1. Schiebt ein Kfz-Händler beim Verkauf Gebrauchtwagens an einen Verbraucher einen Verbraucher als Verkäufer vor, um das Fahrzeug unter Ausschluss der Haftung für Mängel zu verkaufen, dann muss er sich gemäß § 475 I 2 BGB so behandeln lassen, als hätte er selbst das Fahrzeug verkauft. Dementsprechend ist der vereinbarte Gewährleistungsausschluss unwirksam (§ 475 I 1 BGB) und kann der Käufer wegen Mängeln des Fahrzeugs den Händler – und nicht den Strohmann – in Anspruch nehmen.
  2. Ein Umgehungsgeschäft i. S. von § 475 I 2 BGB liegt vor, wenn in den Geschäftsräumen eines Kfz-Händlers ein Kaufvertrag über einen auf dem Betriebsgelände des Händlers stehenden und von diesem beworbenen Gebrauchtwagen geschlossen wird und als Verkäufer ein Verbraucher in Erscheinung tritt, der weder als Halter im Fahrzeugbrief eingetragen noch Vertragspartner des Kfz-Haftpflichtversicherers ist.

OLG Celle, Urteil vom 15.11.2006 – 7 U 176/05

Sachverhalt: Der Kläger erwarb mit schriftlichem Kaufvertrag vom 17.08.2004 für 6.200 € einen im Juni 1993 erstzugelassenen Pkw Audi S2. Der Kaufvertrag weist als Verkäufer einen V aus; dieser hat den Vertrag auch unterschrieben.

Der Kläger hat den Beklagten auf Rückabwicklung des Kaufvertrags in Anspruch genommen und behauptet, der Beklagte, der gewerblicher Kfz-Händler sei, habe den Audi S2 im Internet zum Kauf angeboten, und das Fahrzeug habe auf dem Betriebsgelände des Beklagten gestanden. Er, der Kläger, habe über den Kauf des Pkw nur mit dem Beklagten verhandelt, und dieser habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass er das Fahrzeug für einen Dritten verkaufe. Der Audi S2 weise erhebliche Mängel, unter anderem einen Unfallschaden, auf, die der Beklagte nicht offenbart habe.

Der Beklagte hat seine Passivlegitimation in Abrede gestellt. Er hat behauptet, er habe den Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nicht der Verkäufer des Audi S2 sei. Der Kläger habe mehrfach direkt mit V verhandelt und mit diesem auch eine Reduzierung des Kaufpreises vereinbart. Mithin sei dem Kläger klar gewesen, dass er das Fahrzeug nicht von ihm, dem Beklagten, sondern von V erwerbe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Beklagte nicht passivlegitimiert sei (LG Hannover, Urt. v. 13.05.2005 – 8 O 302/04). Unstreitig sei im schriftlichen Kaufvertrag vom 17.08.2004 der Zeuge V als Verkäufer benannt, und dieser habe den Vertrag auch unterschrieben. Der Vertrag habe die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich, die der Kläger nicht widerlegt habe.

Der Zeuge V habe in diesem Zusammenhang bekundet, dass er den Audi S2 zwar bei dem Beklagten abgestellt und dieser im Internet auch ein Verkaufsinserat für das Fahrzeug geschaltet habe. Der Beklagte habe dem Kläger aber mehrfach telefonisch erklärt, dass er nicht Verkäufer des Fahrzeugs sei, und den Hörer an ihn, V, weitergereicht, wenn er sich zufällig im Büro des Beklagten aufgehalten habe. Der Kläger habe dann auch ihm, V, gegenüber einen Preisnachlass gewünscht, nachdem er bei einer Probefahrt mit dem Pkw verschiedene Mängel festgestellt hatte, und man habe sich schließlich auf einen Verkaufspreis von 6.200 € geeinigt. Er, V, habe den Kaufvertrag blanko unterschrieben; die Eintragungen habe der Beklagte vorgenommen.

Aufgrund dieser Aussage des Zeugen V – so hat das Landgericht ausgeführt – stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger den Kaufvertrag mit dem Zeugen V und nicht mit dem Beklagten geschlossen habe.

Der Vernehmung des vom Kläger benannten Zeugen Z habe es nicht bedurft. Denn in das Wissen des Z sei lediglich gestellt worden, dass der Beklagte nicht darauf hingewiesen habe, dass er lediglich Vertreter des V sei. Ein entsprechender ausdrücklicher Hinweis sei aber in dem Gespräch, das der Beklagte mit dem Kläger anlässlich der Probefahrt geführt und an dem auch Z teilgenommen habe, nicht erforderlich gewesen. Der Kläger sei nämlich bereits zuvor telefonisch von V darüber aufgeklärt worden, dass nicht der Beklagte, sondern V Verkäufer des Audi S2 sei.

Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hat einen gegen den Beklagten gerichteten Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des Kaufvertrags bejaht. Es hat aber eine von dem Kläger zu entrichtende Nutzungsentschädigung in Höhe von 2.399,88 € berücksichtigt und dem Kläger deshalb einen Zahlungsanspruch in Höhe von (6.200 € − 2.399,88 € =) 3.800,12 € nebst Zinsen zugesprochen.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1, § 323 BGB zu. Der Beklagte ist passivlegitimiert. Der Pkw war zum Zeitpunkt der Übergabe mit erheblichen Mängeln behaftet.

1. Der Kaufvertrag ist mit dem Beklagten zustande gekommen. Bei dem Kaufvertrag hat es sich um ein Umgehungsgeschäft des Beklagten gemäß § 475 I 2 BGB mit der Folge gehandelt, dass der Beklagte selbst als Vertragspartner anzusehen ist.

a) Eine Umgehung liegt vor, wenn eine vom Gesetz verbotene Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere rechtliche Gestaltung erreicht werden soll, die objektiv nur den Sinn haben kann, das gesetzliche Verbot zu unterlaufen. Im Fall des § 475 BGB gilt dies insbesondere dann, wenn die Haftung des Verkäufers ohne wirtschaftlichen Grund verringert oder ausgeschlossen wird. Eine Umgehungsabsicht ist nicht erforderlich (OLG Saarbrücken, Urt. v. 04.01.2006 – 1 U 99/05 – 34, MDR 2006, 1108; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 1134 m. w. Nachw.; Palandt/Putzo, BGB, 65. Aufl., § 475 Rn. 6). So liegt der Fall hier.

aa) Der Zeuge V hat sich als Hausmann bezeichnet und ausgesagt, er selbst sei nie im Kfz-Brief eingetragen gewesen, und das streitgegenständliche Fahrzeug sei, solange es gefahren worden sei, bei dem Voreigentümer E versichert gewesen. Auch wenn der Zeuge entsprechend der Behauptung des Beklagten telefonisch mit dem Kläger verhandelt haben sollte, ist der Senat nach den eigenen Angaben des Zeugen – der im Übrigen mit dem Wagen nur wenige Tage gefahren sein will – der Überzeugung, dass er Strohmann für den Beklagten war, da dieser der Gewährleistungshaftung entgehen wollte. Die Hinweise des Beklagten am Telefon, er sei nicht der Eigentümer, finden in der im Internet veröffentlichten Verkaufsanzeige keine Stütze und vermögen ihm im Übrigen nicht weiterzuhelfen.

bb) Einer erneuten Vernehmung des Zeugen bedurfte es dabei nicht. Das Berufungsgericht darf gemäß § 398 ZPO auch ohne erneute Beweisaufnahme eine von einem Zeugen bekundete (Willens-)Erklärung jedenfalls dann anders als der Erstrichter auslegen, wenn deren objektiver Erklärungswert vom Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) aus zu ermitteln ist und das Berufungsgericht bei der der Auslegung vorausgehenden Feststellung des Erklärungstatbestands von demselben Beweisergebnis ausgeht wie der Vorderrichter, sich bei der abweichenden Würdigung also auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (BGH, Urt. v. 08.09.1997 – II ZR 55/96, NJW 1998, 384, 385; Urt. v. 10.03.1998 – VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222, 2223). Dies ist hier der Fall.

cc) Das Umgehungsgeschäft ist nicht nichtig, da die vereinbarten Rechtsfolgen ernstlich gewollt sind. Gleiches gilt bei einem Strohmanngeschäft (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 117 Rn. 5f).

b) Folge der Umgehung ist, dass der Beklagte als Vertragspartner zu betrachten ist und dieser sich als gewerbsmäßiger Händler nicht auf die anderweitige Vertragsgestaltung berufen kann, sondern die nach dem Gesetz vorgesehene Haftung zu übernehmen hat (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 04.01.2006 – 1 U 99/05 – 34, MDR 2006, 1108; Palandt/Putzo, a. a. O., § 475 Rn. 8; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1140). Der Senat macht sich diese – aus § 475 I 2 BGB folgende – Auffassung ausdrücklich zu eigen.

c) Der Beklagte kann aus der von ihm zitierten Entscheidung des BGH vom 26.01.2005 – VIII ZR 175/04, NJW 2005, 1039 – nichts herleiten. Der BGH hat dort unter anderem ausgeführt, dass nach einer im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung im Einzelfall eine Umgehung des für den Verbrauchsgüterkauf bezweckten Verbraucherschutzes anzunehmen sei, wenn das Agenturgeschäft missbräuchlich dazu eingesetzt werde, ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Unternehmers zu verschleiern. Nach Auffassung des Senats komme dabei entscheidende Bedeutung der Frage zu, wie bei wirtschaftlicher Betrachtung die Chancen und Risiken des Gebrauchtwagenverkaufs zwischen dem bisherigen Eigentümer des Fahrzeugs und dem Fahrzeughändler verteilt sind. Dem Fall lag unter anderem zugrunde, dass der aus dem Kaufvertrag ersichtliche Verkäufer zugleich ein anderes Fahrzeug bei dem Beklagten erworben hatte. Der hier zu entscheidende Sachverhalt ist anders gelagert. Aufgrund der fehlenden Voreintragung des aus dem Kaufvertrag ersichtlichen Verkäufers im Kfz-Schein und der im Zeitpunkt des Verkaufs weiterhin bestehenden Versicherung bei dem Voreigentümer sind genügend Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es sich um ein Umgehungsgeschäft handelt.

2. Das Fahrzeug war zum Zeitpunkt der Übergabe mit Mängeln behaftet.

a) Nach dem Gutachten des Sachverständigen – zu dem die Parteien keine Stellungnahme abgegeben haben – liegt bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug sowohl hinten rechts als auch frontal ein Unfallschaden vor, der über einen kleineren Blechschaden hinausgeht. Diese Schäden sind nicht sach- und fachgerecht repariert worden.

b) aa) Ferner ergibt sich aus der Aussage des Zeugen W, dass bereits bei der ersten Untersuchung in seiner Werkstatt eine defekte Benzinleitung vorhanden war. Der Zeuge W hat ausweislich seiner schriftlichen Auskunft – gegen deren Verwertung als Urkundenbeweis (vgl. hierzu Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 377 Rn. 11) die Parteien auf Anfrage des Senats keine Einwendungen erhoben haben – mitgeteilt, er könne sich im Zusammenhang mit den Angaben „dunkler Audi“ und „Schaden in der Benzinleitung“ an einen I (der Kläger heißt mit Vornamen I) mit einem dunklen Audi und an eine defekte Benzinleitung erinnern, allerdings nicht an die Ursache dieses Schadens. Auf die genaue Ursache kommt es aber nicht an, zumal der Beklagte nicht behauptet, das Leck in der Benzinleitung sei nach Übergabe des Fahrzeugs entstanden.

Die Mitteilung des Sachverständigen, angesichts der Notreparatur könne er nichts zum damaligen Zustand der Benzinleitung (rostbedingtes Leck?) feststellen, steht der Annahme eines Mangels nicht entgegen.

bb) Der Beklagte hat hingegen seine Behauptung nicht bewiesen, mit einem Leck in der Benzinleitung habe der Kläger nicht von B. bis M. fahren können. Der Sachverständige konnte mangels näherer Anhaltspunkte zum Umfang des Verlusts des Benzins nicht ausschließen, dass der Kläger mit dem Leck von B. bis M. fahren konnte.

3. Der Kläger muss sich allerdings gemäß § 346 I, II Nr. 1 BGB eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer von insgesamt 2.399,88 € auf den Kaufpreis von 6.200 € anrechnen lassen. Es verbleibt ein vom Beklagten zu zahlender Betrag von 3.800,12 €.

Der Kläger ist seit Übergabe des Fahrzeugs 34.284 km gefahren. Der Senat legt eine Nutzungsentschädigung von 0,07 € pro gefahrenem Kilometer zugrunde. Hierfür war ausschlaggebend, dass für Fahrzeuge der Oberklasse – der streitgegenständliche Pkw ist ausweislich der Schwacke-Liste von Juli 1997 für das Jahr der Erstzulassung 1993 mit einem Neupreis von 80.950 DM angegeben – normalerweise eine Nutzungsentschädigung von 0,10 € pro Kilometer in Ansatz gebracht wird. Allerdings ist zu beachten, dass das streitgegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe bereits elf Jahre alt war und einen hohen Kilometerstand von 238.000 km aufwies. Eine Minderung auf 0,07 € war unter Anwendung des § 287 ZPO jedoch erforderlich, um den bislang erfolgten Reparaturaufwand des Beklagten und die lediglich eingeschränkte Nutzbarkeit des Fahrzeugs angemessen berücksichtigen zu können.

4. Der Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß § 293 BGB im Annahmeverzug. Er ist mit Schreiben vom 09.09.2004 zur Abholung des Fahrzeugs binnen einer bestimmten Frist aufgefordert worden. Die Reaktion des Beklagten bestand darin, seine Stellung als Vertragspartner zu negieren.

5. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus den §§ 280 I und II, 286, 288 I BGB, ist jedoch erst seit dem 16.09.2004 – nicht seit dem 11.09.2004 – begründet. Dem Beklagten ist mit dem Schreiben vom 09.09.2004 eine Frist zur Zahlung bis zum 15.09.2004 gesetzt worden. …

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