Zur Zu­läs­sig­keit ei­ner Er­klä­rung mit Nicht­wis­sen sei­tens des un­mit­tel­bar in An­spruch ge­nom­me­nen Kfz-Haft­pflicht­ver­si­che­rers hin­sicht­lich der Dar­stel­lung des Un­fall­her­gangs durch den Ge­schä­dig­ten.

BGH, Ur­teil vom 23.07.2019 – VI ZR 337/18

Sach­ver­halt: Der Klä­ger macht ge­gen die Be­klag­te Scha­dens­er­satz­an­sprü­che we­gen ei­nes Ver­kehrs­un­falls gel­tend.

Der Klä­ger hat be­haup­tet, er ha­be am 25.11.2016 an ei­ner Am­pel we­gen Rot­licht hal­ten müs­sen, wo­bei of­fen­bar aus Un­acht­sam­keit ein Fahr­zeug mit dem amt­li­chen Kenn­zei­chen … auf sei­nen Pkw auf­ge­fah­ren sei. Ein Fahr­zeug mit ei­nem sol­chen Kenn­zei­chen war da­mals bei der Be­klag­ten haft­pflicht­ver­si­chert. Ei­ne po­li­zei­li­che Un­fall­auf­nah­me fand eben­so we­nig statt wie ei­ne Do­ku­men­ta­ti­on des Un­falls durch Fo­tos. Der Un­fall­geg­ner, der sich als „B“ vor­stell­te, nann­te dem Klä­ger le­dig­lich ei­ne Te­le­fon­num­mer und ei­ne An­schrift.

Die Be­klag­te hat den vom Klä­ger ge­schil­der­ten Un­fall­her­gang, ins­be­son­de­re ei­ne Be­tei­li­gung des bei ihr ver­si­cher­ten Fahr­zeugs an dem Un­fall­ge­sche­hen, mit Nicht­wis­sen be­strit­ten, weil ihr ei­ne über­prüf­ba­re Scha­dens­mel­dung nicht vor­lie­ge. Nach dem un­strei­tig ge­blie­be­nen Vor­trag der Be­klag­ten war das Kraft­fahr­zeug mit dem vom Klä­ger ge­nann­ten Kenn­zei­chen am 16.11.2016 von ih­rem Ver­si­che­rungs­neh­mer an ei­ne Per­son ver­äu­ßert wor­den, die sich als „Jor­dan R“ aus­ge­ge­ben hat­te. Die vom Er­wer­ber ver­spro­che­ne um­ge­hen­de Um­mel­dung des Pkw auf den Käu­fer er­folg­te nicht. Die Be­klag­te ver­such­te, so­wohl dem Er­wer­ber des bei ihr ver­si­cher­ten Fahr­zeugs un­ter den im Kauf­ver­trag an­ge­ge­be­nen Per­so­na­li­en als auch dem vom Klä­ger be­nann­ten Fahr­zeug­füh­rer un­ter der dem Klä­ger mit­ge­teil­ten An­schrift ein For­mu­lar zur Scha­dens­mel­dung zu über­mit­teln. Bei­de Schrei­ben der Be­klag­ten ka­men je­doch als un­zu­stell­bar zu­rück. Der Ver­si­che­rungs­neh­mer der Be­klag­ten er­stat­te­te we­gen der vom Er­wer­ber im Kauf­ver­trag of­fen­sicht­lich falsch an­ge­ge­be­nen Per­so­na­li­en Straf­an­zei­ge.

Das Amts­ge­richt hat die Kla­ge nach per­sön­li­cher An­hö­rung des Klä­gers ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fung des Klä­gers blieb vor dem Land­ge­richt er­folg­los, und auch die Re­vi­si­on, mit der der Klä­ger sein Kla­ge­be­geh­ren wei­ter­ver­folg­te, hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [5]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung aus­ge­führt, das Amts­ge­richt ha­be zu Recht den vom Klä­ger gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch ver­neint. Der Klä­ger ha­be zwar ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch ge­mäß §§ 7, 17 StVG i. V. mit § 115 I 1 Nr. 1 VVG nach Grund und Hö­he schlüs­sig dar­ge­legt. Das Amts­ge­richt ha­be aber zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass die Be­klag­te die Un­fall­be­tei­li­gung des bei ihr ver­si­cher­ten Kraft­fahr­zeugs zu­läs­si­ger­wei­se mit Nicht­wis­sen ha­be be­strei­ten kön­nen und der Rechts­streit da­her auf die­ser (strei­ti­gen) Grund­la­ge zu ent­schei­den ge­we­sen sei. Die hier ent­schei­dungs­er­heb­li­che, strit­ti­ge und höchst­rich­ter­lich noch un­ge­klär­te Fra­ge, ob der al­lein­ver­klag­te Haft­pflicht­ver­si­che­rer den Un­fall­her­gang bzw. die Be­tei­li­gung des bei ihm ver­si­cher­ten Fahr­zeugs an dem be­haup­te­ten Ver­kehrs­un­fall in Fäl­len wie dem vor­lie­gen­den mit Nicht­wis­sen be­strei­ten dür­fe, sei zu be­ja­hen. Da die Ge­ständ­nis­wir­kung des § 138 III ZPO so­mit nicht ein­grei­fe, sei der be­weis­be­las­te­te Klä­ger für die Un­fall­be­tei­li­gung des bei der Be­klag­ten ver­si­cher­ten Kraft­fahr­zeugs be­weis­fäl­lig ge­blie­ben. In­so­weit sei­en Be­weis­er­he­bung und Be­weis­wür­di­gung durch das Amts­ge­richt nicht zu be­an­stan­den.

[6]    II. Die­se Er­wä­gun­gen hal­ten im Er­geb­nis den An­grif­fen der Re­vi­si­on stand. Es ist aus Rechts­grün­den nicht zu be­an­stan­den, dass das Be­ru­fungs­ge­richt das Be­ste­hen ei­nes Di­rekt­an­spruchs des Klä­gers ge­gen die Be­klag­te nach § 115 1 1 Nr. 1 i. V. mit §§ 122, 95 I VVG ver­neint hat, weil der Klä­ger die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen nicht nach­wei­sen konn­te.

[7]    1. Das Be­ru­fungs­ge­richt ist zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass die Un­fall­be­tei­li­gung ei­nes bei der Be­klag­ten nach § 1 PflVG haft­pflicht­ver­si­cher­ten Kraft­fahr­zeu­ges not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für den ge­gen die Be­klag­te gel­tend ge­mach­ten Di­rekt­an­spruch ist. Nur in die­sem Fall kann sich hier ein et­wai­ger Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers nach §§ 7, 17, 18 StVG oder § 823 BGB ge­gen ei­nen Ver­si­che­rungs­neh­mer der Be­klag­ten oder ge­gen ei­nen Mit­ver­si­cher­ten rich­ten, wie es § 115 I VVG er­for­dert (vgl. Se­nat, Urt. v. 05.12.1978 – VI ZR 233/77, VersR 1979, 256, 258 = ju­ris Rn. 10; Urt. v. 31.01.2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn. 6; Urt. v. 08.12.2015 – VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 20; Urt. v. 27.02.2018 – VI ZR 109/17, VersR 2018, 624 Rn. 15; Beck­mann, in: Bruck/Möl­ler, VVG, 9. Aufl., § 115 Rn. 23 f. m. w. Nachw.; ju­risPK-StrVer­kR/Lenn­artz, 2016, § 115 VVG Rn. 21 m. w. Nachhw.).

[8]    2. An­ders als die Re­vi­si­on meint, hat das Be­ru­fungs­ge­richt die be­haup­te­te Un­fall­be­tei­li­gung des bei der Be­klag­ten haft­pflicht­ver­si­cher­ten Kraft­fahr­zeugs zu Recht sei­tens des in­so­weit be­weis­be­las­te­ten (vgl. Kö­nig, in: Hent­schel/Kö­nig/Dau­er, 45. Aufl., § 7 StVG Rn. 48 m. w. Nachw.; Gei­gel/Kauf­mann, Der Haft­pflicht­pro­zess, 27. Aufl., Kap. 25 Rn. 249 m. w. Nachw.) Klä­gers für be­weis­be­dürf­tig ge­hal­ten. Die Be­klag­te durf­te sich zu die­ser Be­haup­tung ge­mäß § 138 IV ZPO mit Nicht­wis­sen er­klä­ren, so­dass sie nicht nach § 138 III ZPO als zu­ge­stan­den gilt.

[9]    a) Nach § 138 IV ZPO ist ei­ne Er­klä­rung mit Nicht­wis­sen – al­so die Ein­las­sung, die Rich­tig­keit oder Un­rich­tig­keit der Be­haup­tun­gen des Geg­ners nicht zu ken­nen (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 167/14, WRP 2016, 985 Rn. 124) – nur über Tat­sa­chen zu­läs­sig, die we­der ei­ge­ne Hand­lun­gen der Par­tei noch Ge­gen­stand ih­rer ei­ge­nen Wahr­neh­mung ge­we­sen sind; bei ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son kommt es in­so­weit auf ih­re Or­ga­ne an (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2019 – II ZR 139/17, VersR 2019, 815 Rn. 34; Urt. v. 22.04.2016 – V ZR 256/14, WM 2016, 1384 Rn. 20; Urt. v. 19.04.2001 – I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, 613 = ju­ris Rn. 28 m. w. Nachw.; Urt. v. 07.10.1998 – VI­II ZR 100/97, MDR 1999, 26, 27 = ju­ris Rn. 14 m. w. Nachw.).

[10]   Ei­ne Er­klä­rung mit Nicht­wis­sen ist auch au­ßer­halb des Be­reichs der ei­ge­nen Hand­lun­gen und ei­ge­nen Wahr­neh­mung der Par­tei un­zu­läs­sig, wenn und so­weit ei­ne In­for­ma­ti­ons­pflicht der Par­tei hin­sicht­lich der vom Geg­ner be­haup­te­ten Tat­sa­chen be­steht (vgl. nur BGH, Urt. v. 08.01.2019 – II ZR 139/17, VersR 2019, 815 Rn. 34; Urt. v. 22.04.2016 – V ZR 256/14, WM 2016, 1384 Rn. 20; Urt. v. 02.07.2009 – III ZR 333/08, NJW-RR 2009, 1666 Rn. 16; je­weils m. w. Nachw.). Die Par­tei trifft ei­ne sol­che Er­kun­di­gungs­pflicht, so­fern die maß­ge­ben­den Tat­sa­chen Per­so­nen be­kannt sind, die un­ter ih­rer An­lei­tung, Auf­sicht oder Ver­ant­wor­tung tä­tig ge­wor­den sind (vgl. nur BGH, Urt. v. 08.01.2019 – II ZR 139/17, VersR 2019, 815 Rn. 34; Urt. v. 22.04.2016 – V ZR 256/14, WM 2016, 1384 Rn. 20; Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 167/14, WRP 2016, 985 Rn. 124; Urt. v. 17.09.2009 – Xa ZR 2/08, BGHZ 182, 245 Rn. 20; Urt. v. 19.04.2001 – I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, 613 = ju­ris Rn. 30; je­weils m. w. Nachw.). Auch im Fall des For­de­rungs­über­gangs ist der BGH da­von aus­ge­gan­gen, dass der Neu­gläu­bi­ger in Aus­übung sei­nes Aus­kunfts­rechts nach §§ 412, 402 BGB Er­kun­di­gun­gen an­stel­len muss, be­vor ei­ne Er­klä­rung mit Nicht­wis­sen in Be­tracht kommt (Urt. v. 18.03.1992 – XII ZR 1/91, NJW 1992, 1624, 1626 = ju­ris Rn. 19 m. w. Nachw.). Ein In­sol­venz­ver­wal­ter darf ei­ne Tat­sa­che, zu der sich Er­kennt­nis­se aus den Un­ter­la­gen des Schuld­ners oder von die­sem selbst er­ge­ben kön­nen, mit Nicht­wis­sen nur be­strei­ten, wenn er oh­ne Er­folg die Un­ter­la­gen ge­sich­tet und not­falls den Schuld­ner be­fragt hat und wenn er das Er­geb­nis sei­ner Be­mü­hun­gen nach­voll­zieh­bar dar­legt (BGH, Urt. v. 16.11.2012 – V ZR 179/11, MDR 2013, 486 Rn. 16; Urt. v. 15.03.2012 – IX ZR 249/09, NJW-RR 2012, 1004 Rn. 16).

[11]   Die An­for­de­run­gen an die Er­kun­di­gungs­pflicht dür­fen al­ler­dings nicht über­spannt wer­den. Ei­ner Par­tei darf nur ei­ne zu­mut­ba­re In­for­ma­ti­ons­pflicht auf­er­legt wer­den (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 167/14, GesR 2016, 488 Rn. 124 m. w. Nachw.; Urt. v. 21.03.1996 – IX ZR 240/95, NJW 1996, 1954, 1957 = ju­ris Rn. 33; Urt. v. 15.11.1989 – VI­II ZR 46/89, BGHZ 109, 205, 209 f. = ju­ris Rn. 16). Auch bei Be­ste­hen ei­ner In­for­ma­ti­ons­pflicht ist ei­ne Er­klä­rung mit Nicht­wis­sen zu­läs­sig, wenn sich für die Par­tei nach Ein­ho­len der Er­kun­di­gun­gen bei den maß­geb­li­chen Per­so­nen kei­ne wei­te­ren Er­kennt­nis­se er­ge­ben oder die Par­tei nicht be­ur­tei­len kann, wel­che von meh­re­ren un­ter­schied­li­chen Dar­stel­lun­gen über den Ge­sche­hens­ab­lauf der Wahr­heit ent­spricht, und sie das Er­geb­nis ih­rer Er­kun­di­gun­gen in den Pro­zess ein­führt (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2019 – II ZR 139/17, VersR 2019, 815 Rn. 34 m. w. Nachw.; Urt. v. 22.04.2016 – V ZR 256/14, WM 2016, 1384 Rn. 20 m. w. Nachw.; Urt. v. 15.11.1989 – VI­II ZR 46/89, BGHZ 109, 205, 209 f. = ju­ris Rn. 16).

[12]   b) Un­ter Be­rück­sich­ti­gung die­ser Grund­sät­ze kann es dem im We­ge des Di­rekt­an­spruchs nach § 115 I 1 Nr. 1 VVG in An­spruch ge­nom­me­nen Haft­pflicht­ver­si­che­rer nicht schon des­halb ver­wehrt wer­den, die Un­fall­dar­stel­lung des Ge­schä­dig­ten mit Nicht­wis­sen zu be­strei­ten, weil und so­weit der Ver­si­che­rungs­neh­mer selbst an ei­ner ent­spre­chen­den Ein­las­sung ge­hin­dert ist.

[13]   Ei­nen sol­chen Gleich­lauf der Dar­le­gungs­last von Ver­si­che­rer und Ver­si­che­rungs­neh­mer hal­ten zwar – wor­auf sich die Re­vi­si­on be­ruft – Tei­le der Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur zu­rück­ge­hend auf ei­ne äl­te­re ober­ge­richt­li­che Ent­schei­dung für ge­bo­ten. Dort wur­de dem Ver­si­che­rer, der ne­ben dem Ver­si­che­rungs­neh­mer und dem Fah­rer des ver­si­cher­ten Fahr­zeugs auf Scha­dens­er­satz in An­spruch ge­nom­men wur­de, ei­ne Er­klä­rung mit Nicht­wis­sen zum Un­fall­ge­sche­hen vor al­lem un­ter Hin­weis auf die (an­geb­li­che) not­wen­di­ge Streit­ge­nos­sen­schaft zwi­schen den Be­klag­ten und den Sinn und Zweck des Haft­pflicht­ver­si­che­rungs­rechts nicht ge­stat­tet, ob­wohl der Ver­si­che­rer bei den un­auf­find­ba­ren Mit­be­klag­ten kei­ne In­for­ma­tio­nen hat­te ein­ho­len kön­nen (OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 27.02.1974 – 19 U 214/73, NJW 1974, 1473; dem i. E. fol­gend OLG Mün­chen, Urt. v. 17.12.2010 – 10 U 3010/10­BeckRS 2011, 98; Schmitt, NJ 2018, 282, 283 f.; Jahn­ke, in: Stie­fel/Mai­er, Kraft­fahrt­ver­si­che­rung, 19. Aufl., § 115 VVG Rn. 141; Stad­ler, in: Mu­sielak/Voit, ZPO, 16. Aufl., § 138 Rn. 17; Reichold, in: Tho­mas/Putzo, ZPO, 40. Aufl., § 138 Rn. 20; un­klar Kern, in: Stein/Jo­nas, ZPO, 23. Aufl., § 138 Rn. 43; Mor­hard, Die In­for­ma­ti­ons­pflicht der Par­tei­en bei der Er­klä­rung mit Nicht­wis­sen, 1993, S. 77 f.; Lan­ge, NJW 1990, 3233, 3238).

[14]   Die­se Ent­schei­dung wird aber zu Recht kri­ti­siert (vgl. Zöl­ler/Gre­ger, ZPO, 32. Aufl., § 138 Rn. 15; Münch­Komm-ZPO/Frit­sche, 5. Aufl., § 138 Rn. 30; Ger­ken, in: Wiec­zo­rek/Schüt­ze, ZPO, 4. Aufl., § 138 Rn. 44; AK-ZPO/Schmidt, 1987, § 138 Rn. 73; Ambs, Be­strei­ten mit Nicht­wis­sen, 1997, S. 201 ff.). Denn die Gleich­stel­lung der Dar­le­gungs­pflicht von Ver­si­che­rer und Ver­si­che­rungs­neh­mer lässt un­be­rück­sich­tigt, dass es bei der Fra­ge der Un­zu­läs­sig­keit ei­ner Er­klä­rung mit Nicht­wis­sen über den vom Wort­laut des § 138 IV ZPO un­mit­tel­bar er­fass­ten Be­reich der ei­ge­nen Hand­lun­gen und Wahr­neh­mun­gen der Par­tei hin­aus nicht um die Zu­rech­nung von Kennt­nis­sen be­stimm­ter Drit­ter, son­dern um ei­ne In­for­ma­ti­ons­pflicht der Par­tei geht, die Kennt­nis aus ei­ge­ner Wahr­neh­mung nicht hat, sich die­se aber be­schaf­fen kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.1989 – VI­II ZR 46/89, BGHZ 109, 205, 209 f., = ju­ris Rn. 16).

[15]   Aus dem Ver­hält­nis zwi­schen Ver­si­che­rer und Ver­si­che­rungs­neh­mer im Rah­men ei­ner auf § 115 I VVG ge­stütz­ten Kla­ge und dem Zweck des Di­rekt­an­spruchs des Ge­schä­dig­ten ge­gen den Haft­pflicht­ver­si­che­rer er­ge­ben sich dem­ge­gen­über kei­ne durch­grei­fen­den Ar­gu­men­te für ein grund­sätz­li­ches Ver­bot des Be­strei­tens mit Nicht­wis­sen sei­tens des Ver­si­che­rers.

[16]   Wer­den Haft­pflicht­ver­si­che­rer und Schä­di­ger ge­mein­sam im sel­ben Rechts­streit in An­spruch ge­nom­men, liegt zwi­schen ih­nen ge­mäß §§ 59, 60 ZPO ei­ne ein­fa­che Streit­ge­nos­sen­schaft vor, so­dass die Hand­lun­gen des ei­nen Streit­ge­nos­sen dem an­de­ren we­der zum Vor­teil noch zum Nach­teil ge­rei­chen dür­fen (§ 61 ZPO). Bei der Ne­benin­ter­ven­ti­on des Haft­pflicht­ver­si­che­rers er­gibt sich dies auch aus § 69 ZPO (vgl. Se­nat, Beschl. v. 29.11.2011 – VI ZR 201/10, VersR 2012, 434 Rn. 4; Urt. v. 13.07.2010 – VI ZR 111/09, VersR 2010, 1444 Rn. 11). Ge­mäß dem Zweck der § 115 I Nr. 1, § 124 I VVG, § 3 Nr. 8 PflVG a. F., wo­nach ein rechts­kräf­ti­ges kla­ge­ab­wei­sen­des Ur­teil, das zwi­schen dem kla­gen­den Ge­schä­dig­ten und dem Ver­si­che­rer er­gan­gen ist, auch zu­guns­ten des be­klag­ten Ver­si­che­rungs­neh­mers wirkt, darf der Haft­pflicht­ver­si­che­rer, selbst wenn er zu­sam­men mit sei­nem Ver­si­che­rungs­neh­mer in An­spruch ge­nom­men wird, be­reits im Pro­zess sei­ne ei­ge­nen In­ter­es­sen nach §§ 61, 69 ZPO wahr­neh­men. Sinn die­ser Re­ge­lung ist es näm­lich, dem Ge­schä­dig­ten kei­ne An­sprü­che ge­gen den Ver­si­che­rer über das ma­te­ri­el­le Haft­pflicht­recht hin­aus zu­wach­sen zu las­sen. Der Haft­pflicht­ver­si­che­rer soll nicht Ge­fahr lau­fen, trotz des für ihn güns­ti­gen, die Kla­ge ab­wei­sen­den Ur­teils im Fal­le der Ver­ur­tei­lung sei­nes Ver­si­che­rungs­neh­mers auf­grund sei­ner Zah­lungs­pflicht aus dem De­ckungs­ver­hält­nis doch noch in An­spruch ge­nom­men zu wer­den (vgl. Se­nat, Beschl. v. 29.11.2011 – VI ZR 201/10, VersR 2012, 434 Rn. 5; Urt. v. 15.01.2010 – VI ZR 131/07, VersR 2008, 485 Rn. 6 f. m. w. Nachw.). Dem­entspre­chend hat es der er­ken­nen­de Se­nat bei dem Ver­dacht ei­ner Un­fall­ma­ni­pu­la­ti­on für zu­läs­sig ge­hal­ten, dass der Haft­pflicht­ver­si­che­rer so­wohl den be­haup­te­ten Un­fall als auch den be­haup­te­ten Un­fall­her­gang mit Nicht­wis­sen be­strei­tet, und zwar auch dann, wenn er in dem Rechts­streit nicht nur für sich selbst, son­dern zu­gleich auch als Streit­hel­fer sei­nes Ver­si­che­rungs­neh­mers auf­tritt (Beschl. v. 25.03.2014 – VI ZR 438/13, Scha­den-Pra­xis 2014, 206). Der grund­le­gen­de Zweck des § 115 I Nr. 1 VVG, die Stel­lung des Ge­schä­dig­ten zu ver­bes­sern, in­dem er ei­nen zu­sätz­li­chen und sol­ven­ten Schuld­ner er­hält (vgl. BT-Drs. 16/3945, S. 88), wird da­durch nicht in­fra­ge ge­stellt.

[17]   Aus dem Ge­samt­schuld­ver­hält­nis zwi­schen Ver­si­che­rer und Schä­di­ger (§ 115 I 4, § 116 VVG, § 421 BGB) er­gibt sich – an­ders als die Re­vi­si­on meint (so of­fen­bar auch, al­ler­dings oh­ne nä­he­re Be­grün­dung, Jahn­ke, in: Stie­fel/Mai­er, a. a. O., § 115 VVG Rn. 141) – kein Gleich­lauf der Dar­le­gungs­pflich­ten des Ver­si­che­rers und des Ver­si­cher­ten (§ 425 I BGB).

[18]   c) Den vom Ge­schä­dig­ten ver­klag­ten Haft­pflicht­ver­si­che­rer trifft aber die Pflicht, sich bei sei­nem Ver­si­che­rungs­neh­mer und et­wai­gen un­fall­be­tei­lig­ten Mit­ver­si­cher­ten (et­wa dem Fahr­zeug­füh­rer) zu er­kun­di­gen, ob der Vor­trag des Ge­schä­dig­ten zum Un­fall­ge­sche­hen zu­trifft, be­vor er sich zum klä­ge­ri­schen Vor­brin­gen ein­lässt (ei­ne In­for­ma­ti­ons­pflicht des Ver­si­che­rers be­ja­hen auch Münch­Komm-ZPO/Frit­sche, a. a. O., § 138 Rn. 20; Ger­ken, in: Wiec­zo­rek/Schüt­ze, a. a. O., § 138 Rn. 44; Kern, in: Stein/Jo­nas, a. a. O., § 138 Rn. 43; Mül­ler-Teck­hof, in: Kern/Diehm, ZPO, 2017, § 139 Rn. 11; Ambs, a. a. O., S. 119; wohl auch OLG Köln, Urt. v. 29.03.1971 – 12 U 163/70, VersR 1972, 592). Will er sich mit Nicht­wis­sen er­klä­ren, muss er hin­rei­chen­de Grün­de da­für dar­le­gen, war­um er sich auf der Grund­la­ge der er­teil­ten Aus­künf­te nicht da­zu ein­las­sen kann, ob das Vor­brin­gen des Ge­schä­dig­ten zu­trifft.

[19]   Die In­for­ma­ti­ons­pflicht des Ver­si­che­rers kann zwar nicht da­mit be­grün­det wer­den, dass sich ei­ne Par­tei nicht durch ar­beits­tei­li­ge Or­ga­ni­sa­ti­on ih­ren pro­zes­sua­len Er­klä­rungs­pflich­ten ent­zie­hen kön­nen soll (vgl. zu die­sem Ar­gu­ment für die In­for­ma­ti­ons­pflicht bei Per­so­nen, die un­ter An­lei­tung, Auf­sicht oder Ver­ant­wor­tung der Par­tei tä­tig wer­den: BGH, Urt. v. 22.04.2016 – V ZR 256/14, MDR 2016, 1012 Rn. 22; Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 167/14, GesR 2016, 488 Rn. 124; je­weils m. w. Nachw.). Sie er­gibt sich aber dar­aus, dass ei­ne Er­klä­rung mit Nicht­wis­sen – un­ab­hän­gig da­von, ob die be­tref­fen­de Tat­sa­che den Be­reich ei­ge­ner Hand­lun­gen und Wahr­neh­mung be­trifft oder nicht – nur zu­läs­sig ist, wenn der Er­klä­ren­de tat­säch­lich kei­ne Kennt­nis hat, wie aus Wahr­heits­pflicht (§ 138 I ZPO) und Er­klä­rungs­last (§ 138 II ZPO) folgt (vgl. Zöl­ler/Gre­ger, a. a. O., § 138 Rn. 13). Der Re­ge­lung in § 138 IV ZPO liegt dem­entspre­chend der – auf den Be­reich au­ßer­halb ei­ge­ner Hand­lun­gen und Wahr­neh­mung über­trag­ba­re und in der dar­ge­stell­ten Recht­spre­chung des BGH zur An­wen­dung der Vor­schrift zum Aus­druck kom­men­de – Ge­dan­ke zu­grun­de, dass die Zu­läs­sig­keit ei­ner Er­klä­rung mit Nicht­wis­sen dort ein­ge­schränkt wer­den kann, wo die­se Kennt­nis und da­mit ei­ne Ein­las­sung da­zu er­war­tet wer­den kann, ob der in Re­de ste­hen­de Tat­sa­chen­vor­trag zu­trifft oder nicht (vgl. auch Ambs, a. a. O., S. 5 f., 144 f.).

[20]   Bei dem vom Ge­schä­dig­ten un­mit­tel­bar in An­spruch ge­nom­me­nen Haft­pflicht­ver­si­che­rer ist dies hin­sicht­lich des Un­fall­ge­sche­hens der Fall. Den Ver­si­che­rungs­neh­mer und die Mit­ver­si­cher­ten trifft die Ob­lie­gen­heit, den Ver­si­che­rungs­fall dem Ver­si­che­rer un­ver­züg­lich an­zu­zei­gen und ihm je­de Aus­kunft zu er­tei­len, die zur Fest­stel­lung des Ver­si­che­rungs­fal­les oder des Um­fangs der Leis­tungs­pflicht des Ver­si­che­rers er­for­der­lich ist (§§ 30, 31 VVG; für die Kraft­fahr­zeug-Hhaft­pflicht­ver­si­che­rung vgl. E.1.1, E.1.2, F.1 AKB 2015). Der vom Ge­schä­dig­ten in An­spruch ge­nom­me­ne Ver­si­che­rer kann sich da­her re­gel­mä­ßig un­schwer In­for­ma­tio­nen über das Un­fall­ge­sche­hen ver­schaf­fen, wenn sie ihm nicht oh­ne­hin be­reits vor­lie­gen. Denn der Ver­pflich­te­te wird die not­wen­di­gen Aus­künf­te im Re­gel­fall frei­wil­lig er­tei­len, um nicht Ge­fahr zu lau­fen, sei­nen Ver­si­che­rungs­schutz zu ver­lie­ren (vgl. E.2 AKB 2015). Da der Ver­si­che­rer im Rah­men des § 115 I VVG im We­ge ei­nes ge­setz­li­chen Schuld­bei­tritts le­dig­lich ak­zes­s­o­risch für den Schä­di­ger haf­tet (vgl. Se­nat, Urt. v. 05.12.1978 – VI ZR 233/77, VersR 1979, 256, 258 = ju­ris Rn. 10; Urt. v. 31.01.2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn. 6; Beck­mann, in: Bruck/Möl­ler, VVG, 9. Aufl., § 115 Rn. 23 f. m. w. Nachw.; ju­risPK-StrVer­kR/Lenn­artz, a. a. O., § 115 VVG Rn. 21 m. w. Nachhw.), ste­hen der vom Ge­schä­dig­ten in An­spruch ge­nom­me­ne Ver­si­che­rer und der Ver­si­che­rungs­neh­mer so­wie mit­ver­si­cher­te Per­so­nen – auch wenn sie nicht ge­mein­sam ver­klagt wer­den – im glei­chen „La­ger“, wie es der BGH für die Be­ja­hung ei­ner aus dem Be­ste­hen von Aus­kunfts­an­sprü­chen her­ge­lei­te­ten Er­kun­di­gungs­pflicht für not­wen­dig ge­hal­ten hat (vgl. Urt. v. 02.07.2009 – III ZR 333/08, NJW-RR 2009, 1666 Rn. 17). Der red­li­che Ver­si­che­rungs­neh­mer wird zu­dem das In­ter­es­se des Ver­si­che­rers tei­len, un­be­rech­tig­te Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen ab­zu­weh­ren, zu­mal ei­ne Ein­stands­pflicht des Ver­si­che­rers nach­tei­li­ge Fol­gen für den Ver­si­che­rungs­neh­mer ha­ben kann (et­wa durch den Ver­lust von Scha­dens­frei­heits­ra­bat­ten). Grund­sätz­lich wird der Ver­si­che­rer al­so sei­ne Ein­las­sung zum Vor­trag der Kla­ge­sei­te zum Un­fall­ge­sche­hen auf die Aus­künf­te des Ver­si­che­rungs­neh­mers und ge­ge­be­nen­falls mit­ver­si­cher­ter Per­so­nen stüt­zen kön­nen. Da­her muss er im Rah­men des § 138 IV ZPO die­se In­for­ma­ti­ons­quel­le aus­schöp­fen, be­vor er den klä­ge­ri­schen Vor­trag zum Un­fall­ge­sche­hen mit Nicht­wis­sen be­strei­ten darf.

[21]   d) Die Be­klag­te hat im Streit­fall die sie tref­fen­de In­for­ma­ti­ons­pflicht er­füllt. Sie hat nach den nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts ih­ren ur­sprüng­li­chen Ver­si­che­rungs­neh­mer kon­tak­tiert. Auf­grund des­sen Mit­tei­lung über die Ver­äu­ße­rung des bei ihr haft­pflicht­ver­si­cher­ten Fahr­zeugs hat sie dann ver­sucht, dem Er­wer­ber, der mit der Ver­äu­ße­rung als neu­er Ver­si­che­rungs­neh­mer ge­mäß §§ 122, 95 I VVG in das Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis ein­ge­tre­ten war (vgl. da­zu auch G.7.1 AKB 2015; BGH, Urt. v. 07.03.1984 – IVa ZR 18/82, NJW 1984, 1967, 1968 = ju­ris Rn. 16; Stad­ler, in: Stie­fel/Mai­er, Kraft­fahrt­ver­si­che­rung, 19.​Stadler,Aufl., AKB 2015 G.7 Rn. 1 ff. m. w. Nachw.), un­ter der von ihm ge­gen­über dem Ver­äu­ße­rer an­ge­ge­be­nen An­schrift ein For­mu­lar zur Scha­dens­mel­dung zu über­mit­teln. Da­ne­ben hat die Be­klag­te den vom Klä­ger be­nann­ten Füh­rer des geg­ne­ri­schen un­fall­be­tei­lig­ten Fahr­zeugs un­ter der ihr vom Klä­ger ge­nann­ten An­schrift als – mög­li­chen – Mit­ver­si­cher­ten nach § 1 PflVG an­ge­schrie­ben. Bei­de Schrei­ben konn­ten nicht zu­ge­stellt wer­den, weil die der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten An­schrif­ten of­fen­bar un­zu­tref­fend wa­ren.

[22]   Bei die­ser Sach­la­ge, die die Be­klag­te im Ver­fah­ren of­fen­ge­legt hat, durf­te die Be­klag­te die be­haup­te­te Un­fall­be­tei­li­gung des bei ihr haft­pflicht­ver­si­cher­ten Fahr­zeugs mit Nicht­wis­sen be­strei­ten. Wei­te­re Nach­for­schun­gen wa­ren ihr ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on im Rah­men des § 138 IV ZPO nicht zu­mut­bar.

[23]   3. Nach den vom Be­ru­fungs­ge­richt nicht be­an­stan­de­ten Fest­stel­lun­gen des Amts­ge­richts hat der Klä­ger un­ter Zu­grun­de­le­gung des – zu­tref­fen­den (vgl. Gei­gel/Kauf­mann, a. a. O., Kap. 25 Rn. 249 m. w. Nachw.) – Be­weis­ma­ßes des § 286 ZPO die be­haup­te­te Un­fall­be­tei­li­gung des bei der Be­klag­ten haft­pflicht­ver­si­cher­ten Fahr­zeugs nicht be­wei­sen kön­nen. Ver­fah­rens­rügen wer­den in­so­weit von der Re­vi­si­on nicht er­ho­ben.

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