Ein als Neu­wa­gen ver­kauf­ter Pkw ist ent­ge­gen der in der Re­gel hier­in lie­gen­den kon­klu­den­ten Zu­si­che­rung nicht mehr „fa­brik­neu“, wenn das be­tref­fen­de Mo­dell im Zeit­punkt des Ver­kaufs nicht mehr un­ver­än­dert her­ge­stellt wird (Be­stä­ti­gung von BGH, Urt. v. 22.03.2000 – VI­II ZR 325/98, NJW 2000, 2018).

BGH, Ur­teil vom 16.07.2003 – VI­II ZR 243/02

Sach­ver­halt: Im Som­mer 2000 schloss die Klä­ge­rin mit der B-Lea­sing GmbH ei­nen Lea­sing­ver­trag über ein Neu­fahr­zeug BMW 523i, Bau­jahr 2000. Der Ver­trag wur­de durch die Be­klag­te, die als BMW-Ver­trags­händ­le­rin ein Au­to­haus be­treibt, ver­mit­telt. Zu­vor hat­te die Klä­ge­rin ein mit „Neue Kraft­fahr­zeu­ge – Be­stel­lung“ über­schrie­be­nes For­mu­lar un­ter­zeich­net. Das Be­stell­for­mu­lar ist auf den 19.06.2000, die Auf­trags­be­stä­ti­gung der Be­klag­ten auf den 21.06.2000 da­tiert. Der un­da­tier­te Lea­sing­an­trag der Klä­ge­rin wur­de un­ter dem 20.06.2000 im Na­men und für Rech­nung der B-Lea­sing GmbH be­stä­tigt. In dem Lea­sing­ver­trag hat die Lea­sing­ge­be­rin ih­re Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che an die Klä­ge­rin ab­ge­tre­ten.

Am 05.09.2000 über­gab die Be­klag­te das Fahr­zeug, das be­reits im Fe­bru­ar 2000 an sie aus­ge­lie­fert wor­den war, an die Klä­ge­rin. Gleich­zei­tig gab die Klä­ge­rin ein An­fang 1999 durch die Ver­mitt­lung der Be­klag­ten ge­leas­tes Au­to des­sel­ben Typs, das sich von dem neu­en Fahr­zeug nur durch die ma­nu­ell ge­steu­er­te Kli­ma­an­la­ge un­ter­schied, zu­rück.

Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass der Her­stel­ler BMW bei der 5er-Rei­he spä­tes­tens im Sep­tem­ber/Ok­to­ber 2000 ei­ne so­ge­nann­te Mo­dell­pfle­ge vor­nahm, die un­ter an­de­rem da­zu führ­te, dass der von der Klä­ge­rin ge­leas­te Typ 523i nicht mehr pro­du­ziert wur­de.

Nach vor­an­ge­gan­ge­nem Schrift­wech­sel be­gehr­te die Klä­ge­rin mit ih­rer Kla­ge die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags im We­ge der Wan­de­lung bzw. des Scha­dens­er­sat­zes mit der Be­grün­dung, dem Wa­gen ha­be ei­ne zu­ge­si­cher­te Ei­gen­schaft ge­fehlt, weil es sich nicht um ein Neu­fahr­zeug ge­han­delt ha­be. Über­dies ha­be die Be­klag­te bei Ver­trags­ab­schluss, der tat­säch­lich erst En­de Au­gust 2000 er­folgt sei, ihr ge­gen­über arg­lis­tig ver­schwie­gen, dass ei­ne „Mo­dell­pfle­ge“ be­vor­ste­he. Zur Ver­schleie­rung ih­rer dies­be­züg­li­chen Hin­weis­pflicht­ver­let­zung ha­be die Be­klag­te die Ur­kun­den auf Ju­ni 2000 zu­rück­da­tiert.

Die Be­klag­te hat be­haup­tet, sie ha­be die Klä­ge­rin dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es sich bei dem Pkw um ein La­ger­fahr­zeug ge­han­delt ha­be. Ei­ne Pflicht zur Auf­klä­rung über den be­vor­ste­hen­den Mo­dell­wech­sel ha­be nicht be­stan­den, weil der Ver­trag tat­säch­lich be­reits im Ju­ni 2000 ab­ge­schlos­sen wor­den sei.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat das Ober­lan­des­ge­richt zu­rück­ge­wie­sen. Die Re­vi­si­on, mit der die Klä­ge­rin ihr Kla­ge­be­geh­ren in vol­lem Um­fang wei­ter­ver­folg­te, hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Das Be­ru­fungs­ge­richt … hat im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin feh­le dem Pkw kei­ne zu­ge­si­cher­te Ei­gen­schaft. Zwar lie­ge in dem Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags über ein Neu­fahr­zeug die ent­spre­chen­de (still­schwei­gen­de) Zu­si­che­rung des Ver­käu­fers. Auch wenn man aber zu­guns­ten der Klä­ge­rin da­von aus­ge­he, dass der Ver­trag erst En­de Au­gust ab­ge­schlos­sen wor­den und der Mo­dell­wech­sel be­reits An­fang Sep­tem­ber 2000 er­folgt sei, sei die Zu­si­che­rung „Neu­fahr­zeug“ noch er­füllt. „Fa­brik­neu“ sei ein Neu­fahr­zeug nach der Recht­spre­chung ins­be­son­de­re des BGH dann nicht, wenn das Mo­dell im Zeit­punkt des Ver­kaufs nicht mehr un­ver­än­dert her­ge­stellt wer­de. Der Zeit­punkt der werks­in­ter­nen Pro­duk­ti­ons­um­stel­lung, der dem Händ­ler und dem Käu­fer häu­fig ver­schlos­sen blei­be, kön­ne nach die­ser Recht­spre­chung aber nicht ein­deu­tig als maß­geb­lich an­ge­se­hen wer­den. Viel­mehr sei in Über­ein­stim­mung mit ei­ner wett­be­werbs­recht­li­chen Ent­schei­dung des BGH vom 03.12.1998 – I ZR 63/96, NJW 1999, 2190 – auf den Zeit­punkt der Aus­lie­fe­rung des neu­en Mo­dells an den Han­del ab­zu­stel­len. Bis da­hin sei es ge­recht­fer­tigt, die Fahr­zeu­ge der al­ten Mo­dell­se­rie noch als Neu­fahr­zeu­ge im Rechts­sin­ne an­zu­se­hen. So­weit die Klä­ge­rin in der Be­ru­fungs­in­stanz erst­mals be­haup­tet ha­be, schon zum Zeit­punkt des Ver­kaufs sei mit der Aus­lie­fe­rung der neu­en Mo­del­le be­gon­nen wor­den, sei dies un­sub­stan­zi­iert.

Der Klä­ge­rin ste­he ein Scha­dens­er­satz­an­spruch auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt des Ver­schul­dens bei Ver­trags­ver­hand­lun­gen zu. So­lan­ge die Aus­lie­fe­rung der Fahr­zeu­ge der neu­en Mo­dell­se­rie an die Händ­ler noch nicht be­gon­nen ha­be, sei der Ver­käu­fer nicht ver­pflich­tet, von sich aus auf den be­vor­ste­hen­den Mo­dell­wech­sel hin­zu­wei­sen. Wenn es dem Kun­den hier­auf ent­schei­dend an­kom­me, kön­ne er sich durch Nach­fra­ge beim Händ­ler ent­spre­chend ab­si­chern.

II. Die Aus­füh­run­gen des Be­ru­fungs­ge­richts hal­ten der recht­li­chen Nach­prü­fung nicht in vol­lem Um­fang stand. Nach dem bis­he­ri­gen Sach- und Streit­stand kann ein Scha­dens­er­satz­an­spruch der Klä­ge­rin we­gen Feh­lens ei­ner zu­ge­si­cher­ten Ei­gen­schaft (§ 463 Satz 1 BGB a.F., Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) nicht ver­neint wer­den.

1. Nach der Recht­spre­chung des Se­nats ist ein als Neu­wa­gen ver­kauf­ter Pkw ent­ge­gen der in der Re­gel hier­in lie­gen­den kon­klu­den­ten Zu­si­che­rung nicht mehr „fa­brik­neu“, wenn das be­tref­fen­de Mo­dell im Zeit­punkt des Ver­kaufs nicht mehr un­ver­än­dert her­ge­stellt wird (Urt. v. 06.02.1980 – VI­II ZR 275/78, NJW 1980, 1097 [un­ter II 2c]; Urt. v. 18.06.1980 – VI­II ZR 185/79, WM 1980, 1068 = NJW 1980, 2127 [un­ter II 1 und 3]; Urt. v. 22.03.2000 – VI­II ZR 325/98, WM 2000, 1646 = NJW 2000, 2018 [un­ter II 1a und 2a]). Zwar geht auch das Be­ru­fungs­ge­richt von die­sem Grund­satz aus; es meint je­doch, der Zeit­punkt der fa­brik­in­ter­nen Pro­duk­ti­ons­um­stel­lung sei je­ner Recht­spre­chung nicht ein­deu­tig als maß­geb­lich zu ent­neh­men; viel­mehr sei auf den Zeit­punkt der Aus­lie­fe­rung der neu­en Mo­dell­se­rie an den Han­del ab­zu­stel­len. Dem ist nicht zu fol­gen.

Wenn der Se­nat in den an­ge­führ­ten Ent­schei­dun­gen auf die „un­ver­än­der­te Her­stel­lung“ ei­nes Fahr­zeug­mo­dells ab­ge­stellt hat, ist da­mit aus­ge­spro­chen, dass die Ein­stel­lung der Pro­duk­ti­on des bis­he­ri­gen Mo­dells den maß­ge­ben­den Zeit­punkt für Be­ur­tei­lung der Fra­ge dar­stellt, ob ein an­ge­bo­te­nes Fahr­zeug noch als „fa­brik­neu“ in dem dar­ge­leg­ten Sinn an­zu­se­hen ist. Die­ser Zeit­punkt ist ob­jek­tiv fest­stell­bar. Dar­auf, ob der Händ­ler oder Kun­de als Au­ßen­ste­hen­de ihn er­ken­nen kön­nen, kommt es ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht an. Der Um­stand, dass die ge­sam­te Pro­duk­ti­ons­um­stel­lung von ei­nem auf ein neu­es oder an­de­res Pkw-Mo­dell we­gen der er­for­der­li­chen Um­rüs­tung der Pro­duk­ti­ons­an­la­gen, et­wa da­mit ver­bun­de­ner Werks­fe­ri­en und der An­lauf­zeit für die Her­stel­lung des neu­en Typs mög­li­cher­wei­se meh­re­re Wo­chen in An­spruch nimmt, spricht des­halb nicht da­ge­gen, die Pro­duk­ti­ons­um­stel­lung als maß­geb­li­chen Zeit­punkt an­zu­se­hen, ab wann ein Fahr­zeug nicht mehr un­ver­än­dert her­ge­stellt wird, und das be­tref­fen­de Mo­dell dem­zu­fol­ge nicht mehr als fa­brik­neu im Sin­ne der Recht­spre­chung des BGH zu be­ur­tei­len ist.  So­weit das Be­ru­fungs­ge­richt in die­sem Zu­sam­men­hang auf die Aus­lie­fe­rung des neu­en Mo­dells an den Han­del ab­stel­len will, wür­de dies im Üb­ri­gen den be­rech­tig­ten In­ter­ess­sen des Käu­fers zu­wi­der­lau­fen, weil der maß­ge­ben­de Zeit­punkt noch wei­ter hin­aus­ge­scho­ben wer­den wür­de.

2. Das Be­ru­fungs­ge­richt un­ter­stellt, dass der Kauf­ver­trag erst En­de Au­gust 2000 ge­schlos­sen wor­den ist. Ver­fah­rens­feh­ler­haft ist es da­bei je­doch, wie die Re­vi­si­on zu Recht rügt, dem un­ter Be­weis ge­stell­ten Vor­trag der Klä­ge­rin nicht nach­ge­gan­gen, dass das von ihr be­stell­te Mo­dell ab den Werks­fe­ri­en nicht mehr pro­du­ziert und im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses, al­so En­de Au­gust 2000, schon mit der Aus­lie­fe­rung der neu­en Mo­del­le be­gon­nen wor­den sei. Dar­in lag zu­gleich die Be­haup­tung, die Pro­duk­ti­on des Typs 523i sei be­reits vor Ver­trags­schluss ein­ge­stellt wor­den.

Das Ober­lan­des­ge­richt ist auf die­sen – von der erst­in­stanz­li­chen Kla­ge­be­grün­dung teil­wei­se ab­wei­chen­den – Vor­trag der Klä­ge­rin nicht nä­her ein­ge­gan­gen, weil es ihn für nicht hin­rei­chend sub­stan­zi­iert ge­hal­ten und un­ter an­de­rem Aus­füh­run­gen da­zu ver­misst hat, wo­her die Klä­ge­rin ih­re Kennt­nis von dem Zeit­punkt der Aus­lie­fe­rung hat­te. Die­se Er­wä­gun­gen recht­fer­tig­ten ein Ab­se­hen von der be­an­trag­ten Be­weis­er­he­bung nicht.

Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des BGH darf die Be­weis­auf­nah­me über ei­ne be­weis­er­heb­li­che Tat­sa­che nur dann ab­ge­lehnt wer­den, wenn die un­ter Be­weis ge­stell­te Be­haup­tung so un­ge­nau ist, dass ih­re Er­heb­lich­keit nicht be­ur­teilt wer­den kann, oder wenn sie gleich­sam „ins Blaue hin­ein“ auf­ge­stellt und des­halb rechts­miss­bräuch­lich ist (Se­nat, Urt. v. 08.11.1995 – VI­II ZR 227/94, NJW 1996, 394 [un­ter III] m. w. Nachw.). Bei­des war hier nicht der Fall.

Die Be­haup­tung der Klä­ge­rin, die Aus­lie­fe­rung des neu­en Mo­dells der 5er-Rei­he ha­be be­reits vor dem – nach ih­rem Vor­brin­gen En­de Au­gust 2000 er­folg­ten – Ab­schluss des Kauf­ver­trags be­gon­nen, war hin­rei­chend ge­nau, um da­mit ih­re Er­heb­lich­keit be­ur­tei­len und be­ja­hen zu kön­nen. Ins­be­son­de­re war es nicht er­for­der­lich, dass die Klä­ge­rin den ge­nau­en Zeit­punkt des Aus­lie­fe­rungs­be­ginns be­nann­te; denn es lag auf der Hand, dass sich die­ser Vor­trag auf ei­nen eng um­grenz­ten Zeit­raum von al­len­falls ei­ni­gen Wo­chen vor En­de Au­gust be­zog. Das war aus­rei­chend sub­stan­zi­iert. An­halts­punk­te für ei­ne Be­haup­tung „ins Blaue hin­ein“ lie­gen nicht vor …

III. Nach al­le­dem kann das an­ge­foch­te­ne Ur­teil kei­nen Be­stand ha­ben. Es war da­her auf die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin auf­zu­he­ben. Zu­gleich war die Sa­che, da es wei­te­rer tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen be­darf, an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen …

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