Ei­ne Be­stim­mung in den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen ei­nes Kfz-Händ­lers, wo­nach ein Kun­de an die Be­stel­lung ei­nes Neu­fahr­zeugs „höchs­tens vier Wo­chen“ ge­bun­den ist, ist un­wirk­sam (ent­ge­gen BGH, Urt. v. 13.12.1989 – VI­II ZR 94/89).

LG Lü­ne­burg, Ur­teil vom 05.07.2001 – 1 S 3/01

Sach­ver­halt: Der Be­klag­te be­stell­te bei dem Klä­ger am 30.10.1998 ver­bind­lich ei­nen neu­en Wohn­wa­gen. Er wi­der­rief die­se Be­stel­lung am 10.11.1998 per Te­le­fax.

Nach den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen des Klä­gers (Neu­wa­gen­ver­kaufs­be­din­gun­gen) ist ein Käu­fer an ei­ne Be­stel­lung höchs­tens vier Wo­chen ge­bun­den. Wei­ter heißt es:

"Der Kauf­ver­trag ist ab­ge­schlos­sen, wenn der Ver­käu­fer die An­nah­me der Be­stel­lung des nä­her be­zeich­ne­ten Kauf­ge­gen­stan­des in­ner­halb die­ser Frist schrift­lich be­stä­tigt hat oder die Lie­fe­rung aus­ge­führt ist".

Das Amts­ge­richt hat den Be­klag­ten ver­ur­teilt, dem Klä­ger Scha­dens­er­satz in Hö­he von 4.924,80 DM nebst Zin­sen zu leis­ten. Es ist da­von aus­ge­gan­gen, dass zwi­schen den Par­tei­en ein Kauf­ver­trag ge­schlos­sen wor­den sei, in­dem der Klä­ger die Be­stel­lung des Be­klag­ten vom 30.10.1998 mit Te­le­fax vom 10.11.1998 an­ge­nom­men ha­be.

Die Be­ru­fung des Be­klag­ten hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Be­ru­fung hat Er­folg, da nicht fest­steht, dass die Par­tei­en ei­nen Kauf­ver­trag über ei­nen Wohn­wa­gen ge­schlos­sen ha­ben.

Der Be­klag­te hat am 30.10.1998 ei­ne so­ge­nann­te „ver­bind­li­che Be­stel­lung ei­nes neu­en Kraft­fahr­zeu­ges/An­hän­gers“ ge­gen­über dem Klä­ger ab­ge­ge­ben. …

Ei­ne An­nah­me die­ses An­ge­bots ist nicht am 05.11.1998 er­folgt. Das Amts­ge­richt hat zu Recht an­ge­nom­men, dass der Be­weis nicht ge­führt ist, dass das Schrei­ben des Klä­gers vom 05.11.1998 beim Be­klag­ten ein­ge­gan­gen ist. Dem in­so­weit be­weis­pflich­ti­gen Klä­ger ist der Be­weis nicht ge­lun­gen, dass die­ses Schrei­ben dem Be­klag­ten zu­ge­gan­gen ist.

Das An­ge­bot des Be­klag­ten auf Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags vom 30.10.1998 konn­te der Klä­ger ent­ge­gen der An­sicht des Amts­ge­rich­tes mit Fax­schrei­ben vom 10.11.1998 nicht (mehr) an­neh­men. Am sel­ben Ta­ge, je­doch zeit­lich da­vor lie­gend, hat­te der Be­klag­te ein Fax an den Klä­ger ge­sandt, dar­in sein An­ge­bot vom 30.10.1998 wi­der­ru­fen und ein neu­es An­ge­bot hin­sicht­lich des Kaufs ei­nes iden­tisch aus­ge­stat­te­ten Wohn­wa­gens zu ei­nem ge­rin­ge­ren Preis ab­ge­ge­ben – die­ses (neue) An­ge­bot des Be­klag­ten vom 10.11.1998 hat der Klä­ger nicht an­ge­nom­men.

An­ders wür­de es sich nur ver­hal­ten, wenn der Be­klag­te sein An­ge­bot vom 30.10.1998 am 10.11.1998 nicht hät­te wi­der­ru­fen kön­nen, wenn er al­so an die­ses An­ge­bot (noch) ge­bun­den ge­we­sen wä­re. Der BGH hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 13.12.1989 – VI­II ZR 94/89, NJW 1990, 1784 – aus­ge­führt, dass die Ver­ein­ba­rung ei­ner An­nah­me­frist in den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen nur dann wirk­sam ist, wenn der Ver­wen­der dar­an ein schutz­wür­di­ges In­ter­es­se hat, hin­ter dem das In­ter­es­se des Kun­den am bal­di­gen Weg­fall sei­ner Bin­dung zu­rück­ste­hen muss. Er hat zu der hier in Re­de ste­hen­den Klau­sel aus­ge­führt, die 4-Wo­chen-Frist sei durch ei­ne Rei­he or­ga­ni­sa­to­ri­scher Maß­nah­men ge­recht­fer­tigt, die die ord­nungs­ge­mä­ße Be­ar­bei­tung der Be­stel­lung von neu­en Kraft­fahr­zeu­gen er­fah­rungs­ge­mäß mit sich brin­ge. Die be­stell­ten Neu­wa­gen sei­en im Re­gel­fall nicht vor­rä­tig, son­dern wür­den im Zu­ge län­ger­fris­ti­ger Pla­nun­gen des Her­stel­lers pro­du­ziert, so­dass der Kraft­fahr­zeug­händ­ler durch Rück­fra­ge beim Her­stel­ler fest­stel­len müs­se, ob das Fahr­zeug in der ge­wünsch­ten Aus­stat­tung und vor al­lem in der ge­wünsch­ten Zeit ge­lie­fert wer­den kön­ne. Dar­über könn­ten durch­aus zwei Wo­chen ver­ge­hen. Hin­zu kom­me die Zeit zur ab­schlie­ßen­den Klä­rung der Fi­nan­zie­rung des Kauf­prei­ses, die der Kraft­fahr­zeug­händ­ler re­gel­mä­ßig „mit­lie­fern“ müs­se, so­wie der Fra­ge der Ver­wert­bar­keit ei­nes in Zah­lung ge­ge­be­nen Ge­braucht­fahr­zeugs und bei Ab­zah­lungs­ge­schäf­ten die Prü­fung der Kre­dit­wür­dig­keit des Käu­fers. Um ei­ne sorg­fäl­ti­ge, oh­ne Zeit­druck er­fol­gen­de Be­ar­bei­tung des An­trags des Kraft­fahr­zeug­käu­fers si­cher­zu­stel­len, sei da­her grund­sätz­lich ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se des Ver­käu­fers an ei­ner vier­wö­chi­gen Bin­dungs­frist des Käu­fers an­zu­er­ken­nen. Das schutz­wür­di­ge In­ter­es­se des Käu­fers wür­de da­durch nicht un­an­ge­mes­sen be­ein­träch­tigt.

Un­ter Be­rück­sich­ti­gung die­ser Kri­te­ri­en ist im Hin­blick auf den vor­lie­gen­den Fall ei­ne Bin­dungs­frist von vier Wo­chen nicht ge­recht­fer­tigt. Auf­grund der neue­ren, ge­richts­be­kann­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten, die ei­ne schnel­le Rück­fra­ge des Händ­lers bei dem Pro­du­zen­ten (und auch Fi­nan­zie­rungs­in­sti­tu­ten, Schu­fa u. ä.) zu­las­sen und auch dem Pro­du­zen­ten (Fi­nan­zie­rungs­in­sti­tu­ten, Schu­fa u. ä.) ei­nen schnel­len Rück­griff auf sei­nen Da­ten­be­stand er­mög­li­chen, ist es ei­nem Händ­ler in­ner­halb kür­zes­ter Zeit mög­lich fest­zu­stel­len, ob das Fahr­zeug (oder wie hier der Wohn­an­hän­ger) in der ge­wünsch­ten Aus­stat­tung und in der ge­wünsch­ten Zeit ge­lie­fert und ei­ne Fi­nan­zie­rung u. ä. durch­ge­führt wer­den kann (eben­so Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 7. Aufl. [2000], Rn. 20; Brand­ner, in: Ul­mer/Brand­ner/Hen­sen, 8. Aufl. [1997], Anh. §§ 9–11 Rn. 438). In­so­weit sind ins­be­son­de­re die tech­ni­schen Ent­wick­lun­gen im Be­reich der Kom­mu­ni­ka­ti­on, Da­ten­spei­che­rung und Da­ten­wei­ter­ga­be in den ver­gan­ge­nen Jah­ren zu be­rück­sich­ti­gen, die ei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung der Bin­dungs­frist recht­fer­ti­gen.

Die Bin­dungs­frist in den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen des Klä­gers ver­stößt da­mit ge­gen das AGB-Ge­setz. Nach § 6 II AGBG gilt da­mit die ge­setz­li­che Be­stim­mung des § 147 II BGB. Da die in die­ser Vor­schrift ent­hal­te­ne (Bin­dungs-)Frist am 10.11.1998 über­schrit­ten war, konn­te der Be­klag­te mit sei­nem Fax­schrei­ben vom 10.11.1998 sein An­ge­bot vom 30.10.1998 wi­der­ru­fen …

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