Die Au­di-Neu­wa­gen­ga­ran­tie ver­pflich­tet nur die AU­DI AG als Fahr­zeug­her­stel­le­rin, aber nicht ih­re Ser­vice­part­ner. Der Käu­fer ei­nes Neu­wa­gens, der vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen ist, kann des­halb von ei­nem Au­di-Ser­vice­part­ner un­ter Be­ru­fung auf die Neu­wa­gen­ga­ran­tie we­der die Be­sei­ti­gung des sei­nem Fahr­zeug mög­li­cher­wei­se an­haf­ten­den Man­gels noch die Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs ver­lan­gen.

LG Braun­schweig, Ur­teil vom 24.05.2016 – 8 O 129/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ist Ei­gen­tü­mer ei­nes Au­di Q3. Das Fahr­zeug ver­fügt über ei­nen Die­sel­mo­tor mit der Be­zeich­nung „VW EA189“ und ist vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen. Die Be­klag­te ist ei­ne Au­di-Ser­vice­part­ne­rin; sie hat dem Klä­ger je­doch nicht das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ver­kauft.

Der Klä­ger macht ge­gen die Be­klag­te Rech­te aus ei­ner „Neu­wa­gen­ga­ran­tie der AU­DI AG“ gel­tend. In den Ga­ran­tie­be­din­gun­gen ist un­ter an­de­rem Fol­gen­des ge­re­gelt:

„1. Au­di ge­währt bei Kauf ei­nes Neu­fahr­zeugs zwei Jah­re Ga­ran­tie. Au­di ga­ran­tiert, dass die­ses Fahr­zeug frei von Män­geln in Werk­stoff und Werk­ar­beit ist …

4. Bei Vor­lie­gen ei­nes Man­gels, der un­ter die­se Ga­ran­tie fällt, kann Au­di nach ei­ge­ner Wahl den Man­gel durch ei­nen au­to­ri­sier­ten Part­ner be­sei­ti­gen las­sen (Nach­bes­se­rung) oder ein neu­es Fahr­zeug lie­fern. Im Fall der Nach­bes­se­rung kann Au­di nach ei­ge­nem Er­mes­sen das man­gel­haf­te Teil ent­we­der in­stand set­zen oder aus­tau­schen.

5. Für die Ab­wick­lung der un­ter Zif­fer 4 ge­nann­ten Rech­te gilt Fol­gen­des:

a) An­sprü­che aus der Ga­ran­tie kön­nen aus­schließ­lich bei au­to­ri­sier­ten Au­di-Ser­vice­part­nern in den EWR so­wie in der Schweiz gel­tend ge­macht wer­den …
f) … Die Rück­nah­me des man­gel­haf­ten Fahr­zeugs so­wie die Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs er­fol­gen aus­schließ­lich in dem Händ­ler­be­trieb des­je­ni­gen au­to­ri­sier­ten Au­di-Part­ners, der das zu­rück­ge­ge­be­ne Neu­fahr­zeug ver­kauft bzw. erst­ma­lig zu­ge­las­sen hat …

10. Durch die vor­lie­gen­de Ga­ran­tie wer­den die ge­setz­li­chen Rech­te, ins­be­son­de­re Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che ge­gen­über dem Ver­käu­fer des Fahr­zeugs und mög­li­che An­sprü­che aus dem Pro­dukt­haf­tungs­ge­setz ge­gen die AU­DI AG als Her­stel­ler, nicht be­schränkt.“

Der Klä­ger meint, dass das feh­ler­haf­te Emis­si­ons­ver­hal­ten sei­nes Fahr­zeugs ei­nen Man­gel im Sin­ne der Au­di-Neu­wa­gen­ga­ran­tie dar­stel­le und er die Be­klag­te als Au­di-Ser­vice­part­ne­rin di­rekt aus die­ser Ga­ran­tie in An­spruch neh­men kön­ne.

Er hat die Be­klag­te des­halb un­ter Vor­la­ge des Ser­vice­plans und un­ter Be­ru­fung auf die Au­di-Neu­wa­gen­ga­ran­tie mit Schrei­ben vom 30.10.2015 auf­ge­for­dert, ihm Zug um Zug ge­gen Rück­nah­me sei­nes Fahr­zeugs und Zah­lung ei­ner an­ge­mes­se­nen Nut­zungs­ent­schä­di­gung ei­nen man­gel­frei­en Au­di Q3 mit glei­cher Aus­stat­tung zu lie­fern. Hilfs­wei­se hat der Klä­ger von der Be­klag­ten ver­langt, den sei­nem Fahr­zeug an­haf­ten­den Man­gel voll­stän­dig und un­ter Aus­schluss sämt­li­cher Fol­ge­män­gel (z. B. hö­he­rer Kraft­stoff­ver­brauch) zu be­sei­ti­gen. Die Be­klag­te hat dar­auf nicht re­agiert.

Die AU­DI AG hat den Klä­ger im Fe­bru­ar 2016 – nach Zu­stel­lung der vor­lie­gen­den Kla­ge an die Be­klag­te – an­ge­schrie­ben und ihm mit­ge­teilt, dass sein Fahr­zeug von ei­ner Rück­ruf­ak­ti­on be­trof­fen sei, an de­ren Or­ga­ni­sa­ti­on mit Hoch­druck ge­ar­bei­tet wer­de. Der Klä­ger wer­de ge­son­dert auf­ge­for­dert wer­den, ei­nen Ter­min mit ei­nem au­to­ri­sier­ten Au­di-Part­ner zu ver­ein­ba­ren, wo­bei die AU­DI AG selbst­ver­ständ­lich die Kos­ten für al­le not­wen­di­gen ln­stand­set­zungs­maß­nah­men über­neh­men wer­de.

Die Be­klag­te meint, dass dem Klä­ger mit Blick auf die­ses Schrei­ben das Rechts­schutz­be­dürf­nis feh­le, weil er sein Be­geh­ren – die Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs oder ei­ne Man­gel­be­sei­ti­gung – auf ein­fa­che­rem We­ge er­rei­chen kön­ne. Im Üb­ri­gen be­strei­tet die Be­klag­te ih­re Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on und meint, dass An­sprü­che aus der Au­di-Neu­wa­gen­ga­ran­tie nur ge­gen die AU­DI AG und nicht ge­gen ei­nen Händ­ler be­stün­den.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Kla­ge ist zu­läs­sig. Ins­be­son­de­re ist der Klä­ger rechts­schutz­be­dü­ri­tig.

Das Rechts­schutz­be­dü­ri­nis fehlt nur bei ob­jek­tiv sinn­lo­sen Kla­gen, das heißt et­wa dann, wenn der Klä­ger kein schutz­wür­di­ges In­ter­es­se an dem be­gehr­ten Ur­teil ha­ben kann (Zöl­ler/Gre­ger, ZPO, 31. Aufl. [2016], vor § 253 Rn. 18). Dies ist vor­lie­gend nicht der Fall. Die Be­reit­schaft ei­nes Drit­ten, nicht am Rechts­streit Be­tei­lig­ten, hier der AU­DI AG, dem Be­geh­ren des Klä­gers nach­zu­kom­men, kann nicht da­zu füh­ren, dem Klä­ger ein schutz­wür­di­ges In­ter­es­se dar­an ab­zu­spre­chen, ge­ra­de die Be­klag­te zur Leis­tung ver­ur­teilt zu se­hen. Auf die­ser Ebe­ne kann der Klä­ger mit sei­nem Ar­gu­ment ge­hört wer­den, es sei ihm nicht zu­zu­mu­ten, dass die AU­DI AG mit der Be­sei­ti­gung des Man­gels mög­li­cher­wei­se ei­ne weit ent­fern­te Ver­trags­werk­statt, de­ren Auf­su­chen dem Klä­ger Un­an­nehm­lich­kei­ten be­rei­te­te, be­traue.

Die Kla­ge ist je­doch un­be­grün­det.

Ge­gen die Be­klag­te ste­hen dem Klä­ger kei­ne An­sprü­che zu.

Es kann da­hin­ste­hen, ob das feh­ler­haf­te Emis­si­ons­ver­hal­ten des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeu­ges ei­nen Man­gel im Sin­ne der Au­di-Neu­wa­gen­ga­ran­tie dar­stellt. Denn die Be­klag­te wird aus der Her­stel­ler­ga­ran­tie nicht ver­pflich­tet.

Die strei­ti­ge Ga­ran­tie­ver­ein­ba­rung ist un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Treu und Glau­ben nach dem ob­jek­ti­ven Emp­fän­ger­ho­ri­zont und mit Rück­sicht auf die Ver­kehrs­sit­te aus­zu­le­gen (§§ 133, 157 BGB; BGH, Urt. v. 29.01.2003 – VI­II ZR 300/02, NJW-RR 2003, 926 [927]). Die­se Aus­le­gung er­gibt, dass Ver­trags­part­ner des Klä­gers aus der Au­di-Neu­wa­gen­ga­ran­tie al­lein die AU­DI AG, nicht aber die Be­klag­te ist.

Da­für spricht schon die Über­schrift der Ga­ran­tie­ver­ein­ba­rung, die lau­tet: „Au­di Ga­ran­tie – Neu­wa­gen­ga­ran­tie der AU­DI AG“. Das Aus­le­gungs­er­geb­nis wird wei­ter ge­stützt durch ei­ne sys­te­ma­ti­sche Be­trach­tung der wei­te­ren in der Ga­ran­tie ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen. So heißt es in Zif­fer 1: „Au­di ge­währt … zwei Jah­re Ga­ran­tie“. Bei der Re­ge­lung der Ga­ran­tierech­te wird in Zif­fer 4 der Ga­ran­tie­ver­ein­ba­rung aus­drück­lich die AU­DI AG als die­je­ni­ge be­nannt, der die Wahl der Art der Nach­er­fül­lung über­las­sen wird („Bei Vor­lie­gen ei­nes Man­gels … kann Au­di nach ei­ge­ner Wahl den Man­gel durch ei­nen au­to­ri­sier­ten Part­ner be­sei­ti­gen las­sen [Nach­bes­se­rung] oder ein neu­es Fahr­zeug lie­fern.“). Die au­to­ri­sier­ten Au­di-Ser­vice­part­ner kom­men erst in Zif­fer 5 der Ga­ran­tie­ver­ein­ba­rung über­haupt zur Spra­che, je­doch aus­drück­lich im Zu­sam­men­hang mit der „Ab­wick­lung der un­ter Zif­fer 4 ge­nann­ten Rech­te“. In der Zu­sam­men­schau mit den vor­her­ge­hen­den Re­ge­lun­gen kann dies nur so ver­stan­den wer­den, dass die au­to­ri­sier­ten Au­di-Ser­vice­part­ner als Er­fül­lungs­ge­hil­fen der Ga­ran­tie­ge­be­rin, der AU­DI AG, tä­tig wer­den.

So­fern der Klä­ger aus der For­mu­lie­rung „aus­schließ­lich bei au­to­ri­sier­ten Au­di-Ser­vice­part­nern“ in Zif­fer 5a der Ga­ran­tie­ver­ein­ba­rung ei­ne di­rek­te Ver­pflich­tung der Be­klag­ten her­lei­ten will, geht dies bei der ge­bo­te­nen sys­te­ma­ti­schen Be­trach­tungs­wei­se fehl. Denn mit der For­mu­lie­rung „aus­schließ­lich“ ist er­kenn­bar ge­meint, dass nicht je­des be­lie­bi­ge Au­to­haus mit der Ab­wick­lung be­auf­tragt wird, son­dern aus­schließ­lich der au­to­ri­sier­te Au­di-Ser­vice­part­ner. Zif­fer 5a stützt da­mit die in Zif­fer 4 for­mu­lier­te Po­si­ti­on der AU­DI AG, sich die Wahl und die Art und Wei­se der Man­gel­be­sei­ti­gung vor­be­hal­ten zu wol­len. Ge­gen ei­ne di­rek­te Ver­pflich­tung au­to­ri­sier­ter Au­di-Ser­vice­part­ner spricht zu­dem die Re­ge­lung in Zif­fer 5f am En­de, nach der mit ei­ner Rück­nah­me des man­geln­den Fahr­zeugs nur sol­che Händ­ler­be­trie­be be­las­tet wer­den, die das zu­rück­ge­ge­be­ne Neu­fahr­zeug ver­kauft bzw. erst­ma­lig zu­ge­las­sen ha­ben.

Un­ab­hän­gig da­von kennt die Rechts­ord­nung Ver­trä­ge zu­las­ten Drit­ter nicht. So­weit der Klä­ger meint, der Ge­dan­ke des Ver­brau­cher­schut­zes ge­bie­te ei­ne di­rek­te Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, über­sieht er, dass der Ge­dan­ke des Ver­brau­cher­schut­zes kein selbst­stän­di­ges Aus­le­gungs­kri­te­ri­um ist, wel­ches das mit­tels der Aus­le­gungs­me­tho­den Wort­laut, Sys­te­ma­tik so­wie Sinn und Zweck ge­fun­de­ne Aus­le­gungs­er­geb­nis zu über­win­den ver­mag.

Der An­spruch ge­gen die Ga­ran­tie­ge­be­rin AU­DI AG ist ent­ge­gen der An­sicht des Klä­gers auch un­ter Voll­stre­ckungs­ge­sichts­punk­ten nicht wert­los, da die §§ 887, 888 ZPO ei­ne Voll­stre­ckung auch ge­gen die AU­DI AG er­mög­lich­ten.

Da zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig kein Schuld­ver­hält­nis be­steht, kom­men auch An­sprü­che ge­gen die Be­klag­te aus §§ 437 Nr. 1, Nr. 2, 433, 434, 439, 346 BGB nicht in Be­tracht …

Die Streit­wert­fest­set­zung hat ih­re Grund­la­ge in § 48 I GKG, §§ 3, 6 ZPO.

Der Streit­wert rich­tet sich grund­sätz­lich al­lein nach der Hö­he der mit der Kla­ge gel­tend ge­mach­ten For­de­rung, wäh­rend der Wert der Ge­gen­for­de­rung im Rah­men ei­ner Zug-um-Zug-Ver­ur­tei­lung un­be­rück­sich­tigt bleibt (MünchKomm-BGB/Em­me­rich, 7. Aufl. [2016], § 322 Rn. 10). Hier ver­langt der Klä­ger mit sei­ner Kla­ge nach Wahl der Be­klag­ten den Aus­tausch sei­nes Au­di Q3, des­sen ak­tu­el­len Wert er mit 26.990 € an­gibt. Ei­ne even­tu­ell im Rah­men der Zug-um-Zug-Ver­ur­tei­lung zu be­rück­sich­ti­gen­de Nut­zungs­ent­schä­di­gung hat au­ßer Be­tracht zu blei­ben.

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