Ein nach­träg­lich mit ei­ner Gas­an­la­ge aus­ge­stat­te­ter Pkw ist nicht des­halb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil er im Gas­be­trieb nicht die glei­che Leis­tung er­bringt wie im Ben­zin­be­trieb.

LG Os­na­brück, Ur­teil vom 27.09.2010 – 2 O 2244/09

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von der Be­klag­ten mit Kauf­ver­trag vom 09.02.2008 ei­nen ge­brauch­ten Opel As­tra H 1.6 Edi­ti­on. In das Fahr­zeug, für das der Klä­ger 17.300 € zahl­te, hat­te die Be­klag­te auf Wunsch des Klä­gers ei­ne Gas­an­la­ge ein­ge­baut.

Im Som­mer 2008 stell­te der Klä­ger fest, dass der Mo­tor des Fahr­zeugs im Stand aus­ging. Die Be­klag­te stell­te dar­auf­hin die Ven­ti­le nach. Im Fe­bru­ar 2009 stell­te der Klä­ger er­neut fest, dass der Mo­tor im Leer­lauf aus­ging und zu­dem un­rund lief. Der Klä­ger brach­te das Fahr­zeug des­halb zu der Be­klag­ten, die den Zy­lin­der­kopf und die Ven­ti­le auf ih­re Kos­ten aus­tausch­te.

Mit Schrei­ben vom 20.07.2009 er­klär­te der Klä­ger den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Er be­haup­tet, dass über die ge­nann­ten Män­gel hin­aus ein spür­ba­rer Leis­tungs­ver­lust fest­zu­stel­len ge­we­sen sei. Im Fe­bru­ar 2009 ha­be ihn die Be­klag­te erst­mals dar­auf hin­ge­wie­sen, dass im Gas­be­trieb – an­ders als im Ben­zin­be­trieb – nicht die vol­le Mo­tor­leis­tung ab­ge­ru­fen wer­den kön­ne. Hier­mit sei er, der Klä­ger, nicht ein­ver­stan­den, weil es ihm beim Kauf des Pkw dar­auf an­ge­kom­men sei, auch im Gas­be­trieb die vom Fahr­zeug­her­stel­ler an­ge­ge­be­ne Höchst­ge­schwin­dig­keit er­zie­len zu kön­nen. Dar­auf ha­be er die Be­klag­te vor Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges auch aus­drück­lich hin­ge­wie­sen.

Die im We­sent­li­chen auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ge­rich­te­te Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger hat kei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges ge­mäß §§ 437 Nr. 2., 323 BGB.

Das vom Klä­ger gel­tend ge­mach­te Rück­tritts­recht ist zwar nicht ver­jährt. Maß­ge­bend ist vor­lie­gend nicht die ein­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist für Ge­braucht­fahr­zeu­ge, son­dern die ge­setz­lich vor­ge­se­he­ne zwei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist für Män­gel­an­sprü­che. Der Klä­ger be­haup­tet die Man­gel­haf­tig­keit der Gas­an­la­ge. Die Gas­an­la­ge wur­de je­doch neu in das ge­brauch­te Fahr­zeug ein­ge­baut, so­dass für et­wai­ge Män­gel der Gas­an­la­ge die zwei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist ge­mäß § 438 I Nr. 3 BGB gilt.

Der An­spruch des Klä­gers schei­tert je­doch dar­an, dass ei­ne Man­gel­haf­tig­keit der Gas­an­la­ge i. S. von § 434 BGB nicht fest­ge­stellt wer­den kann. Ei­ne Ab­wei­chung von der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit ge­mäß § 434 I 1 BGB liegt eben­so we­nig vor wie ei­ne Ab­wei­chung von der nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­ten Ver­wen­dung ge­mäß § 434 I 2 Nr. 1 BGB.

Der Klä­ger konn­te nicht be­wei­sen, dass zwi­schen den Par­tei­en bei Kauf­ver­trags­ab­schluss ver­ein­bart wor­den wä­re, dass die Gas­an­la­ge so be­schaf­fen sei, dass das Fahr­zeug im Gas­be­trieb auch über län­ge­re Stre­cken mit Höchst­ge­schwin­dig­keit ge­fah­ren wer­den kön­ne. Der von ihm be­nann­te Zeu­ge B gab an, dass man bei dem Ver­kaufs­ge­spräch nicht über Ge­schwin­dig­kei­ten ge­re­det hät­te. Es sei auch nicht dar­über ge­spro­chen wor­den, dass das Au­to mit Gas­an­la­ge die ent­spre­chen­de Höchst­ge­schwin­dig­keit oh­ne Wei­te­res und län­ge­re Zeit er­rei­chen müs­se. Es sei auch nicht dar­über ge­spro­chen wor­den, dass der Klä­ger die Stre­cke be­son­ders schnell fah­ren wol­le.

Hier­aus folgt eben­so, dass sich nicht fest­stel­len lässt, dass die Par­tei­en ei­ne be­stimm­te Ver­wen­dung des Fahr­zeugs bzw. der Gas­an­la­ge ver­ein­bart hät­ten. Dass Au­to­bahn­fahr­ten mit dem Fahr­zeug im Gas­be­trieb grund­sätz­lich nicht mög­lich sind – was ge­ge­be­nen­falls ei­nen Man­gel i. S. von § 434 I 2 Nr. 1 BGB dar­stel­len könn­te –, ließ sich an­hand der Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen nicht fest­stel­len.

Der Sach­ver­stän­di­ge führt in sei­nem Gut­ach­ten vom 02.07.2010 zwar aus, dass von Werk­stät­ten oft die – in­of­fi­zi­el­le – An­ga­be ge­macht wer­de, dass kei­ne Dau­er­dreh­zahl ober­halb von 4.000 U/min. ge­fah­ren wer­den sol­le, um er­höh­ten Ver­schleiß zu ver­mei­den. Er kommt je­doch auch zu dem Er­geb­nis, dass bei ei­ner Ge­schwin­dig­keit von ca. 140 km/h der Hoch­dreh­zahl­be­reich noch nicht er­reicht sei, son­dern ei­ne Dreh­zahl von 4.000 U/min. Dar­aus folgt je­doch, dass ei­ne Dreh­zahl von 4.000 U/min. und da­mit ei­ne Ge­schwin­dig­keit von 140 km/h mög­lich sind.

Es liegt auch kein Man­gel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB vor. Es lässt sich nicht fest­stel­len, dass sich das mit der Gas­an­la­ge aus­ge­stat­te­te Fahr­zeug … nicht für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit nicht auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann.

Zur Be­ant­wor­tung der Fra­ge, ob ei­ne Sa­che sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net, ist ab­zu­stel­len auf „Sa­chen der glei­chen Art“, al­so auf Fahr­zeu­ge, die nach­träg­lich mit ei­ner Gas­an­la­ge aus­ge­rüs­tet wur­den.

Nach Durch­füh­rung der Be­weis­auf­nah­me und Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens steht zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest, dass die vom Klä­ger be­män­gel­te feh­len­de vol­le Leis­tungs­ka­pa­zi­tät des Fahr­zeugs im Gas­be­trieb kei­nen Man­gel im Sin­ne ei­ner Ab­wei­chung der Ist- von der Soll-Be­schaf­fen­heit dar­stellt. Der Sach­ver­stän­di­ge Dipl.-Ing. G hat in sei­nem Gut­ach­ten aus­ge­führt, dass es kein spe­zi­el­les Pro­blem beim Fahr­zeug des Klä­gers dar­stel­le, dass im Gas­be­trieb ei­ne Leis­tungs­re­du­zie­rung fest­zu­stel­len sei. Viel­mehr han­de­le es sich hier­bei um den all­ge­mei­nen Stand. Im Gas­be­trieb er­reich­ten die Mo­to­ren in der Re­gel nicht die glei­che Leis­tung wie im Ben­zin­be­trieb.

Das Glei­che gel­te für die hö­he­re Ver­schleiß­an­fäl­lig­keit des Zy­lin­der­kop­fes im Gas­be­trieb. Auch hier­bei han­de­le es sich um ei­ne ge­ne­rel­le Ei­gen­schaft von Gas­an­la­gen. Der Sach­ver­stän­di­ge führt aus, dass bei Fahr­zeu­gen, die nach­träg­lich auf Gas­be­trieb um­ge­rüs­tet wer­den, der Ven­til­trieb ein Pro­blem sein kön­ne. Ot­to­kraft­stoff ha­be die Be­son­der­heit ei­nes ge­wis­sen Selbst­schmie­rungs­ef­fekts. Dies schüt­ze ins­be­son­de­re die im Zy­lin­der­kopf ein­ge­las­se­nen Ven­til­sitz­rin­ge. Die Fest­stoff­schmie­rung des Ot­to­kraft­stof­fes ver­hin­de­re, ins­be­son­de­re bei hö­he­ren Mo­tor­dreh­zah­len, den Ver­schleiß der Ven­til­sitz­rin­ge. Der Ot­to­kraft­stoff ha­be ei­ne Art dämp­fen­de Wir­kung beim Auf­tref­fen des Ven­til­tel­lers auf den Ven­til­sitz­ring. Die­se Be­stand­tei­le sei­en im Flüs­sig­gas nicht ent­hal­ten. Flüs­sig­gas ha­be ei­nen hö­he­ren Brenn­wert als Ot­to­kraft­stoff. Hier­durch wür­den zwangs­läu­fig die Brenn­raum­tem­pe­ra­tu­ren an­stei­gen. Kä­men zu­sätz­lich noch ho­he Dreh­zah­len hin­zu, wür­de das Tem­pe­ra­tur­ni­veau noch wei­ter an­stei­gen. Beim Auf­tref­fen des Ven­tils auf den Ven­til­sitz­ring fän­de im Gas­be­trieb ei­ne Art Ver­schwei­ßung zwi­schen Ven­til­tel­ler und Ven­til­sitz­ring statt. Beim Wie­der­lö­sen des Ven­tils vom Sitz­ring kä­me es zu ei­ner Pit­ting­bil­dung, bei der feins­te Be­stand­tei­le aus dem Ven­til­sitz­ring her­aus­ge­ris­sen wür­den. Je hö­her die Dreh­zahl sei, des­to hei­ßer wer­de der Mo­tor und des­to stär­ker wer­de die­ser Ef­fekt be­güns­tigt.

Das Fahr­zeug des Klä­gers weist so­mit ei­ne Be­schaf­fen­heit auf, die bei al­len Fahr­zeu­gen, die nach­träg­lich mit ei­ner Gas­an­la­ge aus­ge­rüs­tet wer­den („Sa­chen der glei­chen Art“), üb­lich ist und die der Käu­fer ei­nes der­ar­ti­gen Fahr­zeugs „nach der Art der Sa­che“ er­war­ten kann.

Un­er­heb­lich ist in die­sem Zu­sam­men­hang, ob der Klä­ger die Er­war­tung hat­te, dass das Fahr­zeug im Gas­be­trieb die glei­che Leis­tung er­bringt wie im Ben­zin­be­trieb. Als üb­li­che Be­schaf­fen­heit kann der Käu­fer in tech­ni­scher Hin­sicht nicht mehr er­war­ten, als dass die Kauf­sa­che dem je­wei­li­gen Stand der Tech­nik ent­spricht. Ist nach dem Stand der Tech­nik bei Fahr­zeu­gen mit nach­träg­lich ein­ge­bau­ter Gas­an­la­ge die Eig­nung zum (ver­schleiß­frei­en) Dau­er­last­be­trieb im Gas­be­trieb im Ver­gleich zum Ben­zin­be­trieb ein­ge­schränkt, so kann der Käu­fer ei­nes Fahr­zeugs mit nach­träg­lich ein­ge­bau­ter Gas­an­la­ge ob­jek­tiv kei­ne un­ein­ge­schränk­te Eig­nung zum (ver­schleiß­frei­en) Dau­er­last­be­trieb im Gas­be­trieb er­war­ten (vgl. BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VI­II ZR 160/08, NJW 2009, 2056). Ob dem durch­schnitt­li­chen Au­to­käu­fer die Ein­schrän­kung be­kannt ist, ist für die ob­jek­tiv be­rech­tig­te Käu­fe­rer­war­tung ir­re­le­vant. Ei­ne Kauf­sa­che, die dem Stand der Tech­nik gleich­ar­ti­ger Sa­chen ent­spricht, ist nicht des­we­gen nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil der Stand der Tech­nik hin­ter der tat­säch­li­chen oder durch­schnitt­li­chen Käu­fe­rer­war­tung zu­rück­bleibt (vgl. BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VI­II ZR 160/08).

Der Klä­ger kann sei­nen Rück­tritts­an­spruch auch nicht dar­auf stüt­zen, dass die Be­klag­te et­wai­ge ihr ob­lie­gen­de Auf­klä­rungs­pflich­ten ver­letzt hät­te. Ei­ne Auf­klä­rungs­pflicht ei­nes Au­to­händ­lers da­hin ge­hend, dass ein nach­träg­lich mit ei­ner Gas­an­la­ge aus­ge­rüs­te­tes Fahr­zeug nicht die glei­che Höchst­ge­schwin­dig­keit er­zielt wie im Ben­zin­be­trieb be­steht eben­so we­nig wie ei­ne Auf­klä­rungs­pflicht über ei­nen er­höh­ten Ver­schleiß von Zy­lin­der­köp­fen. In­so­weit hät­te es dem Klä­ger ob­le­gen, sich vor Er­werb ei­ner Gas­an­la­ge über Vor- und Nach­tei­le ei­ner sol­chen An­la­ge zu in­for­mie­ren …

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