Der – im Kfz-Han­del ein­heit­lich ver­wen­de­te – Be­griff der Un­fall­frei­heit be­sagt, dass ein Fahr­zeug kei­nen Scha­den er­lit­ten hat, der als er­heb­lich an­zu­se­hen ist. Ob ein Scha­den er­heb­lich ist, be­stimmt sich nach der Ver­kehrs­auf­fas­sung, die nur ge­ring­fü­gi­ge, aus­ge­bes­ser­te Blech- oder Ein­fach­schä­den aus dem Be­griff der Un­fall­frei­heit aus­klam­mert. Des­halb ist ein ge­brauch­tes Fahr­zeug nicht schon dann als „Un­fall­fahr­zeug“ an­zu­se­hen, wenn es meh­re­re re­pa­rier­te Blech- oder Ein­fach­schä­den auf­weist.

OLG Karls­ru­he, Ur­teil vom 29.08.2007 – 7 U 111/07

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt von der Be­klag­ten die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen ge­brauch­ten Pkw. Das Land­ge­richt hat sei­ner Kla­ge statt­ge­ge­ben, da das Fahr­zeug ent­ge­gen der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit nicht un­fall­frei sei, son­dern rund­her­um Vor­schä­den – klei­ne Beu­len, Schram­men, Krat­zer- und Streif­schä­den – auf­ge­wie­sen ha­be, die vor dem Ver­kauf an den Klä­ger aus­ge­bes­sert und über­la­ckiert wor­den sei­en.

Mit der Be­ru­fung ver­folgt die Be­klag­te ih­ren Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter. Zur Be­grün­dung trägt sie vor, dass es sich bei den aus­ge­bes­ser­ten Vor­be­schä­di­gun­gen an dem Fahr­zeug um Ba­ga­tell­schä­den ge­han­delt ha­be, wel­che die Un­fall­frei­heit des Fahr­zeugs nicht in­fra­ge stell­ten. Zu­dem sei das Land­ge­richt auf­grund feh­ler­haf­ter Be­weis­wür­di­gung zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass der Klä­ger bei den Ver­trags­ver­hand­lun­gen nicht um­fas­send über die vor­han­de­nen Vor­schä­den auf­ge­klärt wor­den sei. Das Rechts­mit­tel hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Der Klä­ger kann von der Be­klag­ten kei­ne Rück­ab­wick­lung des zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags aus §§ 346 I, 434, 437 Nr. 2, 440 BGB, § 323 V BGB, § 326 V BGB ver­lan­gen.

1. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten be­ste­hen al­ler­dings kei­ne kon­kre­ten An­halts­punk­te für Zwei­fel an der Rich­tig­keit oder Voll­stän­dig­keit der ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Tat­sa­chen. Das Land­ge­richt hat die an­ge­bo­te­nen Be­wei­se zu der be­haup­te­ten Auf­klä­rung über die Vor­schä­den des Fahr­zeugs und die Be­stim­mung des Be­griffs „Un­fall­scha­den“ er­ho­ben und ist mit nach­voll­zieh­ba­rer Be­grün­dung zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass nicht fest­ge­stellt wer­den kann, ob die Zeu­gen … die Wahr­heit ge­sagt ha­ben …

2. Das vom Klä­ger er­wor­be­ne Fahr­zeug war je­doch nicht man­gel­haft.

a) Die Par­tei­en ha­ben aus­weis­lich des schrift­li­chen Kauf­ver­trags ver­ein­bart, dass das Fahr­zeug kei­ne Un­fall­schä­den auf­weist. Ob es sich hier­bei um ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung nach § 434 I 1 BGB han­delt, wie das Land­ge­richt aus­führt, oder die Auf­fas­sung des Klä­gers zu­trifft, dass ei­ne Be­schaf­fen­heits­ga­ran­tie nach § 443 I BGB ver­ein­bart wur­de, kann of­fen­blei­ben, da das ver­kauf­te Fahr­zeug kei­nen Un­fall­scha­den hat­te.

Der Be­griff der Un­fall­frei­heit wird im Kraft­fahr­zeug­han­del ein­heit­lich ver­wen­det. Er be­sagt, dass ein Fahr­zeug kei­nen Scha­den er­lit­ten hat, der als er­heb­lich an­zu­se­hen ist. Die Er­heb­lich­keit ei­nes Scha­dens be­stimmt sich nach der Ver­kehrs­auf­fas­sung, die nur ge­ring­fü­gi­ge, aus­ge­bes­ser­te Blech- oder Ein­fach­schä­den aus dem Be­griff der Un­fall­frei­heit aus­klam­mert (vgl. OLG Köln, DAR 1975, 327; OLG Hamm, OLGR 1995, 55; OLG Karls­ru­he, OLGR 2001, 301; OLG Ros­tock, Urt. v. 17.12.2003 – 6 U 227/02, OLGR 2005, 46; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 03.12.2004 – 14 U 33/04; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 9. Aufl., Rn. 1388 m. w. Nachw.).

Da­nach ist hier da­von aus­zu­ge­hen, dass das Fahr­zeug kei­ne Un­fall­schä­den hat­te. Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass das Fahr­zeug rund­her­um Park­schä­den un­ter­halb der Fens­ter­schei­ben auf­wies (Krat­zer, Schram­men, Streif­schä­den und ge­ring­fü­gi­ge Blech­schä­den), die dar­auf be­ruh­ten, dass der Vor­be­sit­zer beim Ein- und Aus­fah­ren aus sei­ner Ga­ra­ge mehr­fach an dem Ga­ra­gen­tor hän­gen­ge­blie­ben war und da­durch die Schä­den ver­ur­sacht hat. Aus­weis­lich des im Be­ru­fungs­rechts­zug im Ori­gi­nal vor­ge­leg­ten Gut­ach­tens des Sach­ver­stän­di­gen L sind zu­dem ge­rin­ge Spach­tel­ar­bei­ten im Be­reich des hin­te­ren lin­ken und rech­ten Kot­flü­gels durch­ge­führt wor­den, und es er­folg­te auch ei­ne La­ckie­rung ober­halb des Fens­ters hin­ten links. Zur Be­sei­ti­gung die­ser Vor­schä­den er­folg­te un­strei­tig ei­ne Neu­la­ckie­rung un­ter­halb der Fens­ter­schei­ben für 1.600 €, die als Ver­si­che­rungs­scha­den ab­ge­rech­net wer­den konn­te. Je­de ein­zel­ne die­ser re­pa­rier­ten Be­schä­di­gun­gen stellt bei ei­nem zum Kauf­zeit­punkt neun Jah­re al­ten Fahr­zeug kei­nen Un­fall­scha­den dar, son­dern ist ei­ne Ba­ga­tel­le. Die Sum­me meh­re­rer ord­nungs­ge­mäß re­pa­rier­ter Ba­ga­tell­schä­den führt eben­falls nicht da­zu, dass nun­mehr ein Un­fall­scha­den vor­liegt (eben­so OLG Karls­ru­he, OLGR 2001, 301; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 03.12.2004 – 14 U 33/04, ZfS 2005, 130).

b) Da die Par­tei­en hier ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung ge­trof­fen ha­ben oder ei­ne Be­schaf­fen­heits­ga­ran­tie von der Be­klag­ten über­nom­men wur­de, kommt es nicht dar­auf an, ob der Zu­stand der Fahr­zeugs ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­wies, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach Art der Sa­che er­war­ten darf (vgl. § 434 I 2 BGB). Hier­an be­ste­hen aber auch kei­ne Zwei­fel. Bei ei­nem zum Kauf­zeit­punkt neun Jah­re al­ten Fahr­zeug sind ge­ring­fü­gi­ge aus­ge­bes­ser­te Park­schä­den an ver­schie­de­nen Stel­len des Fahr­zeugs durch­aus na­he­lie­gend.

3. Der Klä­ger kann sei­nen An­spruch fer­ner nicht auf § 812 I 1 i. V. mit § 123 I BGB stüt­zen. Ab­ge­se­hen da­von, dass es an ei­ner An­fech­tungs­er­klä­rung ge­gen­über der Be­klag­ten fehlt, hat der Klä­ger nach den bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts auch ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung durch die Be­klag­te nicht nach­ge­wie­sen, da nicht fest­ge­stellt wer­den konn­te, dass er über die Vor­schä­den un­zu­tref­fend auf­ge­klärt wur­de (vgl. zur Be­weis­last BGH, NJW 2001, 64 [65]) …

PDF er­stel­len