Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kfz-Händlers, wonach ein Kunde (höchstens) vier Wochen an die Bestellung eines Neufahrzeugs – hier: eines Wohnmobils – gebunden ist, ist wirksam.
BGH, Urteil vom 13.12.1989 – VIII ZR 94/89
Sachverhalt: Der Beklagte bestellte bei dem Kläger, der einen Handel mit Wohnwagen und Wohnmobilen betreibt, am 21.08.1986 ein Wohnmobil zum Preis von 77 685,15 DM. Auf dem vom Beklagten unterzeichneten Bestellschein heißt es:
„An diese Bestellung, deren Durchschrift ich/wir erhalten habe(n), bin ich/sind wir 4 Wochen gebunden. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung des näher bezeichneten Kaufgegenstandes innerhalb dieser Frist schriftlich bestätigt hat oder die Lieferung ausgeführt ist.“
Die der Bestellung zugrunde gelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von fabrikneuen Kraftfahrzeugen und Anhängern ;– Neuwagen-Verkaufsbedingungen – enthalten unter I 1 folgende Bestimmung:
„Der Käufer ist an die Bestellung höchstens 4 Wochen, bei Nutzfahrzeugen bis 6 Wochen, gebunden. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung des näher bezeichneten Kaufgegenstandes innerhalb dieser Frist schriftlich bestätigt hat oder die Lieferung ausgeführt ist. Der Verkäufer ist jedoch verpflichtet, eine etwaige Ablehnung der Bestellung unverzüglich nach Klärung der Lieferbarkeit schriftlich mitzuteilen.“
Mit Schreiben vom 22.09.1986 erklärte der Beklagte, die Bestellung des Wohnmobils sei ungültig, weil der Verkäufer des Klägers ihn getäuscht und er bisher auch noch keine schriftliche Bestätigung erhalten habe.
Der Kläger nimmt den Beklagten wegen Nichtabnahme des Fahrzeuges auf Schadensersatz in Höhe von 11 652,77 DM nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Zinsteil stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.
Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil ein Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht wirksam zustande gekommen sei. Der Kläger habe das in der Bestellung vom 21.08.1986 liegende Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags durch die Auftragsbestätigung vom 12.09.1986, selbst wenn sie dem Beklagten zugegangen sei, nicht rechtzeitig angenommen. Da der Beklagte auch bei einer Rückfrage des Klägers bei dem … Hersteller mit einer Entscheidung über die Annahme des Angebots bis spätestens 08.09.1986 habe rechnen dürfen, sei die vom Kläger behauptete Annahme vom 12.09.1986 verspätet erfolgt (§ 147 II BGB). Auf eine Annahmefrist von vier Wochen könne sich der Kläger nicht berufen; die diesbezügliche Klausel im Bestellschein und in den Neuwagen-Verkaufsbedingungen verstoße gegen § 10 Nr. 1 AGBG und sei damit unwirksam, weil die Bindungsfrist des Käufers unangemessen lang sei.
II. Die Begründung des Berufungsgerichts rechtfertigt die Klageabweisung nicht.
1. Für das Zustandekommen eines Vertrags unter Abwesenden gilt die Regel des § 147 II BGB. Danach kann der Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Hat der Antragende, wie hier der Beklagte, für die Annahme des Antrags eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb dieser Frist erfolgen (§ 148 BGB). Da der Beklagte sich für die Dauer von „vier Wochen“ bzw. „höchstens vier Wochen“ an die Bestellung vom 21.08.1986 gebunden hat, kommt es auf die Wahrung der gesetzlichen Annahmefrist nach § 147 II BGB nur an, wenn die im Bestellformular des Klägers enthaltene Klausel über die Bindungsfrist des Bestellers unwirksam wäre und an ihre Stelle gemäß § 6 II AGBG die gesetzliche Regelung des § 147 II BGB träte (BGH, Urt. v. 06.03.1986 – III ZR 234/84, WM 1986, 577, 579 = NJW 1986, 1807, 1808 [unter III 2]; vgl. auch Senat, Urt. v. 19.09.1983 – VIII ZR 84/82, WM 1983, 1153, 1154 [unter II 1 a bb]). Das ist nicht der Fall.
a) Ist die Annahmefrist wesentlich länger als die in § 147 II BGB umschriebene, übersteigt sie also den Zeitraum erheblich, der für die Übermittlung der Erklärungen notwendig ist und eine angemessene Bearbeitungs- und Überlegungsfrist einschließt, so ist diese Fristbestimmung nur dann wirksam, wenn der Verwender daran ein schutzwürdiges Interesse hat, hinter dem das Interesse des Kunden am baldigen Wegfall seiner Bindung zurückstehen muss (BGH, Urt. v. 06.03.1986 – III ZR 234/84, WM 1986, 577, 579 = NJW 1986, 1807, 1808 [unter III 2] m. w. Nachw.; Urt. v. 24.03.1988 – III ZR 21/87, WM 1988, 607, 609 = NJW 1988, 2106, 2107 [unter II 2] = BGHR AGBG § 10 Nr. 1 Darlehensvertrag 1). Es mag sein, dass, wie das Berufungsgericht annimmt, die formularmäßig ausbedungene vierwöchige Bindungsfrist des Beklagten als Käufer des Wohnmobils die gesetzliche Annahmefrist des § 147 II BGB nicht unerheblich übersteigt. Diese Fristüberschreitung ist jedoch entgegen der Ansicht der Vorinstanz, die auch in Teilen des Schrifttums und der Rechtsprechung vertreten wird (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 48. Aufl., AGBG § 10 Anm. 1 b aa mit Hinweis auf LG Hamburg, NJW 1988, 1150; Erman/Hefermehl, BGB, 8. Aufl., AGBG § 10 Nr. 1 Rn. 5; Hensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 5. Aufl., Anh. § 9 bis 11 Rn. 438; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 3. Aufl., Rn. 10), durch eine Reihe organisatorischer Maßnahmen gerechtfertigt, die die ordnungsgemäße Bearbeitung der Bestellung von neuen Kraftfahrzeugen erfahrungsgemäß mit sich bringt. Da die bestellten Neuwagen im Regelfall nicht vorrätig sind, sondern im Zuge längerfristiger Planungen des Herstellers produziert werden, muss der Kraftfahrzeughändler durch Rückfrage bei diesem feststellen, ob das Fahrzeug in der gewünschten Ausstattung und vor allem in der gewünschten Zeit geliefert werden kann. So war es auch hier. Der Kläger musste die Bestellung an die Herstellerin, die Firma E-GmbH in B., weiterleiten und deren Bestätigung abwarten, ob das Fahrzeug in der gewünschten Ausstattung und zum gewünschten Termin geliefert werden konnte. Darüber können durchaus zwei Wochen vergehen. Hinzu kommt die Zeit zur abschließenden Klärung der Finanzierung des Kaufpreises, die der Kraftfahrzeughändler regelmäßig „mitliefern“ muss, sowie der Verwertbarkeit eines in Zahlung gegebenen Gebrauchtfahrzeugs und, bei Abzahlungsgeschäften, die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Käufers. Um eine sorgfältige ohne Zeitdruck erfolgende Bearbeitung des Antrags des Kraftfahrzeugkäufers sicherzustellen, ist daher grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des Verkäufers an einer vierwöchigen Bindungsfrist des Käufers anzuerkennen. Die schutzwürdigen Interessen des Käufers werden dadurch nicht unangemessen beeinträchtigt. Dieser kann zwar während der Dauer der Bindungsfrist von anderen, eventuell günstigeren Angeboten keinen Gebrauch machen. Im Regelfall wird der Käufer jedoch, bevor er sich zu einer festen Bestellung entschließt, Verhandlungen mit mehreren Kraftfahrzeugverkäufern führen und das Fahrzeug bei dem Händler bestellen, der ihm die günstigsten Bedingungen einräumt. Da der Preis für Neuwagen ab Werk von den Herstellern längerfristig „empfohlen“ wird, ist der Käufer der Gefahr von Preisschwankungen zu seinen Ungunsten während der vierwöchigen Bindung nicht ausgesetzt.
Der Senat schließt sich daher der überwiegend vertretenen Auffassung an, dass die vierwöchige Bindungsfrist des Kfz-Käufers im Neuwagengeschäft noch als angemessen hingenommen werden kann (Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 2. Aufl., § 10 Nr. 1 Rn. 15; von Westphalen, in: Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, AGB-Gesetz, 2. Aufl., § 10 Nr. 1 Rn. 12, 13; … Bunte, Handbuch der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1982, S. 244 ff.; Staudinger/Schlosser, BGB, 12. Aufl., AGBG § 10 Nr. 1 Rn. 10, 11; Jauernig/Teichmann, BGB, 4. Aufl., AGBG § 10 Anm. 1a aa; Creutzig, Recht des Autokaufs, 1980, Anm. 111; Reuter, DB 1979, 2069; Walchshöfer, WM 1986, 1041, 1044; so schon beiläufig auch BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, BGHZ 93, 29, 44; zu den Besonderheiten des Kraftfahrzeughandels s. auch Senat, Urt. v. 07.10.1981 – VIII ZR 229/80, WM 1982, 9, 12 = NJW 1982, 331, 333 unter IV 2, in BGHZ 82, 21 ff. nicht abgedruckt).
b) Dass die Bestellung des Beklagten vom 21.08.1986 kein in großer Serie gefertigtes Kraftfahrzeug, sondern ein Wohnmobil betraf, das von der Herstellerin auf einem von der Firma M fabrizierten Fahrgestell in kleinen Stückzahlen gebaut wird, führt entgegen der Ansicht des Beklagten zu keiner anderen Beurteilung. Gerade die Notwendigkeit, dass die Herstellerin das Fahrgestell eines bei ihr bestellten Wohnmobils erst bei einem anderen Produzenten ordern muss, führt nach der Lebenserfahrung im Regelfall zu einer Verzögerung der Bearbeitung des Kaufantrags, sodass hierdurch eine längere Bindungsfrist des Käufers eines Wohnmobils um so mehr gerechtfertigt ist.
2. Das angefochtene Urteil war somit, da das Berufungsgericht eigene Feststellungen zu dem vom Beklagten weiterhin bestrittenen Zugang der Auftragsbestätigung des Klägers vom 12.09.1986 sowie zur Anfechtbarkeit der Bestellung durch den Beklagten nicht getroffen hat, aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung … an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.