1. Fahr­zeu­ge, de­ren La­de­flä­che die der Per­so­nen­be­för­de­rung die­nen­de Flä­che über­steigt, sind hin­sicht­lich der Kraft­fahr­zeug­steu­er grund­sätz­lich als Lkw zu qua­li­fi­zie­ren.
  2. Zur La­de­flä­che zählt auch der hin­te­re Teil der Dop­pel­ka­bi­ne ei­nes Pick-up, wenn das Fahr­zeug le­dig­lich über zwei zu­ge­las­se­ne Sitz­plät­ze (ein­schließ­lich des Fah­rer­sit­zes) ver­fügt und der hin­te­re Ka­bi­nen­teil aus­schließ­lich für den Gü­ter­trans­port ge­nutzt wer­den kann. Dar­an än­dert sich nichts, wenn sich zwi­schen den Sit­zen und dem hin­te­ren Teil der Dop­pel­ka­bi­ne kei­ne fes­te Trenn­wand be­fin­det und die hin­te­ren Sei­ten­fens­ter nicht ver­blecht sind.

FG Sach­sen-An­halt, Ur­teil vom 14.09.2011 – 2 K 786/09

Sach­ver­halt: Die Be­tei­lig­ten strei­ten dar­über, ob ein Fahr­zeug des Typs Mi­tsu­bi­shi L200 mit Dop­pel­ka­bi­ne und of­fe­ner La­de­flä­che steu­er­lich als Pkw oder als Lkw ein­zu­ord­nen ist.

Der Klä­ger ist seit dem 28.06.2005 Hal­ter ei­nes sol­chen Fahr­zeugs. Des­sen zu­läs­si­ges Ge­samt­ge­wicht be­trägt 2.830 kg. Das Fahr­zeug be­sitzt aus­weis­lich der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil I le­dig­lich zwei Sitz­plät­ze ein­schließ­lich des Fah­rer­sit­zes. Wie den vom Klä­ger vor­ge­leg­ten Fo­tos des Fahr­zeugs zu ent­neh­men ist, sind die Sei­ten­fens­ter des hin­te­ren Teils der Dop­pel­ka­bi­ne nicht ver­blecht. Au­ßer­dem be­fin­det sich zwi­schen den bei­den Sit­zen des Fahr­zeugs und dem hin­te­ren Teil der Dop­pel­ka­bi­ne kei­ne fes­te Trenn­wand, son­dern le­dig­lich ei­ne Ab­tren­nung in Form ei­nes Net­zes. Die zu­läs­si­ge Zu­la­dung des Fahr­zeugs be­trägt höchs­tens 1.005 kg; die zu­läs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit be­trägt 142 km/h.

Un­ter Zu­grun­de­le­gung der Fahr­zeugart Pkw hat der Be­klag­te – das Fi­nanz­amt – das Fahr­zeug mit Be­scheid vom 09.08.2005 für die Zeit ab 28.06.2005 ei­ner Kraft­fahr­zeug­steu­er in Hö­he von jähr­lich 683 € un­ter­wor­fen. Zur Be­grün­dung der da­ge­gen er­ho­be­nen Kla­ge trägt der Klä­ger vor, dass sein Fahr­zeug un­ter Be­rück­sich­ti­gung al­ler re­le­van­ten Um­stän­de als Lkw ein­zu­stu­fen sei. Ins­be­son­de­re über­stei­ge die der Las­ten­be­för­de­rung die­nen­de Flä­che des Fahr­zeugs – zu der auch der hin­te­re Teil der Dop­pel­ka­bi­ne zu rech­nen sei – er­heb­lich die der Per­so­nen­be­för­de­rung die­nen­de Flä­che. Da­mit ma­che die der Las­ten­be­för­de­rung die­nen­de Flä­che fast zwei Drit­tel der ge­sam­ten Grund­flä­che des Fahr­zeugs aus (3,45 m² von ins­ge­samt 5,27 m²). Der zur Per­so­nen­be­för­de­rung die­nen­de vor­de­re Teil der Dop­pel­ka­bi­ne sei von dem zur Las­ten­be­för­de­rung die­nen­den hin­te­ren Teil der Dop­pel­ka­bi­ne durch ein durch­ge­hen­des, fest ein­ge­bau­tes Fang­netz dau­er­haft ab­ge­trennt.

Die Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: Zu Un­recht ist das Fi­nanz­amt da­von aus­ge­gan­gen, dass es sich bei dem Fahr­zeug des Klä­gers um ei­nen Per­so­nen­kraft­wa­gen i. S. von § 8 Nr. 1 Kraft­StG han­delt, für wel­ches sich die Steu­er nach § 9 I Nr. 2 Kraft­StG be­misst. Viel­mehr han­delt es sich bei dem Fahr­zeug des Klä­gers um ein „an­de­res Fahr­zeug“ mit ei­nem ver­kehrs­recht­lich zu­läs­si­gen Ge­samt­ge­wicht von höchs­tens 3.500 kg gem. § 8 Nr. 2 KraftfStG, für wel­ches sich die Steu­er nach § 9 I Nr. 3 Kraft­StG be­misst. Im Ein­zel­nen:

Die Un­ter­schei­dung zwi­schen Pkw und an­de­ren Fahr­zeu­gen – zu de­nen ins­be­son­de­re Lkw zäh­len – ist nach der Recht­spre­chung des BFH, der der Se­nat folgt, an­hand der Bau­art und der Aus­stat­tung und Eig­nung des Fahr­zeugs zur Per­so­nen­be­för­de­rung bzw. zur Las­ten­be­för­de­rung vor­zu­neh­men (BFH, Urt. v. 26.08.1997 – VII B 103/97, BFH/NV 1998, 87; Urt. v. 26.06.1997 – VII R 12/97, BFH/NV 1997, 810). Da­bei ist die ob­jek­ti­ve Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs un­ter Be­rück­sich­ti­gung al­ler Merk­ma­le in ih­rer Ge­samt­heit vom Tat­sa­chen­ge­richt zu be­wer­ten; zu be­rück­sich­ti­gen sind z. B. die Zahl der Sitz­plät­ze, die er­reich­ba­re Höchst­ge­schwin­dig­keit, die Grö­ße der La­de­flä­che, die Aus­stat­tung des Fonds mit Sit­zen und Si­cher­heits­gur­ten oder für de­ren Ein­bau ge­eig­ne­ten Be­fes­ti­gungs­punk­ten, das Fahr­ge­stell, die Mo­to­ri­sie­rung und die Ge­stal­tung der Ka­ros­se­rie (BFH, Urt. v. 01.10.2008 – II R 63/07, BSt­Bl. II 2009, 20).

Zu den Merk­ma­len, de­nen nach der Recht­spre­chung des BFH bei der Zu­ord­nung ei­nes Fahr­zeugs zur Fahr­zeugart Pkw bzw. Lkw be­son­de­res Ge­wicht bei­zu­mes­sen ist, ge­hö­ren die Grö­ße der La­de­flä­che des Fahr­zeugs und die ver­kehrs­recht­lich zu­läs­si­ge Zu­la­dung, weil die­se Merk­ma­le von be­son­de­rer Be­deu­tung da­für sind, ob die Mög­lich­keit ei­ner Be­nut­zung des Fahr­zeugs zur Las­ten­be­för­de­rung ge­gen­über sei­ner Eig­nung zur Per­so­nen­be­för­de­rung Vor­rang hat. So­mit kommt der Grö­ße der La­de­flä­che bzw. ih­rem Ver­hält­nis zu dem der Per­so­nen­be­för­de­rung die­nen­den In­nen­raum des Fahr­zeugs zwar kei­ne al­lein ent­schei­den­de, aber doch ei­ne we­sent­li­che Be­deu­tung zu (BFH, Urt. v. 01.08.2000 – VII R 26/99, BSt­Bl. II 2001, 72). In die­sem Zu­sam­men­hang ist es im In­ter­es­se prak­ti­ka­bler Zu­ord­nungs­maß­stä­be und der um der Rechts­si­cher­heit wil­len ge­for­der­ten Vor­her­seh­bar­keit kraft­fahr­zeug­steu­er­recht­li­cher Zu­ord­nun­gen ge­recht­fer­tigt, ty­pi­sie­rend da­von aus­zu­ge­hen, dass Fahr­zeu­ge nicht vor­wie­gend der Las­ten­be­för­de­rung zu die­nen ge­eig­net und be­stimmt sind, wenn ih­re La­de­flä­che oder ihr La­de­raum nicht mehr als die Hälf­te der ge­sam­ten Nutz­flä­che aus­macht (BFH, Urt. v. 01.08.2000 – VII R 26/99, BSt­Bl. II 2001, 72).

Die­se Recht­spre­chung hat der BFH in sei­nem Ur­teil vom 08.02.2001 – VII R 73/00, BSt­Bl. II 2001, 368 – fort­ge­führt und dar­ge­legt, die­ser Maß­stab gel­te auch bei den oft­mals als Pick-up be­zeich­ne­ten Fahr­zeu­gen mit of­fe­ner La­de­flä­che und ge­schlos­se­ner, der Per­so­nen­be­för­de­rung die­nen­den Ka­bi­ne. Auch bei der­ar­ti­gen Fahr­zeu­gen sei ei­ne Ein­ord­nung als Lkw grund­sätz­lich nur dann ge­recht­fer­tigt, wenn die La­de­flä­che die zur Per­so­nen­be­för­de­rung die­nen­de Bo­den­flä­che über­tref­fe. Denn nur dann sei im All­ge­mei­nen die An­nah­me ge­recht­fer­tigt, das Fahr­zeug sei (zu­min­dest über­wie­gend) für die Gü­ter­be­för­de­rung kon­zi­piert.

Vor dem Hin­ter­grund die­ser Recht­spre­chung ist der Se­nat der Auf­fas­sung, dass Fahr­zeu­ge, de­ren der Las­ten­be­för­de­rung die­nen­de Flä­che die der Per­so­nen­be­för­de­rung die­nen­de Flä­che über­trifft, grund­sätz­lich als Lkw zu qua­li­fi­zie­ren sind. Denn der Um­stand, dass die La­de­flä­che die der Per­so­nen­be­för­de­rung die­nen­de Flä­che über­steigt, führt zu dem Schluss, dass das Fahr­zeug über­wie­gend ge­ra­de zum Gü­ter­trans­port be­stimmt und ge­eig­net ist. Für die­se Schluss­fol­ge­rung spricht im Üb­ri­gen auch die Vor­schrift des § 2 IIa 3 Kraft­StG. Nach die­ser Vor­schrift gel­ten die dort er­wähn­ten Fahr­zeu­ge dann als Pkw, wenn sie vor­ran­gig zur Per­so­nen­be­för­de­rung aus­ge­legt und ge­baut sind. Letz­te­res ist nach der zi­tier­ten Vor­schrift ins­be­son­de­re dann der Fall, wenn die zur Per­so­nen­be­för­de­rung die­nen­de Bo­den­flä­che grö­ßer ist als die Hälf­te der ge­sam­ten Nutz­flä­che des Fahr­zeugs.

Im Streit­fall macht der La­de­raum mehr als die Hälf­te der ge­sam­ten Nutz­flä­che des Fahr­zeugs aus, so dass da­von aus­zu­ge­hen ist, dass das Fahr­zeug des Klä­gers über­wie­gend der Las­ten­be­för­de­rung dient und da­mit als Lkw ein­zu­stu­fen ist. Die der Las­ten­be­för­de­rung die­nen­de Flä­che des Fahr­zeugs macht näm­lich fast zwei Drit­tel der ge­sam­ten Grund­flä­che des Fahr­zeugs aus (3,45 m² von ins­ge­samt 5,27 m²). Da­bei geht der Se­nat da­von aus, dass nicht nur die of­fe­ne La­de­flä­che, son­dern in glei­cher Wei­se der hin­te­re Teil der Dop­pel­ka­bi­ne des Fahr­zeugs der Las­ten­be­för­de­rung dient. Zu die­sem Er­geb­nis ge­langt der Se­nat, ob­wohl sich zwi­schen dem vor­de­ren und dem hin­te­ren Teil kei­ne fest ein­ge­bau­te Trenn­wand be­fin­det und ob­wohl die hin­te­ren Sei­ten­fens­ter der Fah­rer­ka­bi­ne nicht ver­blecht sind. Aus­schlag­ge­bend war für den Se­nat vor­lie­gend viel­mehr, dass das Fahr­zeug – trotz der Dop­pel­ka­bi­ne – aus­weis­lich der vom Klä­ger vor­ge­leg­ten Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung le­dig­lich über zwei zu­ge­las­se­ne Sitz­plät­ze (ein­schließ­lich des Fah­rer­sit­zes) ver­fügt. Da­mit ist der hin­te­re Teil der Dop­pel­ka­bi­ne of­fen­kun­dig zur Be­för­de­rung von Per­so­nen un­ge­eig­net und – im Ge­gen­schluss – aus­schließ­lich zum Trans­port von Gü­tern nutz­bar. Die im Rah­men ei­ner je­weils er­for­der­li­chen Ge­samt­be­trach­tung zu be­rück­sich­ti­gen­den üb­ri­gen Merk­ma­le des Fahr­zeugs (er­reich­ba­re Höchst­ge­schwin­dig­keit, das Fahr­ge­stell, die Mo­to­ri­sie­rung und die Ge­stal­tung der Ka­ros­se­rie) füh­ren zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis; Glei­ches gilt für die im Ver­hält­nis zu zu­läs­si­gen Ge­samt­ge­wicht des Fahr­zeugs von 2.830 kg nicht un­be­trächt­li­che zu­läs­si­ge Zu­la­dung von 1.005 kg.

Die Steu­er für das Fahr­zeug des Klä­gers war dem­nach gem. § 9 I Nr. 3 Kraft­StG auf jähr­lich (ab­ge­run­det) 172 € her­ab­zu­set­zen …

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