Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung (EU) Nr. 1215/2012 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über die ge­richt­li­che Zu­stän­dig­keit und die An­er­ken­nung und Voll­stre­ckung von Ent­schei­dun­gen in Zi­vil- und Han­dels­sa­chen ist da­hin aus­zu­le­gen, dass sich in ei­nem Fall, in dem ein Fahr­zeug, das von sei­nem Her­stel­ler in ei­nem ers­ten Mit­glied­staat mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet wor­den sein soll, die die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gert, Ge­gen­stand ei­nes in ei­nem zwei­ten Mit­glied­staat ab­ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags war und dem Er­wer­ber in ei­nem drit­ten Mit­glied­staat über­ge­ben wur­de, der Ort der Ver­wirk­li­chung des Scha­dens­er­folgs im Sin­ne die­ser Be­stim­mung im letzt­ge­nann­ten Mit­glied­staat be­fin­det.

EuGH (Neun­te Kam­mer), Ur­teil vom 22.02.2024 – C-81/23 (MA/​FCA Ita­ly SpA, FPT In­dus­tri­al SpA)

Das vor­lie­gen­de Ur­teil be­trifft die Aus­le­gung von Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung (EU) Nr. 1215/2012 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 12.12.2012 über die ge­richt­li­che Zu­stän­dig­keit und die An­er­ken­nung und Voll­stre­ckung von Ent­schei­dun­gen in Zi­vil- und Han­dels­sa­chen (ABl. 2012 L 351, 1). Es er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits, den MA, ei­ne in Ös­ter­reich an­säs­si­ge Per­son, ge­gen die FCA Ita­ly SpA so­wie die FPT In­dus­tri­al SpA, zwei ita­lie­ni­sche Ge­sell­schaf­ten, we­gen der Haf­tung Letz­te­rer für den Scha­den führt, der sich dar­aus er­ge­ben soll, dass in ei­nem von MA ge­kauf­ten Fahr­zeug ei­ne die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gern­de Ab­schalt­ein­rich­tung ver­baut ist.

Sach­ver­halt: Mit Kauf­ver­trag vom 14.03.2019 kauf­te MA, der in Krems an der Do­nau (Ös­ter­reich) wohn­haft ist, zu­sam­men mit sei­ner Ehe­frau bei ei­nem in Deutsch­land an­säs­si­gen Fahr­zeug­händ­ler ein Wohn­mo­bil. Die Über­ga­be des Fahr­zeugs an die Käu­fer er­folg­te durch das ös­ter­rei­chi­sche Aus­lie­fe­rungs­la­ger des Ver­käu­fers, das sich in Salz­burg (Ös­ter­reich) be­fin­det.

FCA Ita­ly SpA und FPT In­dus­tri­al SpA, zwei in Ita­li­en an­säs­si­ge Ge­sell­schaf­ten, sind die Her­stel­ler die­ses Fahr­zeugs be­zie­hungs­wei­se sei­nes Mo­tors.

Da der Mo­tor des Fahr­zeugs nach Auf­fas­sung des Klä­gers un­zu­läs­si­ger­wei­se mit ei­ner die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gern­den Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 5 V der Ver­ord­nung Nr. 715/2007 aus­ge­rüs­tet ist, er­hob er beim Lan­des­ge­richt Salz­burg (Ös­ter­reich) ei­ne de­lik­ti­sche Scha­dens­er­satz­kla­ge ge­gen FCA Ita­ly SpA und FPT In­dus­tri­al SpA. Er mach­te gel­tend, die­ses Ge­richt sei auf der Grund­la­ge von Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 für die Ent­schei­dung über sei­ne Kla­ge in­ter­na­tio­nal zu­stän­dig, da das schä­di­gen­de Er­eig­nis in Salz­burg ein­ge­tre­ten sei, wo der Kauf mit der Über­ga­be der Sa­che voll­endet wor­den sei.

FPT In­dus­tri­al SpA er­hob ei­ne Ein­re­de der Un­zu­stän­dig­keit die­ses Ge­richts, da sich nach dem Ur­teil vom 09.07.2020 – C-343/19, EU:C:2020:534 – Ver­ein für Kon­su­men­ten­in­for­ma­ti­on (im Fol­gen­den: Ur­teil VKI) – in ei­ner sol­chen Kon­stel­la­ti­on der Ort, an dem das schä­di­gen­de Er­eig­nis i. S. von Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 ein­ge­tre­ten sein sol­le, in dem Mit­glied­staat be­fin­de, in dem das Fahr­zeug vom Ver­käu­fer er­wor­ben wor­den sei. MA ha­be das Wohn­mo­bil aber in Deutsch­land er­wor­ben, wo der Kauf­ver­trag von den Par­tei­en un­ter­zeich­net wor­den sei. Der Er­folgs­ort be­fin­de sich dem­nach in Deutsch­land, so­dass die deut­schen Ge­rich­te für die Ent­schei­dung über die Rechts­sa­che zu­stän­dig sei­en.

Mit Be­schluss vom 31.05.2022 ver­warf das Lan­des­ge­richt Salz­burg die­se Ein­re­de und führ­te aus, nach dem Vor­brin­gen von MA ha­be sich sein Scha­den erst mit der Über­ga­be des Fahr­zeugs in Ös­ter­reich ver­wirk­licht.

Mit Be­schluss vom 03.10.2022 gab das Ober­lan­des­ge­richt Linz (Ös­ter­reich) dem Re­kurs von FPT In­dus­tri­al SpA mit der Be­grün­dung Fol­ge, dass das Erst­ge­richt für die Ent­schei­dung über die Rechts­sa­che in­ter­na­tio­nal un­zu­stän­dig sei, da sich der Ort des Er­werbs des Fahr­zeugs am Ort des Ab­schlus­ses des Kauf­ver­trags be­fin­de, der das für die wech­sel­sei­ti­gen Ver­pflich­tun­gen zwi­schen den Par­tei­en maß­ge­ben­de Ge­schäft sei.

Beim Obers­ten Ge­richts­hof (Ös­ter­reich), dem vor­le­gen­den Ge­richt, wur­de ein Re­vi­si­ons­re­kurs ge­gen die­sen Be­schluss ein­ge­legt.

Das vor­le­gen­de Ge­richt führt aus, im Un­ter­schied zu den Kon­stel­la­tio­nen, die in der dem Ur­teil VKI zu­grun­de lie­gen­den Rechts­sa­che in Re­de ge­stan­den hät­ten, fie­len hier der Ort des Kauf­ver­trags­ab­schlus­ses und der Ort der Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Käu­fer aus­ein­an­der.

Nach ös­ter­rei­chi­schem Recht set­ze sich der Er­werb des Ei­gen­tums­rechts an ei­ner be­weg­li­chen Sa­che aus dem Ver­pflich­tungs­ge­schäft (Ti­tel) und dem Ver­fü­gungs­ge­schäft (Mo­dus) zu­sam­men, wo­bei Letz­te­res erst zum Zeit­punkt und am Ort der Über­ga­be die­ser Sa­che zu­stan­de kom­me. Die An­wen­dung des na­tio­na­len Rechts bei der Aus­le­gung des Be­griffs „Ort, an dem das schä­di­gen­de Er­eig­nis ein­ge­tre­ten ist“, i. S. von Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 wür­de je­doch zu un­ter­schied­li­chen Er­geb­nis­sen füh­ren und stün­de da­her dem au­to­no­men Cha­rak­ter die­ses Be­griffs im Uni­ons­recht ent­ge­gen.

Zum ei­nen wür­de, wenn es bei der An­wen­dung der Vor­schrif­ten über die in­ter­na­tio­na­le Zu­stän­dig­keit auf den Ort des Kauf­ver­trags­ab­schlus­ses an­kä­me, dies dem Er­for­der­nis der en­gen Ver­bin­dung zwi­schen dem an­ge­ru­fe­nen Ge­richt und dem Rechts­streit, die die An­wen­dung von Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 be­grün­de, wi­der­spre­chen, da der Aus­gangs­rechts­streit zum Ort des Ver­trags­ab­schlus­ses, der sich in Deutsch­land be­fin­de, kei­nen re­le­van­ten Be­zug auf­wei­se.

Zum an­de­ren las­se sich, auch wenn der Ge­richts­hof im Ur­teil VKI zur Be­stim­mung des Er­folgs­orts auf den „Er­werb“ des Fahr­zeugs Be­zug ge­nom­men ha­be, den Rn. 30 bis 35 die­ses Ur­teils doch ein an­de­res we­sent­li­ches An­knüp­fungs­kri­te­ri­um ent­neh­men. Der Ge­richts­hof ha­be näm­lich aus­ge­führt, dass ein in ei­ner Wert­min­de­rung be­ste­hen­der Scha­den, der aus dem Er­werb ei­nes man­gel­haf­ten Fahr­zeugs re­sul­tie­re, ei­nen Pri­mär­scha­den dar­stel­le, der kein rei­ner Ver­mö­gens­scha­den sei und erst mit dem Er­werb der man­gel­haf­ten Sa­che vom Ver­käu­fer ein­tre­te.

Aus dem Ur­teil VKI kön­ne da­her der Schluss ge­zo­gen wer­den, dass der Er­folgs­ort in ei­ner Kon­stel­la­ti­on wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den der Ort sei, an dem sich der Sach­man­gel aus­ge­wirkt ha­be. Lie­ge der be­stim­mungs­ge­mä­ße Ge­brauch ei­nes man­gel­haf­ten Fahr­zeugs im Wohn­sitz­mit­glied­staat des Klä­gers, wä­re die in­ter­na­tio­na­le Zu­stän­dig­keit für die Ent­schei­dung über ei­ne de­lik­ti­sche Scha­dens­er­satz­kla­ge in die­sem Staat ge­ge­ben. Die­ses Er­geb­nis ste­he auch mit den vom Ge­richts­hof zu Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 ent­wi­ckel­ten Recht­spre­chungs­grund­sät­zen im Ein­klang.

Sei für die Be­stim­mung des Er­folgs­orts nach die­ser Vor­schrift auf den Ort der Ver­wirk­li­chung des Scha­dens­er­folgs ab­zu­stel­len, er­gä­be sich näm­lich aus die­ser Recht­spre­chung, dass be­son­de­re Kri­te­ri­en von vorn­her­ein für die­sen Ort im Wohn­sitz­mit­glied­staat des Klä­gers spre­chen könn­ten, was da­her zu ei­nem Klä­ger­ge­richts­stand füh­re. Dies wä­re un­ter an­de­rem bei Kla­gen der Fall, die auf ei­nen Ver­stoß ge­gen die Pro­spekt­pflicht, auf die Ver­let­zung ei­ner ge­setz­li­chen In­for­ma­ti­ons­pflicht im Wohn­sitz­mit­glied­staat des Klä­gers oder auf ei­nen Scha­den im Zu­sam­men­hang mit der Füh­rung von An­la­ge­kon­ten ge­stützt wür­den. Frag­lich sei des­halb, ob der Ort, an dem sich ein die Funk­ti­ons­fä­hig­keit ei­ner Sa­che be­ein­träch­ti­gen­der Man­gel aus­wir­ke, auch als Er­folgs­ort an­ge­se­hen wer­den kön­ne.

Un­ter die­sen Um­stän­den hat der Obers­te Ge­richts­hof be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

Ist Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 da­hin aus­zu­le­gen, dass sich bei ei­ner de­lik­ti­schen Scha­dens­er­satz­kla­ge ge­gen den im Mit­glied­staat A (hier: Ita­lie­ni­sche Re­pu­blik) an­säs­si­gen Ent­wick­ler ei­nes Die­sel­mo­tors mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. des Art. 5 II der Ver­ord­nung Nr. 715/2007 der Ort der Ver­wirk­li­chung des Scha­dens­er­folgs in ei­nem Fall, in dem das Fahr­zeug von dem im Mit­glied­staat B (hier: Re­pu­blik Ös­ter­reich) wohn­haf­ten Klä­ger von ei­nem im Mit­glied­staat C (hier: Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land) an­säs­si­gen Drit­ten ge­kauft wur­de,

a) am Ort des Ver­trags­ab­schlus­ses,
b) am Ort der Über­ga­be des Fahr­zeugs oder
c) am Ort der Ver­wirk­li­chung des den Scha­den be­grün­den­den Sach­man­gels und da­mit am Ort des be­stim­mungs­ge­mä­ßen Ge­brauchs des Fahr­zeugs

be­fin­det?

Der EuGH hat die Vor­la­ge­fra­ge wie aus dem Leit­satz er­sicht­lich be­ant­wor­tet.

Aus den Grün­den: Zur Vor­la­ge­fra­ge

[22]   Mit sei­ner Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass sich in ei­nem Fall, in dem ein Fahr­zeug, das von sei­nem Her­stel­ler in ei­nem ers­ten Mit­glied­staat mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet wor­den sein soll, die die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gert, Ge­gen­stand ei­nes in ei­nem zwei­ten Mit­glied­staat ab­ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags war und dem Er­wer­ber in ei­nem drit­ten Mit­glied­staat über­ge­ben wur­de, in dem es be­stim­mungs­ge­mäß ge­braucht wur­de, der Ort der Ver­wirk­li­chung des Scha­dens­er­folgs im Sin­ne die­ser Be­stim­mung am Ort des Ver­trags­ab­schlus­ses, am Ort der Über­ga­be des Fahr­zeugs oder am Ort sei­nes Ge­brauchs be­fin­det.

[23]   Ein­lei­tend ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Ver­ord­nung Nr. 1215/2012, da mit ihr ge­mäß ih­rem 34. Er­wä­gungs­grund die Ver­ord­nung (EG) Nr. 44/2001 des Ra­tes vom 22.12.2000 über die ge­richt­li­che Zu­stän­dig­keit und die An­er­ken­nung und Voll­stre­ckung von Ent­schei­dun­gen in Zi­vil- und Han­dels­sa­chen (ABl. 2001 L 12, 1) auf­ge­ho­ben und er­setzt wur­de, die ih­rer­seits das Über­ein­kom­men vom 27.09.1968 über die ge­richt­li­che Zu­stän­dig­keit und die Voll­stre­ckung ge­richt­li­cher Ent­schei­dun­gen in Zi­vil- und Han­dels­sa­chen (ABl. 1972 L 299, 32) in der Fas­sung der auf­ein­an­der fol­gen­den Über­ein­kom­men über den Bei­tritt neu­er Mit­glied­staa­ten zu die­sem Über­ein­kom­men er­setzt hat, die vom Ge­richts­hof vor­ge­nom­me­ne Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen der letzt­ge­nann­ten Rechts­in­stru­men­te auch für die Aus­le­gung der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 gilt, so­weit die be­tref­fen­den Be­stim­mun­gen als „gleich­wer­tig“ an­ge­se­hen wer­den kön­nen. Dies ist bei Art. 5 Nr. 3 die­ses Über­ein­kom­mens und der Ver­ord­nung Nr. 44/2001 ei­ner­seits so­wie Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 an­de­rer­seits der Fall (EuGH, Urt. v. 09.07.2020 – C-343/19, EU:C:2020:534 Rn. 22 m. w. Nachw. – Ver­ein für Kon­su­men­ten­in­for­ma­ti­on).

[23]   Zur Be­ant­wor­tung der vom vor­le­gen­den Ge­richt ge­stell­ten Fra­ge ist zum ei­nen dar­auf hin­zu­wei­sen, dass nach stän­di­ger Recht­spre­chung die be­son­de­re Zu­stän­dig­keits­re­gel in Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012, die es dem Klä­ger ab­wei­chend von der all­ge­mei­nen Re­gel der Zu­stän­dig­keit der Ge­rich­te am Be­klag­ten­wohn­sitz (Art. 4 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012) er­laubt, sei­ne Kla­ge aus un­er­laub­ter Hand­lung oder ei­ner Hand­lung, die ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung gleich­ge­stellt ist, vor dem Ge­richt des Or­tes zu er­he­ben, an dem das schä­di­gen­de Er­eig­nis ein­ge­tre­ten ist oder ein­zu­tre­ten droht, au­to­nom und eng aus­zu­le­gen ist (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 10.03.2022 – C?498/20, EU:C:2022:173 Rn. 28 m. w. Nachw. – BMA Neder­land).

[24]   Die­se be­son­de­re Zu­stän­dig­keits­re­gel be­ruht dar­auf, dass zwi­schen der Strei­tig­keit und den Ge­rich­ten des Or­tes, an dem das schä­di­gen­de Er­eig­nis ein­ge­tre­ten ist, ei­ne be­son­ders en­ge Be­zie­hung be­steht, die aus Grün­den ei­ner ge­ord­ne­ten Rechts­pfle­ge und ei­ner sach­ge­rech­ten Ge­stal­tung des Pro­zes­ses ei­ne Zu­stän­dig­keit die­ser Ge­rich­te recht­fer­tigt (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 10.03.2022 – C?498/20, EU:C:2022:173 Rn. 29 m. w. Nachw. – BMA Neder­land).

[25]   Bei un­er­laub­ten Hand­lun­gen oder ih­nen gleich­ge­stell­ten Hand­lun­gen ist näm­lich das Ge­richt des Or­tes, an dem das schä­di­gen­de Er­eig­nis ein­ge­tre­ten ist oder ein­zu­tre­ten droht, ins­be­son­de­re we­gen der Nä­he zum Streit­ge­gen­stand und der leich­te­ren Be­weis­auf­nah­me in der Re­gel am bes­ten in der La­ge, den Rechts­streit zu ent­schei­den (EuGH, Urt. v. 10.03.2022 – C?498/20, EU:C:2022:173 Rn. 30 m. w. Nachw. – BMA Neder­land).

[26]   Zum an­de­ren ist mit dem Aus­druck „Ort, an dem das schä­di­gen­de Er­eig­nis ein­ge­tre­ten ist“, so­wohl der Ort der Ver­wirk­li­chung des Scha­dens­er­folgs ge­meint als auch der Ort des für den Scha­den ur­säch­li­chen Ge­sche­hens, so­dass der Be­klag­te nach Wahl des Klä­gers vor dem Ge­richt ei­nes die­ser bei­den Or­te ver­klagt wer­den kann (EuGH, Urt. v. 09.07.2020 – C-343/19, EU:C:2020:534 Rn. 23 m. w. Nachw. – Ver­ein für Kon­su­men­ten­in­for­ma­ti­on).

[27]   Zwi­schen den Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens be­steht Un­ei­nig­keit über die Be­stim­mung des Or­tes, an dem der Scha­den ein­ge­tre­ten ist.

[28]   Hier­zu hat der Ge­richts­hof ers­tens be­reits ent­schie­den, dass zu un­ter­schei­den ist zwi­schen dem sich un­mit­tel­bar aus dem kau­sa­len Er­eig­nis er­ge­ben­den Erst­scha­den, des­sen Ein­tritts­ort die Zu­stän­dig­keit des Ge­richts die­ses Or­tes im Hin­blick auf Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 be­grün­den könn­te, und den spä­te­ren nach­tei­li­gen Kon­se­quen­zen, die kei­ne Zu­stän­dig­keits­zu­wei­sung an­hand die­ser Vor­schrift be­grün­den kön­nen (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 29.07.2019 – C-451/18, EU:C:2019:635 Rn. 27 m. w. Nachw. – Ti­bor-Trans).

[29]   Der Ge­richts­hof hat da­bei ent­schie­den, dass ein Scha­den, der nur die mit­tel­ba­re Fol­ge des ur­sprüng­lich von an­de­ren Rechts­sub­jek­ten un­mit­tel­bar er­lit­te­nen, an ei­nem an­de­ren Ort als dem, an dem an­schlie­ßend dem mit­tel­bar Be­trof­fe­nen ein Scha­den ent­stan­den ist, ein­ge­tre­te­nen Scha­dens ist, kei­ne ge­richt­li­che Zu­stän­dig­keit nach die­ser Vor­schrift be­grün­den kann (EuGH, Urt. v. 29.07.2019 – C-451/18, EU:C:2019:635 Rn. 29 m. w. Nachw. – Ti­bor-Trans).

[30]   Im Licht die­ser Recht­spre­chung hat der Ge­richts­hof in den Rand­num­mern 29 bis 31 des Ur­teils VKI ei­nen Scha­den, der in der Wert­min­de­rung ei­nes Fahr­zeugs be­stand, die sich aus der Dif­fe­renz zwi­schen dem Preis, den der Er­wer­ber für die­ses Fahr­zeug ge­zahlt hat­te, und des­sen tat­säch­li­chem Wert auf­grund des Ein­baus ei­ner Soft­ware, mit der die Da­ten über den Ab­gas­aus­stoß ma­ni­pu­liert wur­den, er­gab, als „Pri­mär­scha­den“ ein­ge­stuft, da die­ser vor dem Kauf des Fahr­zeugs durch den End­ab­neh­mer nicht be­stand, und nicht als mit­tel­ba­re Fol­ge des ur­sprüng­lich von an­de­ren Rechts­sub­jek­ten er­lit­te­nen Scha­dens.

[31]   In den Rand­num­mern 32 bis 34 des Ur­teils VKI hat der Ge­richts­hof fer­ner ent­schie­den, dass ein sol­cher Scha­den kei­nen rei­nen Ver­mö­gens­scha­den dar­stellt, da es sich nicht um ei­nen Scha­den han­delt, der un­mit­tel­bar die fi­nan­zi­el­len Ver­mö­gens­wer­te des Ge­schä­dig­ten be­ein­träch­tigt, son­dern um ei­nen ma­te­ri­el­len Scha­den in Form der Min­de­rung des Sach­werts des von ihm er­wor­be­nen, mit ei­nem Man­gel be­haf­te­ten Fahr­zeugs.

[32]   Im vor­lie­gen­den Fall wird, wie sich aus den dem Ge­richts­hof vor­lie­gen­den Ak­ten er­gibt, nicht vor­ge­bracht, dass sich die Art und die Ein­stu­fung des vom Klä­ger des Aus­gangs­ver­fah­rens gel­tend ge­mach­ten Scha­dens von den im Ur­teil VKI in Re­de ste­hen­den un­ter­schie­den.

[33]   Was zwei­tens den Ort an­be­langt, an dem ein ma­te­ri­el­ler Scha­den wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de ein­ge­tre­ten ist, hat der Ge­richts­hof in den Rand­num­mern 30, 31 und 35 des Ur­teils VKI ent­schie­den, dass sich die­ser erst zum Zeit­punkt des Er­werbs des mit ei­nem Man­gel be­haf­te­ten Fahr­zeugs zu ei­nem über sei­nem Sach­wert lie­gen­den Preis ver­wirk­licht. Der Ge­richts­hof hat da­her auf die Fra­ge des vor­le­gen­den Ge­richts in der Rechts­sa­che, in der das Ur­teil VKI er­gan­gen ist, ge­ant­wor­tet, dass Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass sich der Ort der Ver­wirk­li­chung des Scha­dens­er­folgs in ei­nem Fall, in dem ein Fahr­zeug von sei­nem Her­stel­ler in ei­nem Mit­glied­staat rechts­wid­rig mit ei­ner Soft­ware aus­ge­rüs­tet wur­de, die die Da­ten über den Ab­gas­aus­stoß ma­ni­pu­liert, und da­nach bei ei­nem Drit­ten in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat er­wor­ben wird, im letzt­ge­nann­ten Mit­glied­staat als dem Staat, in dem die Sa­che er­wor­ben wur­de, be­fin­det.

[34]   Im vor­lie­gen­den Fall möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt je­doch wis­sen, wo sich der Ort be­fin­det, an dem sich der vom Er­wer­ber ei­nes sol­chen Fahr­zeugs er­lit­te­ne Scha­den ver­wirk­licht, wenn, an­ders als in der Rechts­sa­che, in der das Ur­teil VKI er­gan­gen ist, in zwei ver­schie­de­nen Mit­glied­staa­ten der Ort sein kann, an dem das Fahr­zeug er­wor­ben wur­de. Im Aus­gangs­ver­fah­ren fan­den näm­lich der Ab­schluss des Kauf­ver­trags ei­ner­seits und die Über­ga­be des Fahr­zeugs so­wie sein be­stim­mungs­ge­mä­ßer Ge­brauch an­de­rer­seits in ver­schie­de­nen Mit­glied­staa­ten statt.

[35]   In die­sem Kon­text möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob der Ort des Er­werbs ei­nes mit ei­nem Man­gel be­haf­te­ten Fahr­zeugs und da­mit der „Ort, an dem das schä­di­gen­de Er­eig­nis ein­ge­tre­ten ist“, i. S. von Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 nach des­sen Aus­le­gung im Ur­teil VKI dem Ort des Ab­schlus­ses des Kauf­ver­trags über das Fahr­zeug, dem Ort, an dem es dem End­ab­neh­mer über­ge­ben wur­de, oder dem Ort, an dem es be­stim­mungs­ge­mäß ge­braucht wur­de, ent­spre­chen.

[36]   Was ers­tens den Ort des Ab­schlus­ses des Kauf­ver­trags an­geht, kann die­ser für sich ge­nom­men nicht für die Be­stim­mung des Or­tes des Er­werbs in ei­nem sol­chen Kon­text aus­schlag­ge­bend sein.

[37]   Die de­lik­ti­sche Haf­tung der Her­stel­ler ei­nes Fahr­zeugs be­ruht näm­lich grund­sätz­lich auf dem Vor­lie­gen ei­ner rechts­wid­ri­gen Hand­lung, die dar­in be­steht, dass das Fahr­zeug mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Vor­rich­tung aus­ge­rüs­tet wur­de, so­wie ei­nes Scha­dens in Hö­he der Dif­fe­renz zwi­schen dem vom Er­wer­ber ge­zahl­ten Preis und dem tat­säch­li­chen Preis des Fahr­zeugs, und auf der Fest­stel­lung ei­nes Kau­sal­zu­sam­men­hangs zwi­schen ei­ner sol­chen rechts­wid­ri­gen Hand­lung und dem Scha­den, wo­bei die Mo­da­li­tä­ten des Er­werbs des Fahr­zeugs in­so­weit un­er­heb­lich sind. Für die Prü­fung des vor­ge­wor­fe­nen Ver­hal­tens und des Um­fangs des gel­tend ge­mach­ten Scha­dens er­scheint es des­halb nicht un­be­dingt er­for­der­lich, den In­halt des Kauf­ver­trags zu ana­ly­sie­ren, mit dem der Ge­schä­dig­te das Fahr­zeug er­wor­ben hat. Da­her ge­bie­tet das Er­for­der­nis ei­ner ge­ord­ne­ten Rechts­pfle­ge und ei­ner sach­ge­rech­ten Ge­stal­tung des Pro­zes­ses im Kon­text ei­ner Kla­ge auf Haf­tung aus un­er­laub­ter Hand­lung wie der des Aus­gangs­ver­fah­rens nicht, dass dem Ge­richt des Or­tes, an dem der Kauf­ver­trag ge­schlos­sen wur­de, die in­ter­na­tio­na­le Zu­stän­dig­keit zu­er­kannt wird.

[38]   Zwei­tens muss, da es sich bei dem im vor­lie­gen­den Fall gel­tend ge­mach­ten Scha­den nicht um ei­nen rei­nen Ver­mö­gens­scha­den han­delt (s. oben Rn. 32), der „Ort, an dem das schä­di­gen­de Er­eig­nis ein­ge­tre­ten ist“, i. S. von Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 auch nicht dem Ort ent­spre­chen, an dem die Pflicht zur Zah­lung der Dif­fe­renz zwi­schen dem Preis, den der ge­schä­dig­te Er­wer­ber für das man­gel­haf­te Fahr­zeug ge­zahlt hat, und des­sen tat­säch­li­chem Wert ent­stan­den ist. Ei­ne Zu­wei­sung der Zu­stän­dig­keit an das Ge­richt des Or­tes, an dem das Ver­mö­gen des Klä­gers end­gül­tig mit dem fi­nan­zi­el­len Ver­lust be­las­tet wur­de, er­weist sich näm­lich nur im Fall ei­nes rei­nen Ver­mö­gens­scha­dens als ein­schlä­gig (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 16.06.2016 – C-12/15, EU:C:2016:449 Rn. 30–32 – Uni­ver­sal Mu­sic In­ter­na­tio­nal Hol­ding), was in ei­ner Kon­stel­la­ti­on wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den nicht der Fall ist.

[39]   Drit­tens schließ­lich ist zu der Fra­ge, ob der Ort des Er­werbs des mit ei­nem Man­gel be­haf­te­ten Fahr­zeugs und folg­lich der Ort der Ver­wirk­li­chung des Scha­dens­er­folgs i. S. von Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 nach des­sen Aus­le­gung im Ur­teil VKI dem Ort ent­spricht, an dem das Fahr­zeug dem End­ab­neh­mer über­ge­ben wur­de, dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Ge­richts­hof in Rand­num­mer 27 des Ur­teils vom 16.07.2009 (C-189/08, EU:C:2009:475 – Zu­id-Che­mie), ent­schie­den hat, dass der Ort der Ver­wirk­li­chung des Scha­dens­er­folgs der Ort ist, an dem das aus­lö­sen­de Er­eig­nis sei­ne schä­di­gen­den Wir­kun­gen ent­fal­tet, das heißt der Ort, an dem sich der durch das feh­ler­haf­te Er­zeug­nis her­bei­ge­führ­te Scha­den kon­kret zeigt.

[40]   In An­be­tracht die­ser Recht­spre­chung so­wie der oben in den Rand­num­mern 36 bis 39 dar­ge­leg­ten Grün­de ist da­von aus­zu­ge­hen, dass in ei­nem Fall wie dem vor­lie­gen­den, in dem die Un­ter­zeich­nung des Kauf­ver­trags ei­ner­seits und die Über­ga­be des Fahr­zeugs und sein Ge­brauch an­de­rer­seits in ver­schie­de­nen Mit­glied­staa­ten statt­fan­den, der Ort des Er­werbs des Fahr­zeugs und da­mit der Ort der Ver­wirk­li­chung des Scha­dens­er­folgs i. S. von Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 nach des­sen Aus­le­gung im Ur­teil VKI der Ort ist, an dem sich der Man­gel, mit dem das Fahr­zeug be­haf­tet ist – das heißt der Ein­bau der un­zu­läs­si­gen Vor­rich­tung, der das scha­dens­be­grün­den­de Er­eig­nis dar­stellt –, zeigt und sei­ne schä­di­gen­den Wir­kun­gen für den End­ab­neh­mer ent­fal­tet, das heißt der Ort, an dem ihm das Fahr­zeug über­ge­ben wur­de.

[41]   Ei­ne sol­che Aus­le­gung ent­spricht dem im 15. Er­wä­gungs­grund der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 er­wähn­ten Ziel der Vor­her­seh­bar­keit der Zu­stän­dig­keits­vor­schrif­ten, da in Fort­füh­rung der vom Ge­richts­hof be­reits in Rand­num­mer 36 des Ur­teils VKI ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen, wo­nach ein in ei­nem Mit­glied­staat nie­der­ge­las­se­ner Au­to­mo­bil­her­stel­ler, der un­zu­läs­si­ge Ma­ni­pu­la­tio­nen an in an­de­ren Mit­glied­staa­ten in den Ver­kehr ge­brach­ten Fahr­zeu­gen vor­nimmt, ver­nünf­ti­ger­wei­se er­war­ten kann, dass er vor den Ge­rich­ten die­ser Staa­ten ver­klagt wird, da­von aus­zu­ge­hen ist, dass ein sol­cher Her­stel­ler in glei­cher Wei­se da­mit rech­nen muss, vor den Ge­rich­ten der Mit­glied­staa­ten ver­klagt zu wer­den, in de­nen die in den Ver­kehr ge­brach­ten Fahr­zeu­ge den End­ab­neh­mern über­ge­ben wur­den.

[42]   Im Üb­ri­gen kann der Ort, an dem das mit ei­nem Man­gel be­haf­te­te Fahr­zeug ge­braucht wird, für die Be­stim­mung des Or­tes der Ver­wirk­li­chung des Scha­dens­er­folgs nicht maß­ge­bend sein. Zum ei­nen ge­nügt die­ses Kri­te­ri­um, an­ders als der Ort der Über­ga­be, nicht dem Ziel der Vor­her­seh­bar­keit, und zum an­de­ren ist, wie sich aus den vor­ste­hen­den Er­wä­gun­gen er­gibt, da­von aus­zu­ge­hen, dass sich der Scha­den mit dem Er­werb des Fahr­zeugs, das heißt im vor­lie­gen­den Fall bei sei­ner Über­ga­be, zeigt.

[43]   Nach al­le­dem ist Art. 7 Nr. 2 der Ver­ord­nung Nr. 1215/2012 da­hin aus­zu­le­gen, dass sich in ei­nem Fall, in dem ein Fahr­zeug, das von sei­nem Her­stel­ler in ei­nem ers­ten Mit­glied­staat mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet wor­den sein soll, die die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gert, Ge­gen­stand ei­nes in ei­nem zwei­ten Mit­glied­staat ab­ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags war und dem Er­wer­ber in ei­nem drit­ten Mit­glied­staat über­ge­ben wur­de, der Ort der Ver­wirk­li­chung des Scha­dens­er­folgs im Sin­ne die­ser Be­stim­mung im letzt­ge­nann­ten Mit­glied­staat be­fin­det.

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