- Nimmt der Käufer wegen eines Mangels der Sache deren Hersteller aus einem Garantieversprechen und den Verkäufer aus kaufrechtlicher Gewährleistung auf Mangelbeseitigung in Anspruch, können der Hersteller und der Verkäufer als Streitgenossen gemeinschaftlich verklagt werden. Denn Gegenstand des Rechtsstreits bilden in diesem Fall – wie § 60 ZPO es verlangt – gleichartige Ansprüche, die auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhen.
- Haben der Hersteller und der Verkäufer ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten und ist für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet, kann das zuständige Gericht gemäß § 36 I Nr. 3 ZPO bestimmt werden. Ein solches Bestimmungsverfahren ist zur Vermeidung einer auf Zuständigkeitszweifeln beruhenden Verfahrensverzögerung schon dann zulässig, wenn das angerufene Gericht seine örtliche Zuständigkeit für die Klage gegen einen der Streitgenossen verneinen möchte.
OLG Hamm, Beschluss vom 02.01.2019 – 32 SA 60/18
Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner wegen Mängeln einer Couchgarnitur in Anspruch. Diese Couchgarnitur hat der Kläger im Januar 2014 in einer Filiale der Beklagten zu 1 in B. erworben.
Die Beklagte zu 2 ist die Herstellerin der Couchgarnitur. Diese – so trägt der Kläger vor – habe die Beklagte zu 2 mit einem „Qualitäts- und Gütepass“ auf den Markt gebracht, in dem es unter der Überschrift „Longlife – das Leder mit 5-Jahres-Garantie“ unter anderem heißt:
„Bei berechtigter Beanstandung innerhalb von 5 Jahren ab Kaufdatum werden Mängel, die nachweislich auf das Bezugsmaterial zurückzuführen sind, auf Basis unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) durch Reparatur, Neubezug oder Ersatz nach Wahl des Herstellers beseitigt.“
Der Kläger behauptet, dass an verschiedenen Stellen der Couchgarnitur erhebliche Abplatzungen entstanden seien, obwohl er sich streng an die Pflegeanweisungen gehalten habe. Die Beklagte zu 1 habe Gewährleistungsansprüche gleichwohl zurückgewiesen; zur Erneuerung des Bezugs sei sie nur unter der Bedingung bereit gewesen, dass er – der Kläger – einen Teil der Kosten (1.100 €) trage. Dies habe er abgelehnt.
Mit der Klage macht der Kläger Ansprüche aus der Garantiezusage der Beklagten zu 2 geltend. Der Kläger meint, dass auch die Beklagte zu 1 an diese Garantiezusage gebunden sei und sich daraus eine Wahlschuld ergebe: Die Beklagten könnten bestimmen, ob sie die Couchgarnitur reparieren, neu beziehen oder ersetzen wollten.
Der Kläger macht geltend, die örtliche Zuständigkeit des AG Witten ergebe sich in Bezug auf die Beklagte zu 1 daraus, dass diese ihren Hauptsitz in Witten habe. In Bezug auf die Beklagte zu 2 hat der Kläger gestützt auf § 36 I Nr. 3 ZPO eine Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das OLG Hamm beantragt.
Nachdem sich die Beklagte zu 2 zunächst rügelos zur Sache eingelassen hatte, hat das Amtsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Mit der Verfügung vom 19.10.2018 hat es darauf hingewiesen, dass es für den Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 2 örtlich nicht zuständig sei, und die Beklagte zu 2 aufgefordert mitzuteilen, ob sie beabsichtige, sich rügelos zur Sache einzulassen. Die Beklagte zu 2 hat erwidert, dass sie dazu nicht (mehr) bereit sei. Daraufhin hat das Amtsgericht den Verhandlungstermin aufgehoben und die Sache dem OLG Hamm zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.
Der Kläger hat betont, dass der räumliche Schwerpunkt des Rechtsstreits in Nordrhein-Westfalen liege, da hier er – der Kläger – seinen Wohnsitz und die Beklagte zu 1 ihren Sitz habe und die Couchgarnitur hier gekauft worden sei. Zu berücksichtigen sei zudem, dass eine sachverständige Begutachtung der Couchgarnitur gegebenenfalls bei ihm – dem Kläger – stattfinden müsse, da sich die Couchgarnitur dort befinde. Schließlich sei unter dem Aspekt der Zumutbarkeit auch zu berücksichtigen, dass das zuständige Gericht das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen könnte und nur die Beklagte zu 2 eine längere Anreise zu bewältigen habe, wenn das AG Witten für örtlich zuständig erklärt würde.
Auch die Beklagte zu 1 hat sich dafür ausgesprochen, das AG Witten als zuständiges Gericht zu bestimmen, da hier der räumliche Schwerpunkt des Rechtsstreits liege. Die Beklagte zu 2 hat keine Stellungnahme abgegeben.
Das OLG Hamm hat gemäß § 36 I Nr. 3 ZPO das AG Witten zum örtlich zuständigen Gericht bestimmt.
Aus den Gründen: II. … 1. Das OLG Hamm ist zur Entscheidung über das zuständige Gericht nach § 36 I Nr. 3, II ZPO berufen. Der allgemeine Gerichtsstand der beiden Beklagten liegt gemäß §§ 12, 17 ZPO in den Bezirken der Amtsgerichte Witten und Lichtenfels. Das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist der BGH, da das AG Lichtenfels in einem anderen Bundesland gelegen ist. Demnach ist das OLG Hamm für die Gerichtsstandbestimmung zuständig, da mit der Klageerhebung vor dem AG Witten ein zu seinem Bezirk gehöriges Gericht zuerst mit der Sache befasst war.
2. Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 36 I Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Die Beklagten werden als Streitgenossen i. S. von §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
aa) Nach der Rechtsprechung des BGH sind die gegen den Verkäufer und Hersteller einer Produkts gerichteten Ansprüche ihrem Inhalt nach gleichartig i. S. von § 60 ZPO, weil sie jeweils darauf gerichtet sind, den Kläger von den Folgen seiner Kaufentscheidung zu befreien. Sie werden auf einen im Wesentlichen gleichen Lebenssachverhalt gestützt, beruhen also auf im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen Gründen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt des Klagevorbringens gegen beide Beklagte sind der Sachmangel des Kaufgegenstands, darauf bezogene werbende Äußerungen der Herstellerin i. S. von § 434 I 3 BGB und deren Einfluss auf die Kaufentscheidung des Klägers (vgl. BGH, Beschl. v. 06.06.2018 – X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 13 m. zust. Anm. Vossler).
bb) Diese Voraussetzungen sind auch im vorliegenden Fall gegeben, obgleich der Kläger keine gesetzlichen Gewährleistungsansprüche geltend macht, sondern aus einer Herstellergarantie i. S. von § 443 I 1 BGB vorgeht. Sowohl der Inhalt der sich daraus ergebenden Haftung als auch die Interessenlage der Parteien sind jedoch vergleichbar und rechtfertigen keine andere Beurteilung. Hier wie dort ist Anknüpfungspunkt der Sachmangel, dessen Beseitigung der Kläger auf die eine oder andere Art und Weise begehrt. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass dem Käufer im Rahmen des gesetzlichen Gewährleistungsrechts gemäß § 439 I BGB ein Wahlrecht zwischen Mängelbeseitigung und Nachlieferung zusteht, das er bei der Inanspruchnahme einer Herstellergarantie grundsätzlich nicht hat. Dies mag zwar dazu führen, dass den Beklagten ein Wahlrecht zwischen den Rechten des Klägers als Käufers gemäß § 262 BGB zusteht. Dies führt jedoch nicht zu der Annahme, dass sie nicht mehr aus im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Gründen i. S. von § 60 ZPO in Anspruch genommen werden.
b) Wie bereits zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ausgeführt, haben die beiden Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand in unterschiedlichen Gerichtsbezirken.
c) Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand für beide Beklagten ist dem mit einer Herstellergarantie begründeten Klagevorbringen nicht zu entnehmen.
Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit des Bestimmungsverfahrens nach § 36 I Nr. 3 ZPO kann zudem dahinstehen, ob für den Rechtsstreit bereits ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand in Witten begründet wäre. Zur Vermeidung einer auf Zuständigkeitszweifeln beruhenden Verfahrensverzögerung, die mit einer Klärung der Zuständigkeitsfrage durch klageabweisendes Prozessurteil und Rechtsmittel verbunden wäre, genügt es, dass das angerufene AG Witten zu erkennen gegeben hat, dass es seine örtliche Zuständigkeit für die Klage gegen die Beklagte zu 2 verneinen möchte (vgl. BGH, Beschl. v. 06.06.2018 – X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 15; Senat, Beschl. v. 22.08.2016 – 32 SA 41/16, NJW-RR 2017, 94 Rn. 14).
3. Der Senat hatte folglich eine Zuständigkeitsbestimmung i. S. von § 36 I Nr. 3 ZPO zu treffen.
a) Die Bestimmung des zuständigen Gerichts hat nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und gemäß der Prozesswirtschaftlichkeit im Rahmen einer Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher aus dem Parteivortrag maßgeblichen Umstände zu erfolgen, wobei dem räumlichen Schwerpunkt eines Rechtsstreits besonderes Gewicht beizumessen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 07.02.2007 – X ARZ 423/06, NJW 2007, 1365 Rn. 14; KG, Beschl. v. 01.06.2006 – 28 AR 28/06, NJW 2006, 2336; Senat, Beschl. v. 30.08.2012 – 32 SA 76/12, MDR 2013, 116; Zöller/Schultzky, ZPO, 32. Aufl. [2018], § 36 Rn. 28 m. w. Nachw.). Anknüpfungspunkt für die Ausübung dieses Auswahlermessens ist in der Regel ein anderweitig bestehender (allgemeiner oder besonderer) Gerichtsstand. Dabei gilt der Grundsatz, dass regelmäßig nur ein Gericht bestimmt werden kann, bei dem wenigstens einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze spricht für die Bestimmung des AG Witten als örtlich zuständiges Gericht, dass die Beklagte zu 1 ihren Hauptsitz im Bezirk dieses Gerichts unterhält. Unter dem Aspekt der Prozesswirtschaftlichkeit kommt hinzu, dass der Rechtsstreit dort bereits anhängig ist und einen gewissen Fortgang genommen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 06.06.2018 – X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 16). Zudem weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Möbelstück durch einen Sachverständigen in Augenschein genommen werden muss, was zur Vermeidung von Reisekosten dafür spricht, den Rechtsstreit dort zu führen, wo sich das zu begutachtende Objekt befindet.
Schließlich spricht auch der ebenfalls vom Kläger ins Feld geführte Aspekt der Zumutbarkeit für die örtliche Zuständigkeit des AG Witten. Sowohl für ihn, der im Münsterland wohnt und das Möbel in einer Filiale der Beklagten zu 1 in B. gekauft hat, als auch die bundesweit am Markt auftretende Beklagten zu 2 bedeutet eine Prozessführung am Sitz der Beklagten zu 1 als ihrer Vertriebspartnerin keine unverhältnismäßige Belastung. Gründe, die etwas anderes nahelegen könnten, ergeben sich aus dem Vorbringen der Parteien nicht und sind von der Beklagten zu 2, die im Anhörungsverfahren vor dem Senat keine Stellungnahme abgegeben hat, auch nicht vorgebracht worden.
Aus diesen Gründen hat der Senat das AG Witten als örtlich zuständig bestimmt.
4. Anlass für eine Vorlage an den BGH nach § 36 III 1 ZPO besteht nicht, da die vorliegende Entscheidung im Einklang mit dem eingangs zitierten Beschluss des BGH ergangen und nicht ersichtlich ist, unter welchem Aspekt sich der Senat mit der vorliegenden Gerichtstandbestimmung zur Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des BGH in Widerspruch begeben haben könnte.