1. Die ent­gelt­li­che Ga­ran­tie­zu­sa­ge des Kfz-Händ­lers ist kei­ne un­selbst­stän­di­ge Ne­ben­leis­tung zur Fahr­zeu­glie­fe­rung, son­dern ei­ne ei­gen­stän­di­ge Leis­tung.
  2. Mit ei­ner Ga­ran­tie­zu­sa­ge, durch die der Kfz-Ver­käu­fer als Ga­ran­tie­ge­ber im Ga­ran­tie­fall ei­ne Geld­leis­tung ver­spricht, liegt ei­ne Leis­tung auf­grund ei­nes Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis­ses im Sin­ne des Ver­si­che­rungsteu­er­ge­set­zes (Vers­StG) vor, die nach § 4 Nr. 10 lit. a UStG steu­er­frei ist.

BFH, Ur­teil vom 14.11.2018 – XI R 16/17

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin und Re­vi­si­ons­klä­ge­rin (Klä­ge­rin), ei­ne Ge­sell­schaft bür­ger­li­chen Rechts, be­treibt ein Au­to­haus. Beim Ver­kauf von Kraft­fahr­zeu­gen bot sie den Käu­fern an, ei­ne er­wei­ter­te Ge­braucht­wa­gen­ga­ran­tie ge­gen ge­son­dert be­rech­ne­tes Ent­gelt ab­zu­schlie­ßen. Die­se Ga­ran­tie­zu­sa­ge war rück­ver­si­chert über die X-S.A., Nie­der­las­sung Deutsch­land, die un­ter der Mar­ke X-War­ran­ty agier­te.

So­wohl das Ga­ran­tie­zer­ti­fi­kat als auch die Ga­ran­tie­ver­ein­ba­rung wei­sen die Klä­ge­rin als Ga­ran­tie­ge­be­rin und den Kfz-Käu­fer als Ga­ran­ti­en­eh­mer aus.

In den Ga­ran­tie­be­din­gun­gen ist un­ter an­de­rem ge­re­gelt:

Art. 1 Ge­gen­stand

Der Ga­ran­tie­ge­ber/Händ­ler gibt Ih­nen als Ga­ran­ti­en­eh­mer/Käu­fer für das in der Ga­ran­tie­ver­ein­ba­rung be­zeich­ne­te Fahr­zeug ei­ne Ge­braucht­wa­gen-Ga­ran­tie, die von der Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft X, Nie­der­las­sung Deutsch­land, ver­si­chert ist. X ist auch mit der Ab­wick­lung im Ga­ran­tie­fall be­auf­tragt.

[…]

Art. 6 Ge­setz­li­che Sach­män­gel­an­sprü­che

Die­se Ga­ran­tie soll we­der die ge­setz­li­chen Rech­te des Fahr­zeug­käu­fers ein­schrän­ken, die Her­stel­ler­ga­ran­tie oder die je­wei­li­gen ge­setz­li­chen Ge­währ­leis­tungs­pflich­ten des Fahr­zeug­ver­käu­fers er­set­zen noch an­de­re Be­stim­mun­gen, wel­che die­se Rech­te er­set­zen, er­gän­zen oder ab­än­dern.

Art. 7 Ab­wick­lung im Ga­ran­tie­fall

1. Mel­den Sie bit­te ei­nen Scha­den­fall un­ver­züg­lich […], je­den­falls aber vor Be­ginn der Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten bei Ih­rem Händ­ler oder bei X un­ter der Te­le­fon­num­mer […] und fol­gen Sie de­ren Wei­sun­gen. […] Ver­let­zen Sie die­se Ob­lie­gen­heit grob fahr­läs­sig, ist der Ga­ran­tie­ge­ber be­rech­tigt, sei­ne Leis­tung […] zu kür­zen […].

2. Die Re­pa­ra­tur wird durch den Ga­ran­tie­ge­ber oder ei­nen an­de­ren Kfz-Meis­ter­be­trieb durch­ge­führt, vor­ran­gig durch ei­nen ge­eig­ne­ten Re­pa­ra­tur­be­trieb aus X Ser­vice Netz­werk.

[…]

Art. 9 Re­pa­ra­tur­um­fang

1. Im Ga­ran­tie­fall wird Er­satz für die er­for­der­li­chen Kos­ten ei­ner Re­pa­ra­tur ge­leis­tet. Die ga­ran­tie­be­ding­ten Ma­te­ri­al­kos­ten wer­den im Höchst­fall […] wie folgt be­zahlt (Selbst­be­halt): […]

4. Der Höchst­be­trag der ga­ran­tie­pflich­ti­gen Ent­schä­di­gung ist pro Ga­ran­tie­fall auf den Zeit­wert (Händ­ler-Ein­kaufs­wert) des be­schä­dig­ten Fahr­zeu­ges zur Zeit des Ein­tritts des Ga­ran­tie­fal­les be­grenzt.“

Die Klä­ge­rin stell­te ge­gen­über ih­ren Käu­fern als Ga­ran­ti­en­eh­mern über die Zu­satz­ga­ran­tie ei­ne Rech­nung oh­ne Aus­weis von Um­satz­steu­er, aber mit 19 % Ver­si­che­rungsteu­er aus, die von den Käu­fern der Klä­ge­rin ge­gen­über be­gli­chen wur­de.

In ih­ren Um­satz­steu­er­er­klä­run­gen be­han­del­te die Klä­ge­rin die Ent­gel­te für Ga­ran­tie­zu­sa­gen als steu­er­frei.

Auf­grund ei­ner Be­triebs­prü­fung ver­trat der Be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te (das Fi­nanz­amt) die An­sicht, die Ga­ran­tie­zu­sa­ge ge­wäh­re dem Kun­den ein Wahl­recht zwi­schen Re­pa­ra­tur durch die Klä­ge­rin oder Re­pa­ra­tur­kos­ten­er­satz und stel­le ei­ne un­selbst­stän­di­ge Ne­ben­leis­tung zum Ge­braucht­wa­gen­kauf dar. Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Steu­er­be­frei­ung sei­en nicht ge­ge­ben.

Die Ein­sprü­che ge­gen die ent­spre­chen­den Än­de­rungs­be­schei­de über Um­satz­steu­er für die Streit­jah­re vom 05.01.2016 wies das Fi­nanz­amt mit Ein­spruchs­ent­schei­dung vom 02.05.2016 als un­be­grün­det zu­rück, da die Ga­ran­tie­zu­sa­ge der Klä­ge­rin ei­ne ein­heit­li­che sons­ti­ge Leis­tung ei­ge­ner Art dar­stel­le, die durch das Ver­spre­chen der Ein­stands­pflicht der Klä­ge­rin ge­prägt sei.

Mit Ur­teil vom 23.02.2017 (EFG 2017, 875) wies das Fi­nanz­ge­richt die an­schlie­ßen­de Kla­ge ab. Es ging da­von aus, dass der Ga­ran­ti­en­eh­mer wäh­len kön­ne, ob er die Re­pa­ra­tur durch sei­nen Händ­ler aus­füh­ren lässt (Re­pa­ra­turan­spruch) oder den durch den Händ­ler dar­über hin­aus ver­schaff­ten Ver­si­che­rungs­schutz in An­spruch nimmt und die Re­pa­ra­tur durch ei­ne an­de­re Werk­statt vor­neh­men lässt (Re­pa­ra­tur­kos­ten­er­satz­an­spruch). Das Fi­nanz­ge­richt stuf­te die von der Klä­ge­rin ge­währ­ten Ga­ran­ti­en als un­selbst­stän­di­ge Ne­ben­leis­tun­gen zum Ge­braucht­wa­gen­kauf ein. Bei ei­ner Ge­samt­be­trach­tung der Ga­ran­tie­zu­sa­ge sei fest­zu­stel­len, dass die­se ei­ne un­trenn­ba­re wirt­schaft­li­che Leis­tung dar­stel­le. Die­se ein­heit­li­che Leis­tung sei aus der Sicht des Durch­schnitts­ver­brau­chers nicht durch die Ver­schaf­fung von Ver­si­che­rungs­schutz, son­dern durch das Ver­spre­chen der Ein­stands­pflicht des Händ­lers ge­prägt.

Die Klä­ge­rin wen­det sich mit ih­rer Re­vi­si­on ge­gen die Vor­ent­schei­dung und macht die Ver­let­zung ma­te­ri­el­len Rechts gel­tend. Es be­ste­he rein fak­tisch kein Wahl­recht des Kun­den, sein Fahr­zeug durch die Klä­ge­rin re­pa­rie­ren zu las­sen, da die­se kei­ne Werk­statt be­trei­be. Die Sach­ver­hal­te, die den Ent­schei­dun­gen des EuGH von 16.07.2015 (Urt. v. 16.07.2015 – C-584/13, EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 52 ff. – Mapf­re asis­ten­cia und Mapf­re war­ran­ty) und vom 17.01.2013 (Urt. v. 17.01.2013 – C-224/11, EU:C:2013:15 = HFR 2013, 270 – BGZ Lea­sing) zu­grun­de lie­gen, sei­en mit dem vor­lie­gen­den Sach­ver­halt ver­gleich­bar und das Er­geb­nis dem­entspre­chend über­trag­bar.

Die Re­vi­si­on hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: [16]   II. Die Re­vi­si­on ist be­grün­det. Sie führt zur Auf­he­bung der Vor­ent­schei­dung und zur Fest­set­zung der Um­satz­steu­er ge­mäß dem Re­vi­si­ons­be­geh­ren der Klä­ge­rin (§ 126 III 1 Nr. 1 FGO).

[17]   Die Um­sät­ze aus den Ga­ran­tie­zu­sa­gen der Klä­ge­rin sind um­satz­steu­er­frei.

[18]   1. Die ent­gelt­li­che Ga­ran­tie­zu­sa­ge der Klä­ge­rin stellt kei­ne un­selbst­stän­di­ge Ne­ben­leis­tung zur Fahr­zeu­glie­fe­rung, son­dern ei­ne ei­gen­stän­di­ge Leis­tung dar.

[19]   a) Ei­ne Leis­tung ist dann als Ne­ben­leis­tung zu ei­ner Haupt­leis­tung an­zu­se­hen, wenn sie für den Leis­tungs­emp­fän­ger kei­nen ei­ge­nen Zweck, son­dern das Mit­tel dar­stellt, um die Haupt­leis­tung des Leis­ten­den un­ter op­ti­ma­len Be­din­gun­gen in An­spruch zu neh­men (st. Rspr., vgl. EuGH, Urt. 25.02.1999 – C-349/96, EU:C:1999:93 = HFR 1999, 421 Rn. 30 – CPP; Urt. v. 16.07.2015 – C-584/13, EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 54 – Mapf­re asis­ten­cia und Mapf­re war­ran­ty; BFH, Urt. v. 24.04.2013 – XI R 7/11, BFHE 241, 459 = BSt­Bl. II 2013, 648 Rn. 61; Urt. v. 27.02.2014 – V R 14/13, BFHE 245, 272 = BSt­Bl. II 2014, 869 Rn 20; je­weils m. w. Nachw.; Urt. v. 01.03.2016 – XI R 11/14, BFHE 253, 438 = BSt­Bl. II 2016, 753 Rn. 20).

[20]   Je­der Ver­si­che­rungs­um­satz weist na­tur­ge­mäß ei­ne Ver­bin­dung zu dem Ge­gen­stand auf, der da­mit ver­si­chert wird. Die­se Ver­bin­dung kann je­doch für sich ge­nom­men nicht zur Klä­rung der Fra­ge aus­rei­chen, ob um­satz­steu­er­recht­lich ei­ne ein­heit­li­che zu­sam­men­ge­setz­te Leis­tung vor­liegt. Wä­re für die Um­satz­steu­er­pflicht je­des Ver­si­che­rungs­um­sat­zes maß­ge­bend, ob Leis­tun­gen, die sich auf den ver­si­cher­ten Ge­gen­stand be­zie­hen, die­ser Steu­er un­ter­lie­gen, wür­de näm­lich der Zweck von Art. 135 I lit. a der Richt­li­nie 2006/112/EG des Ra­tes vom 28.11.2006 über das ge­mein­sa­me Mehr­wert­steu­er­sys­tem (MwSt­Sys­tRL; ehe­mals: Art. 13 Teil B lit. a der Sechs­ten Richt­li­nie 77/388/EWG des Ra­tes vom 17.05.1977 zur Har­mo­ni­sie­rung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über die Um­satz­steu­ern), die Be­frei­ung der Ver­si­che­rungs­um­sät­ze, in­fra­ge ge­stellt (vgl. EuGH, Urt. v. 17.01.2013 – C-224/11, EU:C:2013:15 = HFR 2013, 270 Rn. 36; Urt. v. 16.07.2015 – C-584/13, EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 51 – Mapf­re asis­ten­cia und Mapf­re war­ran­ty).

[21]   b) Im vor­lie­gen­den Fall ist die Ga­ran­tie­zu­sa­ge nicht le­dig­lich ei­ne Ne­ben­leis­tung zum Fahr­zeug­ver­kauf; viel­mehr hat die rück­ver­si­cher­te Ga­ran­tie­leis­tung des Ver­käu­fers ne­ben der Fahr­zeu­glie­fe­rung ei­nen ei­ge­nen Zweck, so­dass es sich um je­weils selbst­stän­di­ge Leis­tun­gen han­delt (vgl. BFH, Urt. v. 09.10.2002 – V R 67/01, BFHE 200, 126 = BSt­Bl. II 2003, 378 Rn. 32 ff.; Urt. v. 16.01.2003 – V R 16/02, BFHE 201, 343 = BSt­Bl. II 2003, 445; Urt. v. 30.01.2003 – V R 13/02, BFH/NV 2003, 669; Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456 = BSt­Bl. II 2010, 1109 Rn. 17; Ab­schn. 3.10 Abs. 6 Nr. 3 UStAE).

[22]   2. Ent­ge­gen der Wür­di­gung der Vor­in­stanz han­delt es sich bei der im Streit­fall vor­lie­gen­den selbst­stän­di­gen Ga­ran­tie­zu­sa­ge nicht um ein Leis­tungs­bün­del, das durch das Ver­spre­chen der Ein­stands­pflicht des Händ­lers ge­prägt ist, son­dern le­dig­lich um das Ver­spre­chen der Kos­ten­über­nah­me im Ga­ran­tie­fall.

[23]   a) Zwar ist das Fi­nanz­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen, dass der Ga­ran­ti­en­eh­mer auf­grund der Ga­ran­tie­zu­sa­ge wäh­len kön­ne, ob er die Re­pa­ra­tur durch sei­nen Händ­ler aus­füh­ren lässt (Re­pa­ra­turan­spruch) oder ob er den durch den Händ­ler dar­über hin­aus ver­schaff­ten Ver­si­che­rungs­schutz in An­spruch nimmt und die Re­pa­ra­tur durch ei­ne an­de­re Werk­statt vor­neh­men lässt (Re­pa­ra­tur­kos­ten­er­satz­an­spruch). Dies ist je­doch nicht frei von Rechts­feh­lern.

[24]   aa) Zum Be­reich der tat­säch­li­chen Wür­di­gung des Fi­nanz­ge­richts, an die der BFH ge­mäß § 118 II FGO grund­sätz­lich ge­bun­den ist, ge­hört auch die Aus­le­gung von Ver­trä­gen (vgl. BFH, Urt. v. 18.01.2005 – V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394; Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07 , BFHE 228, 456 = BSt­Bl. II 2010, 1109 Rn. 33; Urt. v. 28.08.2013 – XI R 4/11, BFHE 243, 41 = BSt­Bl. II 2014, 282; Urt. v. 10.08.2016 – XI R 41/14, BFHE 255, 300 = BSt­Bl. II 2017, 590 Rn. 38).

[25]   Die vor­in­stanz­li­che Sach­ver­halts­wür­di­gung bin­det den BFH je­doch nur, wenn sie frei von Ver­fah­rens­feh­lern ist und we­der Wi­der­sprü­che noch ei­nen Ver­stoß ge­gen Denk­ge­set­ze oder Er­fah­rungs­sät­ze ent­hält und die Ver­trags­aus­le­gung nach den Grund­sät­zen der §§ 133, 157 BGB zu­min­dest mög­lich ist (vgl. z. B. BFH, Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456 = BSt­Bl. II 2010, 1109 Rn. 33; Urt. v. 24.04.2013 – XI R 7/11, BFHE 241, 459 = BSt­Bl. II 2013, 648 Rn. 34; je­weils m. w. Nachw.; Urt. v. 29.01.2014 – XI R 4/12, BFHE 244, 131 = BFH/NV 2014, 992 Rn. 43; Urt. v. 14.05.2014 – XI R 13/11, BFHE 245, 424 = BSt­Bl. II 2014, 734 Rn. 26, 27; Urt. v. 19.08.2015 – X R 30/12, BFH/NV 2016, 203 Rn. 38).

[26]   bb) Im vor­lie­gen­den Fall ist die Sach­ver­halts­wür­di­gung des Fi­nanz­ge­richts in­so­weit wi­der­sprüch­lich und ver­stößt ge­gen Denk­ge­set­ze, als es zu­nächst fest­stellt, dass es sich bei der von der Klä­ge­rin ge­währ­ten Ga­ran­tie um ei­ne un­selbst­stän­di­ge Ne­ben­leis­tung zum Ge­braucht­wa­gen­kauf han­de­le, im Fol­gen­den je­doch fest­stellt, dass es sich bei der Ga­ran­tie­zu­sa­ge um ei­ne (selbst­stän­di­ge) sons­ti­ge Leis­tung ei­ge­ner Art han­de­le.

[27]   cc) Un­ab­hän­gig da­von wi­der­spricht die vom Fi­nanz­ge­richt vor­ge­nom­me­ne Aus­le­gung dem Ver­trags­wort­laut und ist auch nicht durch wei­te­re Be­gleit­um­stän­de ge­recht­fer­tigt.

[28]   (1) Was Leis­tungs­ge­gen­stand der Ga­ran­tie ist, ist Art. 9 der Ga­ran­tie­be­din­gun­gen („Re­pa­ra­tur­um­fang“) zu ent­neh­men. Da­nach wird im Ga­ran­tie­fall Er­satz für die er­for­der­li­chen Kos­ten ei­ner Re­pa­ra­tur ge­leis­tet und im Wei­te­ren die Hö­he der Kos­ten­er­stat­tung ein­ge­schränkt. Ei­ne Sach­leis­tungs­pflicht des Händ­lers er­gibt sich hier­aus nicht. Viel­mehr wür­de bei Ab­wick­lung über den Händ­ler (vgl. Art. 7 der Ga­ran­tie­be­din­gun­gen) der Zah­lungs­an­spruch des Händ­lers auf­grund der Re­pa­ra­tur mit dem Kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch des Ver­si­che­rungs­neh­mers – un­ter Be­rück­sich­ti­gung et­wai­ger Selbst­be­hal­te – auf­ge­rech­net.

[29]   (2) Et­was an­de­res folgt nicht aus Art. 7 Nr. 2 der Ga­ran­tie­be­din­gun­gen. Un­ter der Über­schrift „Ab­wick­lung im Ga­ran­tie­fall“ war in Art. 7 Nr. 1 der Ga­ran­tie­be­din­gun­gen ge­re­gelt, dass nach Mel­dung des Scha­dens­falls den Wei­sun­gen des Händ­lers (der Klä­ge­rin) bzw. des mit der Ab­wick­lung be­auf­trag­ten Rück­ver­si­che­rers zu fol­gen war. In die­sem Zu­sam­men­hang steht die Re­ge­lung in Art. 7 Nr. 2 der Ga­ran­tie­be­din­gun­gen, wo­nach die Re­pa­ra­tur durch den Ga­ran­tie­ge­ber oder ei­nen an­de­ren Kfz-Meis­ter­be­trieb durch­ge­führt wird, wo­bei vor­ran­gig ein ge­eig­ne­ter Re­pa­ra­tur­be­trieb aus dem X-Ser­vice-Netz­werk ge­wählt wer­den soll­te.

[30]   (3) Zwar be­steht bei Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Ge­währ­leis­tungs­an­spruchs im Er­geb­nis für den Kun­den ein Wahl­recht zwi­schen Män­gel­be­sei­ti­gung/Re­pa­ra­tur durch den Ver­käu­fer und In­an­spruch­nah­me der Re­pa­ra­tur­kos­ten­er­stat­tung.

[31]   Bei­de An­sprü­che er­ge­ben sich je­doch aus un­ter­schied­li­chen Rechts­grund­la­gen: Der Män­gel­be­sei­ti­gungs­an­spruch er­gibt sich aus der Pflicht zur Sach­män­gel­ge­währ­leis­tung nach §§ 437, 434 BGB auf­grund des (selbst­stän­di­gen) Kauf­ver­trags. Vor­aus­set­zung ist, dass der Man­gel bei Über­ga­be vor­lag (auch wenn dies in­ner­halb der ers­ten sechs Mo­na­te ge­mäß § 476 BGB beim hier vor­lie­gen­den Ver­brauchs­gü­ter­kauf ver­mu­tet wird), es sich in­so­fern nicht um ei­nen Ver­schleiß­scha­den han­delt und dem Ver­käu­fer grund­sätz­lich nach § 437 Nr. 1, § 439 BGB zu­nächst die Mög­lich­keit zur Nach­er­fül­lung ein­ge­räumt wur­de. Da­ge­gen er­gibt sich der An­spruch auf Re­pa­ra­tur­kos­ten­er­stat­tung (ein­ge­schränkt durch ei­nen et­wai­gen Selbst­be­halt) aus dem Ga­ran­tie­ver­trag im­mer, wenn der Man­gel in der Ga­ran­tie­zeit auf­tritt. Oh­ne vor­he­ri­ge Auf­for­de­rung zur Nach­er­fül­lung (nach An­zei­ge des Scha­dens und ggf. Ein­ho­lung ei­nes Kos­ten­vor­an­schlags) kann ei­ne Werk­statt – nach den Wei­sun­gen des Ga­ran­tie­ge­bers – mit der Re­pa­ra­tur be­auf­tragt wer­den.

[32]   b) Da In­halt der Ga­ran­tie so­mit aus­schließ­lich die Leis­tung von Kos­ten­er­satz durch den Ga­ran­tie­ge­ber ist, kommt es auf die Be­stim­mung ei­nes prä­gen­den Leis­tungs­be­stand­teils im vor­lie­gen­den Fall man­gels Leis­tungs­bün­dels nicht an. In­so­fern un­ter­schei­det sich der vor­lie­gen­de Fall auch we­sent­lich von dem Fall, der der Ent­schei­dung des Se­nats in BFHE 228, 456 = BSt­Bl. II 2010, 1109 zu­grun­de lag. Denn da­nach hat­te der Ga­ran­ti­en­eh­mer im Ga­ran­tie­fall ein Wahl­recht zwi­schen Sach­leis­tung/Re­pa­ra­tur durch den Händ­ler oder Geld­leis­tung di­rekt ge­gen­über der Ver­si­che­rung (BFH, Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456 = BSt­Bl. II 2010, 1109 Rn. 30).

[33]   3. Die Steu­er­frei­heit der mit der Ga­ran­tie­zu­sa­ge ge­währ­ten Leis­tung der Klä­ge­rin er­gibt sich zu­min­dest nach § 4 Nr. 10 lit. a UStG.

[34]   a) Nach § 4 Nr. 10 lit. a UStG sind die Leis­tun­gen auf­grund ei­nes Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis­ses im Sin­ne des Ver­si­che­rungsteu­er­ge­set­zes (Vers­StG) steu­er­frei; das gilt auch, wenn die Zah­lung des Ver­si­che­rungs­ent­gelts nicht der Ver­si­che­rungsteu­er un­ter­liegt.

[35]   Un­ter dem Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis im Sin­ne des Vers­StG ist das durch Ver­trag oder auf sons­ti­ge Wei­se ent­stan­de­ne Rechts­ver­hält­nis des ein­zel­nen Ver­si­che­rungs­neh­mers zum Ver­si­che­rer und sei­ne Wir­kun­gen zu ver­ste­hen. We­sent­li­ches Merk­mal für ein Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis i. S. des § 1 I Vers­StG ist das Vor­han­den­sein ei­nes vom Ver­si­che­rer ge­gen Ent­gelt über­nom­me­nen Wag­nis­ses (BFH, Urt. v. 19.06.2013 – II R 26/11, BFHE 241, 431 = BSt­Bl. II 2013, 1060 Rn. 12; Urt. v. 11.12.2013 – II R 53/11, BFHE 244, 56 = BSt­Bl. II 2014, 352 Rn. 16; je­weils m. w. Nachw.; Urt. v. 07.12.2016 – II R 1/15, BFHE 256, 534 = BSt­Bl. II 2017, 360 Rn. 12; Beschl. v. 30.03.2015 – II B 79/14, BFH/NV 2015, 1013 Rn. 4).

[36]   b) Grund­la­ge der in § 4 Nr. 10 lit. a UStG nor­mier­ten Be­frei­ung ist Art. 135 I lit. a MwSt­Sys­tRL. Da­nach be­frei­en die Mit­glied­staa­ten Ver­si­che­rungs- und Rück­ver­si­che­rungs­um­sät­ze ein­schließ­lich der da­zu­ge­hö­ri­gen Dienst­leis­tun­gen, die von Ver­si­che­rungs­mak­lern und -ver­tre­tern er­bracht wer­den, von der Steu­er.

[37]   Art. 135 I lit. a MwSt­Sys­tRL de­fi­niert den Be­griff „Ver­si­che­rungs­um­sät­ze“ nicht. Je­doch be­steht das We­sen ei­nes Ver­si­che­rungs­um­sat­zes dar­in, dass der Ver­si­che­rer sich ver­pflich­tet, dem Ver­si­cher­ten ge­gen vor­he­ri­ge Zah­lung ei­ner Prä­mie im Fall der Ver­wirk­li­chung des ab­ge­deck­ten Ri­si­kos die bei Ver­trags­schluss ver­ein­bar­te Leis­tung zu er­brin­gen (vgl. EuGH, Urt. v. 20.11.2003 – C-8/01, EU:C:2003:621 = UR 2004, 82 Rn. 39 – Tak­sa­tor­rin­gen; Urt. v. 07.12.2006 – C-13/06, EU:C:2006:765 = HFR 2007, 178 Rn. 10 – Kom­mis­si­on/Grie­chen­land; Urt. v. 17.01.2013 – C-224/11, EU:C:2013:15 = HFR 2013, 270 Rn. 58 – BGZ Lea­sing; Urt. v. 16.07.2015 – C-584/13, EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 28, 42 – Mapf­re asis­ten­cia und Mapf­re war­ran­ty; BFH, Urt. v. 24.04.2013 – XI R 7/11, BFHE 241, 459 = BSt­Bl. II 2013, 648 Rn. 53).

[38]   c) Ein Ver­si­che­rungs­um­satz setzt dem­nach so­wohl nach na­tio­na­lem Recht als auch nach Uni­ons­recht ei­ne Ver­trags­be­zie­hung zwi­schen dem Er­brin­ger der Ver­si­che­rungs­dienst­leis­tung und der Per­son, de­ren Ri­si­ken von der Ver­si­che­rung ge­deckt wer­den, das heißt dem Ver­si­cher­ten, vor­aus (EuGH, Urt. 08.03.2001 – C-240/99, EU:C:2001:140 = UR 2001, 157 Rn. 41 – Skan­dia; Urt. v. 20.11.2003 – C-8/01, EU:C:2003:621 = UR 2004, 82 Rn. 41 – Tak­sa­tor­rin­gen; Urt. v. 22.10.2009 – C-242/08, EU:C:2009:647 = BSt­Bl. II 2011, 559 Rn. 36 – Swiss Re Ger­ma­ny Hol­ding; Urt. v. 17.01.2013 – C-224/11, EU:C:2013:15 = HFR 2013, 270 Rn. 58 – BGZ Lea­sing; Urt. v. 16.07.2015 – C-584/13, EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 29 – Mapf­re asis­ten­cia und Mapf­re war­ran­ty; BFH, Urt. v. 24.04.2013 – XI R 7/11, BFHE 241, 459 = BSt­Bl. II 2013, 648 Rn. 54). Die Leis­tung, zu de­ren Er­brin­gung im Ver­si­che­rungs­fall der Ver­si­che­rer sich ver­pflich­tet, braucht nicht in der Zah­lung ei­nes Geld­be­trags, son­dern kann auch in Bei­stands­leis­tun­gen ent­we­der durch Geld­zah­lung oder Sach­leis­tun­gen be­ste­hen EuGH, Urt. 25.02.1999 – C-349/96, EU:C:1999:93 = HFR 1999, 421 Rn. 18 – CPP; Urt. v. 07.12.2006 – C-13/06, EU:C:2006:765 = HFR 2007, 178 Rn. 11 – Kom­mis­si­on/Grie­chen­land; Lei­pold, in: Sölch/Ring­leb, UStG, § 4 Nr. 10 Rn. 10; Burg­mai­er, in: Hart­mann/Met­zen­ma­cher, UStG, § 4 Nr. 10 Rn. 24; Klenk, in: Rau/Dürrwäch­ter, UStG, § 4 Nr. 10 Rn. 38, 47 ff.).

[39]   d) Mit der Ga­ran­tie­zu­sa­ge, durch die die Klä­ge­rin im Ga­ran­tie­fall ei­ne Geld­leis­tung ver­spro­chen hat, liegt ei­ne Leis­tung auf­grund ei­nes Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis­ses im Sin­ne des Vers­StG i. S. des § 4 Nr. 10 lit. a UStG vor.

[40]   aa) Ver­si­cher­ter und gleich­zei­tig Ver­si­che­rungs­neh­mer ist der Käu­fer des Fahr­zeugs.

[41]   bb) Ver­si­che­rer ist hier der Ge­braucht­wa­gen­ver­käu­fer, die Klä­ge­rin, mit der der Ver­si­cher­te ei­ne di­rek­te Ver­trags­be­zie­hung hat. Denn an­ders als nach dem Sach­ver­halt in der Ent­schei­dung Mapf­re asis­ten­cia und Mapf­re war­ran­ty (EU:C:2015:488 = UR 2015, 714 Rn. 39) und den durch BFH-Ur­tei­le in BFHE 200, 126 = BSt­Bl. II 2003, 378, in BFH/NV 2003, 669 und in BFHE 228, 456 = BSt­Bl. II 2010, 1109 (BFH, Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07) ent­schie­de­nen Fäl­len, wur­de durch die vor­lie­gen­de Ga­ran­tie­zu­sa­ge nach den Fest­stel­lun­gen des Fi­nanz­ge­richts dem Ga­ran­ti­en­eh­mer kein di­rek­ter An­spruch ge­gen­über dem (Rück-)Ver­si­che­rer, X, ein­ge­räumt.

[42]   Dies gilt un­ab­hän­gig da­von, dass die Klä­ge­rin bei ei­nem Ver­si­che­rer rück­ver­si­chert war. Denn der Um­satz zwi­schen ei­nem Un­ter­neh­mer und sei­nem Kun­den be­ur­teilt sich nach dem Rechts­ge­schäft, das zwi­schen die­sen ab­ge­schlos­sen wor­den ist, und nicht da­nach, ob der Un­ter­neh­mer für sei­ne Ver­pflich­tung aus die­sem Rechts­ge­schäft – wie hier – ei­ne Rück­ver­si­che­rung ab­ge­schlos­sen hat (BFH, Urt. v. 10.02.2010 – XI R 49/07, BFHE 228, 456 = BSt­Bl. II 2010, 1109 Rn. 53).

[43]   cc) Das über­nom­me­ne frem­de Ri­si­ko bzw. Wag­nis be­steht in den dem Käu­fer im Fall ei­nes von der Ga­ran­tie er­fass­ten De­fekts ent­ste­hen­den Re­pa­ra­tur­kos­ten. Die­ses Ri­si­ko hat die Klä­ge­rin in­so­weit über­nom­men, als sie auf­grund der Ga­ran­tie zu Kos­ten­er­satz ver­pflich­tet ist.

[44]   dd) Dem steht nicht ent­ge­gen, dass die Klä­ge­rin als Ge­braucht­wa­gen­händ­le­rin kein der Ver­si­che­rungs­auf­sicht un­ter­lie­gen­des Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men ist.

[45]   Ver­si­che­rer im Sin­ne der Ver­si­che­rungsteu­er sind zwar in ers­ter Li­nie die der Ver­si­che­rungs­auf­sicht un­ter­lie­gen­den Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men. Für die Steu­er­frei­heit ist aber un­er­heb­lich, ob der Ver­si­che­rer die nach na­tio­na­lem Recht er­for­der­li­che Zu­las­sung be­sitzt (EuGH, Urt. 25.02.1999 – C-349/96, EU:C:1999:93 = HFR 1999, 421 Rn. 33 – CPP; BFH, Urt. v. 29.11.2006 – II R 78/04, BFH/NV 2007, 513 Rn. 10; Klenk, in: Rau/Dürrwäch­ter, a. a. O., § 4 Nr. 10 Rn. 29).

[46]   e) Die­ses Er­geb­nis ent­spricht auch dem Norm­zweck. Durch die Steu­er­be­frei­ung des § 4 Nr. 10 UStG soll ei­ne dop­pel­te Be­las­tung des Ver­si­cher­ten mit Ver­si­che­rungsteu­er und Um­satz­steu­er ver­mie­den wer­den (EuGH, Urt. 25.02.1999 – C-349/96, EU:C:1999:93 = HFR 1999, 421 Rn. 23 – CPP; BFH, Urt. v. 30.01.2003 – V R 13/02, BFH/NV 2003, 669 Rn. 24; Urt. v. 13.07.2006 – V R 24/02, BFHE 213, 430 = BSt­Bl. II 2006, 935 Rn. 35).

[47]   Die von der Klä­ge­rin er­hal­te­nen Ent­gel­te um­fas­sen die Ver­si­che­rungs­prä­mie und da­mit auch die dar­in ent­hal­te­ne Ver­si­che­rungsteu­er. Da­mit sind die Kun­den (Ver­si­che­rungs­neh­mer) mit der Ver­si­che­rungsteu­er be­las­tet. Es wür­de des­halb dem Sinn des § 4 Nr. 10 UStG wi­der­spre­chen, wenn die Ver­schaf­fung des Ver­si­che­rungs­schut­zes zu­sätz­lich um­satz­steu­er­pflich­tig wä­re. Dies gilt um­so mehr, als die Re­pa­ra­tur­leis­tun­gen im Ver­si­che­rungs­fall, die von der Klä­ge­rin be­zahlt wer­den, ih­rer­seits um­satz­steu­er­pflich­tig sind (BFH, Urt. v. 09.10.2002 – V R 67/01, BFHE 200, 126 = BSt­Bl. II 2003, 378 Rn. 37).

[48]   4. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 135 II FGO.

PDF er­stel­len