1. An die Annahme eines konkludenten Verzichts (hier: auf Gewährleistungsrechte) sind strenge Anforderungen zu stellen; der dahin gehende Wille muss unzweifelhaft und eindeutig nach außen treten (im Anschluss an BGH, Urt. v. 22.06.1995 – VII ZR 118/94, NJW-RR 1996, 237).
  2. Ein bei Gefahrübergang vorliegender, die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigender „normaler“ – dem Alter, der Laufleistung und der Qualitätsstufe entsprechender – Verschleiß eines für den Straßenverkehr zugelassenen Gebrauchtwagens begründet im Grundsatz keinen Sachmangel des Fahrzeugs. Dies gilt auch dann, wenn sich daraus in absehbarer Zeit, insbesondere bei der durch Gebrauch und Zeitablauf zu erwartenden weiteren Abnutzung, ein Erneuerungsbedarf ergibt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 09.09.2020 – VIII ZR 150/18, NJW 2021, 151 Rn. 23 m. w. Nachw.).
  3. Die Partei, die sich auf außerhalb einer Urkunde liegende Umstände beruft, um einen vom Text der Urkunde abweichenden übereinstimmenden Willen der Beteiligten nachzuweisen oder den Inhalt des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) zu deuten, trifft die Beweislast für das Vorliegen dieser Umstände (im Anschluss an BGH, Urt. v. 05.07.2002 – V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165).
  4. Die rechtsgeschäftliche Behandlung einer „Vertragsumschreibung“ richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB. Dabei kann § 151 Satz 1 Fall 2 BGB und § 267 I 1 BGB Bedeutung zukommen.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.04.2023 – 19 U 15/22

Sachverhalt: Der Kläger ist Geschäftsführer der G-GmbH. Er nimmt die Beklagte, die unter anderem gewerblich mit Gebrauchtwagen handelt, auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Pkw Jaguar XJ 2.7 D Portfolio in Anspruch.

Dieses Fahrzeug hatte die Beklagte im Internet auf einer Plattform für Gebrauchtwagen zum Kauf angeboten. Nachdem der Kläger dort auf den Wagen aufmerksam geworden war, übersandte die G-GmbH, vertreten durch den Kläger, der Beklagten ein ausgefülltes Formular bezüglich des streitgegenständlichen Fahrzeugs, das einen Gewährleistungsausschluss enthielt. Ob der darin liegende Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrags von der Beklagten wirksam schriftlich angenommen wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls überwies die G-GmbH am 23.04.2018 eine Anzahlung in Höhe von 15.000 € an die Beklagte.

Der Kläger begab sich am 25.04.2018 nach K., um den Jaguar abzuholen. Dort wurde am selben Tag ein weiteres von der Beklagten zur Verfügung gestelltes Vertragsformular über den Kauf des Fahrzeugs ausgefüllt und sodann von dem Kläger und von dem für die Beklagte handelnden M unterschrieben. In dem Vertrag wird als Käufer des Jaguar der Kläger selbst – und nicht mehr die G-GmbH – ausgewiesen. Weiter hieß es in dem Dokument, dass es sich nicht um einen gewerblichen Kauf handele. Einen Gewährleistungsausschluss, wie ihn das Vertragsformular vom 19.04.2018 vorsieht, enthält der Vertrag nicht.

Der Kläger trat mit dem Fahrzeug die Rückfahrt nach H. an und monierte umgehend vor Ort in K. gegenüber der Beklagten, dass er beim Fahren mahlende Geräusche wahrgenommen habe. Der Kläger wollte den Jaguar nicht bei der der Beklagten in K. lassen, sondern fuhr mit dem Fahrzeug noch am selben Abend nach H. Zu einer Diagnose der Ursache der mahlenden Geräusche oder zu deren Beseitigung kam es nicht.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.04.2018 forderte der Kläger die Beklagte bezüglich des Differenzials, des Wischermotors und der seitlichen Lufteinlässe des Fahrzeugs zur Nachbesserung auf und setzte ihr dafür – erfolglos – eine Frist bis zum 09.05.2018. Dem Nachbesserungsverlangen war ein Kostenvoranschlag der K-GmbH vom 27.04.2018 beigefügt. Schließlich erklärte der Kläger mit Schreiben vom 15.06.2018 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Diesen stützte er auf diverse Mängel, insbesondere ein defektes Differenzial, des Fahrzeugs. Über die Rückabwicklung es Kaufvertrags hinaus verlangte der Kläger, der diverse Reparaturen an dem Jaguar hatte vornehmen lassen, den Ersatz von Verwendungen.

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben, indem es dem Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 25.000 € und einen Anspruch auf Verwendungsersatz in Höhe von 5.403,84 € zuerkannt hat. Zwischen dem Kläger und der Beklagten – so hat das Landgericht ausgeführt – sei am 25.04.2018 ein Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zustande gekommen. Dieser stelle mit Blick auf § 416 ZPO eine Novation (Schuldersetzung) des Vertrags vom 19.04.2018 dar. Bei Abschluss des Kaufvertrags habe M als Vertreter für die Beklagte gehandelt. Die von ihm abgegebene Willenserklärung habe die Beklagte nicht wirksam angefochten. Dem streitgegenständliche Pkw hafteten mehrere Mängel i. S. von § 434 I BGB an. Insbesondere liege ein Defekt am Differenzial der Hinterachse vor, der bereits bei Gefahrübergang vorhanden gewesen sei. Da die Beklagte mit E-Mail vom 11.05.2018 eine Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert habe, habe ihr der Kläger gemäß § 323 II Nr. 1 BGB keine Frist zur Nachbesserung setzen müssen. Dem Rücktritt stehe, da mehrere Mängel vorlägen, auch nicht § 325 V 2 BGB entgegen, und er scheitere auch nicht an § 323 VI BGB. Insoweit sei unerheblich, dass der Kläger das Angebot der Beklagten, das streitgegenständliche Fahrzeug am 25.04.2018 bei ihr zu belassen, abgelehnt habe und mit dem Fahrzeug nach H. gefahren sei. Dadurch habe der Kläger weder auf eine Nachbesserung des Pkw durch die Beklagte verzichtet noch deren Annahme ernsthaft und endgültig verweigert.

Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel, dass die Klage abgewiesen wird, in vollem Umfang weiter. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass das Landgericht zu Unrecht angenommen habe, der Kläger habe auf ihm zustehende Gewährleistungsrechte nicht verzichtet; es habe außerdem nicht hinreichend gewürdigt, dass der Kläger am Tag der Abholung des Fahrzeugs dessen Reparatur durch die Beklagte verweigert habe. Zudem sei zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis begründet worden. Schließlich sei den landgerichtlichen Ausführungen zu einem Defekt am Differenzial entgegenzutreten.

Als der Kläger den Jaguar bei ihr, der Beklagten, in K. abgeholt habe, habe sie ihm sofort angeboten, die Ursache der wahrzunehmenden abnormen Geräusche zu beseitigen. Dieses Angebot einer Nachbesserung habe der Kläger abgelehnt und mit dem Fahrzeug eine Strecke von mehr als 600 km nach H. zurückgelegt. Darin sei ein Verzicht auf dem Kläger zustehende Gewährleistungsrechte zu erblicken. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts überzeuge nicht. Der Kläger sei entgegen ihrer – der Beklagten – ausdrücklichen Anweisung, die der Vermeidung weiterer Schäden gedient habe, mehr als 600 km mit dem Fahrzeug gefahren. Dadurch habe er eine Nachbesserung vereitelt und im Übrigen gegen seine Schadensminderungsobliegenheit verstoßen. Hinsichtlich eines Verzichts auf Gewährleistungsrechte habe das Landgericht überdies einen von ihr, der Beklagten, angebotenen Beweis nicht erhoben. Sie habe bereits mit Schriftsatz vom 12.09.2019 Z als Zeugen dafür benannt, dass der Kläger eine Nachbesserung des streitgegenständlichen Fahrzeugs ausdrücklich abgelehnt habe.

Abgesehen davon sei der maßgebliche Kaufvertrag zwischen nicht mit dem Kläger, sondern mit der G-GmbH geschlossen worden. Wie sie, die Beklagte, bereits erstinstanzlich vorgebracht und unter Beweis gestellt habe, habe sie von der G-GmbH mit E-Mail vom 19.04.2018 einen unterschriebenen Kaufvertrag erhalten. Von den entsprechenden JPG-Dateien habe sie am selben Tag Ausdrucke angefertigt, diese ihrerseits unterschrieben und per Post an die G-GmbH übersandt. Der folglich mit der G-GmbH geschlossene Kaufvertrag sei zu keinem Zeitpunkt einvernehmlich ersetzt worden. Hierfür habe auch kein Anlass bestanden. noch eine Vereinbarung gegeben. Insoweit sei auch darauf zu verweisen, dass ihr, der Beklagten, die Anzahlung in Höhe von 15.000 € mit dem Verwendungszweck „Anzahlung auf KV vom 19.04.18“ überwiesen worden sei. Dem Kläger sei auch schon vor Abschluss des zwischen der G-GmbH und ihr, der Beklagten, geschlossenen Kaufvertrags bekannt gewesen, dass keine Umsatzsteuer ausgewiesen werde. Nehme man an, der Kaufvertrag sei mit dem Kläger zustande gekommen, dann habe dieser mithin den Kaufpreis nicht vollständig gezahlt. Dann aber müsse sie, die Beklagte, auch ihre Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Kaufsache nicht erfüllen (§ 320 I 1, II BGB).

Überhaupt hätte der Kläger die K-GmbH nicht mit einem Austausch des Differenzials beauftragen dürfen, da sie, die Beklagte, das streitgegenständliche Fahrzeug sofort habe nachbessern wollen. Dabei habe sie dem Kläger versichert, den Jaguar ohne Kosten für den Kläger nach H. zu verbringen und dem Kläger sämtliche Kosten für die Heimfahrt nach H. zu erstatten. Dies habe der Kläger indes unstreitig ausdrücklich abgelehnt. Den Mangel in Gestalt eines schadhaften Differenzials hätte sie, die Beklagte, kostengünstig und ordnungsgemäß beseitigt, und zwar durch den Einbau eines gleichwertigen gebrauchten Differenzials.

Die Beklagte rügt, dass sich der angegriffenen Entscheidung nicht entnehmen lasse, wie das Landgericht zu der Überzeugung gelangt sei, der gerichtlich bestellte Sachverständige habe bei der K-GmbH das (ausgebaute) Differenzial besichtigt, das sich bei Gefahrübergang in dem streitgegenständlichen Pkw befunden habe. Nicht einmal der Sachverständige habe hierzu eine eindeutige Aussage treffen können. Die K-GmbH habe dem Sachverständigen fast zwei Jahre nach der dortigen Reparatur ein Differenzial vorgelegt, zu dem es im Gutachten des Sachverständigen lapidar heiße, es handele sich dabei aus technischer Sicht um das vorher im fraglichen Fahrzeug verbaute Differential.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht geltend, auf Gewährleistungsrechte nicht verzichtet zu haben. Er habe eine „Nachbesserung“ keineswegs „ausdrücklich“ abgelehnt, sondern sich schlicht dazu entschieden, mit dem streitgegenständlichen Pkw erst einmal nach H. zu fahren. Davon abgesehen sei es vollkommen lebensfremd und abwegig, dass ein Käufer freiwillig und ohne Grund auf ihm zustehende Gewährleistungsansprüche verzichte. Ein entsprechender Wille könne ihm, dem Kläger, unter keinen Umständen unterstellt oder aus seinem Verhalten abgeleitet werden. Die Beklagte rüge insoweit auch erfolglos, dass das Landgericht einen angebotenen Beweis nicht erhoben habe. Auf ihre Behauptung, er – der Kläger – habe eine sofortige Reparatur des Fahrzeugs abgelehnt, komme es rechtlich nicht an, weil mit der Ablehnung einer Reparatur kein Verzicht auf Gewährleistungsansprüche verbunden gewesen sei.

Es treffe nicht zu, dass die Beklagte vom Differenzial herrührende Geräusch mit einem Stethoskop habe lokalisieren können. Die Beklagte habe zwar ein Stethoskop verwendet, aber vorgegeben, keinen Mangel feststellen zu können. Auch die Behauptung der Beklagten, er – der Kläger – Kläger sei „einige Zeit nach der Abholung des Fahrzeugs wieder zurückgekommen“, vermittele einen falschen Eindruck. Er habe mit dem Pkw lediglich circa 500 Meter zurückgelegt. Diese geringe Benutzung des Pkw könne schwerlich das Auftreten eines Geräuschs verursacht haben, das vorher nicht vorhanden gewesen sein soll.

Die Beklagte wende erfolglos ein, er, der Kläger, habe gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung verstoßen, indem er am 25.04.2018 eine Nachbesserung, die vor Ort mit einem geringen Kostenaufwand hätte durchgeführt werden können, abgelehnt habe. Denn er habe die Beklagte anschließend unstreitig zur Nachbesserung aufgefordert, und diese hätte in der Werkstatt der Beklagten in K. vorgenommen werden können. Insofern könne von einer Verletzung der Obliegenheit zur Schadensminderung keine Rede sein.

Das Landgericht habe auch zutreffend festgestellt, dass der Kaufvertrag vom 25.04.2018 zwischen den Parteien zustande gekommen sei. Die Behauptung der Beklagten, dieser Vertrag sei nur eine „Quittung für die zweite Zahlung“ und eine Aufhebung eines (vermeintlich) am 19.04.2018 geschlossenen Vertrags habe „zu keiner Zeit zur Debatte“ gestanden, überzeuge nicht. Unerheblich sei, dass die G-GmbH die Anzahlung in Höhe von 15.000 € an die Beklagte überwiesen habe; jedenfalls sei damit keine Willenserklärung verbunden gewesen. Er, der Kläger, teile die Auffassung des Landgerichts, dass für die Beklagte erkennbar gewesen sei, dass die 15.000 € mit Zustimmung der G-GmbH zur Tilgung der mit Vertrag vom 25.04.2018 begründeten Kaufpreisschuld verwendet werden sollten.

Schließlich habe die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass das Differenzial, das der gerichtlich bestellte Sachverständige begutachtet habe, nicht aus dem streitgegenständlichen Pkw stamme. Auch ihre Auffassung, dass sich die von ihm, dem Kläger, gerügten Mängel bei einer „zeitwertgerechten Reparaturkostenermittlung“ als geringfügig darstellten, sei unzutreffend. Die zahlreichen Mängel, an denen der streitgegenständliche Jaguar leide, könnten keinesfalls als geringfügig bewertet werden.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Das Landgericht bejahte die tenorierten Ansprüche zu Recht, sodass die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO). Auch die Kostenentscheidung erweist sich als zutreffend.

1. Das Landgericht ging zutreffend von einem Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises gemäß § 433 I 2 BGB, § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F., § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323 I, 440, 346 I, 348 BGB aus.

a) Die Parteien sind in Gestalt eines Kaufvertrags miteinander verbunden. Dies ergibt sich aus dem am 25.04.2018 unterzeichneten Dokument (Anlage K 1). Dies ergibt sich aus § 416 ZPO und der hieran anknüpfenden Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der als Anlage K 1 vorgelegten Urkunde.

aa) Privaturkunden – wie die vorbenannte – erbringen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben worden sind (§ 416 ZPO). Insoweit ist den in Anlage K 1 enthaltenen Erklärungen die Bedeutung zuzumessen, dass die Parteien des Rechtstreits jeweils eine Erklärung abgegeben haben, den Kauf auf die dort beschriebene Grundlage stellen zu wollen. Auf die Frage, ob sich die G-GmbH und die Beklagte zuvor bereits in Gemäßheit der Anlage B 1 geeinigt haben, kommt es dabei naturgemäß nicht maßgebend an.

bb) Weitergehend ist hier in Ansehung aller Umstände an die als Anlage K 1 vorgelegte Urkunde inhaltlich der tatsächliche Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags zwischen den Parteien zu knüpfen.

aaa) Die Beweisregel des § 416 ZPO erstreckt sich zwar nicht auf die inhaltliche Richtigkeit des Erklärten. Ob die in der Privaturkunde enthaltenen Angaben zutreffen, ob die darin bestätigten tatsächlichen Vorgänge wirklich so geschehen sind oder nicht, ob insbesondere ein Rechtsgeschäft zustande gekommen ist und welchen Inhalt es hat, unterliegt der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 I ZPO (BGH, Beschl. v. 12.03.2015 – V ZR 86/14, NJW-RR 2015, 819 Rn. 13). Die aufgrund § 416 ZPO formell bewiesenen Erklärungen können aber – je nach ihrem Inhalt – auch geeignet sein, alleine oder im Zusammenhang mit weiteren Umständen dem Gericht die Überzeugung davon zu verschaffen, dass die in der urkundlichen Erklärung bezeugten Tatsachen oder Vorgänge der Wirklichkeit entsprechen (BGH, Urt. v. 13.04.1988 – VIII ZR 274/87, BGHZ 104, 172, 175 = NJW 1988, 2741). Für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden gilt insoweit die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände – sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) – beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (BGH, Urt. v. 05.07.2002 – V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165).

bbb) Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, sind bereits die in der Anlage K 1 enthaltenen Erklärungen für sich betrachtet geeignet, den Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags nachzuweisen. Plausible Anhaltspunkte, welche geeignet sind, eine andere Beweiswürdigung in diesem Punkt zu rechtfertigen und die vorbeschriebene Vermutung zu erschüttern, sind nicht gegeben. Dies ergibt sich aus nachgenannten Überlegungen:

(1) Der tatsächliche Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags zwischen den Parteien entspricht dem klaren Wortlaut der Vertragsurkunde.

(2) Die Beklagte handelt gewerblich mit Kraftfahrzeugen, sodass ihr die Bedeutung eines ausgefüllten Kaufvertragsformulars aus dem objektivierten Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nicht verschlossen geblieben ist.

(3) Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg auf den streitigen Umstand, dass sich die Bedeutung der Beurkundung allein in einer Quittierungsfunktion erschöpfen sollte. Dies erscheint dem Senat wenig plausibel, nachdem dieser Zweck einfacher und zeitsparender durch die Erstellung einer einfachen Quittung hätte erreicht werden können. Einer „Vertragsumschreibung“ hätte es nicht bedurft; der Kläger selbst hätte nicht eigens in ein mit „Kauf gebrauchtes Kraftfahrzeug“ überschriebenes Dokument eingepflegt werden müssen. Die Ergänzungen unter dem Punkt „zusätzliche Ausrüstung“ gegenüber dem als Anlage B 1 vorgelegten Vertragstext hätten zeitsparender in diesem Dokument vorgenommen werden können.

(4) Dem Abschluss eines dementsprechenden Kaufvertrags steht auch der vorangegangene Abschluss eines Kaufvertrags gemäß der Anlage B 1 nicht entgegen. Im Zeichen der Privatautonomie unterliegt eine „Vertragsumschreibung“ keinen Bedenken. Das Gegenteil ist richtig. Der Beklagten hätte es auch freigestanden, zwei sich im Grundsatz gegenseitig ausschließende Vertragspflichten bezüglich der in Streit stehenden „Stückschuld“ zu begründen. Nach Lage der Dinge hätte sie Erfüllungsansprüchen der G-GmbH gegebenenfalls den Einwand aus § 242 BGB entgegenhalten können. Inwieweit die privatautonome Entscheidung der Beklagten, die in der Anlage K 1 dokumentiert ist, rechtstechnisch in Bezug auf den möglicherweise gemäß Anlage B 1 geschlossenen Vertrag abzubilden ist, ist indes vom hiesigen Streitgegenstand zu trennen. Ob ein Vertrag gemäß Anlage B 1 zustande kam, wofür jedenfalls die Bereitstellung des Fahrzeugs in Anbetracht von § 151 Satz 1 Fall 2 BGB sprechen könnte, mag vor diesem Hintergrund auf sich beruhen. Ob die Parteien – der Kläger in seiner Eigenschaft als Vertreter der G-GmbH – zugleich den „Vertrag B 1“ im Zuge einer Novation aufheben wollten, muss nicht entschieden werden.

(5) Auch die seitens der G-GmbH geleistete Anzahlung rechtfertigt keine andere Bewertung. Nach § 267 I 1 BGB kann grundsätzlich auch ein Dritter die Leistung bewirken. Infolgedessen entspricht es der Lebenswirklichkeit, dass die Parteien stillschweigend eine Verrechnung der geleisteten Anzahlung vereinbart haben. Wäre die Beklagte von keiner Begleichung des Kaufpreises ausgegangen, hätte sie nach dem Dafürhalten des Senats das Fahrzeug nicht ausgehändigt. Raum für die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Einrede nach § 320 BGB besteht mithin nicht.

cc) Die Willenserklärung des Zeugen M, der als Vertreter für die Beklagte auftrat, wurde auch nicht wirksam durch die Beklagte angefochten (§ 142 I BGB, § 119 I BGB analog); insoweit kann auf die Ausführungen des Landgerichts, gegen welche die Berufung nichts erinnert, Bezug genommen werden.

b) Das Fahrzeug ist mangelhaft. Bereits in dem Defekt am Differenzial ist ein Sachmangel zu erblicken (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F). Dabei ist der Senat nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die erstinstanzliche Feststellung, wonach insoweit ein über bloßen Verschleiß hinausgehender Abrieb bei Kegeln und Tellerrändern vorliegt, gebunden. Dies gilt auch für die Ursache des abrasiven Betriebs, die das Landgericht im Einklang mit der sachverständigen Einschätzung in einer unzureichenden Ölversorgung – veraltetes oder falsches Öl oder zu geringe Ölmenge – erblickte (Gutachten vom 25.05.2020, S. 15).

aa) Ein Mangel liegt grundsätzlich dann vor, wenn die Kaufsache bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat.

Vorauszuschicken ist, dass hier § 434 BGB a.F anzuwenden ist, da der in Streit stehende Vertrag nicht nach dem 01.01.2022 geschlossen wurde (Art. 229 § 58 EGBGB; vgl. eingehend Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 3).

Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F). Dabei ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass insoweit ein gebrauchter Pkw nicht mit einem Neuwagen verglichen werden kann. Ein bei Gefahrübergang vorliegender, dem Alter, der Laufleistung und der Qualitätsstufe entsprechender gewöhnlicher, die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigender Verschleiß eines für den Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeugs begründet im Grundsatz einen Sachmangel nach § 434 I 2 BGB a.F nicht. Dies gilt auch dann, wenn sich daraus in absehbarer Zeit – insbesondere bei der durch Gebrauch und Zeitablauf zu erwartenden weiteren Abnutzung – ein Erneuerungsbedarf ergibt (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 09.09.2020 – VIII ZR 150/18, NJW 2021, 151 Rn. 23 m. w. Nachw.).

Hiervon ausgehend stellt die fragliche Beschaffenheit des Differentials, wie vom Landgericht zutreffend festgestellt, keine hinzunehmende und altersübliche sowie betriebsbedingte Verschleißerscheinung dar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Fahrzeug sich noch nicht am Ende seiner zu erwartenden Lebensdauer befand und auch keine überdurchschnittlich hohe Laufleistung aufwies. Zudem passt das Schadensbild nicht zur Annahme eines betriebsbedingten Verschleißes. Auf die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.

bb) Das Berufungsgericht ist an die vorstehend dargestellten Feststellungen des Landgerichts gebunden, (§ 529 I Nr. 1 ZPO).

aaa) Nach § 529 I Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Eine erneute Beweisaufnahme oder ein Abweichen von der Beweiswürdigung der ersten Instanz kommt daher nur dann in Betracht, wenn eine gewisse, nicht nur theoretische Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen unrichtiger oder unvollständiger Feststellungen besteht (vgl. Zöller/​Heßler, ZPO, 34. Aufl. [2022], § 529 Rn. 2).

Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die beweiswürdigenden Erwägungen einer festen Tatsachengrundlage entbehrten, also nur Vermutungen wiedergäben, sie lückenhaft wären oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstießen, schließlich aber auch, wenn die Verteilung der Beweislast verkannt worden wäre und dies zu einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung geführt hätte (BGH, Urt. v. 19.04.2005 – VI ZR 175/04, juris Rn. 9 ff.).

Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich auch aus Fehlern ergeben, die dem Gericht des ersten Rechtszugs bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Beschl. v. 02.07.2013 – VI ZR 110/13, juris Rn. 7). Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen, die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Gutachtens können sich vor allem aus dem Gutachten ergeben oder aus der Änderung der Tatsachengrundlage durch zulässigen neuen Sachvortrag (Zöller/​Heßler, a. a. O., § 529 Rn. 9, 14 m. w. Nachw.).

bbb) An diesen Grundsätzen gemessen ist eine Bindungswirkung i. S. des § 529 ZPO zu bejahen. Die Berufung zeigt keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen auf. Eine gewisse, nicht nur theoretische Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen unrichtiger oder unvollständiger Feststellungen vermag der Senat nicht festzustellen. Dies ergibt sich im Einzelnen aus nachstehenden Erwägungen:

Das Landgericht führt zutreffend aus, dass die inhaltlichen Ausführungen des Sachverständigen in sich schlüssig, fachlich stichhaltig und überzeugend sind. Die inhaltlichen Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen greift die Berufung auch nicht an.

Die Berufung beschränkt sich vielmehr auf den Vortrag, dass nicht sicher sei, ob das begutachtete Bauteil dem in S. stehenden Fahrzeug zuzuordnen sei. Der Sache nach stellt die Beklagte damit ein kollusives Zusammenwirken zwischen der K-GmBH und dem Kläger in den Raum. Greifbare Anhaltspunkte für ein solches – selbstredend strafrechtlich relevantes – Verhalten zeigt die Beklagte nicht konkret auf. Solche erkennt der Senat auch im Übrigen nicht. Das Gegenteil ist richtig: Der Sachverständige erläuterte im Rahmen seiner Anhörung am 25.11.2021, dass für ihn nicht nachvollziehbar sei, dass die K-GmbH an dem alten Bauteil manipuliert habe. Zudem erkennt der Senat, dass das vom gerichtlich bestellten Sachverständige vorgefundene Bauteil offenbar nach Typ und Alter sich dem Jaguar zuordnen ließ. Der Sachverständige, dessen Kompetenz und Erfahrung keinen Bedenken unterliegt und im Übrigen von der Berufung nicht in Zweifel gezogen wurde, sah keinerlei – vor allem keine konkreten oder belastbaren – Anhaltspunkte dafür, dass es sich nicht um das Originalteil handelt. Vor diesem Hintergrund bestehen keinerlei Indizien dafür, dass dem Sachverständigen ein anderes beziehungsweise manipuliertes Bauteil gleichsam „untergeschoben“ wurde oder der K-GmbH eine Verwechselung unterlaufen war.

Die von der Berufung in dieser Hinsicht vorgebrachten Zweifel sind allein theoretischer Natur. Ungeachtet dessen erscheint die Einschätzung des Sachverständigen von hinreichender Expertise und Erfahrung getragen zu sein. Dieser Sicht der Dinge entspricht es, dass § 286 ZPO keine absolute Gewissheit beziehungsweise mathematisch-naturwissenschaftliche Stringenz verlangt: Der Richter darf und muss sich mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der etwaigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen; dem entspricht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, falls sie dem Richter persönliche Gewissheit verschafft (vgl. Foerste, in: Musielak/​Voit, ZPO, 19. Aufl. [2022], § 286 Rn. 19 m. w. Nachw.).

c) Der Mangel lag auch bereits bei Gefahrübergang, das heißt bei Übergabe des Fahrzeugs vor (§ 446 Satz 1 BGB).

aa) Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Landgericht zu der Überzeugung gelangt, dass das Differenzial bereits bei Aushändigung defekt war. In Ansehung der vorstehenden Ausführungen ist der Senat auch an diese Feststellung gebunden (§ 529 I Nr. 1 ZPO).

Dies steht im Einklang mit dem erstinstanzlichen Tatbestand, wonach sich umgehend, noch vor Ort mahlende Geräusche gezeigt hätten; hiervon geht im Übrigen auch die Berufung aus. Im Übrigen ist auch für den Senat in Anbetracht der Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht vorstellbar, dass der fragliche Defekt am Differenzial auf der Wegstrecke von K. nach H. auftrat. Denn der Sachverständige stellte die mechanische Abnutzung der Kegel und Tellerränder des Differenzials im Rahmen eines abrasiven Betriebs infolge unzureichend vorhandenen Öls fest; eine fehlerhafte Abdichtung liege nahe (Gutachten vom 25.05.2020, S. 15 ff.). Das Schadensbild in Gestalt spanabhebenden Verschleißes lässt sich mit einem spontanen Defekt nach Übergabe des Fahrzeugs nicht in Einklang bringen; auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil ist zur Vermeidung von Wiederholungen im Übrigen Bezug zu nehmen.

Soweit die Beklagte die Behauptung, dass der Schaden am Differenzial spontan aufgetreten sei, unter Zeugenbeweis stellen will, war dem nicht nachzugehen. Diese Beweisangebote sind insoweit unerheblich, als sie die maßgebenden Feststellungen des Sachverständigen unberührt lassen. Insbesondere verhält sich die unter Beweis gestellte Behauptung nicht zur Ursache des abrasiven Betriebs, die der Sachverständige in einer unzureichenden Ölversorgung – veraltetes oder falsches Öl oder zu geringe Ölmenge – erblickte (Gutachten vom 25.05.2020, S. 15).

bb) Der Senat hat an dieser Stelle zu bemerken, dass es auf § 477 BGB somit im Streitfall nicht ankommt. Demnach erscheint das beklagtenseitige Vorbringen (Anlage K 4), wonach es dem Kläger darum gegangen sei, sich durch den „vermeintlichen“ Neuabschluss des Vertrags (Anlage K 1) Verbraucherschutz treuwidrig zu erschleichen, als im Ansatz verfehlt. Der Sache nach profitiert der Kläger hier nicht von seiner Stellung i. S. des § 13 BGB. Die Frage, wie die Zulassung des Fahrzeugs auf die G-GmbH zu bewerten ist, mag aus diesem Grund ebenso auf sich beruhen. Allein der im Gegensatz zu Anlage B 1 in Anlage K 1 nicht erfolgte Gewährleistungsausschluss kommt vorliegend zum Tragen. An diesem – aus Beklagtensicht gesprochen – Versäumnis muss sich die Beklagte demnach im Streitfall festhalten lassen. Dass der Kläger die Beklagte, die im Bereich des Kfz-Gebrauchtwagenhandels tätig ist, hierüber getäuscht hat, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

d) Den sich hieraus ergebenden Gewährleistungsrechten steht kein Verzicht auf Gewährleistungsrechte entgegen.

Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, dass der Weigerung des Klägers, das Fahrzeug am Abholtag bei der Verkäuferin zu belassen, eine dahin gehender Erklärungswert zukomme. Das klägerseitige Verhalten erlaubt im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) keinen dahin gehenden (weitreichenden) Rückschluss.

aa) Vorauszuschicken ist, dass der Senat an die durch das Landgericht vorgenommene Auslegung nicht gebunden ist. Eine Ausnahme von der Bindungswirkung nach § 529 ZPO wird bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen gemacht. Wenn das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten Rechtszugs vorgenommene Auslegung selbst sachlich für nicht überzeugend hält, hat es die Auslegung selbst vorzunehmen. Es kann nicht – wie das Revisionsgericht – die Prüfung der Auslegung allein auf Verstöße gegen Auslegungsregeln oder Denk- und Erfahrungsgesetze beschränken. Es handelt sich dabei um die Anwendung materiellen Rechts (vgl. BeckOK-ZPO/​Wulf, § 529 Rn. 7 m. w. Nachw.).

bb) Die Auslegung des klägerseitigen Verhaltens führt dazu, dass entgegen dem Berufungsvorbringen kein Verzicht anzunehmen ist.

aaa) Für die Auslegung einer Willenserklärung ist maßgeblich darauf abzustellen, wie sie ein objektiver Dritter bei vernünftiger Beurteilung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände hätte verstehen können und müssen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist auf die objektive Bedeutung des sich aus den von den Vertragsteilen abgegebenen Erklärungen ergebenden Sinnganzen abzustellen. Daher stellen die §§ 133, 157 BGB klar, dass die Ermittlung jener objektiven Bedeutung auch anhand objektiver – und nicht etwa nur auf den subjektiven Empfängerhorizont des jeweils anderen Vertragsteils abstellender – Maßstäbe, nämlich nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, zu erfolgen hat (vgl. grundlegend BeckOK-BGB/​Wendtland, Stand: 01.05.2022, § 157 Rn. 8 ff. m. w. Nachw). Für die Auslegung heranzuziehen sind in diesem Zusammenhang alle Erkenntnismöglichkeiten, die dem Erklärungsempfänger bei gehöriger Anstrengung zur Verfügung standen. Damit sind neben dem Wortlaut auch die Interessenlage und die sonstigen Begleitumstände zu würdigen (MünchKomm-BGB/​Busche, 9. Aufl. [2021], § 133 Rn. 34). Die Vertragsauslegung ist damit nach § 157 BGB im Ansatz von denselben Grundsätzen bestimmt wie die Auslegung von Willenserklärungen gemäß § 133 BGB (MünchKomm-BGB/​Busche, a. a. O., § 157 Rn. 3). An die Auslegung einer Willenserklärung, die zum Verlust einer Rechtsposition führt, sind strenge Anforderungen zu stellen; der dahin gehende Wille muss unzweifelhaft und eindeutig nach außen treten (BGH, Urt. v. 22.06.1995 – VII ZR 118/94, NJW-RR 1996, 237).

bbb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist kein Verzicht auf Gewährleistungsrechte anzunehmen:

(1) Eine ausdrückliche oder wenigstens klar umrissene Erklärung in Richtung eines generellen Verzichts auf Gewährleistungsrechte ist beklagtenseits weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich. Von einem unzweifelhaft und eindeutig nach außen tretenden Verzichtswillen, wie ihn die höchstrichterliche Rechtsprechung – wie dargestellt – fordert, kann insoweit keine Rede sein. Derlei wird auch nicht im Schriftsatz vom 12.09.2019 in das Wissen des Zeugen Z gestellt.

(2) Nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte werden solche weitreichenden Erklärungen nur in Ausnahmefällen spontan und auf völlig unklarer Tatsachengrundlage erklärt. Die Reichweite eines etwaigen Verzichts vermochte der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Seinerzeit war denkbar, dass die Ursache der „Mahlgeräusche“ eine bloße Bagatelle ist oder aber zu einem „wirtschaftlichen Totalschaden“ führt. Bei dieser Sachlage ist – aus dem Empfängerhorizont – erkennbar, dass der Kläger zunächst die technischen – und rechtlichen – Rahmenbedingungen in Ruhe und mit (räumlichem) Abstand eruieren wollte. Ebendies erscheint hier auch nicht treuwidrig.

(3) Die Tatsache, dass der Kläger durch die Weigerung gegen vertragliche (Neben-)Pflichten verstoßen haben mag, erlaubt keine zwingenden Schlüsse im Hinblick auf einen Verzicht. Die Frage, ob klägerseitige Ansprüche nach § 439 II BGB bei der gegebenen Sachlage durchsetzbar wären, berührt nicht den Streitgegenstand.

(4) Der Senat kann nicht erkennen, welchen Sinn ein Verzicht gehabt haben sollte. Ein Verzicht wäre für einen redlichen Dritten i. S. der §§ 133, 157 BGB vielmehr sinnlos gewesen. Der Kläger war in Anbetracht seines als Anlage K 2 verfassten Schreibens offenbar verärgert, sodass für ihn kein Grund bestand, die Beklagte aus der – aus seiner Sicht bestehenden – Verantwortung zu entlassen. Das Gegenteil ist richtig.

(5) Im Übrigen teilt der Senat die stimmigen Ausführungen des Landgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug zu nehmen ist.

d) Das Gegebensein der übrigen Rücktrittsvoraussetzungen wird von der Berufung nicht gesondert angegriffen und unterliegt keinen Bedenken. Zur Vermeidung von Wiederholungen ist auf die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts Bezug zu nehmen.

2. Gleiches gilt im Hinblick auf die Verwendungsersatzansprüche. Hierzu bemerkt der Senat allein, dass eine anspruchskürzendes „Mitverschulden“, auf welches die Berufung möglicherweise hinauswill, nicht in Betracht kommt. Denn die Verwendungen sind in Höhe der tatsächlich aufgewendeten Kosten zu ersetzen, bei Eigenleistungen in Höhe des objektiven Werts. Ob der Gläubiger geringere Kosten gehabt hätte, ist jenseits der Grenze der objektiven Notwendigkeit unerheblich, da jedenfalls § 347 II 1 BGB (anders als möglicherweise § 994 I BGB) nicht entscheidend auf die Ersparnisbereicherung abhebt, sondern auf die Zusammengehörigkeit von Lasten und Nutzen (BeckOGK/​Schall, Stand: 01.12.2022, § 347 BGB Rn. 81).

3. Die Kostenentscheidung unterliegt keinen Bedenken.

a) Nach § 92 II Nr. 1 ZPO kann das Gericht der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat. So liegt der Fall hier. Denn verhältnismäßig geringfügig ist eine Zuvielforderung, wenn sie weniger als 1/10 des Streitwerts ausmacht. Im Übrigen können einer Partei die Prozesskosten auch dann insgesamt auferlegt werden, wenn aufgrund der Zuvielforderung geringfügige Mehrkosten etwa durch eine Beweisaufnahme oder durch Überschreiten einer Gebührenstufe entstanden sind. Eine mathematische Regel, ob die Grenze der Geringfügigkeit überschritten ist, lässt sich nicht aufstellen (BeckOK-ZPO/​Jaspersen, Stand: 01.03.2023, § 92 Rn. 32).

Der Kern des Streits lag hier in einer kaufvertraglichen Verantwortlichkeit der Beklagten für Mängel. Insoweit ist Beklagte unterlegen. Die Zuvielforderung des Klägers macht rund 10 % aus, sodass die volle Kostentragung der Beklagten nach den vorstehenden Grundsätzen bei der gegebenen Sachlage nicht zu beanstanden ist.

b) Auch § 96 ZPO rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn der Kläger obsiegte vor allem im Hinblick auf das schadhafte Differenzial; dies Mängelbehauptung bildet den wirtschaftlichen Schwerpunkt des Klagevorbringens und zog den größten Begutachtungsaufwand nach sich. …

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