-
Durch die Klausel „gekauft wie gesehen“ in einem Gebrauchtwagenkaufvertrag wird die Haftung des Verkäufers für Sachmängel nicht vollständig ausgeschlossen. Der Gewährleistungsausschluss erfasst vielmehr nur Mängel, die – wie etwa Dellen, Rost oder Kratzer – für den Käufer als Laien bei einer Besichtigung des Fahrzeugs ohne sachverständige Hilfe wahrnehmbar sind.
-
Die voraussichtliche Gesamtlaufleistung eines Pkw der Mittelklasse beträgt 150.000 km (im Anschluss an OLG Koblenz, Urt. v. 16.04.2009 – 6 U 574/08).
LG Aurich, Urteil vom 24.04.2017 – 5 O 161/16
(nachfolgend: OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 02.08.2017 – 9 U 29/17 ⇒ OLG Oldenburg, Beschluss vom 28.08.2017 – 9 U 29/17)
Mehr lesen »
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen ist jedenfalls i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Denn der Käufer eines Pkw darf erwarten, dass für das Fahrzeug dauerhaft eine Betriebserlaubnis besteht und deren Fortbestand nicht davon abhängt, dass das Fahrzeug (hier: durch die Installation eines Softwareupdates) technisch überarbeitet wird.
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug ist außerdem deshalb mangelhaft (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB i. V. mit § 434 I 3 BGB), weil es die einschlägigen Emissionsgrenzwerte – hier: die Euro-5-Emissionsgrenzwerte – zwar während eines Emissionstests auf einem Prüfstand, aber nicht beim regulären Betrieb im Straßenverkehr einhält.
-
Bei der Prüfung, ob der Mangel, an dem ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug leidet, i. S. von § 323 V 2 BGB geringfügig und ein Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag mithin ausgeschlossen ist, kann nicht allein auf den mit einer Mangelbeseitigung – angeblich – verbundenen Kostenaufwand von weniger als 100 € abgestellt werden. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen, wobei auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen ist.
-
Im Rahmen der mit Blick auf § 323 V 2 BGB gebotenen umfassenden Interessenabwägung ist zugunsten des Käufers zu berücksichtigen, dass das für eine Nachbesserung erforderliche Softwareupdate von der – hier am Kaufvertrag nicht beteiligten – Volkswagen AG stammt und diese sich in der Vergangenheit arglistig verhalten hat. Ebenso wirkt es zugunsten des Käufers, wenn im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch kein Termin für die Installation des Updates feststand und negative Auswirkungen des Updates auf bestimmte Fahrzeugparameter nicht ausgeschlossen werden konnten.
LG Köln, Urteil vom 18.04.2017 – 4 O 177/16
(nachfolgend: OLG Köln, Beschluss vom 28.05.2018 – 27 U 13/17)
Mehr lesen »
-
Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums an einem gebrauchten Kraftfahrzeug ist regelmäßig ausgeschlossen, wenn sich der Erwerber nicht einmal den Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) vorlegen lässt, um die Verfügungsberechtigung des Veräußerers zu prüfen. Das gilt unabhängig davon, ob der Erwerber eine Privatperson oder ein Kfz-Händler ist.
-
Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht zwar nicht. Der Erwerber darf jedoch verdächtige Umstände (z. B. einen sehr günstigen Kaufpreis, Fehlen eines funktionsfähigen Zweitschlüssels) nicht unbeachtet lassen, sondern muss gegebenenfalls weitere Nachforschungen anstellen, die im Einzelfall bis zu einer Anfrage bei der Kfz-Zulassungsstelle oder beim Kraftfahrt-Bundesamt reichen können. Insbesondere können eine besondere Vorsicht und weitere Nachforschungen geboten sein, wenn ein Gebrauchtfahrzeug „auf der Straße“ verkauft wird, da ein Straßenverkauf erfahrungsgemäß das Risiko, dass ein gestohlenes Fahrzeug entdeckt wird, mindert.
-
Ist der Erwerber eines Gebrauchtwagens Kfz-Händler, kommt die Annahme grober Fahrlässigkeit i. S. des § 932 II BGB eher in Betracht als bei einem privaten Erwerber, das heißt, einen Kfz-Händler trifft eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Für einen Erwerber, der als Serviceberater in einem Autohaus tätig ist, gilt das zwar nicht in gleichem Maße. Bei der Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit i. S. des § 932 II BGB vorliegt, ist aber zu berücksichtigen, dass ein Serviceberater etwa im Umgang mit Kfz-Papieren deutlich erfahrener ist, als dies von einem privaten Erwerber üblicherweise erwartet werden kann. Diese höheren Vorkenntnisse müssen sich bei der Festlegung des maßgeblichen Sorgfaltsstandards niederschlagen.
-
Von dem Erwerber eines Gebrauchtwagens, der als Serviceberater in einem Autohaus tätig ist, kann deshalb etwa erwartet werden, dass er das im Kaufvertrag angegebene Datum der Erstzulassung (hier: 20.05.2015) mit dem in der Zulassungsbescheinigung Teil II angegebenen Datum (hier: 08.10.2015) vergleicht und ihm eine Abweichung auffällt.
OLG Schleswig, Urteil vom 07.04.2017 – 17 U 6/17
Mehr lesen »
-
Die bei Gefahrübergang vorhandene Eintragung eines Kraftfahrzeugs im Schengener Informationssystem (SIS) ist ein Rechtsmangel i. S. § 435 Satz 1 BGB, der den Käufer grundsätzlich zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Ein wirksamer Rücktritt setzt indes regelmäßig voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung, das heißt zur Beseitigung der SIS-Eintragung gesetzt hat.
-
Die Eintragung eines Kraftfahrzeugs im Schengener Informationssystem (SIS) begründet keinen Anscheinsbeweis dafür, dass das Fahrzeug i. S. des § 935 I BGB abhandengekommen ist, also ein unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes stattgefunden hat.
LG Offenburg, Urteil vom 05.04.2017 – 6 O 102/16
(nachfolgend: OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.09.2017 – 4 U 80/17)
Mehr lesen »
-
Darauf, ob ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen – insbesondere i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB – mangelhaft ist, kommt es für die Wirksamkeit eines vom Käufer erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag nicht an, wenn der Käufer dem Verkäufer vor der Erklärung des Rücktritts keine Frist zur Nacherfüllung (§ 323 I BGB) gesetzt hat und eine Fristsetzung auch nicht gemäß § 323 II BGB oder § 440 BGB entbehrlich war.
-
Eine Nachbesserung ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs jedenfalls dann nicht wegen des Fehlverhaltens der Volkswagen AG unzumutbar i.S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB, wenn die Volkswagen AG nicht Partei des Kaufvertrages ist.
-
Ebenso genügt für eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB) die bloße Möglichkeit, dass die Nachbesserung – hier: das Aufspielen eines Softwareupdates – zu einem neuen Mangel etwa in Gestalt eines überhöhten Kraftstoffverbrauchs führt oder ein merkantiler Minderwert verbleibt, nicht.
LG Münster, Urteil vom 05.04.2017 – 010 O 359/16
Mehr lesen »
-
Dass die vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge i. S. des § 434 I BGB mangelhaft sind, ergibt sich daraus, dass das Kraftfahrt-Bundesamt der Volkswagen AG auferlegt hat, diese Fahrzeuge technisch zu überarbeiten, um ihre Vorschriftsmäßigkeit wiederherzustellen und einen Verlust der Betriebserlaubnis abzuwenden.
-
Der Mangel, an dem ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug leidet, ist nicht geringfügig i. S. des § 323 V 2 BGB, da er nicht kurzfristig in einer beliebigen Kfz-Werkstatt beseitigt werden kann. Vielmehr bedarf es zur Mangelbeseitigung eines mit einem hohen zeitlichen Aufwand entwickelten und vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebenen Softwareupdates. Dass dieses Update schlussendlich in einer Vertragswerkstatt mit einem verhältnismäßig geringen Zeit- und Kostenaufwand installiert werden kann, macht den Mangel, der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeug anhaftet, nicht zu einem geringfügigen Mangel i. S. des § 323 V 2 BGB.
-
Setzt der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs dem Verkäufer gemäß § 323 I BGB eine Frist zur Nachbesserung, so muss er hinsichtlich der Angemessenheit dieser Frist berücksichtigen, dass der VW-Abgasskandal eine Vielzahl von Fahrzeugen in ganz Deutschland betrifft und diese nur sukzessive im Rahmen eines – noch dazu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abzustimmenden – Gesamtkonzepts nachgebessert werden können. Eine angemessene Frist zur Nachbesserung muss deshalb deutlich länger sein als die Nachbesserungsfrist bei einem „normalen“ Fahrzeugmangel. Das ist dem Käufer auch zuzumuten, da er das mangelhafte Fahrzeug bis zur Nachbesserung uneingeschränkt nutzen kann.
-
Die – nicht Partei des Kaufvertrags gewordene – Volkswagen AG kann dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs sowohl wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) als auch gemäß § 823 II BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV Schadensersatz leisten müssen. Insoweit trifft die Volkswagen AG eine sekundäre Darlegungslast, der sie durch den Vortrag genügt, auf welcher Ebene unterhalb der Vorstandsebene die Entscheidung getroffen wurde, eine Manipulationssoftware zu entwickeln und zu verwenden, ob diese Entscheidung Angehörigen einer höheren Hierarchieebene mitgeteilt wurde und wem sie gegebenenfalls mitgeteilt wurde und welche Budgets für die Entwicklung der Software in Anspruch genommen wurden. Ein solcher Vortrag ist der Volkswagen AG zumutbar, zumal gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine derart unternehmenswesentliche Entscheidung wie die, eine Manipulationssoftware zu entwickeln und zu verwenden, nicht unterhalb der Vorstandsebene getroffen und dem Vorstand auch nicht verheimlicht wurde.
-
Davon, dass das sittenwidrige Verhalten und der Verstoß der Volkswagen AG gegen ein Verbotsgesetz (§§ 6 I, 27 I EG-FGV) ursächlich für den Kaufentschluss eines Käufers waren, der ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug erworben hat, ist nach der Lebenserfahrung auszugehen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Käufer im Verkaufsgespräch konkret geäußert hat, dass er ein besonders schadstoffarmes Fahrzeug erwerben wolle.
LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017 – 3 O 252/16
Mehr lesen »
-
Eine Bestimmung in den Allgemeinen Verkaufsbedingungen eines Gebrauchtfahrzeughändlers, wonach die Übertragung von Rechten und Pflichten des Käufers aus dem Kaufvertrag der schriftlichen Zustimmung des Verkäufers bedarf (abgeschwächter Abtretungsausschluss), ist auch gegenüber einem Verbraucher nicht nach § 307 I 1 BGB unwirksam.
-
Der (abgeschwächte) Abtretungsausschluss erfasst auch Ansprüche, die sich aus einem – noch vom Käufer selbst erklärten – Rücktritt vom Kaufvertrag ergeben, weil es sich auch dabei um „Rechte und Pflichten des Käufers aus dem Kaufvertrag“ handelt.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.03.2017 – 7 U 115/16
Mehr lesen »
-
Ein im Jahr 2002 gebautes Audi-A4-Cabriolet, bei dem sich wegen eines Serienfehlers in Gestalt einer fehlerhaften Verklebung von Heckscheibe und Verdeck die Heckscheibe vom Verdeck löst, weist einen (erheblichen) Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf.
-
Ein Defekt (hier: eine sich vom Verdeck lösende Heckscheibe) kann bei einem Gebrauchtwagen auch dann ein Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB sein, wenn er auch anderen Fahrzeugen derselben Marke und desselben Typs als Serienfehler anhaftet (im Anschluss an OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.11.2011 – I-1 U 141/07).
LG Düsseldorf, Urteil vom 03.03.2017 – 9 O 8/14
(nachfolgend: OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2017 – I-5 U 55/17)
Mehr lesen »
-
Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen, bei dem die Motorsteuerung so programmiert ist, dass die Stickoxidemissionen nur reduziert werden, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand einem Emissionstest unterzogen wird, weist einen Sachmangel auf.
-
Dieser Mangel kann auch dann erheblich sein, wenn er sich durch ein mit einem geringen Kosten- und Zeitaufwand verbundenes Softwareupdate beseitigen lässt. Denn die Beurteilung, ob die in der Lieferung des mangelhaften Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung des Verkäufers i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung, bei der auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen ist. Im Rahmen dieser Abwägung muss zugunsten des Käufers die Arglist der Volkswagen AG ins Gewicht fallen, die (auch) ihre Kunden über Jahre hinweg systematisch irregeführt hat. Das gilt auch dann, wenn der Käufer den Kaufvertrag nicht mit der Volkswagen AG oder einem ihrer Vertragshändler geschlossen hat, weil er das Softwareupdate nur über einen VW-Vertragshändler beziehen kann.
-
Bei einem Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I BGB) trifft den Käufer vor einem mangelbedingten Rücktritt vom Kaufvertrag nicht die Obliegenheit, dem Verkäufer gemäß § 323 I BGB erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen. Vielmehr genügt es, dass der Käufer Nacherfüllung verlangt und der Verkäufer diesem Verlangen nicht innerhalb angemessener Frist nachkommt.
-
Für die vereinfachte Zwangsvollstreckung eines Zug-um-Zug-Leistungsurteils genügt die bloße Feststellung, dass sich der Beklagte im Annahmeverzug befindet. Wann Annahmeverzug eingetreten ist, bedarf deshalb keiner Entscheidung und keines Ausspruchs im Tenor.
LG Köln, Urteil vom 02.03.2017 – 2 O 317/16
Mehr lesen »
Der Verkäufer eines Gebrauchtwagens verschweigt einen Mangel in Gestalt eines Unfallschadens auch dann arglistig i. S. des § 444 Fall 1 BGB, wenn er zu diesem Schaden irreführende Angaben macht. Denn die Aufklärungspflicht des Verkäufers beschränkt sich nicht darauf, dem Käufer den Unfallschaden zu offenbaren, ohne nähere Angaben zum Schadensumfang zu machen. Vielmehr bezieht sich auch auf den Umfang des Schadens, den der Verkäufer nicht bagatellisieren darf.
OLG Koblenz, Beschluss vom 01.03.2017 – 5 U 135/17
Mehr lesen »