1. Gro­be Nach­läs­sig­keit i. S. des § 296 II ZPO liegt nur dann vor, wenn ei­ne Pro­zess­par­tei ih­re Pflicht zur Pro­zess­för­de­rung in be­son­ders gra­vie­ren­der Wei­se ver­nach­läs­sigt, wenn sie al­so das­je­ni­ge un­ter­lässt, was nach dem Stand des Ver­fah­rens je­der Par­tei als not­wen­dig hät­te ein­leuch­ten müs­sen (Be­stä­ti­gung von BGH, Urt. v. 24.09.1986 – VI­II ZR 255/85, NJW 1987, 501 un­ter II 2 b cc; Beschl. v. 02.09.2013 – VII ZR 242/12, ju­ris Rn. 13; Beschl. v. 10.05.2016 – VI­II ZR 97/15, GE 2016, 1207 Rn. 15).
  2. Zur An­nah­me gro­ber Nach­läs­sig­keit bei ver­spä­te­ter Ein­zah­lung ei­nes Aus­la­gen­vor­schus­ses (§§ 402, 379 ZPO), nach­dem das er­ken­nen­de Ge­richt ei­ne Ge­gen­vor­stel­lung ge­gen die Hö­he des von ihm an­ge­for­der­ten Aus­la­gen­vor­schus­ses zu­rück­ge­wie­sen hat.

BGH, Be­schluss vom 24.09.2019 – VI­II ZR 289/18

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin be­gehrt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ein ge­brauch­tes Kraft­fahr­zeug. Sie be­haup­tet, das Fahr­zeug wei­se ei­nen Un­fall­scha­den auf, den die be­klag­te Ver­käu­fe­rin ihr bei Ver­trags­ab­schluss arg­lis­tig ver­schwie­gen ha­be.

Auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 13.03.2017 hat das Land­ge­richt mit ei­nem am 24.04.2017 ver­kün­de­ten Be­weis­be­schluss die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens zu der Be­haup­tung der Klä­ge­rin an­ge­ord­net, „der Stoß­fän­ger wei­se ei­nen ir­re­pa­ra­blen Scha­den auf.“ Die Ver­sen­dung der Ge­richts­ak­ten an den Gut­ach­ter hat das Land­ge­richt von der Zah­lung ei­nes Aus­la­gen­vor­schus­ses von 2.500 € bis zum 24.05.2017 ab­hän­gig ge­macht.

Mit Schrift­satz vom 10.05.2017 be­an­stan­de­te der vor­in­stanz­li­che Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te der Klä­ge­rin den Be­weis­be­schluss in­halt­lich; fer­ner wand­te er sich ge­gen die Hö­he des Aus­la­gen­vor­schus­ses und mach­te mit nä­he­rer Be­grün­dung gel­tend, ein Aus­la­gen­vor­schuss von 500 € sei aus­rei­chend. Der zu­stän­di­ge Ein­zel­rich­ter trat den in­halt­li­chen Be­den­ken mit Ver­fü­gung vom 17.05.2017 ent­ge­gen und teil­te fer­ner mit: „Im Üb­ri­gen ver­bleibt es bei der Vor­schuss­an­ord­nung […].“ Nach­dem der Aus­la­gen­vor­schuss nicht ein­ge­gan­gen war, be­raum­te der Ein­zel­rich­ter am 06.06.2017 Haupt­ter­min auf den 18.09.2017 an.

Mit Schrift­satz vom 19.06.2017 be­an­trag­te der vor­in­stanz­li­che Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te der Klä­ge­rin mit nä­he­rer Be­grün­dung, den Aus­la­gen­vor­schuss auf 1.000 € her­ab­zu­set­zen. Auf die mit Schrift­satz vom 05.07.2017 ge­äu­ßer­te Bit­te um be­schleu­nig­te Mit­tei­lung, ob das Ge­richt ent­spre­chend ver­fah­ren wer­de, teil­te der Kam­mer­vor­sit­zen­de mit, der zu­stän­di­ge Ein­zel­rich­ter be­fin­de sich bis zum 16.08.2017 in El­tern­zeit.

Mit Schrift­satz vom 17.08.2017 bat der vor­in­stanz­li­che Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te der Klä­ge­rin er­neut um Mit­tei­lung, ob sei­nem An­trag auf Her­ab­set­zung des Aus­la­gen­vor­schus­ses statt­ge­ge­ben wer­de. Der Ein­zel­rich­ter führ­te un­ter dem 18.08.2017 im We­sent­li­chen aus, ein Aus­la­gen­vor­schuss von 2.500 € sei in An­be­tracht der Er­fah­run­gen in an­de­ren Fäl­len an­ge­mes­sen. Dar­auf­hin teil­te der vor­in­stanz­li­che Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te der Klä­ge­rin mit Schrift­satz vom 04.09.2017 mit, der Rechts­schutz­ver­si­che­rer ha­be den ge­richt­lich an­ge­for­der­ten Aus­la­gen­vor­schuss ge­leis­tet, und frag­te an, ob der Sach­ver­stän­di­ge noch ge­nü­gend Zeit er­hal­ten wer­de, um das Gut­ach­ten bis zum Ter­min am 18.09.2017 zu er­stel­len.

Der Ein­zel­rich­ter er­wi­der­te mit Ver­fü­gung vom 11.09.2017, dass es bei dem an­be­raum­ten Ter­min ver­blei­be. Zu­vor hat­te er – oh­ne dies den Par­tei­en mit­zu­tei­len – in ei­nem Ak­ten­ver­merk über ein Te­le­fo­nat mit dem Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­hal­ten, dass die­ser we­gen vor­ran­gi­ger an­de­rer Ter­mi­ne ei­ne Be­gut­ach­tung bis zum 18.09.2017 nicht vor­neh­men kön­ne.

Nach ei­nem ver­geb­li­chen An­trag des erst­in­stanz­li­chen Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten der Klä­ge­rin vom 12.09.2017, den Ver­hand­lungs­ter­min auf­zu­he­ben, blieb die Klä­ge­rin in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 18.09.2017 säu­mig. Auf An­trag der Be­klag­ten be­raum­te das Land­ge­richt Ter­min zur Ver­kün­dung ei­ner Ent­schei­dung nach La­ge der Ak­ten auf den 09.10.2017 an. Durch Ur­teil vom 11.12.2017 hat der Ein­zel­rich­ter die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­grün­dung im We­sent­li­chen aus­ge­führt, die Klä­ge­rin sei be­weis­fäl­lig ge­blie­ben, weil der an­ge­for­der­te Vor­schuss ver­spä­tet ein­ge­zahlt wor­den sei; das An­griffs­mit­tel der Klä­ge­rin wer­de nach § 296 II ZPO als ver­spä­tet zu­rück­ge­wie­sen.

Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung hat das Be­ru­fungs­ge­richt durch Be­schluss ge­mäß § 522 II ZPO zu­rück­ge­wie­sen. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de der Klä­ge­rin hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: [9]    II. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung, so­weit für das Ver­fah­ren der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de von In­ter­es­se, im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[10]   Zu Recht ha­be das Land­ge­richt die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Ur­teils nach La­ge der Ak­ten be­jaht. Der Klä­ger­ver­tre­ter ha­be ei­ne un­ver­schul­de­te Säum­nis im erst­in­stanz­li­chen Ver­hand­lungs­ter­min vom 18.09.2017 nicht glaub­haft ge­macht (§ 331a Satz 2, § 251a II 4 ZPO). Auch sei der Sach­ver­halt für ei­ne Ent­schei­dung nach La­ge der Ak­ten hin­rei­chend ge­klärt ge­we­sen (§ 331a Satz 1 Halb­satz 2 ZPO). Das Land­ge­richt ha­be ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten un­ter zu­tref­fen­der An­wen­dung der Vor­schrif­ten des Be­weis­ver­fah­rens nicht ein­ge­holt. Die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Zu­rück­wei­sung ver­spä­te­ten Vor­brin­gens ge­mäß § 296 II ZPO sei­en erst­in­stanz­lich ge­ge­ben ge­we­sen. Da­her sei das An­griffs­mit­tel auch im Be­ru­fungs­ver­fah­ren aus­ge­schlos­sen (§ 531 I ZPO).

[11]   Zu­tref­fend ha­be das Land­ge­richt die für die Zu­rück­wei­sung des Vor­brin­gens der Klä­ge­rin er­for­der­li­che gro­be Nach­läs­sig­keit be­jaht. Zwar in­di­zie­re die nicht frist­ge­rech­te Zah­lung ei­nes Aus­la­gen­vor­schus­ses noch kei­ne gro­be Nach­läs­sig­keit. Doch ha­be der Klä­ger­ver­tre­ter hier auf die Mit­tei­lung des Land­ge­richts vom 17.05.2017, wo­nach nicht be­ab­sich­tigt sei, den Aus­la­gen­vor­schuss her­ab­zu­set­zen, die­sen wei­ter­hin nicht ein­ge­zahlt. Erst als das Land­ge­richt nach mehr­ma­li­ger Nach­fra­ge durch den Klä­ger­ver­tre­ter mit Ver­fü­gung vom 18.08.2017 dar­auf hin­ge­wie­sen ha­be, dass ei­ne Än­de­rung der Vor­schuss­hö­he nicht ver­an­lasst sei, sei der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te der Klä­ge­rin an de­ren Rechts­schutz­ver­si­che­rer her­an­ge­tre­ten und ha­be die Vor­schuss­zah­lung ver­an­lasst. Zwar ha­be der Klä­ger­ver­tre­ter we­gen des Er­zie­hungs­ur­laubs des Ein­zel­rich­ters über meh­re­re Wo­chen ei­ne in­halt­li­che Ant­wort auf sei­ne noch­ma­li­gen Ein­wän­de ge­gen die Hö­he des Aus­la­gen­vor­schus­ses nicht er­hal­ten. Doch sei es grob nach­läs­sig ge­we­sen, nach dem ers­ten Hin­weis des Land­ge­richts (vom 17.05.2017) die Ein­zah­lung des Vor­schus­ses nicht zu ver­an­las­sen. Die Nach­läs­sig­keit sei kau­sal für die Ver­spä­tung ge­wor­den, denn zu die­sem Zeit­punkt hät­te der Vor­schuss noch frist­ge­recht ge­leis­tet wer­den kön­nen. Dass die Klä­ge­rin den Aus­la­gen­vor­schuss als zu hoch er­ach­te, än­de­re an der Nach­läs­sig­keit nichts; zu­dem sei der ge­richt­lich an­ge­for­der­te Aus­la­gen­vor­schuss nicht un­ver­hält­nis­mä­ßig hoch ge­we­sen.

[12]   Zwar ha­be das Land­ge­richt den An­spruch der Klä­ge­rin auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs ver­letzt, denn ei­ne Zu­rück­wei­sung als ver­spä­tet hät­te erst nach ei­nem dar­auf ge­rich­te­ten Hin­weis und ent­spre­chen­der Ge­le­gen­heit zur Äu­ße­rung er­fol­gen dür­fen. Die­se Ge­hörs­ver­let­zung wir­ke sich je­doch auf das Ur­teil des Land­ge­richts nicht aus. Es sei nicht er­sicht­lich, was die Klä­ge­rin auf ei­nen sol­chen Hin­weis an­de­res hät­te vor­tra­gen kön­nen. Die gro­be Nach­läs­sig­keit bei der Frist­ver­säum­nis lie­ge auf der Hand und er­ge­be sich aus den Ak­ten.

[13]   III. Die statt­haf­te und auch im Üb­ri­gen zu­läs­si­ge Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de der Klä­ge­rin ist be­grün­det, weil die Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung ei­ne Ent­schei­dung des Re­vi­si­ons­ge­richts er­for­dert (§ 543 II 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Das Be­ru­fungs­ge­richt hat den An­spruch der Klä­ge­rin auf recht­li­ches Ge­hör (Art. 103 I GG) in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se ver­letzt. Dies führt ge­mäß § 544 VII ZPO zur Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses und zur Zu­rück­ver­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt.

[14]   1. Mit Er­folg macht die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de gel­tend, dass das Be­ru­fungs­ge­richt den An­spruch der Klä­ge­rin auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs (Art. 103 I GG) ver­letzt hat.

[15]   a) Bleibt ein An­griffs- oder Ver­tei­di­gungs­mit­tel ei­ner Par­tei des­we­gen un­be­rück­sich­tigt, weil der Tatrich­ter es in of­fen­kun­dig feh­ler­haf­ter An­wen­dung von Präk­lu­si­ons­nor­men zu Un­recht zu­rück­ge­wie­sen hat, so ist da­mit zu­gleich der An­spruch der Par­tei auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs ge­mäß Art. 103 I GG ver­letzt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 02.09.2013 – VII ZR 242/12, ju­ris Rn. 7 ff.; Beschl. v. 03.05.2018 – III ZR 429/16, ju­ris Rn. 7 ff.; Beschl. v. 20.03.2019 – VII ZR 182/18, NJW-RR 2019, 726 Rn. 15 ff. [je­weils zu § 531 I ZPO]; Beschl. v. 17.07.2012 – VI­II ZR 273/11, NJW 2012, 3787 Rn. 9; Beschl. v. 15.07.2014 – VI ZR 145/14, ju­ris Rn. 5 ff.; Beschl. v. 10.05.2016 – VI­II ZR 97/15, GE 2016, 1207 Rn. 9; Beschl. v. 14.03.2017 – VI ZR 205/16, ju­ris Rn. 5 ff. [je­weils zu § 296 II ZPO]).

[16]   b) So ver­hält es sich im Streit­fall. Das Be­ru­fungs­ge­richt hät­te nicht ge­mäß § 531 I ZPO von der auch zweit­in­stanz­lich be­an­trag­ten Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens ab­se­hen dür­fen, denn das dar­auf ge­rich­te­te Vor­brin­gen der Klä­ge­rin ist erst­in­stanz­lich of­fen­kun­dig zu Un­recht ge­mäß § 296 II ZPO als ver­spä­tet zu­rück­ge­wie­sen wor­den. Das Be­ru­fungs­ge­richt wie­der­um hat un­ter of­fen­kun­dig rechts­feh­ler­haf­ter An­wen­dung des § 531 I ZPO an­ge­nom­men, dass die erst­in­stanz­li­che Zu­rück­wei­sung des Vor­brin­gens der Klä­ge­rin Wir­kung für die Be­ru­fungs­in­stanz ent­fal­te. Da­mit hat das Be­ru­fungs­ge­richt den erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens­feh­ler per­pe­tu­iert, in­dem es das Rechts­mit­tel der Klä­ge­rin durch Be­schluss ge­mäß § 522 II ZPO zu­rück­ge­wie­sen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 15.07.2014 – VI ZR 145/14, ju­ris Rn. 10).

[17]   2. Die Klä­ge­rin hat den An­trag auf Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens in der Be­ru­fungs­in­stanz auf­recht­er­hal­ten. Dem hät­te das Be­ru­fungs­ge­richt nach­ge­hen müs­sen. Es hat je­doch zu Un­recht die Er­mes­sens­ent­schei­dung des Land­ge­richts ge­bil­ligt, wo­nach die Be­haup­tung der Klä­ge­rin, die Be­klag­te ha­be ihr in Kennt­nis ei­nes Un­fall­scha­dens ein Ge­braucht­fahr­zeug ver­äu­ßert, oh­ne die­sen zu of­fen­ba­ren, ver­spä­tet sei und zu­rück­ge­wie­sen wer­de, weil die Klä­ge­rin den Aus­la­gen­vor­schuss, von des­sen Zah­lung das Land­ge­richt die Über­sen­dung der Ak­ten an den Sach­ver­stän­di­gen ab­hän­gig ge­macht hat (§§ 402, 379 Satz 1 ZPO), nicht recht­zei­tig ge­leis­tet ha­be.

[18]   a) Hat das Ge­richt die Ak­ten nach Er­lass ei­nes Be­weis­be­schlus­ses ge­mäß §§ 402, 379 Satz 2 ZPO we­gen nicht frist­ge­rech­ter Ein­zah­lung des Aus­la­gen­vor­schus­ses durch den Be­weis­füh­rer nicht an den Sach­ver­stän­di­gen ver­sandt, son­dern Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung be­stimmt, so kann zwar un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 296 II ZPO das un­ter Be­weis ge­stell­te Vor­brin­gen auch dann als ver­spä­tet zu­rück­ge­wie­sen wer­den, wenn der Kos­ten­vor­schuss bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung noch ein­ge­zahlt wird (BGH, Urt. v. 17.10.1979 – VI­II ZR 221/78, NJW 1980, 343 un­ter 1 b; Urt. v. 05.05.1982 – VI­II ZR 152/81, NJW 1982, 2559 un­ter 2 b; Beschl. v. 27.11.1997 – III ZR 246/96, NJW 1998, 761 un­ter 1 b; Beschl. v. 10.05.2016 – VI­II ZR 97/15, GE 2016, 1207 Rn. 11). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind hier je­doch nicht er­füllt.

[19]   b) Ge­mäß § 296 II ZPO kön­nen An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel, die ent­ge­gen § 282 I ZPO nicht recht­zei­tig vor­ge­bracht oder ent­ge­gen § 282 II ZPO nicht recht­zei­tig mit­ge­teilt wer­den, zu­rück­ge­wie­sen wer­den, wenn ih­re Zu­las­sung nach der frei­en Über­zeu­gung des Ge­richts die Er­le­di­gung des Rechts­streits ver­zö­gern wür­de und die Ver­spä­tung auf gro­ber Nach­läs­sig­keit be­ruht. Ei­ne Zu­rück­wei­sung un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 296 II ZPO hät­te da­mit un­ter an­de­rem ei­ne gro­be Nach­läs­sig­keit der Klä­ge­rin vor­aus­ge­setzt. Dar­an fehlt es er­sicht­lich.

[20]   Gro­be Nach­läs­sig­keit i. S. des § 296 II ZPO liegt – wie das Be­ru­fungs­ge­richt im Aus­gangs­punkt nicht ver­kannt hat – nur dann vor, wenn ei­ne Pro­zess­par­tei ih­re Pflicht zur Pro­zess­för­de­rung in be­son­ders gra­vie­ren­der Wei­se ver­nach­läs­sigt, wenn sie al­so das­je­ni­ge un­ter­lässt, was nach dem Stand des Ver­fah­rens je­der Par­tei als not­wen­dig hät­te ein­leuch­ten müs­sen (BGH, Urt. v. 24.09.1986 – VI­II ZR 255/85, NJW 1987, 501 un­ter II 2 b cc; Beschl. v. 02.09.2013 – VII ZR 242/12, ju­ris Rn. 13; Beschl. v. 10.05.2016 – VI­II ZR 97/15, GE 2016, 1207 Rn. 15; s. auch Urt. v. 15.10.2002 – X ZR 69/01, NJW 2003, 200 un­ter II 6 b [zu § 528 II ZPO a.F.]).

[21]   aa) Noch zu Recht ist das Be­ru­fungs­ge­richt auch da­von aus­ge­gan­gen, dass die nicht frist­ge­rech­te Zah­lung ei­nes Aus­la­gen­vor­schus­ses noch kei­ne gro­be Nach­läs­sig­keit in­di­ziert (BVerfG, [1. Kam­mer des Ers­ten Se­nats], Beschl. v. 17.09.1999 – 1 BvR 47/99, NJW 2000, 1327; Se­nat, Beschl. v. 10.05.2016 – VI­II ZR 97/15, GE 2016, 1207 Rn. 15).

[22]   bb) Al­ler­dings lässt sich die An­nah­me gro­ber Nach­läs­sig­keit ent­ge­gen der Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht dar­auf stüt­zen, dass die Klä­ge­rin den vom Land­ge­richt be­stimm­ten Aus­la­gen­vor­schuss nicht zeit­nah ge­leis­tet hat, nach­dem das Land­ge­richt am 17.05.2017 die als Ge­gen­vor­stel­lung der Klä­ge­rin an­zu­se­hen­de Ein­ga­be vom 10.05.2017 ge­gen die Hö­he des Aus­la­gen­vor­schus­ses zu­rück­ge­wie­sen hat.

[23]   (1) Al­lein die Er­he­bung der Ge­gen­vor­stel­lung vom 10.05.2017 ge­gen die Hö­he des Aus­la­gen­vor­schus­ses ist nicht ge­eig­net, die An­nah­me gro­ber Nach­läs­sig­keit der Klä­ge­rin zu be­grün­den. Zwar steht die An­ord­nung der Vor­schuss­leis­tung für die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens, die die vor­aus­sicht­li­chen Kos­ten des Sach­ver­stän­di­gen nach dem Jus­tiz­ver­gü­tungs- und -ent­schä­di­gungs­ge­setz (JVEG) de­cken soll, im Schät­zer­mes­sen des Ge­richts. Er­mes­sens­feh­ler des Land­ge­richts zeigt die Be­schwer­de­be­grün­dung nicht auf und sind an­ge­sichts der Band­brei­te der Kos­ten für tech­ni­sche Scha­dens­gut­ach­ten auch nicht zu er­ken­nen. Da im Er­kennt­nis­ver­fah­ren ge­gen die An­for­de­rung ei­nes Vor­schus­ses nach § 379 ZPO bzw. §§ 402, 379 ZPO ein Rechts­mit­tel grund­sätz­lich nicht ge­ge­ben ist (Se­nat, Beschl. v. 03.03.2009 – VI­II ZB 56/08, NJW-RR 2009, 1433 Rn. 8), ist es ei­ner vor­schuss­pflich­ti­gen Par­tei je­doch un­be­nom­men, im We­ge der Ge­gen­vor­stel­lung auf ei­ne Her­ab­set­zung des Aus­la­gen­vor­schus­ses hin­zu­wir­ken (Münch­Komm-ZPO/Damrau, 5. Aufl., § 379 Rn. 9; Hu­ber, in: Mu­sielak/Voit, ZPO, 16. Aufl., § 379 Rn. 8; Zöl­ler/Gre­ger, ZPO, 32. Aufl., § 379 Rn. 6). Dies zieht das Be­ru­fungs­ge­richt nicht in Zwei­fel.

[24]   (2) An­ders als das Be­ru­fungs­ge­richt ge­meint hat, kann gro­be Nach­läs­sig­keit un­ter den ge­ge­be­nen Um­stän­den auch nicht be­jaht wer­den, nach­dem die Klä­ge­rin auf die ge­richt­li­che Ver­fü­gung vom 17.05.2017 den im Be­weis­be­schluss be­stimm­ten Aus­la­gen­vor­schuss von 2.500 € nicht ge­leis­tet hat. Denn die vor­ge­nann­te Ver­fü­gung ent­behrt im Hin­blick auf die Vor­schuss­hö­he jeg­li­cher Be­grün­dung. Das Land­ge­richt hat in­so­weit le­dig­lich aus­ge­führt: „In­so­weit ver­bleibt es bei der Vor­schuss­an­ord­nung. Ei­ne Be­gut­ach­tung al­lein an­hand des Ak­ten­in­halts kommt nicht in Be­tracht.“ Dem­ge­gen­über hat­te die Klä­ge­rin, wor­auf auch die Be­schwer­de­be­grün­dung hin­weist, be­reits mit der Kla­ge­schrift ein Pri­vat­gut­ach­ten der D-GmbH über­reicht. Aus­weis­lich der bei­ge­füg­ten Rech­nung wa­ren – un­ter Ein­schluss ei­ner Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs – in­so­weit Kos­ten in Hö­he von 248,60 € brut­to ent­stan­den, et­wa ein Zehn­tel der ge­richt­li­chen Vor­schuss­an­for­de­rung. An­ge­sichts der mit kei­ner­lei Be­grün­dung ver­se­he­nen Ver­fü­gung des Land­ge­richts vom 17.05.2017 ist die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts un­ter die­sen Um­stän­den ver­fehlt, die Klä­ge­rin ha­be in be­son­ders gra­vie­ren­der Wei­se ge­gen ih­re Pro­zess­för­de­rungs­pflicht ver­sto­ßen, als sie den Aus­la­gen­vor­schuss nicht zeit­nah nach dem 17.05.2017 ge­leis­tet hat.

[25]   (3) Ei­ne in­halt­li­che – auf die Er­fah­run­gen des Land­ge­richts in an­de­ren Fäl­len ge­grün­de­te – Mit­tei­lung über die An­ge­mes­sen­heit des Aus­la­gen­vor­schus­ses hat die Klä­ge­rin erst rund drei Mo­na­te spä­ter, näm­lich mit Ver­fü­gung vom 18.08.2017 er­hal­ten. Dar­auf­hin ent­rich­te­te die Klä­ge­rin den ge­richt­lich an­ge­for­der­ten Aus­la­gen­vor­schuss. Die bis da­hin ver­stri­che­ne Zeit be­ruht, wie auch das Be­ru­fungs­ge­richt ge­se­hen hat, nicht auf gro­ber Nach­läs­sig­keit der Klä­ge­rin bzw. ih­res Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten, son­dern auf in­ner­ge­richt­li­chen Vor­gän­gen, die der Klä­ge­rin nicht an­zu­las­ten sind.

[26]   c) Un­be­scha­det des­sen hät­te ei­ne Zu­rück­wei­sung des Vor­brin­gens der Klä­ge­rin als ver­spä­tet erst nach ei­nem dar­auf ge­rich­te­ten Hin­weis des Land­ge­richts er­fol­gen dür­fen. Ein sol­cher Hin­weis, der ei­ne Wie­der­er­öff­nung der münd­li­chen Ver­hand­lung vor­aus­ge­setzt hät­te (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2013 – V ZR 147/12, NJW 2014, 550 Rn. 25; Beschl. v. 25.01.2012 – IV ZR 230/11, ju­ris Rn. 19; Besch. v. 10.05.2016 – VI­II ZR 97/15, GE 2016, 1207 Rn. 17), ist je­doch un­ter­blie­ben. Die An­wen­dung der Präk­lu­si­ons­vor­schrift des § 296 II ZPO ist erst­mals dem am 11.12.2017 ver­kün­de­ten Ur­teil des Land­ge­richts zu ent­neh­men. Ent­ge­gen der An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts be­ruht das Ur­teil des Land­ge­richts auf die­ser Ge­hörs­ver­let­zung, denn es ist nicht aus­ge­schlos­sen, dass die Klä­ge­rin die (oh­ne­hin ver­fehl­te) An­nah­me gro­ber Nach­läs­sig­keit nach ei­nem ent­spre­chen­den Hin­weis des Land­ge­richts ent­kräf­tet hät­te (s. oben III 2 b).

[27]   3. Der an­ge­foch­te­ne Be­schluss be­ruht auf der dar­ge­stell­ten Ver­let­zung des recht­li­chen Ge­hörs. Es kann nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass das Be­ru­fungs­ge­richt nach ei­ner Be­weis­auf­nah­me zu ei­nem der Klä­ge­rin güns­ti­ge­ren Er­geb­nis ge­kom­men wä­re. Der an­ge­foch­te­ne Be­schluss ist des­halb auf­zu­he­ben und der Rechts­streit zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 544 VII ZPO).

[28]   Bei der Zu­rück­ver­wei­sung an das Be­ru­fungs­ge­richt macht der Se­nat von der Mög­lich­keit des § 563 I 2 ZPO Ge­brauch, der auf den Fall ei­ner Zu­rück­ver­wei­sung nach § 544 VII ZPO ent­spre­chend an­wend­bar ist (BGH, Beschl. v. 01.02.2007 – V ZR 200/06, NJW-RR 2007, 1221 Rn. 12; Beschl. v. 23.08.2016 – VI­II ZR 178/15, NJW-RR 2017, 72 Rn. 29; Urt. v. 03.07.2018 – VI­II ZR 229/17, BGHZ 219, 161 Rn. 81; Urt. v. 23.10.2018 – VI­II ZR 61/18, NJW-RR 2019, 134 Rn. 17).

PDF er­stel­len