1. Hat der betrogene Käufer eines Kraftfahrzeugs den beiderseits erfüllten Kaufvertrag angefochten, so kann die Rückabwicklung sowohl nach Schadensersatzrecht wie nach Bereicherungsrecht erfolgen, und zwar auch dann, wenn der Käufer das Fahrzeug längere Zeit benutzt hat.
  2. Zu den Einzelheiten der Rückabwicklung, insbesondere zur Berechnung des Schadens des Käufers und der ihm anzurechnenden Nutzungsvergütung.

BGH, Urteil vom 02.07.1962 – VIII ZR 12/61

Sachverhalt: Am 24.06.1955 bestellte der Kläger bei der Beklagten in einem formularmäßigen „Kaufvertrag“ einen Ford FK 1000 (Pritschenwagen) zum Preis von 7.305 DM. Die Beklagte lieferte den Wagen am 27.06.1955. Der Kläger zahlte 5 DM an, gab einen gebrauchten Volkswagen in Zahlung und akzeptierte über den Rest einen Wechsel. Einige Tage später stellte er fest, dass der gelieferte Wagen nicht ein Modell des Baujahrs 1955, sondern des Baujahres 1954 war; außerdem war der Wagen als Vorführwagen benutzt worden.

Der Kläger stellte den Wagen deswegen der Beklagten zur Verfügung, focht den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und forderte seine Leistungen auf den Kaufpreis zurück. Hilfsweise verlangte er die Lieferung eines fabrikneuen Wagens. Die Beklagte lehnte die Ansprüche des Klägers ab und veräußerte den in Zahlung gegebenen Volkswagen. Der Kläger löste den Wechsel bei Fälligkeit ein und benutzte den ihm von der Beklagten gelieferten Wagen laufend für seinen Gewerbebetrieb. Nachdem die Beklagte im Rechtsstreit deswegen hohe Gegenansprüche angekündigt hatte, erklärte der Kläger im ersten Rechtszug "den auf Wandlung gerichteten Hauptantrag in der Hauptsache für erledigt" und verlangte nur noch Ersatz des Minderwertes in Höhe von 750 DM.

Das Landgericht erklärte "das Klagebegehren auf Wandlung" für erledigt und verurteilte die Beklagte unter Abweisung der Mehrforderung zur Zahlung von 330 DM. Die Kosten legte es zu 1/20 dem Kläger und zu 19/20 der Beklagten auf. Gegen das Urteil hat die Beklagte mit dem Ziel der Klagabweisung Berufung eingelegt. Der Kläger hat sich der Berufung angeschlossen und zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 7.305 DM Zug um Zug gegen Herausgabe des Pritschenwagens zu verurteilen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Beklagte – unter Abweisung der weitergehenden Anschlussberufung des Klägers – zur Zahlung von 730 DM verurteilt. Von den Kosten des Rechtsstreits haben nach dem Berufungsurteil 9/10 der Kläger und 1/10 die Beklagte zu tragen.

Auf die Revision des Klägers, der damit seinen Antrag aus dem zweiten Rechtszug weiterverfolgte, wurde das Berufungsurteil hinsichtlich der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen worden war. In diesem Umfange wurde die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Aus den Gründen: Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten hat und dass ihm deshalb keine vertraglichen, sondern nur noch Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§ 823 II BGB, § 263 StGB, § 826 BGB) und aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) zustehen. Es bemisst diese Ansprüche auf 730 DM, nämlich den Minderwert, den der gebrauchte Wagen des Baujahrs 1954 bei der Lieferung weniger wert war als ein fabrikneuer Wagen des Baujahrs 1955. Eine Rückgabe des Wagens durch den Kläger hat nach Meinung des Berufungsgerichts außer Betracht zu bleiben, weil damit gerechnet werden müsse, dass die Beklagte ihn nur „zum Schrottwert veräußern könne“, während er für den Kläger noch einen beträchtlichen Gebrauchswert habe. Die Beklagte könne mit einem Anspruch auf Wertersatz für Nutzungen nicht aufrechnen; andererseits habe der Kläger auch nicht mehr als 730 DM zu verlangen, insbesondere könne er nicht den ganzen Kaufpreis zurückfordern.

Gegen den Ausgangspunkt des Berufungsurteils sind Bedenken nicht zu erheben. Die Rückabwicklung des angefochtenen und deshalb nichtigen Kaufvertrags kann sowohl nach Schadensersatz- wie nach Bereicherungsrecht erfolgen. Die Ausführungen des Berufungsurteils im Einzelnen und sein Ergebnis unterliegen jedoch rechtlichen Bedenken.

1. Ohne Rechtsverstoß geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte gemäß § 823 II BGB, § 263 StGB, § 826 BGB dem Kläger schadensersatzpflichtig ist. Dieser kann deshalb gemäß § 249 BGB von der Beklagten verlangen, so gestellt zu werden, wie er gestanden hätte, wenn diese ihn nicht betrogen hätte. Nach den Feststellungen des Berufungsurteils hätte er in diesem Fall „den Wagen nicht erstanden, sondern sich einen anderen zu einem dem objektiven Wert entsprechenden Preis gekauft“. In diesem Fall ist, wie bereits in der vom Berufungsgericht angezogenen Entscheidung des erkennenden Senats vom 29.10.1959 – VIII ZR 125/58, NJW 1960, 237, 238 = LM BGB § 123 Nr. 18 – dargelegt worden ist, dieser hypothetische anderweite Vertragsschluss des Käufers bei der Berechnung seines negativen Interesses zu berücksichtigen. Der Schadensersatzanspruch des Klägers ergibt sich demnach seinem Umfang nach aus einem Vergleich seiner jetzigen Lage mit der Lage, in der er sich befinden würde, wenn er statt des gebrauchten Wagens des Baujahrs 1954 einen neuen Wagen des Baujahrs 1955 zum selben Preis erstanden hätte. Sein Schaden bestand zunächst darin, dass er den Kaufpreis erlegte, ohne dafür – wegen der Nichtigkeit des aus § 123 BGB angefochtenen Vertrags – rechtlich einen Gegenwert erhalten zu haben. Sein Schaden war also zunächst gleich dem Kaufpreis. Dieser Schaden blieb jedoch nicht konstant. Nach der bereits vom Reichsgericht begründeten (vgl. RG, Urt. v. 14.03.1903 – V 458/02, RGZ 54, 137) ständigen Rechtsprechung muss der Gläubiger einer Schadensersatzforderung, die sich auf unerlaubte Handlung stützt, bei der Errechnung seines Schadens eine Vorteilsausgleichung derart hinnehmen, dass auch die Vorteile berücksichtigt werden, die er durch die unerlaubte Handlung erlangt hat. Da es sich hierbei nicht um eine Aufrechnung handelt, steht einer solchen Vorteilsausgleichung § 393 BGB nicht entgegen (RG, Urt. v. 14.03.1903 – V 458/02, RGZ 54, 137 ff., RGRK-BGB, vor § 249 Anm. 66). Infolgedessen muss sich der Kläger bei seinem Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung den Wert der von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen; denn diesen Vorteil hat er dadurch erlangt, dass er aufgrund des nichtigen Vertrags Besitzer des Wagens wurde und dadurch die Möglichkeit erhielt, ihn zu benutzen.

Dieser Ausgleichung kann er sich entgegen seiner Auffassung nicht durch den Hinweis auf den Gläubigerverzug der Beklagten entziehen, die den ihr zur Rücknahme angebotenen Wagen nicht zurückgenommen hat. Ihr Gläubigerverzug könnte nur von Bedeutung sein, wenn der Kläger den Wagen nicht benutzt hätte (§ 302 BGB). Da aber der Kläger den Wagen während seiner ganzen Besitzzeit benutzt hat, muss er sich den Vorteil dieser Nutzungen anrechnen lassen. Dabei spielt es auch – entgegen der Meinung der Revision – keine Rolle, ob er, weil er nicht die Mittel hatte, sich einen anderen Wagen zu kaufen, den von der Beklagten gekauften als für ihn unentbehrlich nicht stilllegen konnte und so wirtschaftlich gezwungen war, den Wagen weiter zu benutzen. Ebenso ist es unerheblich, ob er damit zugleich seiner aus § 254 II BGB sich ergebenden Pflicht nachkam, den ihm sonst zu ersetzenden Schaden im Interesse der Beklagten gering zu halten. Denn die Vorteilsausgleichung knüpft allein daran an, dass für den Geschädigten der Vorteil sich aus demselben Umstand ergeben hat, auf dem sein Schaden beruht.

Umfang und Wert des vom Kläger auszugleichenden Vorteils ergeben sich aus einem Vergleich mit der Lage, in der er sich befände, wenn er statt des tatsächlich gekauften einen neuen Wagen des Baujahrs 1955 gekauft und diesen anstelle jenes die Jahre hindurch benutzt hätte. In diesem Fall wäre der andere Wagen abgenutzt und entwertet worden. Der auszugleichende Vorteil des Klägers besteht nun darin, dass er diesen Wertverlust vermieden hat, indem er den hier streitigen Wagen benutzt hat. Die Höhe dieses Wertverlustes ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis für den anderen Wagen, der – wie der hier streitige Wagen – 7.305 DM gekostet haben würde und seinem unter Berücksichtigung der Abnützung anzunehmenden Jetztwert.

Über diesen Wert enthält das Berufungsurteil, das zu Unrecht die Benutzung des Wagens durch den Kläger nicht unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung sieht, keine Feststellungen. Demnach lässt sich die Höhe des Schadensersatzanspruchs des Klägers nicht beurteilen. Wäre der – hypothetische – Jetztwert des anderen Wagens höher als 730 DM, so könnte der Kläger den Mehrwert noch von der Beklagten als Schadensersatz verlangen. Denn dann würde sich sein Schadensersatzanspruch von ursprünglich 7.305 DM (Kaufpreis) durch den auszugleichenden Nutzungsvorteil um weniger als die Differenz von 7.305 DM und 730 DM verringern. Schon aus diesem Grund kann das Berufungsurteil, soweit es die Mehrforderung des Klägers abgewiesen hat, keinen Bestand haben.

2. Zum gleichen Ergebnis führt die Rückabwicklung des Vertrags nach Bereicherungsrecht.

Da der Kläger den Kaufvertrag vom 24.06.1955 wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten hat und dieser deshalb gemäß §§ 123, 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist, können die Parteien gemäß § 812 I 1 BGB gegenseitig die Herausgabe der von ihnen erbrachten Leistungen verlangen, der Kläger also Rückzahlung des Kaufpreises, wobei für den nicht mehr vorhandenen Volkswagen gemäß § 818 II BGB dessen Wert anzusetzen ist, die Beklagte Rückgabe des Wagens. Der Meinung des Berufungsgerichts, der Kläger sei i. S. des § 818 II BGB außerstande, den Wagen herauszugeben, weil damit zu rechnen sei, dass die Beklagte den Wagen wegen der langjährigen Benutzung durch den Kläger „nur noch zum Schrottwert veräußern könne“, kann jedoch nicht beigetreten werden. Es kommt vielmehr für § 818 II BGB nur darauf an, ob das Erlangte überhaupt noch herausgegeben werden kann, nicht auf seinen Zustand (Staudinger, BGB, 11. Aufl., § 818 Rn. 18). Da der Wagen als solcher noch vorhanden ist und auch nicht etwa einen Wert von 0 DM, sondern nach Meinung des Berufungsgerichts für die Beklagte noch mindestens den Schrottwert, für den Kläger aber einen wesentlich höheren Gebrauchswert hat, ist § 818 II BGB hier nicht anwendbar. Der Kläger bleibt also nach Bereicherungsrecht verpflichtet, der Beklagten den Wagen herauszugeben.

Nach § 818 II i. V. mit I BGB hat er auch den Wert der gezogenen Nutzungen, das heißt der Vorteile, welche ihm der Gebrauch des Kraftwagens gewährt hat (§ 100 BGB), zu ersetzen. Über die Höhe dieses Wertes enthält das Berufungsurteil nichts. Die Beklagte meint, in Höhe des angemessenen Mietzinses für die langjährige Benutzung des Wagens einen Gegenanspruch zu haben, der den Bereicherungsanspruch des Klägers bei Weitem übersteige. Diese Ansicht ist unzutreffend. Dass der Kläger den von ihm herauszugebenden Wagen jahrelang benutzt hat, ist eine Folge des von der Beklagten an dem Kläger verübten Betrugs. Der Kläger war, wie das Berufungsurteil festgestellt hat, nicht in der Lage, den gekauften Wagen stillzulegen und einen anderen Wagen zu kaufen, da er seine verfügbaren Mittel für das Geschäft mit der Beklagten eingesetzt hatte. Soweit deshalb der Wert der von ihm gezogenen und an sich nach § 818 I und II BGB der Beklagten zu ersetzenden Nutzungen den Vorteil übersteigt, den er bei seiner Schadensberechnung nach Schadensersatzrecht auszugleichen hat, ist ihm ein Schaden entstanden, den die Beklagte ihm gemäß § 823 II BGB, § 263 StGB, § 826 BGB zu ersetzen hat. Insoweit kann die Beklagte deshalb nach Bereicherungsrecht keinen Wertersatz verlangen, weil sie den Mehrwert dem Kläger nach Schadensersatzrecht zurückerstatten müsste. Darin liegt der Rechtsgrund (die causa), der insoweit einem Bereicherungsanspruch der Beklagten aus § 818 I BGB entgegensteht.

Das Gleiche würde gelten, soweit der Kläger – neben dem Wertersatz für die Nutzungen – gemäß §§ 142, 819 I, 818 IV, 292, 989 BGB für eine „Verschlechterung“ des Wagens einzustehen hätte; es kann deshalb dahinstehen, ob und inwieweit ein solcher Anspruch der Beklagten neben dem Anspruch auf Wertersatz für die Nutzungen gegeben sein könnte und ob der Kläger im vorliegenden Fall eine solche Verschlechterung des Wagens zu vertreten hätte. Auch nach Bereicherungsrecht kann der Kläger den Kaufpreis abzüglich des im Sinne der Ausführungen zu 1 ersparten Wertverlustes zurückverlangen.

3. Da mithin die Teilabweisung der Klage nicht zureichend begründet ist, war das angefochtene Urteil gemäß § 564 ZPO aufzuheben. Das Berufungsgericht wird nach weiterer Sachaufklärung festzustellen haben, welchen Wert ein 1955 gelieferter fabrikneuer Ford-Pritschenwagen des Baujahrs 1955 jetzt haben würde, wenn der Kläger ihn so benutzt hätte, wie den von der Beklagten gelieferten. Übersteigt dieser Betrag nicht 730 DM, so ist die Anschlussberufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen, soweit ihr nicht bereits entsprochen ist; andernfalls ist die Beklagte zur Zahlung des übersteigenden Betrags zu verurteilen.

Die Beklagte hat bisher nicht beantragt, ihre Verurteilung davon abhängig zu machen, dass der Kläger ihr das Fahrzeug herausgibt; der Senat hatte deshalb hierzu nicht Stellung zu nehmen. Soweit allerdings der Kläger durch wertsteigernde Aufwendungen eine Werterhöhung des von ihm herauszugebenden Wagens erzielt hat, ist ihm diese gutzubringen.

PDF erstellen