1. Die bei Gefahrübergang vorhandene Eintragung eines Kraftfahrzeugs im Schengener Informationssystem (SIS) ist kein Sachmangel, sondern ein (erheblicher) Rechtsmangel, der den Käufer grundsätzlich zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt.
  2. Ein Kfz-Käufer, der dem Verkäufer nach einem wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag das Fahrzeug zurückgeben und zurückübereignen muss (§§ 346 I, 348 BGB), erfüllt diese Pflicht nicht dadurch, dass er dem Verkäufer seinen gegenüber einem Dritten bestehenden Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs abtritt.
  3. Es ist – auch mit Blick auf § 253 II Nr. 2 ZPO – unbedenklich, wenn die Höhe der Nutzungsentschädigung, die ein Kfz-Käufer dem Verkäufer nach einem wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB schuldet, nicht konkret beziffert, sondern im Sinne der „Karlsruher Formel“ lediglich deren Berechnung vorgegeben wird (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.03.2003 – 14 U 154/01, NJW 2003, 1950, 1951).

OLG Köln, Urteil vom 01.03.2018 – 15 U 124/17

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Rückabwicklung eines Geschäfts, bei dem er dem Beklagten auf der Grundlage eines schriftlichen Kaufvertrags vom 10.11.2014 einen Pkw X überließ und als Gegenleistung 10.500 € in bar sowie einen Pkw Y erhielt.

Das Fahrzeug Y, das der Beklagte zuvor von seinem Streithelfer erworben hatte, ist im Schengener Informationssystem (SIS) eingetragen. Es erlitt kurz nach der Übergabe an den Kläger einen Motorschaden. Primär wegen dieses Schadens, aber auch wegen angeblicher Unfallschäden und Manipulationen des Kilometerzählers verlangte der anwaltlich vertretene Kläger unter dem 14.11.2014 von dem Beklagten, dass das Geschäft rückgängig gemacht werde. Der Kläger stützte dieses Verlangen außerdem darauf, dass der Beklagte nicht offengelegt habe, dass der Pkw Y aus Italien nach Deutschland reimportiert worden sei.

Mit Schreiben vom fasste der jetzige Prozessbevollmächtigte des Streithelfers, der damals den Beklagten gegenüber dem Kläger vertrat, gegenüber dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers eine aus seiner Sicht mündlich erzielte Einigung zusammen. Danach sollte der Beklagte „zum Ausgleich sämtlicher zwischen den Parteien bestehender Ansprüche, bekannt oder unbekannt,“ einmalig und Zug um Zug gegen Übergabe eines Satzes Winterreifen für den Pkw X 1.650 € an den Kläger zahlen. Diesbezüglich heißt es in dem Schreiben vom 14.01.2015: „Damit findet die Angelegenheit insgesamt ihre Erledigung.“

Diese Einigung bestätigte der Kläger unter anderem deshalb nicht, weil er mit der Ausgleichsklausel nicht einverstanden und die Herausgabe von Felgen zu klären war.

Der damalige Bevollmächtigte des Klägers bestätigte nach einem Telefonat mit dem damaligen Bevollmächtigten des Beklagten schließlich unter dem 19.01.2015 folgende Einigung:

„Zum Ausgleich aller zwischen den Parteien in der Kaufvertragsangelegenheit … bestehenden Ansprüche zahlt Ihr Auftraggeber an meinen Mandanten … 1.650 €, Zug um Zug gegen Übergabe eines kompletten Satzes von gebrauchten Winterreifen für das … Fahrzeug X ohne Felgen. … Damit findet die Angelegenheit insgesamt ihre Erledigung.“

Auf dieser Basis wurde der genannte Betrag gezahlt und wurden auch die genannten Gegenstände übergeben. Die SIS-Problematik war als solche seinerzeit noch kein Thema unter den Parteien.

Das Fahrzeug Y, das zwischenzeitlich behördlich beschlagnahmt worden war, Fahrzeug Pkw U befindet sich seit Juni 2015 bei der Firma F, die der Kläger mit der Veräußerung des Pkw im Kundenauftrag beauftragt hatte. Die Firma F verlangt von dem Kläger unter anderem Standgeld, und sie nimmt den Kläger im Zusammenhang mit einem Versuch, das Fahrzeug zu veräußern, auf Kostenerstattung in Anspruch, nachdem die Veräußerung an dem SIS-Eintrag gescheitert ist und zu einem Prozess vor dem AG Wittlich geführt hat.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.07.2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei trotz des SIS-Eintrags Eigentümer des Pkw Y geworden; einem Eigentumserwerb stehe nicht § 935 I BGB entgegen, weil sich nicht habe aufklären lassen, weshalb der SIS-Eintrag erfolgt sei, und insofern der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass das Fahrzeug i. S. des § 935 BGB abhandengekommen sei. Der SIS-Eintrag als solcher begründe zwar einen Sachmangel, doch sei dieser von einem – hier im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzunehmenden – stillschweigend vereinbarten umfassenden Gewährleistungsausschluss erfasst.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er meint, die vom Landgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung trage nicht, zumal – wie er nunmehr herausgefunden habe – der Beklagte ein gewerblicher Kfz-Händler sei. Zudem sei der SIS-Eintrag kein Sach-, sondern ein Rechtsmangel. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 29.01.2018 hat der Kläger zudem erstmals behauptet, es sei ihm unmöglich, das Fahrzeug Y an den Beklagten herauszugeben, da die Firma F die Herausgabe des Pkw an ihn – den Kläger – wegen (unberechtigter) Gegenansprüche verweigere. Der Kläger ist der Auffassung, es sei ihm gemäß § 275 II BGB nicht zuzumuten, seinen Herausgabeanspruch gegen die Firma F mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen. Er schulde dem Beklagten auch keinen Wertersatz für das Fahrzeug, weil dessen Wert wegen des Rechtsmangels gegen null tendiere und allenfalls 2.500 € betrage.

Der Kläger hat nach einem Hinweis des Berufungsgerichts zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger das Fahrzeug X Zug um Zug gegen Zahlung vom 10.500 € nebst Zinsen und abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 0,2562 €/km herauszugeben. Außerdem wollte der Kläger den Annahmeverzug des Beklagten festgestellt haben, und er wollte erreichen, dass der Beklagte ihm vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € nebst Zinsen ersetzen muss.

Die Berufung hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: II. … 2. Dem Kläger steht der tenorierte Rückgewähranspruch aus § 346 I BGB i. V. mit §§ 435, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323 ff. BGB zu.

Wie bereits im Hinweis des Senats ausgeführt, stellt die Eintragung eines SIS-Suchvermerks keinen Fall eines Sachmangels i. S. des § 434 I BGB dar, sondern – ungeachtet der theoretischen Löschbarkeit des Eintrags im System – einen Rechtsmangel i. S. des § 435 BGB dar (BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 22; Urt. v. 26.04.2017 – VIII ZR 233/15, MDR 2017, 939 Rn. 9 f.; s. zudem auch etwa OLG Köln v. 25.03.2014 – 3 U 185/13, NJW-RR 2014, 1080 f.; Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl. [2017], § 435 Rn. 13; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 435 Rn. 27).

Ob die vom Landgericht angenommene Übertragung des Gewährleistungsausschlusses für Sachmängel … im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung überzeugt, bedarf letztlich keiner Entscheidung. Denn ein solcher Sachmängelausschluss gilt jedenfalls nicht ohne Weiteres für Rechtsmängel (BGH, Urt. v. 26.04.2017 – VIII ZR 233/15, MDR 2017, 939 Rn. 15 ff. m. w. Nachw.). Abweichendes ist auch hier nicht ersichtlich. Daher kommt es auch nicht mehr auf die im Berufungsverfahren aufgeworfene Frage an, ob der Beklagte als Unternehmer tätig geworden ist (§ 476 I BGB) und/oder ihm gegebenenfalls ein Arglistvorwurf (§ 444 Fall 1 BGB) zu machen wäre.

Angesichts der ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung liegen auch im Übrigen die Rücktrittsvoraussetzungen vor.

Soweit der Beklagte und der Streithelfer sich auf die ausweislich des Schriftsatzes vom 19.01.2015 erzielte vergleichsweise Einigung (§ 779 BGB) berufen, kommt es auf die Frage einer Präklusion dieses Vorbringens und/oder des Eingreifens des § 531 II ZPO nicht an. Denn mit der schriftlich niedergelegten und durch Leistungsaustausch bestätigten Einigung sind bei verständiger Würdigung (§§ 133, 157 BGB) gerade angesichts der Vorgeschichte und der Entwurfsfassung vom 14.01.2015 nicht etwa im Sinne eines umfassenden Abgeltungsvergleichs auch alle unbekannten Ansprüche aus dem Tauschgeschäft ausgeschlossen worden, sondern nur die damals tatsächlich konkret streitigen „Angelegenheiten“, die für sich genommen dann umfassend erledigt werden sollten. Dass das Thema „SIS-Vermerk“ aber dann erst später überhaupt zum Problem unter den Parteien wurde, ist unstreitig. Die Thematik ist insbesondere nicht identisch mit der Reimport-Frage, die im Schriftsatz vom 14.11.2014 angeführt worden war.

Auch der weitere Einwand des Beklagten …, dass der Kläger nicht Rückabwicklung des gesamten Vertrages verlangen könne, weil nur die Ersetzungsbefugnis für einen Teil des Kaufpreises im Streit stehe, geht fehl. Es geht um ein gemischtes Tauschgeschäft, und dabei hat der Vertragspartner– auch unter Beachtung der Wertungen aus § 139 BGB – jedenfalls die Möglichkeit, das gesamte Geschäft als einheitliches Geschäft rückabzuwickeln, wie man es bei einem direkten Tausch von Kraftfahrzeugen (ohne weitere Zuzahlung eines Differenzbetrages) auch annehmen würde (dazu OLG Hamm, Urt. v. 01.02.1994 – 19 U 105/93, NJW-RR 1994, 882; MünchKomm-BGB/Westermann, 7. Aufl. [2016], § 480 Rn. 6). Selbst wenn man den vorliegenden Fall wie eine Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens über die Annahme einer sogenannten Ersetzungsbefugnis und § 365 BGB lösen wollte, ist auch in solchen Fällen im Zweifel der Vertrag bei einem entsprechenden Verlangen komplett rückabzuwickeln (MünchKomm-BGB/Westermann, a. a. O., § 480 Rn. 3); nichts anderes kann hier gelten.

Der Kläger kann damit den Pkw X zurückverlangen, aber – wie der Beklagte und der Streithelfer zutreffend einwenden (vgl. auch § 348 BGB) – nur Zug um Zug gegen Herausgabe der erhaltenen Gegenleistungen sowie der zu ersetzenden Nutzungen bzw. des Wertersatzes für diese Nutzungen.

Soweit der Kläger vorträgt, ihm sei die im Gegenzug geschuldete Herausgabe des Pkw Y unmöglich (§ 275 I BGB), ist das schon nach eigenem Vorbringen so unrichtig, weil er sich nur mit dem Autohaus F auseinandersetzen müsste. Ein Fall des § 275 II BGB liegt ebenfalls nicht vor, weil dem Senat nicht einsichtig ist, weswegen dem Kläger das Führen eines Herausgabeprozesses gegen das Autohaus nicht zuzumuten sein soll, obwohl dem Kläger ja nach eigenem Sachvortrag (angeblich) nur unberechtigte Ansprüche entgegengehalten werden und er die Herausgabe sogar als „völlig selbstverständlich“ bezeichnet (S. 3 des nachgelassenen Schriftsatzes des Klägers vom 29.01.2018). Der Beklagte muss sich – anders als der Kläger meint – in dieser Situation auch nicht nur auf die bloße Abtretung eines Herausgabeanspruchs verweisen lassen, weil nach § 346 I BGB primär die empfangenen Leistungen so zurückzugewähren sind, wie sie auch zuvor erfolgt sind.

Daneben sind nach § 346 I BGB die Nutzungen für die Fahrzeugnutzung herauszugeben, was wegen der Unmöglichkeit der Herausgabe dieser Nutzungen kraft Natur der Sache sogleich in einen Wertersatzanspruch nach § 346 II 1 Nr. 1 BGB mündet, für dessen Ausschluss nach § 346 III BGB hier beiderseits nichts ersichtlich ist. Die jeweiligen Berechnungen der Parteien sind nicht substanziiert angegriffen und können zugrunde gelegt werden, wobei die auf Hinweis des Senats erfolgte Antragsumstellung auch mit Blick auf § 253 II Nr. 2 ZPO nicht zu beanstanden war (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.03.2003 – 14 U 154/01, NJW 2003, 1950, 1951).

Bei der Tenorierung war zu bedenken, dass der vom Kläger Zug um Zug anzubietende Betrag von 10.500 € betragsmäßig gemindert wird um die im Gegenzug vom Beklagten geschuldeten Nutzungsersatzansprüche für die Nutzung des X, die hier verrechnet werden können. Daneben waren aber auch die klägerseits für die Nutzung des Y zu zahlenden Nutzungsentschädigungen noch gesondert aufzunehmen. Soweit der Kläger sich … die Nutzungen für die erhaltene Teilbarleistung mit fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem Tag nach der Übergabe (10.11.2014) anrechnen lassen will, ist das wegen § 308 I ZPO bindend, im Übrigen beklagtenseits auch nicht angegriffen und – werden die Nutzungen auch nur nach dem Abzugsbetrag bemessen – jedenfalls nach § 287 ZPO gerechtfertigt. …

3. Der Feststellungsantrag ist zwar mit Blick auf § 756 ZPO zulässig, aber unbegründet. Denn ein Annahmeverzug kann nicht nur – wie beantragt – „isoliert“ für den erhaltenen Teil-Barbetrag festgestellt werden, sondern wäre schon nach dem Rechtsgedanken des § 266 BGB allenfalls bei ordnungsgemäßem Anbieten der hier insgesamt nach § 346 I BGB zurückzugewährenden Leistungen anzunehmen, also dann, wenn neben dem Barbetrag auch das Fahrzeug Y angeboten worden wäre. Selbst wenn man wegen § 295 Satz 1 BGB und der Verweigerungshaltung des Beklagten ein wörtliches Angebot für den Annahmeverzug genügen lassen würde, reichen jedenfalls die vagen Angaben im Schreiben vom 19.10.2015 nicht aus, zumal es zuvor noch keine Annahmeverweigerung des Beklagten gegeben haben kann und der Kläger zudem bis zuletzt seine Herausgabepflicht insbesondere unter Verweis auf § 275 BGB ausdrücklich in Abrede stellt.

4. Die außergerichtlichen Anwaltskosten für den per Anwaltsschriftsatz erklärten Rücktritt vom 19.10.2015 sind ebenfalls nicht ersatzfähig. Ein vorheriger Verzug des Beklagten (etwa nach einem von diesem selbst erklärten Rücktritt) ist nicht ersichtlich, sodass Ansprüche aus §§ 280 I, II, 286 BGB ersichtlich ausscheiden. Ein Vertretenmüssen der Pflichtverletzung in Form des Rechtsmangels durch den Beklagten wird zwar nach § 280 I 2 BGB vermutet, doch ist dessen Vortrag, er habe keine Kenntnis vom SIS-Vermerk gehabt und wegen der ihm vollständig übergebenen Papiere auch nicht haben können, nicht bestritten und somit prozessual als wahr zu unterstellen (§ 138 III ZPO). Die vage Garantieerklärung im Kaufvertrag zum X genügt nicht für die Annahme einer verschuldensunabhängigen Einstandspflicht auch betreffend den hier streitgegenständlichen Rechtsmangel des eingetauschten Fahrzeugs Y, sodass der Anspruch auch nicht auf § 437 Nr. 3, §§ 280 I, 435 BGB zu stützen ist. …

PDF erstellen