Die gesetzliche Mängelgewährleistung kann grundsätzlich vertraglich ausgeschlossen werden. Eine derartige Vereinbarung ist nur unwirksam, wenn der Ausschluss im Rahmen eines Verkaufsgüterkaufs (§§ 474 ff. BGB) erfolgt. Wirksam ist der Ausschluss jedoch, wenn der Verbraucher den Unternehmer bewusst über seine Verbrauchereigenschaft täuscht und sich wahrheitswidrig als Unternehmer ausgibt.
AG Rudolstadt, Urteil vom 06.01.2011 – 3 C 44/10
Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Mängelbeseitigungskosten aus einem Gebrauchtwagenkaufvertrag in Anspruch. Mit der Widerklage fordert die Beklagte die Erstattung der Anwaltskosten, die sie außergerichtlich für die Abwehr dieses Anspruchs aufgewendet hat.
Der Kläger ist angestellter Elektromeister. Die Beklagte betreibt gewerbsmäßig einen Gebrauchtwagenhandel. Am 26.03.2009 stieß der Kläger auf eine von der Beklagten im Internet veröffentlichte Verkaufsanzeige für einen Pkw. Daraufhin meldete sich der Kläger telefonisch bei der Beklagten, nahm Bezug auf diese Anzeige und fragte den Geschäftsführer der Beklagten: „Was wäre Ihr Händlerpreis?“ Darauf erwiderte der Geschäftsführer, der im Internet angegebene Kaufpreis von 6.490 € würde für Händler nicht reduziert.
Am nächsten Tag besichtigte der Kläger das Auto. Der genaue Inhalt des Verkaufsgesprächs ist streitig. Jedenfalls versuchte der Kläger vergeblich, den Beklagten zu einem weiteren Preisnachlass in Form eines „Händlerrabatts“ zu überreden. Schließlich kaufte der Kläger das Fahrzeug zum ausgewiesenen Preis von 6.490 €. Der Geschäftsführer der Beklagten füllte daraufhin ein Kaufvertragsformular für einen gewerblichen Fahrzeugsverkauf von einem Händler an einen Gebrauchtwagenhändler aus. Unter der Rubrik „Käufer“ wurde angegeben „Firma“ sowie „Firma X“ als Beruf des Beklagten wurde „selbstständig“ angegeben. Außerdem nahm der Geschäftsführer der Beklagten unter der Rubrik „Sonstiges“ die Bemerkung „Händlergeschäft, keine Gewährleistung“ auf. Obwohl der Kläger zumindest diese Angabe gelesen und auch verstanden hatte, dass nach dem Kaufvertrag davon ausgegangen werden sollte, dass beide Parteien als selbstständige Händler zu beiderseits gewerblichen Zwecken das Kaufgeschäft durchführen und in diesem Zusammenhang Gewährleistungsansprüche des Kläger wegen etwa verborgener Mangel ausgeschlossen sein sollten, unterschrieb er dieses Vertragsformular ohne Vorbehalt oder Änderung. Danach zahlte er den Kaufpreis und nahm das Fahrzeug sofort mit.
Mit Schreiben vom 15.07.2009 sowie mit weiterem Schreiben vom 15.07.2009 forderten die Verfahrensbevollmächtigten des Klägers die Beklagte zur Mängelbeseitigung am Pkw auf. Daraufhin meldeten sich unter dem 13.09.2009 die von der Beklagten mandatierten Rechtsanwälte und wiesen die Ansprüche zurück. Für die außergerichtliche Forderungsabwehr sind der Beklagten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 192,90 € netto entstanden.
Der Kläger behauptet, sowohl im Telefongespräch als auch während der Kaufvertragsverhandlungen deutlich darauf hingewiesen zu haben, dass er den Wagen als Privatperson für private Zwecke erwerben wolle. Lediglich für den Fall, dass die Beklagte gegenüber einem Händler zu einem Preisnachlass bereit gewesen wäre, hätte er das Fahrzeug von einem Bekannten, der selbstständiger Kfz-Händler sei, erwerben lassen. Dass er im Verkaufsformular als „Firma X“ und mit der Berufsangabe „selbstständig“ aufgenommen worden sei, habe er vor der Unterschriftleistung nicht wahrgenommen. Er habe aber den Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Zusatz „Händlergeschäft, keine Gewährleistung“ unzutreffend sei, da er als Privatperson aufgetreten sei. Da der Beklagte sich davon aber nicht habe beeindrucken lassen, habe er den Vertrag trotzdem unterzeichnet. Nach Übergabe des Fahrzeuges habe sich gezeigt, dass die Servopumpe sowie das Steuergerät des Pkw defekt seien, die Servolenkung undicht sei und der gesamte Motor einen starken Ölverlust aufweise. Zur Beseitigung dieser Mängel seien Kosten von 2.329,95 € erforderlich.
Die auf Zahlung dieses Betrags gerichtete Klage hatte keinen Erfolg, während die auf Zahlung von 192,90 € gerichtete Widerklage erfolgreich war.
Aus den Gründen: I. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme stehen dem Kläger gegen die Beklagte keine Gewährleistungsansprüche aus dem streitgegenständlichen Kaufvertrag nach §§ 433 I 2, 434 I, 437 Nr. 3 Fall 1, 440, 280, 281, 283, 311a BGB, das heißt insbesondere keine Ansprüche auf Zahlung der nach seiner Darstellung erforderlichen Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 2.329,95 €, zu.
Dabei kann dahinstehen, ob der Pkw tatsächlich die von Klägerseite behaupteten Mängel aufweist, und ob die geltend gemachten Kosten tatsächlich zur Beseitigung dieser Mängel erforderlich sind. Denn nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme muss das Gericht davon ausgehen, dass sich im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen bzw. bei Abschluss des Kaufvertrags beide Parteien darüber erkennbar einig waren, dass der Kläger das Fahrzeug ausschließlich zum Zwecke der gewerblichen Weiterveräußerung und nicht für private Zwecke erwerben sollte, zumindest aber sich der Kläger gegenüber der Beklagten als Händler ausgegeben und zumindest vorgespiegelt hat, das Fahrzeug für rein gewerbliche Zwecke, nämlich zum Zwecke der gewerblichen Weiterveräußerung, erwerben zu wollen.
Grundsätzlich können die Kaufvertragsparteien die gesetzliche Mängelgewährleistung nämlich nach den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443 BGB durch Vereinbarung ausschließen. Dies ist laut schriftlichem, vom Kläger unterzeichneten Vertrag hier geschehen. Danach sollte das Fahrzeug ausdrücklich unter Ausschluss jeglicher Mängelgewahrleistung verkauft werden. Dieser Sinn und Zweck der vertraglichen Vereinbarung war dem Kläger bei Unterzeichnung des Kaufvertrags nach eigener Darstellung auch bewusst.
Eine derartige Vereinbarung ist nur unwirksam, sofern ein Ausschluss dieser Rechte des Käufers im Rahmen eines Verkaufsgüterkaufs nach §§ 474 ff. BGB erfolgt (vgl. § 475 I 1 BGB). Dies gilt jedoch dann nicht, wie der Beklagtenvertreter zu Recht ausgeführt hat, wenn der Verbraucher den Unternehmer bewusst über seine Verbrauchereigenschaft täuscht, sich als Unternehmer ausgibt und wahrheitswidrig vorspiegelt, das Fahrzeug für gewerbliche statt für private Zwecke erwerben zu wollen (BGH, Urt. v. 22.12.2004 – VIII ZR 91/04, NJW 2005, 1045). Zumindest hiervon muss das Gericht allerdings nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ausgehen.
Ob ein Kaufgegenstand zu privaten oder unternehmerischen Zwecken erworben wird, ist nach den äußeren Umständen, dem Auftreten des Käufers und vor allem dem Gegenstand und Inhalt des Kaufvertrags zu ermitteln (OLG Celle, ZGS 2007, 354). Danach ergibt sich hier folgendes Bild: Die eigenhandig unterschriebene Vertragsurkunde weist den Kläger an vier verschiedenen Stellen ausdrücklich als selbstständigen Gewerbetreibenden bzw. Kfz-Händler aus, der zum Zwecke der gewerblichen Wiederveräußerung für seine Firma das streitgegenstandliche Fahrzeug erworben hat. Diese Erklärungen sind – auch nach Darstellung des Klägers, der den Gewährleistungsausschluss auf Grund des festgelegten Händlerkaufs nach eigener Darstellung bemerkt und auch in seinen Konsequenzen, nämlich dem Verlust sämtlicher Gewährleistungsrechte, auch bemerkt hat – ohne jeden Vorbehalt und ohne jede Einschränkung unterschrieben worden. Gemäß § 416 ZPO begründet die Kaufvertragsurkunde damit den vollen Beweis dafür, dass die darin enthaltene Erklärung, der Kläger sei als Händler aufgetreten und habe das Fahrzeug als Händler für gewerbliche Zwecke erwerben wollen, ohne Einschränkung und ohne Vorbehalt abgegeben wurde. Auch der Kläger hat selbst eingeräumt, zumindest bei der ersten Kontaktaufnahme gezielt nach Händlerpreisen und Händlerrabatten gefragt zu haben und dadurch aktiv den Eindruck erweckt zu haben, als Gebrauchtwagenhändler das Fahrzeug kaufen zu wollen. Über den Inhalt und die rechtlichen Folgen einer solchen Erklärung war er sich bewusst.
Den – zivilprozessual zulässigen – Gegenbeweis, dass entgegen der schriftlichen Erklärung mündlich darauf hingewiesen worden sei, dass das Fahrzeug allein zu privaten Zwecken erworben worden sei, und dass insoweit eine bloße Umgehung verbraucherschützender Vorschriften i. S. des § 475 I 2 BGB vorliege, konnte der Kläger nicht erbringen. Zwar hat seine eigene Ehefrau in der ersten Vernehmung seine Darstellung teilweise bestätigt, allerdings kann das Gericht allein durch Kenntnisnahme einer schriftlichen Aussage gegenüber der Vorrichterin die Beweiskraft der hier vorgelegten Privaturkunde angesichts der besonderen Umstände des Falls nicht als erschüttert ansehen. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, die Zeugin, die als Ehefrau des Klägers nicht nur in einem besonderen persönlichen Nähe- und Loyalitätsverhaltnis stand, sondern ggf. auch unmittelbar wirtschaftlich vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens betroffen ist, persönlich zu hören, um sich ein Bild von der Glaubwürdigkeit ihrer Person und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zu machen. Die insoweit beweisbelastete klägerische Partei hat dieses Beweismittel aber im Rahmen ihrer Parteiherrschaft ausdrücklich zurückgezogen. Der gegenbeweislieh genannte Zeuge Z, der zwar als Angestellter im Lager der Beklagten stehen dürfte, und dessen Ausführungen auch insoweit mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten sind (schon weil er nach eigener Darstellung gar nicht während der gesamten Verhandlungen anwesend war), hat tendenziell den sich aus der Vertragsurkunde ergebenden Eindruck eines Händlergeschäfts aufgrund des Auftretens der Parteien bestätigt, aber zumindest nicht widerlegt. Auch die sonstigen feststellbaren Umstände des Kaufs, also insbesondere der in der letzten mündlichen Verhandlung benannte Umstand, dass der Kläger das Fahrzeug sogleich nach der Besichtigung mittels roter Überführungskennzeichen ohne Zulassung mitgenommen hat, sprechen eher für den Anschein eines gewerblichen als eines privaten Kaufs.
Vor diesem Hintergrund muss das Gericht nach der bisherigen Beweislast davon ausgehen, dass der Kläger gegenüber der Beklagten zumindest wie ein Händler aufgetreten ist und dieser zumindest klar zu verstehen gegeben und zum Ausdruck gebracht hat, das Fahrzeug für sein gewerbliche Zwecke, nämlich zum Zwecke der gewerblichen Weiterveräußerung als Gebrauchtwagenhändler, erwerben zu wollen. Nachgewiesene und belastbare Anhaltspunkte für eine nach § 475 I 2 BGB unzulässige Umgehung der unabdingbaren Verbrauchsgüterkaufschutzvorschriften bestehen nicht. Bei derartigen Kaufgeschäften ist der hier vertraglich erfolgte Gewährleistungsausschluss – was dem Kläger jedoch bei Unterschriftleistung auch bekannt war – zulässig. Dem Kläger stehen daher Gewährleistungsrechte gegen die Beklagten nicht zu.
II. Demzufolge besteht auch kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten … Insbesondere befand sich die Beklagte zu keinem Zeitpunkt mit einer Pflicht zur Beseitigung etwaiger Mängel in Verzug.
III. Demgegenüber ist die … Widerklage vollumfänglich begründet.
Denn insoweit hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Kläger mit der anwaltlichen Geltendmachung von Mängelbeseitigungskosten, die auf die Behauptungen gestützt wurden, die von ihm abgegebenen schriftlichen Erklärungen im Kaufvertrag seien teils bewusst unwahr getätigt worden, gegen nachvertragliche Pflichten aus dem Kaufvertragsverhältnis der Parteien verstoßen. Auch soweit nachvertragliche Pflichten bestehen und verletzt werden, gilt § 280 BGB. Danach hat jede Vertragspartei die auch nach Vertragserfüllung im Rahmen des Zumutbaren weiter bestehende Pflicht, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck gefährden könnte, und nichts zu unternehmen, was dem Gläubiger die durch den Vertrag gewährten Vorteile entziehen könnte (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 280 Rn. 7 m. w. Nachw.). Ausweislich der vorgelegten Vertragsurkunde war gerade ein ausdrücklich vertraglich vereinbarter Zweck des Händlerkaufvertrags, die Beklagte als gewerbsmäßigen Händler und Unternehmer aus der strengen gesetzlichen Gewährleistung für ein älteres gebrauchtes Kraftfahrzeug zu entlassen.
Insoweit liegt in der Inanspruchnahme der Beklagten … durch den Kläger … ein schuldhafter Verstoß gegen nachvertragliche Pflichten vor, der gemäß §§ 280 I, 249 ff. BGB den Kläger und Widerbeklagten gegenüber der Beklagten und Widerklägerin einstandspflichtig für die aus dieser Pflichtverletzung kausal resultierenden Schäden werden ließ. Wird jemand als unberechtigter Schuldner mit einer nicht bestehenden Forderung konfrontiert, oder entstehen ihm bei der Abwehr dieser Forderung Kosten, dann kommen als Anspruchsgrundlage für einen Ersatzanspruch regelmäßig culpa in contrahendo, positive Vertragsverletzungen (jetzt §§ 280, 311 BGB) oder deliktische Vorschriften in Betracht (BGH, Urt. v. 12.12.2006 – VI ZR 224/05, juris). Vor diesem Hintergrund ist die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe auch durch einen Gewerbetreibenden zur Abwehr einer nicht unerheblichen, mittels anwaltlichem Beistand von einem vermeintlich anderen Gewerbetreibenden geltend gemachten Forderung hier durchaus adäquat, zumal die Sach- und Rechtslage sich vorliegend durchaus nicht als einfach darstellte. Der Widerbeklagte hat daher der Beklagten und Widerklägerin die angefallenen Anwaltskosten in Höhe von 192,90 € netto als durch seine nachvertragliche Pflichtverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen …