herangezogen werden. Zum einen ließ sich für den Kläger daraus nicht zweifelsfrei ableiten, dass der Beklagte das Geschäft zwingend noch vor seiner Auslandsreise abwickeln wollte. Zum anderen ist diese E-Mail dem Kläger erst nach dem Vertragsschluss zugegangen, sodass dadurch die getroffenen Abmachungen einseitig nicht mehr geändert werden konnten.
Für die Auslegung des Angebots unergiebig ist der Umstand, dass das Fahrzeug mit Sommerreifen ausgestattet war. Denn eine Abholung hätte auch auf einem Anhänger erfolgen können. Gleiches gilt für die noch notwendige TÜV-Untersuchung durch den Verkäufer. Diese Untersuchung konnte ohne Weiteres innerhalb der Abholungsfrist bewerkstelligt werden und ist tatsächlich auch am 28.12.2010 erfolgt.
3. Bei dieser Sach- und Rechtslage bleibt für die Annahme einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung i. S. von § 158 BGB entgegen der Ansicht des Landgerichts kein Raum.
Soweit es um die Einhaltung von Leistungsfristen und die Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen wegen Nichteinhaltung solcher Fristen geht, steht es den Parteien frei, ein absolutes oder relatives Fixgeschäft zu vereinbaren. Wird ein solches Geschäft vereinbart, besteht für die Rechtsfigur einer Bedingung keinerlei Bedürfnis, weil die Rechtsfolgen im Falle einer Nichteinhaltung der gesetzten Frist gleich sind wie beim Eintritt einer auflösenden oder aufschiebenden Bedingung. Ist ein Fixgeschäft von den Parteien nicht gewollt, deutet bereits dieser Umstand darauf hin, dass der Vertrag insoweit bedingungslos geschlossen worden ist.
Im vorliegenden Fall lassen die gleichen Gesichtspunkte, die gegen ein relatives Fixgeschäft sprechen, darauf schließen, dass die Rechtsgültigkeit des Vertrags nicht von der Einhaltung der gesetzten Lieferfrist abhängig war. Denn für den Kläger war eben gerade nicht eindeutig zu erkennen, dass der Beklagte an das Geschäft bei einer Versäumung der 7-Tage-Frist nicht mehr gebunden sein wollte.
4. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers entfällt aber deshalb, weil er keinen gleichwertigen Deckungskauf getätigt hat.
a) Der nicht belieferte Käufer kann nach herrschender Meinung seinen Schaden gemäß §§ 280, 281 BGB auf der Grundlage eines konkreten Deckungsgeschäfts berechnen (BGH, NJW 1998, 2903; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 281 Rn. 26; MünchKomm-BGB/Westermann, 5. Aufl. [2008], § 437 Rn. 34). Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn er durch ein Deckungsgeschäft einen gleichwertigen Kaufgegenstand erwirbt, weil ansonsten der Käufer in der Lage wäre, aus der Pflichtverletzung des Verkäufers einen unberechtigten Vorteil zu ziehen.
b) Hier liegt kein gleichwertiges Deckungsgeschäft vor.
Der Beklagte hat einen Pkw Mercedes 230 SL Pagode, Baujahr 1967, mit Automatikgetriebe angeboten … Das Fahrzeug verfügt über eine Leistung von 150 PS (110 kW) und laut Angebot über eine erstklassige Funktion. Der Kaufpreis betrug 23.000 €. Demgegenüber hat der Kläger als Deckungskauf einen Pkw Mercedes 280 SL Pagode erworben, der erstmals 1968 zugelassen war (lt. Protokoll vom 29.07.2001 am 14.12.1968, lt. Kaufvertrag vom 18.02.2011 am 15.01.1968), und der eine Leistung von 170 PS (125 kW) sowie ein Schaltgetriebe aufweist. Das Ersatzfahrzeug kostete den Kläger 29.700 €. Der Tachostand lag bei 98.500 km.
Auf die fehlende Gleichwertigkeit deutet bereits der starke Preisunterschied hin. Es kommt hinzu, dass sich die Fahrzeuge auch in ihrer Leistung und in ihrem Erscheinungsbild unterscheiden. Es ist gerichtsbekannt, dass insbesondere bei den Scheinwerfern und den Armaturen beider Fahrzeuge markante Unterschiede bestehen. Die Getriebeart ist ebenfalls nicht identisch. Es liegt auf der Hand, dass sich insbesondere die Unterschiede in der Leistung und im Getriebetyp erheblich auf das Fahrverhalten des Fahrzeugs auswirken. Nach den im Internet abrufbaren Marktpreis-Richtwerten nach Classic-Data und Olditax weichen die Marktpreise eines 280 SL darüber hinaus von denjenigen eines 230 SL stets um einige tausend Euro ab, ganz unabhängig vom Erhaltungszustand.
Außerdem ist die Laufleistung des 280 SL bekannt, während die Laufleistung des 230 SL vom Beklagten nicht näher mitgeteilt werden konnte …
Im Ergebnis bestehen aus diesen Gründen bereits grundsätzliche Bedenken dagegen, einen 280 SL mit einem 230 SL gleichzusetzen. Jedenfalls der vom Kläger erworbene 280 SL ist mit dem vom Beklagten angebotenen 230 SL nicht gleichwertig. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der Kläger nicht anderweitig einen Mercedes 230 SL erworben hat, obwohl solche Fahrzeuge verschiedentlich im Internet und auch sonst auf dem Markt angeboten werden. Es bestand selbst nach dem Vorbringen des Klägers keinerlei Notwendigkeit, auf einen 280 SL auszuweichen. Dann ist es aber auch nicht gerechtfertigt, vom Beklagten den Differenzbetrag zu einem 230 SL zu liquidieren.
Die Frage, ob ein gleichwertiger Deckungskauf gegeben ist, kann hier ausnahmsweise ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens vom Senat entscheiden werden. Dabei handelt es sich in erster Linie um eine Rechtsfrage. Im Übrigen liegen in tatsächlicher Hinsicht zur Beurteilung der Gleichwertigkeit beider Fahrzeuge im hier zu entscheidenden Einzelfall zahlreiche objektive und wertbildende Bemessungsfaktoren vor, die als solche unstreitig sind und die auch ohne Beratung durch einen Gutachter eine ausreichende Entscheidungsgrundlage bilden.
5. Da der Kläger ausdrücklich einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280, 281 BGB (in Form des großen Schadensersatzes) geltend gemacht und nicht – auch nicht hilfsweise – Erfüllung verlangt hat, kann offenbleiben, ob dem Kläger jetzt noch ein Anspruch auf Erfüllung zusteht, was wegen § 281 IV BGB fraglich erscheint (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 281 Rn. 50) …