1. Ein Agenturgeschäft, bei dem ein Kfz-Händler den Kauf eines Gebrauchtwagens lediglich vermittelt, ist grundsätzlich zulässig. Das gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn das Agenturgeschäft ein Umgehungsgeschäft i. S. des § 476 I 2 BGB ist, es also missbräuchlich dazu eingesetzt wird, ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Händlers zu verschleiern, um zwingende verbraucherschützende Vorschriften zu umgehen.
  2. Ein Umgehungsgeschäft i. S. des § 476 I 2 BGB liegt nicht vor, wenn auf den – hier zwischen einem in Kanada ansässigen Unternehmer und einem in Deutschland ansässigen Verbraucher – geschlossenen Kaufvertrag ohnehin deutsches Recht unter Einschluss der Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) Anwendung findet und deshalb ein in dem vermittelten Kaufvertrag enthaltener Gewährleistungsausschluss unwirksam ist (§ 476 I 1 BGB).

LG Landshut, Urteil vom 15.05.2020 – 73 O 3793/19

Sachverhalt: Der Kläger nimmt den Beklagten im Zusammenhang mit einem Gebrauchtwagenkauf auf Schadensersatz in Anspruch.

Er erwarb mit einem – von dem beklagten Kfz-Händler vermittelten – Kaufvertrag vom 19.04.2018 einen gebrauchten Dodge Grand Caravan von einem in Toronto, Kanada, ansässigen Unternehmen (U). Das Fahrzeug erlitt am 26.01.2019 einen Getriebeschaden.

Der Kläger behauptet, infolge dieses Schadens könne das Fahrzeug nur noch rückwärtsfahren. Er, der Kläger, habe den Beklagten mehrfach – auch telefonisch – erfolglos zur Nachbesserung aufgefordert. Schließlich habe er das Getriebe begutachten und anschließend instand setzen lassen, wofür Kosten in Höhe von 646,29 € (Begutachtung) buw. 4.805,55 € (Reparatur) angefallen. Diese Kosten – so meint der Kläger – müsse ihm der Beklagte ersetzen. Dieser sei passivlegitimiert, weil ein unzulässiges Umgehungsgeschäft i. S. des § 476 I 2 BGB vorliege. Der Beklagte habe das wirtschaftliche Risiko des Fahrzeugverkauf zu tragen gehabt und müsse sich daher als Verkäufer des Dodge Grand Caravan behandeln lassen. Nach deutschem Recht sei deshalb der im Kaufvertrag enthaltene Gewährleistungsausschluss unwirksam.

Der Kläger hat von dem Beklagten zuletzt die Zahlung von (646,29 € + 4.805,55 € =) 5.451,84 zuzüglich Zinsen und den Ersatz außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten (571,44 € nebst Zinsen) verlangt.

Der Beklagte hat seine Passivlegitimation in Abrede gestellt und geltend gemacht, er sei nicht Verkäufer des Dodge Grand Caravan, sondern habe lediglich als Vermittler gehandelt. Jedenfalls habe der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil er ihn – den Beklagten – nie ausdrücklich zur Mangelbeseitigung aufgefordert habe.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. Die Klage ist … unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 5.451,84 € aus § 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 433 I, 434 I 2, §§ 280 I, III, 281 BGB. Der Beklagte ist bereits nicht passivlegitimiert.

Die Rechtsauffassung des Klägers, es liege ein unzulässiges Umgehungsgeschäft i. S. des § 476 I 2 BGB vor, weil der Beklagte das wirtschaftliche Risiko trage, verfängt nicht.

Vom Verbot des Umgehungsgeschäfts werden solche Vereinbarungen erfasst, die den Schutz des Verbrauchers durch § 476 I 1 BGB mittelbar beseitigen.

Der Kläger übersieht, dass die deutschen Verbrauchsgüterkauf-Regelungen deshalb nicht umgangen werden, weil auf den Vertrag mit dem kanadischen Verkäufer deutsches Kaufrecht anwendbar ist. Der kanadische Verkäufer ist daher gleichermaßen an die §§ 475 ff. BGB gebunden. Es kommt daher nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der Beklagte das wirtschaftliche Risiko des Vertrags trägt. Denn die durch den BGH entwickelten Grundsätze zu den sogenannten Umgehungsgeschäften setzen zunächst die Umgehung der Verbrauchsgüterkauf-Regeln voraus. Hierauf hatte das Gericht bereits mit Verfügung vom 05.02.2020 hingewiesen.

Im Einzelnen:

Der streitgegenständliche Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der U, Toronto/Kanada, unterliegt uneingeschränkt deutschem Recht.

a) Insbesondere findet auf den Vertrag nicht das UN-Kaufrecht (CISG) Anwendung. Dies ergibt sich bereits aus dem Anwendungsausschluss des Art. 2 lit. a Halbsatz 1 CISG, wonach das Abkommen keine Anwendung auf den Kauf von Waren für den ausschließlichen persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt findet. Das CISG soll auf internationale B2C-Verträge keine Anwendung finden, um Konflikten mit nationalen Verbraucherschutzbestimmungen vorzubeugen.

Hier beruft sich der Kläger gerade auf die deutschen Verbauchsgüter-Regelungen. Die Verbrauchereigenschaft des Klägers wurde beklagtenseits nicht bestritten. Auch die dem Gericht bekannten Umstände des Vertrags rechtfertigen den Schluss, dass hier ein Kauf zu rein privaten Zwecken erfolgte.

b) Aus der kollisionsrechtlichen Norm des Art. 3 I 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom-I-VO) ergibt sich vielmehr, dass auf den Vertrag deutsches Zivilrecht anzuzwenden ist.

Die Parteien haben keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen, sodass infolge der Unanwendbarkeit des UN-Kaufrechts gemäß Art. 3 Rom-I-VO – als primärer Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des anwendbaren nationalen Rechts – das deutsche Zivilrecht Anwendung findet.

1) Die Rom-I-Verordnung ist auch auf den streitgegenständlichen Vertrag mit einem kanadischen Verkäufer anwendbar.

Der sachliche Anwendungsbereich der Rom-I-Verordnung erfasst gemäß Art. 1 I Rom-I-VO vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Ein solches vertragliches Schuldverhältnis liegt mit dem internationalen Warenkaufvertrag unproblematisch vor.

Auch ist der räumliche Anwendungsbereich der Rom-I-Verordnung eröffnet, denn diese findet in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – mit Ausnahme Dänemarks – Anwendung. Dies bedeutet nicht, dass die Anwendung der Rom-I-Verordnung nur auf solche Verträge beschränkt ist, deren Vertragspartner sich auf dem Gebiet der Europäischen Union befinden. Vielmehr wenden die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Rom-I-Verordnung auch auf Sachverhalte mit Bezug zu Nicht-EU-Staaten an, was aus dem Wortlaut des Art. 1 I Rom-I-VO geschlossen wird. Dieser verlangt ausschließlich die Verbindung zum Recht verschiedener Staaten, die aber gerade keine Mitgliedsstaaten sein müssen. Gemäß Art. 2 I Rom-I-VO dient die Verordnung insgesamt als „Loi uniforme“.

Einzige Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Rom-I-Verordnung auf Vertragsbeziehungen zu Drittstaaten ist lediglich, dass der Rechtsstreit vor einem mitgliedstaatlichen Gericht anhängig gemacht wird, welches an die EuGVVO gebunden ist (BeckOK-BGB/Spickhoff, Stand: 01.02.2020, Art. 2 Rom-I-VO Rn. 1). Da die Klage vorliegend bei dem LG Landshut erhoben wurde, ist auch diese Voraussetzung erfüllt, sodass die generelle Anwendbarkeit der Rom-I-Verordnung auf das vorliegende Schuldverhältnis insgesamt zu bejahen ist.

2) Gemäß Art. 3 I 2 Rom-I-VO, der den primären Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Rechtswahl darstellt, haben die Parteien vorliegend konkludent vereinbart, dass auf ihr Schuldverhältnis uneingeschränkt deutsches Zivilrecht anwendbar ist. Dies ergibt sich eindeutig aus einer Gesamtschau der – die Vertragsabwicklung begleitenden – Umstände.

In den Fällen, in denen es an einer ausdrücklichen Rechtswahl mangelt, muss anhand der jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls untersucht werden, ob ein stillschweigendes Übereinkommen der Parteien hinsichtlich des anwendbaren Rechts gegeben ist. Wenngleich der Verordnungsgeber darauf verzichtet hat, einzelne Indizien explizit zu benennen, die für die Klärung der Frage nach dem anwendbaren Recht heranzuziehen sind, werden dennoch besonders die Umstände des Vertragsschlusses, der Vertragsinhalt sowie das jeweilige Parteiverhalten betrachtet. Weiter sollen auch der gewöhnliche Aufenthaltsort der Parteien, der Abschlussort des Vertrags, die Staatsangehörigkeit der Vertragspartner sowie die vereinbarte Währung Aufschluss geben. Aufgrund des restriktiven Wortlauts des Art. 3 I 2 Rom-I-VO muss daher geprüft werden, ob im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung auf Grundlage der von beiden Parteien angenommenen Bewertungsmaßstäbe die Lücke im Vertragswerk geschlossen werden kann. Dies muss ohne verbleibende Zweifel möglich sein. Andernfalls würden subsidiär die gesetzlichen dispositiven Normen der Art. 4 ff. Rom-I-VO zur Anwendung kommen.

Im hiesigen Fall sprechen bereits die Umstände des Einzelfalls eindeutig für eine Anwendung deutschen Rechts. Der streitgegenständliche Kaufvertrag ist ausschließlich in deutscher Sprache abgefasst. Es wurde deutsche Vertrags- und Rechtssprache verwendet, wobei insbesondere Termini des deutschen Kaufrechts enthalten sind (“der Verkauf erfolgt ohne jegliche Gewährleistung und Sachmängelhaftung.“; „mündliche Nebenabreden haben keine Gültigkeit.“). Darüber hinaus erfolgten sowohl der Vertragsschluss als auch die gesamte Abwicklung des Kaufvertrags in Deutschland, wobei aufseiten des kanadischen Verkäufers ein – in Deutschland ansässiger – Vermittler handelte. Demzufolge liegt auch der Erfüllungsort in Deutschland, wo ebenfalls der gewöhnliche Aufenthaltsort des Klägers als Käufer ist. Überdies wurde der Kaufpreis in Euro vereinbart, welcher auf ein deutsches Konto zu überweisen war. All diese Umstände sprechen insbesondere in ihrer Gesamtheit für die Anwendbarkeit deutschen Rechts.

Maßgebend für die Beurteilung der hiesigen Vereinbarung ist daher gemäß Art. 3 I 2 Rom-I-VO das deutsche Zivilrecht.

Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen auch dem in Art. 6 Rom-I-VO normierten Verbraucherschutzgedanken. Danach ist die freie Rechtswahl im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs grundsätzlich möglich, allerdings nur dann zulässig, wenn das gewählte Recht den Verbraucher nicht schlechter stellt als das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts. Weil – wie ausgeführt – aber ohnehin bereits nach Art. 3 I 2 Rom-I-VO deutsches Zivilrecht – und damit die §§ 475 ff. BGB – Anwendung findet, kommt es auf die Schranken des Art. 6 Rom-I-VO gar nicht mehr an.

c) Ist aber auf den streitgegenständlichen Kaufvertrag deutsches Zivilrecht anwendbar, schützen die deutschen Verbrauchsgüterkauf-Regeln der §§ 475 ff. BGB den Kläger auch gegenüber dem kanadischen Verkäufer. Insbesondere kann sich der Verkäufer gemäß § 476 I 1 BGB nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen. Von daher liegt im Ergebnis bereits kein Umgehungsgeschäft i. S. von § 476 I 2 BGB vor. Weil nämlich der Kläger – wie ausgeführt – nach wie vor den Schutz der §§ 475 ff. BGB und damit auch des § 476 I 1 BGB genießt, liegt eine Umgehung nicht vor.

d) Anders als der Kläger meint, führt auch nicht die Tatsache, dass es sich hierbei um ein Agenturgeschäft handelt, zu den gewünschten Wirkungen. Denn Agenturgeschäfte sind grundsätzlich zulässig. Dies gilt nur ausnahmsweise dann nicht, wenn das Agenturgeschäft ein Umgehungsgeschäft darstellt.

e) Im Übrigen und ohne dass es darauf ankäme, hat der Kläger die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus § 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 433 I, 434 I 2, §§ 280 I, III, 281 BGB nicht dargelegt.

Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Rechts zur zweiten Andienung eine Fristsetzung. Eine solche ist weder unstreitig noch hinreichend nachgewiesen.

Soweit der Kläger auf das Schreiben vom 14.02.2019 abstellt (Anlage B 1), ist hierin keine ausreichende Aufforderung zur Nacherfüllung zu sehen. In dem benannten Schreiben ließ der Kläger lediglich ausführen, dass das Fahrzeug nicht fahrbereit sei und dass er beabsichtige, den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Der Beklagte wurde aufgefordert mitzuteilen, ob er mit einer Rückabwicklung des Kaufvertrags einverstanden sei. Dies genügt den Anforderungen an eine Fristsetzung gemäß § 281 I 1 BGB nicht. Der Kläger hätte dem Beklagten nämlich – dessen Passivlegitimation unterstellt – eine Frist zur Nacherfüllung bestimmen müssen. Diese muss eine bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Nacherfüllung enthalten. Sie muss mehr sein als ein bloßes Drängen auf Vertragserfüllung. Der Kläger hat jedoch nicht zu einer Nacherfüllung, also einer Mangelbeseitigung, aufgefordert, sondern unmittelbar die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangt. Diese durfte der Beklagte zurückweisen. Daher ist auch in dem Schreiben des Beklagtenvertreters vom 20.02.2019 (Anlage K 5) keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung hinsichtlich der Nacherfüllung zu sehen.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 05.03.2020 vorbringt, es sei mehrfach, auch mündlich, aufgefordert worden, die Mängel zu beseitigen, wurde dies beklagtenseits mit Schriftsatz vom 27.01.2020 qualifiziert bestritten.

Für die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs ist nach allgemeinen Regeln der Kläger darlegungs- und beweisbelastet. Einen Beweis für eine hinreichend klare Aufforderung hat der Kläger – mit Ausnahme der Anlage K 9 – nicht angeboten. Aus der Anlage K 9 ergibt sich nicht zur Überzeugung des Gerichts, dass eine Mängelbeseitigung verlangt wurde. Zum einen ist der Zugang dieser E-Mail beklagtenseits in Abrede gestellt worden, zum anderen spricht das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 25.04.2019 (Anlage B 4) gegen ein Nacherfüllungsverlangen. Dort verlangt der Beklagtenvertreter eine verbindliche Stellungnahme dahin, was klägerseits begehrt werde, da zunächst Wandelung, dann Erstattung von Reparaturkosten begehrt worden sei. Dies deckt sich mit den sonst vorliegenden Unterlagen.

Mangels Nacherfüllungsverlangen könnte der Kläger – die Passivlegitimation unterstellt – ohnehin nicht die Zahlung des eingeklagten Betrags verlangen. Es kommt daher nicht darauf an, ob der behauptete Mangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag.

2. Ein Anspruch auf Zahlung von 5.451,84 € ergibt sich auch nicht aus dem Garantievertrag (Anlage K 4). Zum einen hätte sich der Kläger hier an die G-GmbH halten müssen, zum anderen blieb der Vortrag des Beklagten unstreitig, wonach der Kläger die Garantiebedingungen verletzt hatte.

3. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung. …

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