Der Käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens, der sich vom pri­va­ten Ver­käu­fer den Fahr­zeug­brief (Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Tei II) vor­le­gen lässt, muss an sich wei­te­re Nach­for­schun­gen an­stel­len, wenn der Ver­käu­fer nicht mit dem im Fahr­zeug­brief ein­ge­tra­ge­nen letz­ten Hal­ter iden­tisch ist. Un­ter­lässt der Käu­fer dies, muss er sich grund­sätz­lich den Vor­wurf des Bös­gläu­big­keit (§ 932 II BGB) ge­fal­len las­sen. An­ders kann es aus­nahms­wei­se lie­gen, wenn dem Käu­fer ne­ben dem (ge­fälsch­ten) Fahr­zeug­brief, der selbst bei der Zu­las­sungs­stel­le nicht als Fäl­schung er­kannt wur­de, ei­ne ech­te Ab­mel­de­be­schei­ni­gung vor­ge­legt wird und wei­te­re Nach­for­schun­gen des Käu­fers oh­ne­hin kei­nen Er­folg ge­habt hät­ten.

LG Mön­chen­glad­bach, Ur­teil vom 29.08.2005 – 2 O 36/05

Sach­ver­halt: Der Klä­ger such­te im Früh­jahr 2004 un­ter an­de­rem auf den In­ter­net­platt­for­men „mobile.​de“ und „autoscout24.​de“ ei­nen ge­brauch­ten Lie­fer­wa­gen, den er zum Cam­ping­bus um- und aus­bau­en woll­te. Auf ei­ner der Platt­for­men wur­de er auf den streit­ge­gen­ständ­li­chen Ford Tran­sit auf­merk­sam, der dort für 11.900 € an­ge­bo­ten wur­de.

Auf­grund te­le­fo­ni­scher Ver­ein­ba­rung traf sich der Klä­ger mit dem An­bie­ter des Fahr­zeugs, der sich ihm ge­gen­über als V aus­gab, am 25.06.2004 in Ham­burg. „V“ leg­te dem Klä­ger un­ter an­de­rem ei­nen Fahr­zeug­brief, in dem als Hal­ter des Ford Tran­sit die X-GmbH be­zeich­net war, und ei­nen zwi­schen „V“ und der X-GmbH ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag vor. Er er­läu­ter­te dem Klä­ger, dass er das Fahr­zeug güns­tig aus ei­ner In­sol­venz­mas­se er­wor­ben ha­be und es nun­mehr ver­äu­ßern wol­le, oh­ne es vor­her auf sich zu­zu­las­sen. Tat­säch­lich war – wie sich im Nach­hin­ein her­aus­stell­te – der Ford Tran­sit ne­ben zahl­rei­chen wei­te­ren Fahr­zeu­gen von der an­schei­nend ei­gens zu die­sem Zweck ge­grün­de­ten X-GmbH mit dem Ziel ge­least wor­den, das Fahr­zeug zu un­ter­schla­gen und es eben­so wie die an­de­ren Fahr­zeu­ge un­ter Ver­wen­dung zu­vor ge­stoh­le­ner Blan­ko­fahr­zeug­brie­fe zu ver­äu­ßern.

Der Klä­ger schloss am 25.06.2004 ei­nen Kauf­ver­trag über das Fahr­zeug, zahl­te den aus­ge­han­del­ten Kauf­preis von 11.700 € und nahm das Fahr­zeug nebst Schlüs­sel und Fahr­zeug­brief so­fort mit. Es wur­de am 14.07.2004 auf den Klä­ger zu­ge­las­sen.

En­de Ju­li 2004 er­fuhr der Klä­ger sei­tens der Kri­mi­nal­po­li­zei, dass die Staats­an­walt­schaft Dort­mund we­gen des von ihm er­wor­be­nen Fahr­zeugs und wei­te­rer un­ter­schla­ge­ner Fahr­zeu­ge ge­gen die hin­ter der X-GmbH ste­hen­den Per­so­nen er­mitt­le und die Be­klag­te den ori­gi­na­len Fahr­zeug­brief für den Ford Tran­sit be­sit­ze.

Der Klä­ger ist der Auf­fas­sung, er ha­be gut­gläu­big das Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug er­wor­ben, so­dass die Be­klag­te den Fahr­zeug­brief an ihn her­aus­zu­ge­ben ha­be. Die Her­aus­ga­be­kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Dem Klä­ger steht ein An­spruch auf Her­aus­ga­be des Fahr­zeug­briefs ge­gen die Be­klag­te ge­mäß § 985 BGB i. V. mit § 952 II BGB zu.

1. Der Klä­ger ist Ei­gen­tü­mer des … Fahr­zeugs … ge­wor­den; da das Ei­gen­tum am Fahr­zeug­brief i. S. des § 25 StV­ZO dem Ei­gen­tum am Kraft­fahr­zeug folgt und die Be­klag­te den Ori­gi­nal-Kraft­fahr­zeug­brief in Be­sitz hat, kann der Klä­ger die Her­aus­ga­be des Brie­fes an sich ver­lan­gen.

2. Das Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug hat der Klä­ger ge­mäß §§ 929 Satz 1, 932 I 1, II BGB er­wor­ben.

a) Dem gut­gläu­bi­gen Er­werb steht nicht die Vor­schrift des § 935 BGB ent­ge­gen, da der Lie­fer­wa­gen nicht im Sin­ne die­ser Vor­schrift „ab­han­den­ge­kom­men“ ist; viel­mehr hat die Be­klag­te im Rah­men des mit ihr ab­ge­schlos­se­nen Lea­sing­ver­tra­ges den Be­sitz am Fahr­zeug frei­wil­lig auf­ge­ge­ben, in­dem sie die­sen dem Lea­sing­neh­mer X-GmbH, ih­rem Ver­trags­part­ner, zur Nut­zung zur Ver­fü­gung stell­te.

b) Der Klä­ger ist aber beim Er­werb auch nicht bös­gläu­big i. S. von § 932 II BGB ge­we­sen.

Zu­nächst stritt für die Be­rech­ti­gung der An­nah­me des Klä­gers, der sich ihm ge­gen­über als V be­zeich­nen­de Ver­käu­fer sei Ei­gen­tü­mer des Fahr­zeugs, die Ei­gen­tums­ver­mu­tung des § 1006 BGB. Der Ver­äu­ße­rer war sei­ner­zeit im Be­sitz des Fahr­zeugs, so­dass der Klä­ger zu Recht die Ver­mu­tung ha­ben konn­te, V ha­be als Ei­gen­be­sit­zer das Ei­gen­tum zu­gleich mit dem Be­sitz er­wor­ben (vgl. MünchKomm-BGB/Me­di­cus, 4. Aufl. [2004], § 1006 Rn. 13).

Da­bei wur­de ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­klag­ten der gut­gläu­bi­ge Er­werb auch nicht da­durch aus­ge­schlos­sen, dass der Ver­käu­fer nicht als letz­ter ein­ge­tra­ge­ner Hal­ter im Kfz-Brief ver­merkt war.

Der Ver­käu­fer hat dem Klä­ger näm­lich ne­ben dem Kfz-Brief, bei dem es sich un­strei­tig um ein – wenn auch in sei­nen Ein­tra­gun­gen von Un­be­fug­ten er­gänz­tes – Ori­gi­nalb­lan­kett aus ei­ner Rei­he ge­stoh­le­ner Kraft­fahr­zeug­brief-Blan­ket­te han­del­te, die of­fen­sicht­lich so gut ge­fälscht wa­ren, dass auch bei der rund zwei Wo­chen spä­ter er­folg­ten Zu­las­sung des Fahr­zeugs auf den Klä­ger … kei­ne Ver­dachts­mo­men­te auf­ka­men, so­wohl ei­ne Ori­gi­nal-Ab­mel­de­be­schei­ni­gung vom 03.06.2004 der Stadt Dort­mund als auch (nach dem un­be­strit­ten ge­blie­be­nen Vor­trag des Klä­gers im Ter­min vom 10.06.2005) ei­nen Kauf­ver­trag zwi­schen dem Ver­käu­fer – V – und dem vor­her ein­ge­tra­ge­nen Hal­ter, der X-GmbH, vor­ge­legt.

In die­sem Zu­sam­men­hang ist zu­guns­ten des Klä­gers zu wür­di­gen, dass nicht nur bei der Zu­las­sungs­stel­le in Schwal­bach, son­dern zu­vor of­fen­sicht­lich auch in der Zu­las­sungs­stel­le der Stadt Dort­mund bei Er­tei­lung der Ab­mel­de­be­schei­ni­gung vom 03.06.2004 kei­ne Be­den­ken ge­gen die Echt­heit des Kfz-Briefs, in dem im­mer­hin die Still­le­gung eben­falls ver­merkt wer­den muss­te, auf­ge­kom­men sind.

3. Zwar ist der Hin­weis der Be­klag­ten grund­sätz­lich zu­tref­fend, dass der Käu­fer ei­nes Fahr­zeugs, der von ei­nem an­de­ren Pri­vat­mann ein ge­brauch­tes Kraft­fahr­zeug er­wirbt, selbst bei Vor­la­ge des Kfz-Briefs dann Nach­for­schun­gen an­zu­stel­len hat, wenn der Ver­käu­fer nicht als letz­ter Hal­ter im Kfz-Brief ein­ge­tra­gen ist, um dem Vor­wurf der gro­ben Fahr­läs­sig­keit und da­mit der Bös­gläu­big­keit i. S. des § 932 II BGB zu ent­ge­hen (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl., Rn. 1812 m. w. Nachw.). Auf­grund der so­eben ge­schil­der­ten be­son­de­ren Um­stän­de und der Viel­zahl der Do­ku­men­te, die sei­tens des Ver­käu­fers vor­ge­legt wor­den sind und auf sei­ne Be­rech­ti­gung zur Ver­äu­ße­rung des Fahr­zeugs hin­deu­te­ten, hin­dert die Un­ter­las­sung wei­te­rer Nach­for­schun­gen des Klä­gers sei­nen gut­gläu­bi­gen Er­werb hier je­doch aus­nahms­wei­se nicht.

Hin­zu kommt, dass die man­geln­de Be­rech­ti­gung des Ver­käu­fers für ihn auch bei Durch­füh­rung der na­he­lie­gen­den Nach­for­schungs­mög­lich­keit, näm­lich der Nach­fra­ge bei der ein­ge­tra­ge­nen letz­ten Hal­te­rin, nicht zur Fest­stel­lung der man­geln­den Be­rech­ti­gung des Ver­käu­fers hät­te füh­ren kön­nen. Da näm­lich nach dem Er­geb­nis der staats­an­walt­schaft­li­chen Er­mitt­lun­gen in dem bei­ge­zo­ge­nen Ver­fah­ren der Staats­an­walt­schaft Dort­mund fest­ste­hen dürf­te, dass die hin­ter der X-GmbH ste­hen­den Per­so­nen das hier streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug und wei­te­re Fahr­zeu­ge bei der Be­klag­ten und an­de­ren Lea­sing­ge­sell­schaf­ten mit der Ab­sicht ei­ner Un­ter­schla­gung und an­schlie­ßen­den Wei­ter­ver­äu­ße­rung an ah­nungs­lo­se Drit­te auf sich zu­ge­las­sen ha­ben, wä­re dem Klä­ger – wenn er über­haupt un­ter der al­ten Fir­men­an­schrift in Dort­mund an­ders als die er­mit­teln­de Po­li­zei je­man­den er­reicht hät­te – die Be­rech­ti­gung des Ver­käu­fers, der of­fen­sicht­lich mit den Ver­ant­wort­li­chen der X-GmbH zu­sam­men­ge­ar­bei­tet hat, be­stä­tigt wor­den.

Auch ei­ne Rück­fra­ge bei der Po­li­zei hät­te aus­weis­lich der bei­ge­zo­ge­nen Er­mitt­lungs­ak­te nicht zu dem Er­geb­nis füh­ren kön­nen, dass der gut­gläu­bi­ge Er­werb durch den Klä­ger ge­mäß § 935 BGB aus­ge­schlos­sen wä­re, da das Fahr­zeug zu kei­nem Zeit­punkt als ge­stoh­len ge­mel­det wor­den ist.

Lässt sich je­doch ein Dieb­stahl nicht nach­wei­sen und wä­re auch im Üb­ri­gen die feh­len­de Be­rech­ti­gung des Ver­käu­fers i. S. von § 932 I BGB sei­ner­zeit nicht fest­zu­stel­len ge­we­sen, kann auch die nicht durch­ge­führ­te Nach­for­schung ei­nem gut­gläu­bi­gen Er­werb des Klä­gers nicht ent­ge­gen­ste­hen (vgl. hier­zu auch OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 14.11.1991 – 13 U 72/91, OLGR 1992, 1) …

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