Ein Kfz-Käufer, der sich gegenüber dem Verkäufer nach zwei erfolglosen Nachbesserungsversuchen mit einer weiteren Ursachenforschung einverstanden erklärt hat, kann nicht unter Berufung auf die fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuche vom Kaufvertrag zurücktreten, ohne dem Verkäufer zuvor erfolglos eine – kurz bemessene – Frist zur Ursachenforschung zu setzen.
OLG Rostock, Urteil vom 20.02.2006 – 3 U 124/05
Sachverhalt: Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrags.
Mit Vertrag vom 26.09.2003 erwarb der Kläger von der Beklagten einen mit einem Leistungskitt versehenen Neuwagen zu einem Preis von 33.483,24 €. An dem Fahrzeug traten in der Folgezeit diverse Mängel auf. Unter anderem beanstandete der Kläger wiederholt einen Leistungsverlust des Fahrzeugs in Gestalt eines Leistungslochs im vierten Gang bei etwa 90 km/h. Obwohl die Beklagte, wie sie dem Kläger mitteilte, den genannten Mangel bei mehreren Probefahrten nicht feststellen konnte, überschrieb sie zur Beseitigung möglicher Ursachen eines Leistungsabfalls die Motorsteuereinheit und erneuerte den Turbolader. Trotz dieser Maßnahmen habe – so behauptet der Kläger – der Leistungsverlust des Fahrzeugs nicht behoben werden können. Die übrigen Mängel hat die Beklagte erfolgreich nachgebessert.
Anfang März 2004 stimmte der Kläger einem Angebot der Beklagten zu, das Fahrzeug auf einen Leistungsprüfstand zu verbringen. Einen solchen gibt es für Allradfahrzeuge bei der Beklagten nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.03.2004 trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück.
Erstinstanzlich verlangte der Kläger von der Beklagten, der er für den bisherigen Gebrauch des Fahrzeugs 20 % des Kaufpreises zubilligt, die Zahlung von 26.786,60 € Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs. Er ist der Ansicht, er sei am 31.03.2004 zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt gewesen, da ihn die Beklagte bezüglich der angebotenen Leistungsprüfung mehrfach vertröstet habe.
Das LG Schwerin hat der Klage mit Urteil vom 29.07.2005 im Wesentlichen stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 25.500 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe Fahrzeugs zu zahlen, und festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befinde. Die Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Der Kläger war am 31.03.2004 nicht zum Rücktritt von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug berechtigt.
1. Die Feststellung des Landgerichtes, das vom Kläger gekaufte Neufahrzeug sei aufgrund eines Leistungsabfalls mit einem die vertragsgemäße Verwendung einschränkenden Sachmangel versehen, greift die Beklagte mit ihrer Berufung nicht an. Diese Feststellung steht im Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen G in seinem schriftlichen Gutachten vom 02.05.2005.
2. Am 31.03.2004 lagen die Voraussetzungen für einen Rücktritt des Klägers von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag nicht vor.
a) Unstreitig hatten sich die Parteien Anfang März 2004 darauf verständigt, wegen des vom Kläger behaupteten Leistungsdefizits an dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine Leistungsprüfung auf einem Motorprüfstand durchführen zu lassen. Wurde er, wie der Kläger vorträgt, mehrfach von der Beklagten wegen der Realisierung des Angebotes vertröstet, und unterblieb ein Anruf der Beklagten, dass ein Leistungsprüfstand frei sei, so konnte der Kläger vom Kaufvertrag jedenfalls nicht zurücktreten, ohne der Beklagten zuvor eine Frist gemäß § 323 I BGB zu setzen. Dass er eine solche Frist nicht gesetzt hat, ist unstreitig.
b) Die Fristsetzung nach § 323 I BGB war nicht entbehrlich.
Ihre Entbehrlichkeit ergibt sich zweifelsfrei nicht aus § 323 II Nr. 1–3 BGB. Sie folgt entgegen der Ansicht des Landgerichtes auch nicht aus § 440 Satz 2 BGB. Zwar gilt danach die gesetzliche Vermutung, dass vom Fehlschlagen der Nachbesserung auszugehen ist, wenn zwei Nachbesserungsversuche gescheitert sind. Dies war hier der Fall, denn der Leistungsabfall war trotz der Überschreibung der Motorsteuereinheit sowie Erneuerung des Turboladers nicht beseitigt. Allerdings ist die gesetzliche Vermutung eingeschränkt; sie gilt nicht, soweit sich aus der Art der Sache oder des Mangels oder aus den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt. Ein „sonstiger Umstand“ in diesem Sinne lag hier vor, denn der Kläger hatte dem Vorschlag der Beklagten, eine Überprüfung seines Fahrzeugs auf einem Leistungsprüfstand vornehmen zu lassen, zugestimmt. Seine Zustimmung erfolgte in dem Wissen, dass die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt sowohl den von ihm festgestellten und bemängelten Leistungsabfall als auch die Ursache hierfür nicht feststellen konnte, und dass ihre zur Beseitigung möglicher Ursachen vorgenommenen zwei Nachbesserungsversuche erfolglos geblieben sind. Nachdem sich der Kläger in dieser Situation mit einer weiteren Ursachenforschung einverstanden erklärt hatte, konnte er jedenfalls nicht unter Berufung auf die zwei fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuche vom Kaufvertrag zurücktreten, ohne der Beklagten vorab eine Frist zur Überprüfung des Fahrzeugs auf einem Leistungsprüfstand, die kurz bemessen sein konnte, zu setzen.
Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, es sei ihm nicht mehr zuzumuten gewesen, sich im Hinblick auf die Vielzahl der Mängel und die Reparaturanfälligkeit des Fahrzeugs am Kaufvertrag festhalten zu lassen. Die von ihm gerügten Mängel am Fahrzeug hatte die Beklagte mit Ausnahme des Leistungsdefizits beseitigt. Trotz zweier fehlgeschlagener Nachbesserungsversuche hinsichtlich des Leistungsverlusts des Fahrzeugs, und obwohl die Beklagte ihm mitgeteilt hat, dass sie einen Leistungsabfall nicht feststellen könne, hat er es sich selbst zugemutet, eine weitere Überprüfung seines Fahrzeugs auf einem Motorprüfstand vornehmen zu lassen …