Ein An­spruch auf Er­satz der Kos­ten, die durch die vor­ge­richt­li­che Ein­schal­tung ei­nes Rechts­an­walts ent­stan­de­nen sind, kann sich aus Ver­trag, Ver­zug, po­si­ti­ver Ver­trags­ver­let­zung (§ 280 I BGB), cul­pa in con­tra­hen­do (§ 311 BGB) oder Ge­schäfts­füh­rung oh­ne Auf­trag er­ge­ben.

OLG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 13.08.2010 – I-22 U 44/10

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Ge­braucht­wa­gen, den er am 04.11.2007 un­ter Aus­schluss der Ge­währ­leis­tung von dem Be­klag­ten er­wor­ben hat.

Nach Über­ga­be des Fahr­zeugs stell­te der Klä­ger zahl­rei­che Män­gel fest. Er er­neu­er­te zwei Rad­la­ger für 76,80 €, er­warb zwei Rad­na­ben für je 131,90 € und ließ für 20 € die Brem­sen neu ein­stel­len. Im Früh­jahr 2008 wur­de das Fahr­zeug nach ei­ner Po­li­zei­kon­trol­le durch den DE­KRA e. V. über­prüft. Da­nach mel­de­te der Klä­ger das Fahr­zeug ab, weil die Fahr­zeug­pa­pie­re ge­fälscht wa­ren. So­dann er­klär­te er mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 30.04.2008 we­gen der Män­gel und der fal­schen Pa­pie­re den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag.

Nach der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Land­ge­richt ver­ein­bar­ten die Par­tei­en, dass der Klä­ger dem Be­klag­ten das Fahr­zeug für 30 Ta­ge zum Zwe­cke der Nach­bes­se­rung über­lässt. Der Klä­ger über­gab dem Be­klag­ten das Fahr­zeug am 07.09.2008. Der Be­klag­te kam je­doch sei­ner Ver­pflich­tung zur Nach­er­fül­lung zu­nächst nicht nach, ob­wohl der Klä­ger ihm ei­ne Nach­frist bis zum 14.11.2008 und ei­ne wei­te­re Frist bis zum 04.12.2008 setz­te. Erst im Früh­jahr 2009 be­müh­te sich der Be­klag­te, die TÜV-Ab­nah­me für das Fahr­zeug zu er­lan­gen. Die­se er­folg­te schließ­lich am 28.04.2009. Am 06.06.2009 über­gab der Be­klag­te dem Klä­ger das Fahr­zeug. Der Klä­ger stell­te es am 12.06.2009 sei­ner­seits dem TÜV vor und setz­te dem Be­klag­ten so­dann ei­ne Frist bis zum 04.09.2009 zur Be­he­bung an­geb­li­cher Män­gel. Am 08.10.2009 wur­de dem Klä­ger bei ei­ner Po­li­zei­kon­trol­le die Wei­ter­fahrt un­ter­sagt, weil die Leucht­wei­ten­re­gu­lie­rung nicht funk­tio­nier­te, die Stoß­stan­ge un­sach­ge­mäß an­ge­bracht war und die Ka­ros­se­rie zu tief lag.

Der Klä­ger hat be­haup­tet, bei der TÜV-Kon­trol­le am 12.06.2009 sei­en di­ver­se Män­gel fest­ge­stellt wor­den. Dar­über hin­aus wei­che die im Fahr­zeug­schein an­ge­ge­be­ne Schad­stoff­klas­se von der tat­säch­li­chen ab.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge hin­sicht­lich der gel­tend ge­mach­ten vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten (603,93 €), der Kos­ten für die Un­ter­stel­lung des Fahr­zeugs (50 €) und der Ver­wen­dun­gen des Klä­gers für zwei Rad­la­ger (76,80 €) und zwei Rad­na­ben (263,80 €) so­wie der Kos­ten für ei­ne Brems­ein­stel­lung (20 €) statt­ge­ge­ben, sie im Üb­ri­gen je­doch ab­ge­wie­sen. Es hat ge­meint, dem Klä­ger ste­he ein Rück­tritts­recht nicht zu.

Die Be­ru­fung des Be­klag­ten war über­wie­gend er­folg­los.

Aus den Grün­den: II. … Dem Klä­ger steht ge­mäß § 280 I BGB ein An­spruch auf Er­stat­tung der vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten in Hö­he von 603,93 € und der Un­ter­stell­kos­ten in Hö­he von 50 € zu. Le­dig­lich der An­spruch auf Er­satz der von ihm ge­tä­tig­ten Ver­wen­dun­gen ist nicht be­grün­det …

1. Der Klä­ger hat An­spruch auf Er­satz der ihm durch die vor­ge­richt­li­che Ein­schal­tung ei­nes Rechts­an­walts ent­stan­de­nen Kos­ten. Ein sol­cher Kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch kann sich aus Ver­trag, Ver­zug, po­si­ti­ver Ver­trags­ver­let­zung (§ 280 BGB), cul­pa in con­tra­hen­do (§ 311 BGB) oder Ge­schäfts­füh­rung oh­ne Auf­trag er­ge­ben (vgl. Zöl­ler/Her­get, ZPO, 28. Aufl., vor § 91 Rn. 11). Im vor­lie­gen­den Fall sind die Par­tei­en durch ei­nen Kauf­ver­trag mit­ein­an­der ver­bun­den.

Der An­spruch des Klä­gers er­gibt sich aus § 280 I BGB. Der Be­klag­te hat sich ver­trags­wid­rig ver­hal­ten; er hat ein man­gel­haf­tes Fahr­zeug über­ge­ben, da die­ses we­gen der Fäl­schun­gen im Fahr­zeug­schein nicht zur ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung ge­eig­net war, und die Ge­währ­leis­tungs­rech­te we­gen des vor­sätz­li­chen Han­delns des Be­klag­ten nicht aus­ge­schlos­sen wa­ren. Dem Klä­ger stan­den da­her die sich aus §§ 434 I, 437, 440 BGB er­ge­ben­den Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che zu. Ei­ner vor­he­ri­gen Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung be­durf­te es aus­nahms­wei­se nicht, da ei­ne Nach­bes­se­rung für den Klä­ger mit Blick auf die vor­an­ge­gan­ge­ne Täu­schung nicht zu­mut­bar war (vgl. BGH, Ur­teil vom 12.03.2010 – V ZR 147/09, ju­ris; Urt. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, ju­ris). Ne­ben dem Rück­tritts­recht aus § 437 Nr. 2 BGB we­gen der Lie­fe­rung ei­ner man­gel­haf­ten Sa­che stand dem Klä­ger ge­mäß §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB ein An­spruch auf Er­satz sol­cher Schä­den zu, die nicht an der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che ent­stan­den sind (Be­gleit­scha­den). Da­zu ge­hö­ren die Kos­ten für die vor­ge­richt­li­che Ein­schal­tung des Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers. Zur Durch­set­zung sei­ner Ge­währ­leis­tungs­rech­te durf­te der Klä­ger die Ein­schal­tung ei­nes Rechts­an­walts für er­for­der­lich hal­ten.

Auf­grund der Rück­tritts­er­klä­rung des Klä­gers ist das Ver­trags­ver­hält­nis der Par­tei­en zu­nächst in ein Ab­wick­lungs­ver­hält­nis um­ge­wan­delt wor­den. Nach dem Ter­min vor dem Land­ge­richt vom 15.08.2008 ha­ben sich die Par­tei­en (au­ßer­ge­richt­lich) ein­ver­nehm­lich auf ei­ne Män­gel­be­sei­ti­gung durch den Be­klag­ten ver­stän­digt, wo­durch das Recht des Klä­gers zum Rück­tritt er­lo­schen ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2010 – V ZR 147/09, ju­ris). Der Be­klag­te ist sei­ner Ver­pflich­tung zur Nach­er­fül­lung zwar nicht in der ihm vom Klä­ger ge­setz­ten Frist nach­ge­kom­men, je­doch hat der Klä­ger das Fahr­zeug von ihm ent­ge­gen­ge­nom­men, oh­ne zu­vor die ihm nach Ab­lauf der Frist zur Nach­er­fül­lung ste­hen­den Rech­te gel­tend zu ma­chen. Im Zeit­punkt sei­ner er­neu­ten Rück­tritts­er­klä­rung vom 07.09.2009 la­gen nach den un­an­ge­foch­te­nen Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts in sei­nem Ur­teil vom 28.01.2010 die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Rück­tritt nicht vor, da kei­ne Män­gel an dem Fahr­zeug vor­han­den wa­ren, die nicht von dem im Kauf­ver­trag ver­ein­bar­ten Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss um­fasst wa­ren.

Die ur­sprüng­li­chen wei­te­ren An­sprü­che des Klä­gers we­gen des ver­trags­wid­ri­gen Ver­hal­tens des Be­klag­ten sind dem­ge­gen­über nicht durch die ein­ver­nehm­lich durch­ge­führ­te Män­gel­be­sei­ti­gung er­lo­schen. Der Klä­ger hat durch sein Ein­ver­ständ­nis le­dig­lich auf sein Rück­tritts­recht ver­zich­tet, nicht aber auf An­sprü­che we­gen an­de­rer, ihm durch das ver­trags­wid­ri­ge Ver­hal­ten des Be­klag­ten ent­stan­de­ner Nach­tei­le. Es ist we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich, dass die – wenn­gleich auf Vor­schlag des Land­ge­richts – letzt­lich von den Par­tei­en selbst her­bei­ge­führ­te Ei­ni­gung zur Ab­gel­tung auch sol­cher An­sprü­che er­klärt wor­den ist.

Dies gilt glei­cher­ma­ßen für den An­spruch auf Er­stat­tung der Kos­ten für das Un­ter­stel­len des Fahr­zeugs in Hö­he von 50 €. Auch die­se Kos­ten sind durch die Pflicht­ver­let­zung des Be­klag­ten ver­ur­sacht wor­den und des­halb als Scha­den zu er­set­zen.

2. Wei­te­re An­sprü­che auf Er­stat­tung von Ver­wen­dun­gen ge­mäß § 347 II BGB kom­men da­ge­gen nicht in Be­tracht. Das Ver­trags­ver­hält­nis zwi­schen den Par­tei­en wird in Er­man­ge­lung ei­nes wirk­sa­men Rück­tritts nicht rück­ab­ge­wi­ckelt. Der Klä­ger kann die Kos­ten für die Be­schaf­fung von Er­satz­tei­len und für das Ein­stel­len der Brem­se auch nicht als Scha­den­er­satz gel­tend ma­chen. Denn die­se Kos­ten be­tref­fen Män­gel am Kauf­ge­gen­stand, für die die Re­ge­lun­gen in §§ 434 ff. BGB gel­ten. Da ei­ne Ge­währ­leis­tung im Kauf­ver­trag aus­ge­schlos­sen wor­den ist, haf­tet der Be­klag­te für die­se Män­gel nicht (§ 444 BGB) …

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