1. Art. 138 II lit. a der Richt­li­nie 2006/112/EG des Ra­tes vom 28.11.2006 über das ge­mein­sa­me Mehr­wert­steu­er­sys­tem steht dem ent­ge­gen, dass na­tio­na­le Vor­schrif­ten den An­spruch auf Steu­er­be­frei­ung ei­ner in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs von der Vor­aus­set­zung ab­hän­gig ma­chen, dass der Er­wer­ber die­ses Fahr­zeugs im Be­stim­mungs­mit­glied­staat des Fahr­zeugs nie­der­ge­las­sen oder wohn­haft ist.
  2. Art. 138 II lit. a der Richt­li­nie 2006/112 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass die Be­frei­ung ei­ner Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs von der Steu­er im Lie­fer­mit­glied­staat nicht al­lein des­halb ver­wei­gert wer­den darf, weil die­ses Fahr­zeug Ge­gen­stand ei­ner nur vor­über­ge­hen­den Zu­las­sung im Be­stim­mungs­mit­glied­staat war.
  3. Art. 138 II lit. a der Richt­li­nie 2006/112 steht dem ent­ge­gen, dass der Ver­käu­fer ei­nes neu­en Fahr­zeugs, das vom Er­wer­ber in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat be­för­dert und in die­sem Mit­glied­staat zu­ge­las­sen wird, spä­ter ver­pflich­tet ist, die Mehr­wert­steu­er zu ent­rich­ten, wenn nicht be­wie­sen ist, dass die vor­über­ge­hen­de Zu­las­sung aus­ge­lau­fen ist und dass die Mehr­wert­steu­er im Be­stim­mungs­mit­glied­staat ent­rich­tet wur­de oder wird.
  4. Art. 138 II lit. a der Richt­li­nie 2006/112 so­wie die Grund­sät­ze der Rechts­si­cher­heit, der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit und des Ver­trau­ens­schut­zes ste­hen dem ent­ge­gen, dass der Ver­käu­fer ei­nes neu­en Fahr­zeugs, das vom Er­wer­ber in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat be­för­dert und in die­sem Mit­glied­staat vor­über­ge­hend zu­ge­las­sen wird, im Fall ei­nes vom Er­wer­ber be­gan­ge­nen Steu­er­be­trugs spä­ter ver­pflich­tet ist, die Mehr­wert­steu­er zu ent­rich­ten, so­fern nicht an­hand ob­jek­ti­ver Ele­men­te be­wie­sen ist, dass die­ser Ver­käu­fer wuss­te oder hät­te wis­sen müs­sen, dass der Um­satz mit ei­nem Steu­er­be­trug des Er­wer­bers ver­knüpft war, und dass er nicht al­le ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­den zu­mut­ba­ren Maß­nah­men er­grif­fen hat, um sei­ne Be­tei­li­gung an die­sem Steu­er­be­trug zu ver­hin­dern. Es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts zu prü­fen, ob dies auf der Grund­la­ge ei­ner um­fas­sen­den Be­ur­tei­lung al­ler Ge­sichts­punk­te und tat­säch­li­chen Um­stän­de des Aus­gangs­ver­fah­rens der Fall ist.

EuGH (Neun­te Kam­mer), Ur­teil vom 14.06.2017 – C-26/16 (San­to­gal M-Comércio e Re­pa­ração de Au­tomóveis Lda/Au­to­ri­da­de Tri­butária e Aduanei­ra)

Das vor­lie­gen­de Ur­teil be­trifft die Aus­le­gung von Art. 138 II lit. a der Richt­li­nie 2006/112/EG des Ra­tes vom 28.11.2006 über das ge­mein­sa­me Mehr­wert­steu­er­sys­tem (ABl. 2006 L 347, 1; im Fol­gen­den: Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie). Es er­ging im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen der San­to­gal M-Comércio e Re­pa­ração de Au­tomóveis Lda (im Fol­gen­den: San­to­gal) und der Au­to­ri­da­de Tri­butária e Aduanei­ra (Zoll- und Steu­er­ver­wal­tung, Por­tu­gal), in dem es um die Wei­ge­rung der Be­hör­de ging, ei­nen Um­satz als in­ner­ge­mein­schaft­li­che Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs von der Mehr­wert­steu­er zu be­frei­en.

Sach­ver­halt: San­to­gal ist ei­ne Han­dels­ge­sell­schaft, die im Au­to­mo­bil­han­del in Por­tu­gal tä­tig ist.

Mit ei­ner auf den 26.01.2010 da­tier­ten Rech­nung ver­kauf­te San­to­gal zu ei­nem Preis von 447.665 € ein Neu­fahr­zeug, das sie zu­vor von der Mer­ce­des-Benz Por­tu­gal, S. A. er­wor­ben hat­te und des­sen Ver­brin­gung in das por­tu­gie­si­sche Staats­ge­biet durch ei­ne Zol­lan­mel­dung vom 25.05.2009 fest­ge­stellt wor­den war.

Beim Ver­kauf teil­te der Er­wer­ber, ein an­go­la­ni­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger, San­to­gal mit, er ha­be in Spa­ni­en ei­nen Wohn­sitz und wol­le das Fahr­zeug dort zu sei­nem per­sön­li­chen Ge­brauch ver­wen­den. Er wer­de den Wa­gen des­halb nach Spa­ni­en ver­sen­den und selbst die Be­för­de­rung über­neh­men. In Spa­ni­en wer­de das Fahr­zeug ei­ner tech­ni­schen Über­prü­fung un­ter­zo­gen und an­schlie­ßend zu­ge­las­sen wer­den. Der Er­wer­ber leg­te San­to­gal sei­ne spa­ni­sche Aus­län­de­ri­den­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer (NIE), ein ihm am 02.05.2008 vom Mi­nistério del In­te­ri­or, Di­rec­ción Ge­ne­ral de la Po­li­cia y de la Guar­dia Ci­vil – Co­mu­ni­dad Tui-Va­len­cia (In­nen­mi­nis­te­ri­um, Ge­ne­ral­di­rek­ti­on Po­li­zei und Zi­vil­gar­de – Ge­mein­de Tui-Va­len­cia, Spa­ni­en) er­teil­tes Do­ku­ment zur Be­schei­ni­gung sei­ner Ein­tra­gung in das zen­tra­le Aus­län­der­re­gis­ter un­ter die­ser Aus­län­de­ri­den­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer und ei­ne Ko­pie sei­nes an­go­la­ni­schen Rei­se­pas­ses vor. Die vom Er­wer­ber beim Ver­kauf an­ge­ge­be­ne An­schrift stimmt nicht mit der im Do­ku­ment vom 02.05.2008 auf­ge­führ­ten An­schrift über­ein.

An­ge­sichts der ge­nann­ten Do­ku­men­te ging San­to­gal da­von aus, dass der Ver­kauf nach Art. 14 lit. b RI­TI von der Mehr­wert­steu­er be­freit sei. Folg­lich wur­de in Por­tu­gal kei­ne Mehr­wert­steu­er ent­rich­tet.

Das Fahr­zeug wur­de in ei­nem kom­plett ge­schlos­se­nen An­hän­ger nach Spa­ni­en trans­por­tiert.

Nach­dem es dort ei­ne tech­ni­sche Über­prü­fung durch­lau­fen hat­te, über­sand­te der Er­wer­ber San­to­gal auf de­ren Bit­te zur Ver­voll­stän­di­gung der Ver­kaufs­un­ter­la­gen zwei Do­ku­men­te: zum ei­nen ei­ne am 11.02.2010 er­teil­te Be­schei­ni­gung über die tech­ni­sche Über­prü­fung und zum an­de­ren ei­ne am 18.02.2010 er­teil­te Be­schei­ni­gung der Zu­las­sung in Spa­ni­en. Letz­te­re Be­schei­ni­gung, in der ei­ne An­schrift des Er­wer­bers an­ge­ge­ben war, die we­der mit der von ihm beim Ver­kauf ge­nann­ten An­schrift noch mit der An­schrift in dem Do­ku­ment vom 02.05.2008 über­ein­stimm­te, be­zog sich auf ei­ne „tou­ris­ti­sche“ Zu­las­sung, die am 17.02.2011 aus­lief. Nach den An­ga­ben des vor­le­gen­den Ge­richts ist die tou­ris­ti­sche Zu­las­sung ei­ne vor­über­ge­hen­de Zu­las­sung, wo­bei die üb­li­che Nut­zungs­zeit sechs Mo­na­te in­ner­halb ei­nes Zeit­raums von zwölf Mo­na­ten be­trägt und von den Be­hör­den ver­län­gert wer­den kann. Sie kann nur Per­so­nen er­teilt wer­den, de­ren ge­wöhn­li­cher Auf­ent­halt nicht in Spa­ni­en liegt.

In­fol­ge der In­for­ma­tio­nen, die San­to­gal im Fe­bru­ar 2011 über­mit­tel­te, um die Zol­lan­mel­dung vom 25.05.2009 für un­gül­tig er­klä­ren zu las­sen, reich­te die Mer­ce­des-Benz Por­tu­gal, S. A. am 03.03.2011 ei­ne er­gän­zen­de Zol­lan­mel­dung ein, mit der die be­sag­te Zol­lan­mel­dung auf­grund der Ver­sen­dung des Fahr­zeugs für un­gül­tig er­klärt wer­den soll­te. Die Zol­lan­mel­dung vom 25.05.2009 wur­de von den zu­stän­di­gen por­tu­gie­si­schen Be­hör­den für un­gül­tig er­klärt.

Mit Schrei­ben vom 24.10.2013 emp­fahl die Direção de Ser­viços An­ti­frau­de Aduanei­ra (Di­rek­ti­on für Be­trugs­be­kämp­fung im Zoll­be­reich, Por­tu­gal) der Direção de Fi­n­anças de Lis­boa (Fi­nanz­di­rek­ti­on Lis­sa­bon, Por­tu­gal), die Fest­set­zung der für den Ver­kauf des Fahr­zeugs ge­schul­de­ten Mehr­wert­steu­er an­zu­ord­nen. Sie wies un­ter an­de­rem dar­auf hin, dass der Er­wer­ber in Por­tu­gal woh­ne und dort als Ge­schäfts­füh­rer ei­ner Ge­sell­schaft ein­ge­tra­gen sei. Fer­ner hät­ten die spa­ni­schen Be­hör­den in Be­ant­wor­tung ei­nes Aus­kunfts­er­su­chens er­klärt, dass der Er­wer­ber 2010 nicht als in Spa­ni­en wohn­haft an­zu­se­hen ge­we­sen sei und in Spa­ni­en nie­mals ei­ne Steu­er­er­klä­rung ein­ge­reicht ha­be.

In der Fol­ge­zeit wur­de bei San­to­gal ei­ne teil­wei­se in­ter­ne Kon­trol­le zur Mehr­wert­steu­er für Ja­nu­ar 2010 durch­ge­führt. In die­sem Zu­sam­men­hang fer­tig­te die Steu­er- und Zoll­ver­wal­tung ei­nen Be­richt, in dem sie fest­stell­te, dass der Ver­kauf des Fahr­zeugs nicht un­ter die in Art. 14 RI­TI vor­ge­se­he­nen Be­frei­un­gen fal­le, da, was die Be­frei­ung nach Buch­sta­be b die­ser Be­stim­mung be­tref­fe, der Er­wer­ber nicht in Spa­ni­en wohn­haft sei und dort kei­ner Tä­tig­keit nach­ge­he. Über­dies be­sit­ze der Er­wer­ber nach den In­for­ma­tio­nen der Steu­er- und Zoll­ver­wal­tung ei­ne por­tu­gie­si­sche Steu­er­num­mer, die vor 2001 ver­ge­ben wor­den sei, und ha­be sei­nen Wohn­sitz in Por­tu­gal.

Im An­schluss an die­se Kon­trol­le setz­te die Steu­er- und Zoll­ver­wal­tung am 14.10.2014 ei­ne zu­sätz­li­che Mehr­wert­steu­er­schuld in Hö­he von 89.533 € so­wie Aus­gleichs­zin­sen für den Zeit­raum vom 12.03.2010 bis zum 20.08.2014 in Hö­he von 15.914,80 € fest. San­to­gal be­glich die­se Be­trä­ge im De­zem­ber 2014.

San­to­gal er­hob beim vor­le­gen­den Ge­richt Kla­ge auf Auf­he­bung die­ser Fest­set­zun­gen so­wie auf Scha­dens­er­satz. Sie mach­te un­ter an­de­rem gel­tend, die von der Steu­er- und Zoll­ver­wal­tung ver­tre­te­ne Aus­le­gung von Art. 14 lit. b RI­TI sei mit Art. 138 II der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie, der un­mit­tel­bar an­wend­bar sei, nicht ver­ein­bar. Auch kön­ne ihr ein et­wai­ger Mehr­wert­steu­er­be­trug des Er­wer­bers nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den.

Im Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen äu­ßert das vor­le­gen­de Ge­richt zu­nächst Zwei­fel am Wohn­ort des Er­wer­bers zum Zeit­punkt des Ver­kaufs des frag­li­chen Fahr­zeugs. Ins­be­son­de­re weist das Ge­richt dar­auf hin, dass der ge­wöhn­li­che Auf­ent­halts­ort des Er­wer­bers nicht in Spa­ni­en lie­ge. Es sei je­doch nicht be­wie­sen, dass er zum Zeit­punkt des Ver­kaufs in Por­tu­gal ge­wohnt ha­be. Über­dies ent­hiel­ten die dem Ge­richt vor­lie­gen­den Ak­ten kei­ne In­for­ma­tio­nen zur Ent­rich­tung der für das Fahr­zeug ge­schul­de­ten Mehr­wert­steu­er in Spa­ni­en und kei­ne An­ga­ben da­zu, was mit dem Fahr­zeug nach der Er­tei­lung der tou­ris­ti­schen Zu­las­sung ge­sche­hen sei. Eben­so we­nig sei be­wie­sen, dass die tou­ris­ti­sche Zu­las­sung nach den vom spa­ni­schen Recht vor­ge­se­he­nen Mo­da­li­tä­ten er­lo­schen sei.

So­dann sei nicht nach­ge­wie­sen, dass San­to­gal mit dem Er­wer­ber zu­sam­men­ge­wirkt ha­be, um die Ent­rich­tung der Mehr­wert­steu­er auf den Ver­kauf des Fahr­zeugs zu um­ge­hen. Viel­mehr ge­he aus den dem Ge­richt vor­ge­leg­ten Be­wei­sen her­vor, dass San­to­gal auf die Ein­hal­tung der Vor­aus­set­zun­gen für die Mehr­wert­steu­er­be­frei­ung ge­ach­tet ha­be. We­der die Zol­la­gen­ten noch die Zoll­be­hör­de hät­ten be­zwei­felt, dass die Do­ku­men­te aus­rei­chend ge­we­sen sei­en, um die Zol­lan­mel­dung vom 25. Mai 2009 für un­gül­tig zu er­klä­ren, und dem Schrei­ben der Di­rek­ti­on für Be­trugs­be­kämp­fung im Zoll­be­reich vom 24.10.2013 lä­gen er­gän­zen­de In­for­ma­tio­nen zu­grun­de, die San­to­gal nicht zu­gäng­lich ge­we­sen sei­en.

Schließ­lich ist das vor­le­gen­de Ge­richt un­ter Be­zug­nah­me auf das EuGH-Ur­teil vom 07.12.2010 (C-285/09, EU:C:2010:742 – R.), der Auf­fas­sung, dass die Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs nicht ein­deu­tig auf die Fra­gen ant­wor­te, die sich in dem bei ihm an­hän­gi­gen Rechts­streit stell­ten.

Un­ter die­sen Um­stän­den hat das Tri­bu­nal Ar­bi­tral Tri­butário (Cen­tro de Ar­bi­tra­gem Ad­mi­nis­tra­ti­va – CAAD; Schieds­ge­richt für Steu­er­an­ge­le­gen­hei­ten, Zen­tral­stel­le für das Ver­wal­tungs­schieds­ver­fah­ren, Por­tu­gal) be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

1. Läuft es Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie zu­wi­der, wenn in­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten wie Art. 1 lit. e und Art. 14 lit. b RI­TI für die An­er­ken­nung der Mehr­wert­steu­er­be­frei­ung bei ei­ner ent­gelt­li­chen Lie­fe­rung neu­er Fahr­zeu­ge, die vom Er­wer­ber aus dem In­land in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat be­för­dert wer­den, ver­lan­gen, dass der Er­wer­ber im Be­stim­mungs­mit­glied­staat nie­der­ge­las­sen oder wohn­haft ist?

2. Steht Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie ei­ner Ver­wei­ge­rung der Steu­er­be­frei­ung im Mit­glied­staat des Be­ginns der Be­för­de­rung in ei­ner Si­tua­ti­on ent­ge­gen, in der das er­wor­be­ne Fahr­zeug nach Spa­ni­en be­för­dert wur­de, wo es Ge­gen­stand ei­ner tou­ris­ti­schen Zu­las­sung war, die vor­über­ge­hen­der Na­tur ist und der spa­ni­schen Steu­er­re­ge­lung un­ter­liegt?

3. Läuft es Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie zu­wi­der, wenn von dem Ver­käu­fer des neu­en Fahr­zeugs die Ent­rich­tung der Mehr­wert­steu­er in ei­ner Si­tua­ti­on ver­langt wird, in der we­der ge­klärt ist, ob die tou­ris­ti­sche Zu­las­sung auf ei­ne der vom spa­ni­schen Recht vor­ge­se­he­nen Ar­ten er­lo­schen ist oder nicht, noch, ob in­fol­ge des Er­lö­schens die­ser Zu­las­sung Mehr­wert­steu­er ent­rich­tet wur­de oder noch ent­rich­tet wird?

4. Läuft es Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie so­wie den Grund­sät­zen der Rechts­si­cher­heit, der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit und des Ver­trau­ens­schut­zes zu­wi­der, wenn von dem Ver­käu­fer ei­nes neu­en Fahr­zeugs, das in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat ver­sandt wird, die Ent­rich­tung der Mehr­wert­steu­er in ei­ner Si­tua­ti­on ver­langt wird, in der

  • der Er­wer­ber dem Ver­käu­fer vor der Ver­sen­dung mit­ge­teilt hat, dass er im Be­stim­mungs­mit­glied­staat woh­ne, und ihm ein Do­ku­ment vor­ge­legt hat, das nach­weist, dass ihm in die­sem Mit­glied­staat ei­ne Aus­län­de­ri­den­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer er­teilt wur­de, und in dem Do­ku­ment ein Wohn­sitz in die­sem Mit­glied­staat an­ge­ge­ben ist, der nicht mit dem vom Er­wer­ber an­ge­ge­be­nen über­ein­stimmt;
  • der Er­wer­ber dem Ver­käu­fer nach­träg­lich Un­ter­la­gen vor­ge­legt hat, die be­le­gen, dass das er­wor­be­ne Fahr­zeug im Be­stim­mungs­mit­glied­staat ei­ner tech­ni­schen Über­prü­fung un­ter­zo­gen wur­de und ihm dort ei­ne tou­ris­ti­sche Zu­las­sung er­teilt wur­de;
  • nicht be­wie­sen ist, dass der Ver­käu­fer mit dem Er­wer­ber im Sin­ne ei­ner Ver­mei­dung der Mehr­wert­steu­e­rentrich­tung zu­sam­men­ge­wirkt hat;
  • die Zoll­be­hör­den auf der Grund­la­ge der Un­ter­la­gen, über die der Ver­käu­fer ver­füg­te, der Auf­he­bung der das Fahr­zeug be­tref­fen­den Zol­lan­mel­dung kei­ne Hin­der­nis­se in den Weg ge­legt ha­ben?

Der EuGH hat die­se Fra­ge wie aus den Leit­sät­zen er­sicht­lich be­ant­wor­tet.

Aus den Grün­den: Zur Zu­läs­sig­keit

[26]   Die por­tu­gie­si­sche Re­gie­rung macht gel­tend, dass die Vor­la­ge­fra­gen aus drei Grün­den un­zu­läs­sig sei­en.

[27]   Ers­tens macht die­se Re­gie­rung gel­tend, dass die Vor­la­ge­fra­gen so, wie sie in der Vor­la­ge­ent­schei­dung for­mu­liert sei­en, Art. 138 II lit. b der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie be­trä­fen, der im Rah­men des Aus­gangs­rechts­streits nicht ein­schlä­gig sei. Der Um­stand, dass ei­nes der Mit­glie­der des vor­le­gen­den Ge­richts die­sem ei­ne E-Mail ge­sandt ha­be, in der aus­ge­führt wer­de, dass die ein­schlä­gi­ge Be­stim­mung Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie sei, und dass ei­ne Ko­pie die­ser E-Mail der Vor­la­ge­ent­schei­dung bei­ge­fügt wor­den sei, kön­ne an­ge­sichts der Ver­fah­rens­vor­schrif­ten des in­ner­staat­li­chen Rechts und der den Mit­glied­staa­ten zu­er­kann­ten Ga­ran­tie, ih­re Er­klä­run­gen ab­zu­ge­ben, kei­ne Be­rich­ti­gung des ur­sprüng­li­chen Feh­lers zur Fol­ge ha­ben.

[28]   Es ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Um­stand, dass ein na­tio­na­les Ge­richt ei­ne Vor­la­ge­fra­ge ih­rer Form nach un­ter Be­zug­nah­me auf be­stimm­te Vor­schrif­ten des Uni­ons­rechts for­mu­liert hat, den Ge­richts­hof nicht dar­an hin­dert, die­sem Ge­richt un­ab­hän­gig da­von, wor­auf es in sei­nen Fra­gen Be­zug ge­nom­men hat, al­le Aus­le­gungs­hin­wei­se zu ge­ben, die ihm bei der Ent­schei­dung der bei ihm an­hän­gi­gen Rechts­sa­che von Nut­zen sein kön­nen. Der Ge­richts­hof hat in­so­weit aus dem ge­sam­ten vom ein­zel­staat­li­chen Ge­richt vor­ge­leg­ten Ma­te­ri­al, ins­be­son­de­re der Be­grün­dung der Vor­la­ge­ent­schei­dung, die­je­ni­gen Ele­men­te des Uni­ons­rechts her­aus­zu­ar­bei­ten, die un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Ge­gen­stands des Rechts­streits ei­ner Aus­le­gung be­dür­fen (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 21.06.2016 – C-15/15, EU:C:2016:464 Rn. 29 – New Val­mar, Urt. v. 29.09.2016 – C-492/14, EU:C:2016:732 Rn. 43 – Es­sent Bel­gi­um – und die dort an­ge­führ­te Recht­spre­chung).

[29]   Im vor­lie­gen­den Fall er­gibt sich, wie der Ge­ne­ral­an­walt in den Nrn. 21 bis 23 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, aus den Grün­den der Vor­la­ge­ent­schei­dung zwei­fels­frei, dass sich die Fra­gen des na­tio­na­len Ge­richts auf die Aus­le­gung be­zie­hen, die Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie zu ge­ben ist, auch wenn sich das Ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung irr­tüm­lich auf Art. 138 II lit. b der Richt­li­nie be­zo­gen hat. Au­ßer­dem hat das Ge­richt die­sen Irr­tum in ei­ner der Ent­schei­dung bei­ge­füg­ten E-Mail be­rich­tigt.

[30]   Zwei­tens ist die por­tu­gie­si­sche Re­gie­rung der Auf­fas­sung, dass die Dar­stel­lung des Sach­ver­halts des Aus­gangs­ver­fah­rens Un­ge­nau­ig­kei­ten und Wi­der­sprü­che auf­wei­se und dass es die­ser Dar­stel­lung an Klar­heit feh­le.

[31]   Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs spricht ei­ne Ver­mu­tung für die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Vor­la­ge­fra­gen des na­tio­na­len Ge­richts, die es zur Aus­le­gung des Uni­ons­rechts in dem recht­li­chen und sach­li­chen Rah­men stellt, den es in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung fest­ge­legt und des­sen Rich­tig­keit der Ge­richts­hof nicht zu prü­fen hat. Der Ge­richts­hof darf die Ent­schei­dung über ein Er­su­chen ei­nes na­tio­na­len Ge­richts nur dann ver­wei­gern, wenn die er­be­te­ne Aus­le­gung des Uni­ons­rechts of­fen­sicht­lich in kei­nem Zu­sam­men­hang mit der Rea­li­tät oder dem Ge­gen­stand des Aus­gangs­rechts­streits steht, wenn das Pro­blem hy­po­the­ti­scher Na­tur ist oder wenn der Ge­richts­hof nicht über die tat­säch­li­chen und recht­li­chen An­ga­ben ver­fügt, die für ei­ne zweck­dien­li­che Be­ant­wor­tung der ihm vor­ge­leg­ten Fra­gen er­for­der­lich sind (EuGH, Urt. v. 18.12.2014 – C-131/13, C-163/13 und C-164/13, EU:C:2014:2455 Rn. 31 – Scho­en­im­port „Ital­mo­da“ Ma­ria­no Pre­vi­ti u. a. – und die dort an­ge­führ­te Recht­spre­chung).

[32]   Im vor­lie­gen­den Fall ist fest­zu­stel­len, dass die Be­schrei­bung des Sach­ver­halts, den das vor­le­gen­de Ge­richt lie­fert, aus­rei­chend ist, um den Ge­richts­hof in die La­ge zu ver­set­zen, auf die ge­stell­ten Fra­gen zweck­dien­lich zu ant­wor­ten.

[33]   Drit­tens macht die por­tu­gie­si­sche Re­gie­rung gel­tend, dass die Vor­la­ge­fra­gen hy­po­the­tisch sei­en, da das vor­le­gen­de Ge­richt be­reits aus­ge­führt ha­be, ob zu Recht oder zu Un­recht, dass die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Mehr­wert­steu­er­fest­set­zung an ei­nem Be­grün­dungs­man­gel lei­de und dass sie des­halb un­ab­hän­gig von der Ant­wort des Ge­richts­hofs auf die­se Fra­gen auf­zu­he­ben sei.

[34]   Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 26 sei­ner Schluss­an­trä­ge dar­ge­legt hat, er­laubt nichts in der Vor­la­ge­ent­schei­dung die si­che­re An­nah­me, dass die­se Fest­set­zung un­ab­hän­gig von der Ant­wort auf die Vor­la­ge­fra­gen auf­ge­ho­ben wird. Es ist je­den­falls nicht zwei­fel­haft, dass Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie ei­nen Zu­sam­men­hang mit dem Ge­gen­stand des Aus­gangs­ver­fah­rens auf­weist, der die Fra­ge be­trifft, ob die Wei­ge­rung, ei­nen Um­satz in Be­zug auf ein neu­es Fahr­zeug von der Mehr­wert­steu­er zu be­frei­en, mit die­ser Be­stim­mung ver­ein­bar ist.

[35]   Da­her sind die Vor­la­ge­fra­gen zu­läs­sig.

Zur ers­ten Fra­ge

[36]   Mit sei­ner ers­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er dem ent­ge­gen­steht, dass na­tio­na­le Vor­schrif­ten den An­spruch auf Steu­er­be­frei­ung ei­ner in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs von der Vor­aus­set­zung ab­hän­gig ma­chen, dass der Er­wer­ber die­ses Fahr­zeugs im Be­stim­mungs­mit­glied­staat des Fahr­zeugs nie­der­ge­las­sen oder wohn­haft ist.

[37]   Vor­ab ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die­se Fra­ge im Rah­men der Mehr­wert­steu­er­über­gangs­re­ge­lung für den in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Han­del ge­stellt wird, die durch die Richt­li­nie 91/680/EWG des Ra­tes vom 16.12.1991 zur Er­gän­zung des ge­mein­sa­men Mehr­wert­steu­er­sys­tems und zur Än­de­rung der Richt­li­nie 77/388/EWG im Hin­blick auf die Be­sei­ti­gung der Steu­er­gren­zen (ABl. 1991 L 376, 1) ein­ge­führt wor­den ist. Die­se Re­ge­lung be­ruht auf der Ein­füh­rung ei­nes neu­en Steu­er­tat­be­stands, des in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Er­werbs von Ge­gen­stän­den, der es er­mög­licht, die Steu­er­ein­nah­men auf den Mit­glied­staat, in dem der End­ver­brauch der ge­lie­fer­ten Ge­gen­stän­de er­folgt, zu ver­la­gern (EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 22 – X. – und die dort an­ge­führ­te Recht­spre­chung).

[38]   Auf die­se Wei­se soll­te die­ser Me­cha­nis­mus, be­ste­hend aus zum ei­nen ei­ner Be­frei­ung der Lie­fe­rung, die zu ei­ner in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Ver­sen­dung oder Be­för­de­rung führt, durch den Mit­glied­staat des Be­ginns der Ver­sen­dung oder Be­för­de­rung, er­gänzt durch das Recht zum Ab­zug oder zur Er­stat­tung der in die­sem Mit­glied­staat ent­rich­te­ten Vor­steu­er, und zum an­de­ren ei­ner Be­steue­rung des in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Er­werbs durch den An­kunfts­mit­glied­staat, ei­ne kla­re Ab­gren­zung der Steu­er­ho­heit der Mit­glied­staa­ten ge­währ­leis­ten (EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 23 – X. – und die dort an­ge­führ­te Recht­spre­chung).

[39]   Was ins­be­son­de­re die Re­geln für die Be­steue­rung des Er­werbs von neu­en Fahr­zeu­gen be­trifft, geht aus dem elf­ten Er­wä­gungs­grund der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie her­vor, dass die­se Re­geln ne­ben der Auf­tei­lung der Be­steue­rungs­be­fug­nis­se au­ßer­dem noch das Ziel ver­fol­gen, Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen zwi­schen den Mit­glied­staa­ten, die sich aus der An­wen­dung un­ter­schied­li­cher Steu­er­sät­ze er­ge­ben kön­nen, vor­zu­beu­gen (EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 24 – X.).

[40]   Vor die­sem Hin­ter­grund und im Licht die­ser Ziel­set­zun­gen ist Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie aus­zu­le­gen.

[41]   Die­se Be­stim­mung sieht vor, dass die Mit­glied­staa­ten ver­pflich­tet sind, Lie­fe­run­gen neu­er Fahr­zeu­ge, die die in ihr ab­schlie­ßend (vgl. ent­spre­chend EuGH, Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11, EU:C:2012:547 Rn. 59 – Mec­sek-Gabo­na) auf­ge­zähl­ten ma­te­ri­el­len Be­din­gun­gen er­fül­len, von der Steu­er be­freit wer­den (vgl. ent­spre­chend EuGH, Urt. v. 09.10.2014 – C-492/13, EU:C:2014:2267 Rn. 46 – Traum).

[42]   Nach die­ser Vor­schrift be­frei­en die Mit­glied­staa­ten die Lie­fe­run­gen neu­er Fahr­zeu­ge, die durch den Ver­käu­fer, den Er­wer­ber oder für ih­re Rech­nung an den Er­wer­ber nach Or­ten au­ßer­halb ih­res je­wei­li­gen Ge­biets, aber in­ner­halb der Uni­on ver­sandt oder be­för­dert wer­den, von der Steu­er, wenn die Lie­fe­run­gen an steu­er­pflich­ti­ge oder nicht steu­er­pflich­ti­ge ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren in­ner­ge­mein­schaft­li­che Er­wer­be von Ge­gen­stän­den ge­mäß Art. 3 I der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie nicht der Mehr­wert­steu­er un­ter­lie­gen, oder an ei­ne an­de­re nicht steu­er­pflich­ti­ge Per­son be­wirkt wer­den.

[43]   Da­her ist, wie der Ge­ne­ral­an­walt in den Nrn. 38 und 39 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, die Be­frei­ung der in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs nur an­wend­bar, wenn das Recht, über die­ses Fahr­zeug wie ein Ei­gen­tü­mer zu ver­fü­gen, auf den Er­wer­ber über­tra­gen wor­den ist, wenn der Ver­käu­fer nach­weist, dass die­ses Fahr­zeug in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat ver­sandt oder be­för­dert wor­den ist, und wenn der­sel­be Ge­gen­stand auf­grund die­ses Ver­sands oder die­ser Be­för­de­rung das Ge­biet des Lie­fer­mit­glied­staats phy­sisch ver­las­sen hat (vgl. ent­spre­chend EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 27 – X.; Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11, EU:C:2012:547 Rn. 31 – Mec­sek-Gabo­naund – die dort an­ge­führ­te Recht­spre­chung).

{44]   Hin­ge­gen un­ter­liegt an­ge­sichts des Wort­lauts von Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie die Be­frei­ung ei­ner in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs nicht der Vor­aus­set­zung, dass der Er­wer­ber im Be­stim­mungs­mit­glied­staat nie­der­ge­las­sen oder wohn­haft ist.

{45]   Ei­ne sol­che Vor­aus­set­zung vor­zu­schrei­ben, wi­der­sprä­che au­ßer­dem der Sys­te­ma­tik die­ser Be­stim­mung so­wie dem Hin­ter­grund und den Ziel­set­zun­gen der Mehr­wert­steu­er­über­gangs­re­ge­lung für den in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Han­del, wie sie in den Rn. 37 bis 39 des vor­lie­gen­den Ur­teils in Er­in­ne­rung ge­ru­fen wur­den. Denn in­dem die Be­frei­ung ei­ner in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung al­lein des­halb ver­wei­gert wür­de, weil der Er­wer­ber des neu­en Fahr­zeugs nicht im Be­stim­mungs­mit­glied­staat nie­der­ge­las­sen oder wohn­haft ist, un­ab­hän­gig von der Er­fül­lung der ma­te­ri­el­len Be­din­gun­gen für die Be­frei­ung, wür­de der Lie­fer­mit­glied­staat ver­an­lasst, ei­nen Um­satz zu be­steu­ern, der – vor­be­halt­lich der Er­fül­lung der ge­nann­ten Be­din­gun­gen – als in­ner­ge­mein­schaft­li­cher Er­werb im Be­stim­mungs­mit­glied­staat zu be­steu­ern wä­re. Die Fol­ge wä­re ei­ne Dop­pel­be­steue­rung, die ge­gen den Grund­satz der Steu­er­neu­tra­li­tät ver­stie­ße.

[46]   Die­se Aus­le­gung wird auch durch die Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zur Ein­stu­fung ei­nes Um­sat­zes, der ein neu­es Fahr­zeug be­trifft, als in­ner­ge­mein­schaft­li­cher Er­werb ge­stützt.

[47]   Un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Be­son­der­heit ei­nes sol­chen Um­sat­zes hat der Ge­richts­hof näm­lich ent­schie­den, dass für sei­ne Ein­stu­fung als „in­ner­ge­mein­schaft­li­cher Er­werb“ ei­ne um­fas­sen­de Be­ur­tei­lung al­ler ob­jek­ti­ven tat­säch­li­chen Um­stän­de vor­zu­neh­men ist, die für die Fest­stel­lung maß­ge­bend sind, ob der er­wor­be­ne Ge­gen­stand das Ge­biet des Lie­fer­mit­glied­staats tat­säch­lich ver­las­sen hat und, wenn ja, in wel­chem Mit­glied­staat sein End­ver­brauch statt­fin­den wird. Ei­ne ge­wis­se Be­deu­tung kann, ne­ben dem zeit­li­chen Ab­lauf der Be­för­de­rung des Ge­gen­stands, in­so­weit dem Ort sei­ner Re­gis­trie­rung und ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung, dem Wohn­ort des Er­wer­bers so­wie dem Be­ste­hen oder Feh­len von Ver­bin­dun­gen, die der Er­wer­ber zum Lie­fer­mit­glied­staat oder ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat un­ter­hält, zu­kom­men (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693, Rn. 41–45 und 50 – X.).

{48]   Aus die­ser Recht­spre­chung geht her­vor, dass der Wohn­sitz des Er­wer­bers ei­nes neu­en Fahr­zeugs zwar ein ein­schlä­gi­ges Ele­ment für die Zwe­cke der um­fas­sen­den Be­ur­tei­lung dar­stellt, mit der der Ort des End­ver­brauchs er­mit­telt wer­den soll, er al­lein kann je­doch nicht die Ein­stu­fung als „in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Er­werb“ und sei­ne Be­frei­ung un­ter den in Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Vor­aus­set­zun­gen be­din­gen.

[49]   Zu­dem kann ei­ne Vor­aus­set­zung der Nie­der­las­sung oder des Wohn­sit­zes des Er­wer­bers im Be­stim­mungs­mit­glied­staat auch nicht auf Art. 131 der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie ge­stützt wer­den.

[50]   Es trifft zwar zu, dass die Mit­glied­staa­ten ge­mäß die­ser Be­stim­mung die Be­din­gun­gen fest­le­gen, un­ter de­nen sie in­ner­ge­mein­schaft­li­che Lie­fe­run­gen be­frei­en, um ei­ne kor­rek­te und ein­fa­che An­wen­dung die­ser Be­frei­un­gen zu ge­währ­leis­ten und Steu­er­hin­ter­zie­hun­gen, Steu­er­um­ge­hun­gen und et­wai­ge Miss­bräu­che zu ver­hü­ten, je­doch müs­sen die Mit­glied­staa­ten bei der Aus­übung ih­rer Be­fug­nis­se die all­ge­mei­nen Rechts­grund­sät­ze, die Teil der Uni­ons­rechts­ord­nung sind und zu de­nen un­ter an­de­rem die Grund­sät­ze der Rechts­si­cher­heit, der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit und der Steu­er­neu­tra­li­tät ge­hö­ren, be­ach­ten (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 35 und 37 – X.).

[51]   Die Ver­wei­ge­rung der in Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Steu­er­be­frei­ung al­lein des­halb, weil der Er­wer­ber nicht im Be­stim­mungs­mit­glied­staat wohn­haft ist, wür­de je­doch ge­gen die Auf­tei­lung der Be­steue­rungs­be­fug­nis­se ver­sto­ßen und könn­te den Grund­satz der Steu­er­neu­tra­li­tät in­fra­ge stel­len. Wie sich aus Rn. 45 des vor­lie­gen­den Ur­teils er­gibt, könn­te ei­ne sol­che Wei­ge­rung dar­über hin­aus die Ge­fahr ei­ner Dop­pel­be­steue­rung zur Fol­ge ha­ben.

[52]   Im Licht der vor­ste­hen­den Er­wä­gun­gen ist auf die ers­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie dem ent­ge­gen­steht, dass na­tio­na­le Vor­schrif­ten den An­spruch auf Steu­er­be­frei­ung ei­ner in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs von der Vor­aus­set­zung ab­hän­gig ma­chen, dass der Er­wer­ber die­ses Fahr­zeugs im Be­stim­mungs­mit­glied­staat des Fahr­zeugs nie­der­ge­las­sen oder wohn­haft ist.

Zur zwei­ten Fra­ge

[53]   Mit sei­ner zwei­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie da­hin aus­zu­le­gen ist, dass die Be­frei­ung ei­ner Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs von der Steu­er im Lie­fer­mit­glied­staat ver­wei­gert wer­den kann, wenn die­ses Fahr­zeug im Be­stim­mungs­mit­glied­staat Ge­gen­stand ei­ner nur vor­über­ge­hen­den Zu­las­sung war.

[54]   Wie aus der Ant­wort auf die ers­te Fra­ge her­vor­geht, sind die Mit­glied­staa­ten ver­pflich­tet, die Lie­fe­run­gen neu­er Fahr­zeu­ge von der Steu­er zu be­frei­en, wenn die ma­te­ri­el­len Vor­aus­set­zun­gen, die in Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie ab­schlie­ßend auf­ge­zählt sind und die in den Rn. 42 und 43 des vor­lie­gen­den Ur­teils in Er­in­ne­rung ge­ru­fen wur­den, er­füllt sind.

[55]   Die Zu­las­sung des neu­en Fahr­zeugs im Be­stim­mungs­mit­glied­staat ge­hört al­ler­dings nicht zu die­sen Vor­aus­set­zun­gen.

[56]   Mit­hin kann die Steu­er­be­frei­ung im Lie­fer­mit­glied­staat nicht al­lein des­halb ver­wei­gert wer­den, weil die im Be­stim­mungs­mit­glied­staat er­teil­te Zu­las­sung, wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de tou­ris­ti­sche Zu­las­sung, ei­ne vor­über­ge­hen­de, für ei­nen Zeit­raum von zwölf Mo­na­ten er­teil­te Zu­las­sung ist.

[57]   So­weit die Kom­mis­si­on und die por­tu­gie­si­sche Re­gie­rung vor­tra­gen, die Er­tei­lung ei­ner sol­chen Zu­las­sung im Be­stim­mungs­mit­glied­s­tat er­lau­be es nicht, den Mit­glied­staat der end­gül­ti­gen Ver­wen­dung fest­zu­stel­len, ist, wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 55 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Er­tei­lung ei­ner sol­chen Zu­las­sung nicht au­to­ma­tisch be­deu­tet, dass sich der Ort der end­gül­ti­gen Ver­wen­dung nicht in die­sem Be­stim­mungs­mit­glied­staat be­fin­det. Wie dem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen zu ent­neh­men ist, kann die­se Zu­las­sung näm­lich für ei­nen re­la­tiv lan­gen Zeit­raum, im vor­lie­gen­den Fall zwölf Mo­na­te, er­teilt wer­den, der ver­län­gert wer­den oder auf den ei­ne or­dent­li­che Zu­las­sung fol­gen kann.

[58]   Aus Grün­den, die den in Rn. 51 des vor­lie­gen­den Ur­teils dar­ge­stell­ten ent­spre­chen, lässt sich die Schluss­fol­ge­rung in Rn. 56 des vor­lie­gen­den Ur­teils nicht da­durch in­fra­ge stel­len, dass die Mit­glied­staa­ten ge­mäß Art. 131 der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie die Be­din­gun­gen für Be­frei­un­gen zur Ge­währ­leis­tung ei­ner kor­rek­ten und ein­fa­chen An­wen­dung die­ser Be­frei­un­gen und zur Ver­hin­de­rung von Steu­er­hin­ter­zie­hung, Steu­er­um­ge­hung oder Miss­brauch fest­le­gen.

[59]   Im Licht der vor­ste­hen­den Er­wä­gun­gen ist auf die zwei­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie da­hin aus­zu­le­gen ist, dass die Be­frei­ung ei­ner Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs von der Steu­er im Lie­fer­mit­glied­staat nicht al­lein des­halb ver­wei­gert wer­den darf, weil die­ses Fahr­zeug Ge­gen­stand ei­ner nur vor­über­ge­hen­den Zu­las­sung im Be­stim­mungs­mit­glied­staat war.

Zur drit­ten Fra­ge

[60]   Mit sei­ner drit­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie dem ent­ge­gen­steht, dass der Ver­käu­fer ei­nes neu­en Fahr­zeugs, das vom Er­wer­ber in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat be­för­dert und in die­sem Mit­glied­staat vor­über­ge­hend zu­ge­las­sen wird, spä­ter ver­pflich­tet ist, die Mehr­wert­steu­er zu ent­rich­ten, wenn nicht be­wie­sen ist, dass die vor­über­ge­hen­de Zu­las­sung aus­ge­lau­fen ist und dass die Mehr­wert­steu­er im Be­stim­mungs­mit­glied­staat ent­rich­tet wur­de oder wird.

[61]   Hier­zu ist zu­nächst dar­an zu er­in­nern, dass, wie aus Rn. 50 des vor­lie­gen­den Ur­teils her­vor­geht, die Mit­glied­staa­ten, wenn sie die Be­din­gun­gen fest­le­gen, un­ter de­nen sie in­ner­ge­mein­schaft­li­che Lie­fe­run­gen nach Art. 131 der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie von der Steu­er be­frei­en, un­ter an­de­rem die Grund­sät­ze der Rechts­si­cher­heit, der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit und der Steu­er­neu­tra­li­tät be­ach­ten müs­sen.

[62]   So­dann hat der Ge­richts­hof ent­schie­den, dass der Ver­käu­fer den Be­weis er­brin­gen muss, dass die Vor­aus­set­zun­gen für die An­wen­dung der Be­frei­ung auf ei­ne in­ner­ge­mein­schaft­li­che Lie­fe­rung, ein­schließ­lich der von den Mit­glied­staa­ten auf­ge­stell­ten Be­din­gun­gen zur Ge­währ­leis­tung ei­ner kor­rek­ten und ein­fa­chen An­wen­dung der Be­frei­un­gen so­wie zur Ver­hü­tung von Steu­er­hin­ter­zie­hung, Steu­er­um­ge­hung und Miss­brauch, er­füllt sind (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10, EU:C:2012:592 Rn. 43 – VSTR – und die dort an­ge­führ­te Recht­spre­chung).

[63]   Schließ­lich wei­sen in­ner­ge­mein­schaft­li­che Um­sät­ze, die sich auf neue Fahr­zeu­ge be­zie­hen, ei­ne Be­son­der­heit da­hin auf, dass ins­be­son­de­re die auf die­sen Um­satz ent­fal­len­de Mehr­wert­steu­er auch von ei­ner nicht steu­er­pflich­ti­gen Pri­vat­per­son zu ent­rich­ten ist, für die die Er­klä­rungs- und Rech­nungs­le­gungs­pflich­ten nicht gel­ten, so­dass sich ei­ne spä­te­re Über­prü­fung die­ser Per­son als un­mög­lich er­weist, so­wie da­hin, dass die Pri­vat­per­son als End­ver­brau­cher selbst dann kei­nen Vor­steu­er­ab­zug gel­tend ma­chen kann, wenn ein er­wor­be­nes Fahr­zeug wei­ter­ver­kauft wird, und des­halb ein grö­ße­res In­ter­es­se dar­an hat, sich der Be­steue­rung zu ent­zie­hen, als ein Wirt­schafts­teil­neh­mer (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 42 und 43 – X.).

[64]   Dar­aus folgt, wie owrap">in Rn. 47 des vor­lie­gen­den Ur­teils in Er­in­ne­rung ge­ru­fen wur­de, dass für die Fra­ge, ob ein Um­satz, der sich auf ein neu­es Fahr­zeug be­zieht, als „in­ner­ge­mein­schaft­li­cher Er­werb“ ein­zu­stu­fen ist, ei­ne um­fas­sen­de Be­ur­tei­lung al­ler ob­jek­ti­ven tat­säch­li­chen Um­stän­de vor­zu­neh­men ist, die für die Fest­stel­lung maß­ge­bend sind, ob der er­wor­be­ne Ge­gen­stand das Ge­biet des Lie­fer­mit­glied­staats tat­säch­lich ver­las­sen hat und, wenn ja, in wel­chem Mit­glied­staat sein End­ver­brauch statt­fin­den wird.

[65]   Legt der Ver­käu­fer Un­ter­la­gen vor, mit de­nen die Be­för­de­rung oder der Ver­sand des neu­en Fahr­zeugs durch den Er­wer­ber in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat so­wie die, wenn auch nur vor­über­ge­hen­de, Zu­las­sung des Fahr­zeugs und des­sen Ver­wen­dung in die­sem Mit­glied­staat nach­ge­wie­sen wer­den sol­len, kann der Ver­käu­fer nicht ver­pflich­tet sein, den schlüs­si­gen Be­weis zu er­brin­gen, dass die­ses Fahr­zeug im Be­stim­mungs­mit­glied­staat ei­ner end­gül­ti­gen Ver­wen­dung zu­ge­führt wor­den und die tou­ris­ti­sche Zu­las­sung, ge­ge­be­nen­falls nach Zah­lung der Mehr­wert­steu­er in die­sem letz­te­ren Mit­glied­staat, aus­ge­lau­fen ist.

[66]   Zum ei­nen hängt näm­lich un­ter sol­chen Um­stän­den der Nach­weis der phy­si­schen Ver­brin­gung die­ses neu­en Fahr­zeugs an den Ort sei­ner end­gül­ti­gen Ver­wen­dung, den der Ver­käu­fer den Steu­er­be­hör­den vor­le­gen kann, we­sent­lich von den An­ga­ben ab, die er zu die­sem Zweck vom Er­wer­ber er­hält (vgl. ent­spre­chend EuGH, Urt. v. 16.12.2010 – C-430/09, EU:C:2010:786 Rn. 37 – Eu­ro Ty­re Hol­ding).

[67]   Zum an­de­ren kann nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs vom Ver­käu­fer nicht ver­langt wer­den, Be­wei­se für die Be­steue­rung des in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Er­werbs der in Re­de ste­hen­den Ge­gen­stän­de vor­zu­le­gen, um in den Ge­nuss der Steu­er­be­frei­ung der ent­spre­chen­den Lie­fe­rung zu ge­lan­gen (EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10, EU:C:2012:592 Rn. 55 – VSTR). Den An­spruch auf Steu­er­be­frei­ung da­von ab­hän­gig zu ma­chen, dass der Mit­glied­staat der end­gül­ti­gen Ver­wen­dung des neu­en Fahr­zeugs im Vor­hin­ein be­stimmt ist, lie­fe in­des ge­nau auf die Auf­er­le­gung ei­ner sol­chen Ver­pflich­tung hin­aus. Dies könn­te näm­lich die Be­weis­last für die Er­tei­lung ei­ner dau­er­haf­ten Zu­las­sung, die, ge­ge­be­nen­falls nach Zah­lung der Mehr­wert­steu­er durch den Er­wer­ber, er­fol­gen könn­te, auf den Ver­käu­fer ver­la­gern.

[68]   Da­her wür­de ei­ne Ver­pflich­tung wie die in Rn. 65 des vor­lie­gen­den Ur­teils nicht zu ei­ner kor­rek­ten und ein­fa­chen An­wen­dung der Be­frei­un­gen füh­ren.

[69]   Im Licht der vor­ste­hen­den Er­wä­gun­gen ist auf die drit­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie dem ent­ge­gen­steht, dass der Ver­käu­fer ei­nes neu­en Fahr­zeugs, das vom Er­wer­ber in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat be­för­dert und in die­sem Mit­glied­staat zu­ge­las­sen wird, spä­ter ver­pflich­tet ist, die Mehr­wert­steu­er zu ent­rich­ten, wenn nicht be­wie­sen ist, dass die vor­über­ge­hen­de Zu­las­sung aus­ge­lau­fen ist und dass die Mehr­wert­steu­er im Be­stim­mungs­mit­glied­staat ent­rich­tet wur­de oder wird.

Zur vier­ten Fra­ge

[70]   Mit sei­ner vier­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie so­wie die Grund­sät­ze der Rechts­si­cher­heit, der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit und des Ver­trau­ens­schut­zes dem ent­ge­gen­ste­hen, dass der Ver­käu­fer ei­nes neu­en Fahr­zeugs, das vom Er­wer­ber in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat be­för­dert und in die­sem Mit­glied­staat vor­über­ge­hend zu­ge­las­sen wird, spä­ter ver­pflich­tet ist, die Mehr­wert­steu­er zu ent­rich­ten, wenn der Er­wer­ber un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Um­stän­de des Ver­kaufs ei­nen Steu­er­be­trug be­gan­gen ha­ben könn­te, oh­ne dass die Be­tei­li­gung des Ver­käu­fers an die­sem Steu­er­be­trug nach­ge­wie­sen ist.

[71]   In­so­weit ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass es nicht ge­gen das Uni­ons­recht ver­stößt, von ei­nem Wirt­schafts­teil­neh­mer zu for­dern, dass er in gu­tem Glau­ben han­delt und al­le Maß­nah­men er­greift, die ver­nünf­ti­ger­wei­se ver­langt wer­den kön­nen, um si­cher­zu­stel­len, dass der von ihm ge­tä­tig­te Um­satz nicht zu sei­ner Be­tei­li­gung an ei­nem Steu­er­be­trug führt (EuGH, Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11, EU:C:2012:547 Rn. 48 – Mec­sek-Gabo­naund – die dort an­ge­führ­te Recht­spre­chung). Soll­te der be­tref­fen­de Steu­er­pflich­ti­ge ge­wusst ha­ben oder hät­te er wis­sen müs­sen, dass der von ihm be­wirk­te Um­satz mit ei­nem Steu­er­be­trug des Er­wer­bers ver­knüpft war, und hat er nicht al­le ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­den zu­mut­ba­ren Maß­nah­men er­grif­fen, um die­sen zu ver­hin­dern, müss­te ihm der An­spruch auf Steu­er­be­frei­ung ver­sagt wer­den (EuGH, Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11, EU:C:2012:547 Rn. 54 – Mec­sek-Gabo­naund).

[72]   Es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts, auf der Grund­la­ge ei­ner um­fas­sen­den Be­ur­tei­lung al­ler Ge­sichts­punk­te und tat­säch­li­chen Um­stän­de des Aus­gangs­ver­fah­rens zu prü­fen, ob San­to­gal in gu­tem Glau­ben ge­han­delt und al­le Maß­nah­men er­grif­fen hat, die von ihr ver­nünf­ti­ger­wei­se ver­langt wer­den konn­ten, um si­cher­zu­stel­len, dass sie sich auf­grund des be­wirk­ten Um­sat­zes nicht an ei­nem Steu­er­be­trug be­tei­ligt hat (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11, EU:C:2012:547 Rn. 53 – Mec­sek-Gabo­na). Nichts­des­to­trotz kann der Ge­richts­hof dem Ge­richt al­le Aus­le­gungs­hin­wei­se zum Uni­ons­recht ge­ben, die ihm von Nut­zen sein kön­nen.

[73]   Da­her ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sich der Ver­käu­fer bei ei­nem Ge­schäft, das mit der Be­wir­kung ei­nes in­ner­ge­mein­schaft­li­chen Um­sat­zes, der sich auf ein neu­es Fahr­zeug be­zieht, ver­knüpft ist, nicht nur auf die vom Er­wer­ber ge­äu­ßer­te Ab­sicht ver­las­sen darf, den Ge­gen­stand in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat zu be­för­dern, um ihn dort end­gül­tig zu ver­brau­chen. Viel­mehr muss sich der Ver­käu­fer, wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 63 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, ver­ge­wis­sern, dass die vom Er­wer­ber ge­äu­ßer­te Ab­sicht durch ob­jek­ti­ve Ele­men­te ge­stützt wird (vgl. ent­spre­chend EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 47 – X.).

[74]   Es ist fest­zu­stel­len, dass un­ter Be­rück­sich­ti­gung der vom Er­wer­ber zum Zeit­punkt des Ver­kaufs ge­mach­ten An­ga­ben ver­nünf­ti­ger­wei­se da­von aus­ge­gan­gen wer­den konn­te, dass die­ser Er­wer­ber in Spa­ni­en wohn­haft war und dass er die not­wen­di­gen Schrit­te un­ter­nom­men hat­te, um das im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Fahr­zeug, wenn auch im Rah­men ei­ner spe­zi­el­len Zu­las­sungs­re­ge­lung, dort zu ver­wen­den. Es ist je­doch Sa­che des Ge­richts zu prü­fen, ob San­to­gal die er­for­der­li­che Sorg­falt hat wal­ten las­sen, um si­cher­zu­stel­len, dass sie sich auf­grund des be­wirk­ten Um­sat­zes nicht an ei­nem Steu­er­be­trug be­tei­ligt hat­te. In­so­weit ist hin­zu­zu­fü­gen, dass San­to­gal ei­ne er­höh­te Sorg­falt wal­ten las­sen muss­te, zum ei­nen an­ge­sichts des Wer­tes des frag­li­chen Fahr­zeugs und zum an­de­ren des­halb, weil ei­ne Pri­vat­per­son beim Er­werb ei­nes neu­en Fahr­zeugs selbst dann kei­nen Vor­steu­er­ab­zug be­an­spru­chen kann, wenn ein er­wor­be­nes Fahr­zeug wei­ter­ver­kauft wird, und da­her ein grö­ße­res In­ter­es­se dar­an hat, sich der Be­steue­rung zu ent­zie­hen, als ein Wirt­schafts­teil­neh­mer (EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 Rn. 43 – X.). Dar­über hin­aus ist im Rah­men der Be­ur­tei­lung, die durch­zu­füh­ren Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts ist, ins­be­son­de­re zu prü­fen, ob San­to­gal an­ge­sichts der An­ga­ben, über die sie ver­füg­te oder ver­fü­gen konn­te, wis­sen konn­te, dass die vor­über­ge­hen­de Zu­las­sung nur für nicht An­säs­si­ge be­stimmt war und dass der Er­wer­ber meh­re­re An­schrif­ten in Spa­ni­en an­ge­ge­ben hat­te, was Zwei­fel hin­sicht­lich sei­nes tat­säch­li­chen Wohn­sit­zes auf­kom­men las­sen konn­te.

[75]   Ne­ben dem Ver­hal­ten des Ver­käu­fers ist auch das der por­tu­gie­si­schen Be­hör­den zu be­rück­sich­ti­gen. Für den Fall, dass San­to­gal die Un­ter­la­gen zwecks In­an­spruch­nah­me der Steu­er­be­frei­ung des frag­li­chen Um­sat­zes vor­ge­legt hat und die­se Un­ter­la­gen durch die zu­stän­di­ge Be­hör­de ge­prüft und ak­zep­tiert wur­den – was zu prü­fen Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts ist –, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Grund­satz der Rechts­si­cher­heit es ver­wehrt, dass ein Mit­glied­staat, der die vom Ver­käu­fer als Nach­wei­se für den An­spruch auf Steu­er­be­frei­ung vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen zu­nächst ak­zep­tiert hat, die­sen Ver­käu­fer spä­ter we­gen ei­nes vom Er­wer­ber be­gan­ge­nen Steu­er­be­trugs, von dem der Ver­käu­fer we­der Kennt­nis hat­te noch ha­ben konn­te, zur Zah­lung der auf die­se Lie­fe­rung ent­fal­len­den Mehr­wert­steu­er ver­pflich­ten kann (vgl. ent­spre­chend EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-409/04, EU:C:2007:548 Rn. 50 – Te­le­os u. a.).

[76]   So­weit sich das vor­le­gen­de Ge­richt auf den Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes be­zieht, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sich nach stän­di­ger Recht­spre­chung je­der auf die­sen Grund­satz be­ru­fen kann, bei dem ei­ne Ver­wal­tungs­be­hör­de auf­grund be­stimm­ter Zu­si­che­run­gen, die sie ihm ge­ge­ben hat, be­grün­de­te Er­war­tun­gen ge­weckt hat (EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-183/14, EU:C:2015:454 Rn. 44 – Sa­lo­mie und Ol­te­an – und die dort an­ge­führ­te Recht­spre­chung). Ein Steu­er­pflich­ti­ger kann sich je­doch nicht auf ein be­rech­tig­tes Ver­trau­en in die Auf­recht­er­hal­tung ei­ner Si­tua­ti­on be­ru­fen, die durch Steu­er­be­trug ge­kenn­zeich­net ist (vgl. ent­spre­chend EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-487/01 und C-7/02, EU:C:2004:263 Rn. 77 – Ge­me­en­te Leus­den und Ho­lin Gro­ep).

[77]   Nach al­le­dem ist auf die vier­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 138 II lit. a der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie so­wie die Grund­sät­ze der Rechts­si­cher­heit, der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit und des Ver­trau­ens­schut­zes dem ent­ge­gen­ste­hen, dass der Ver­käu­fer ei­nes neu­en Fahr­zeugs, das vom Er­wer­ber in ei­nen an­de­ren Mit­glied­staat be­för­dert und in die­sem Mit­glied­staat vor­über­ge­hend zu­ge­las­sen wird, im Fall ei­nes vom Er­wer­ber be­gan­ge­nen Steu­er­be­trugs spä­ter ver­pflich­tet ist, die Mehr­wert­steu­er zu ent­rich­ten, so­fern nicht an­hand ob­jek­ti­ver Ele­men­te be­wie­sen ist, dass die­ser Ver­käu­fer wuss­te oder hät­te wis­sen müs­sen, dass der Um­satz mit ei­nem Steu­er­be­trug des Er­wer­bers ver­knüpft war, und dass er nicht al­le ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­den zu­mut­ba­ren Maß­nah­men er­grif­fen hat, um sei­ne Be­tei­li­gung an die­sem Steu­er­be­trug zu ver­hin­dern. Es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts zu prü­fen, ob dies auf der Grund­la­ge ei­ner um­fas­sen­den Be­ur­tei­lung al­ler Ge­sichts­punk­te und tat­säch­li­chen Um­stän­de des Aus­gangs­ver­fah­rens der Fall ist.

Hin­weis zum por­tu­gie­si­schen Recht:

Mit dem Re­gime do IVA nas Tran­sações In­tra­co­mu­nitárias (Mehr­wert­steu­er­re­ge­lung für in­ner­ge­mein­schaft­li­che Um­sät­ze, im Fol­gen­den: RI­TI) wer­den die in der Mehr­wert­steu­er­richt­li­nie ent­hal­te­nen Be­stim­mun­gen über in­ner­ge­mein­schaft­li­che Um­sät­ze in das por­tu­gie­si­sche Recht um­ge­setzt. Ge­mäß Art. 14 lit. b i. V. mit Art. 1 lit. e RI­TI sind ent­gelt­li­che Lie­fe­run­gen neu­er Fahr­zeu­ge durch jed­we­de Per­son, die durch den Ver­käu­fer, den Er­wer­ber oder für de­ren Rech­nung aus dem In­land an ei­nen Er­wer­ber mit Sitz oder Wohn­sitz in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ver­sandt oder be­för­dert wer­den, von der Mehr­wert­steu­er be­freit.

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