1. Ob die in der Lieferung eines mangelhaften Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich ist und deshalb den Käufer nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, richtet sich bei einem behebbaren Mangel in erster Linie danach, welche Kosten die Mangelbeseitigung erfordert, und nicht nach dem Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung. Auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung kann aber abzustellen sein, wenn der Mangel nur mit einem hohen Kostenaufwand behoben werden kann oder die Mangelursache – weil auch der Verkäufer sie nicht kennt – im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungewiss ist.
  2. Von einem nur geringfügigen behebbaren Mangel und damit von einer nur unerheblichen Pflichtverletzung des Verkäufers ist in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind. Das ist regelmäßig nicht mehr der Fall, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von 5 % des Kaufpreises übersteigt.

LG Kiel, Urteil vom 18.05.2015 – 12 O 259/13
(nachfolgend: OLG Schleswig, Urteil vom 02.10.2015 – 17 U 43/15)

Sachverhalt: Der Kläger verlangt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw.

Er kaufte von der Beklagten mit Vertrag vom 02.05.2013 einen Gebrauchtwagen (Volvo V50 2.0 Momentum) für 12.300 €, der ihm nach Zahlung des Kaufpreises am 08.05.2013 übergeben wurde.

Das Fahrzeug war in der Folgezeit unter anderem vom 17.06.3013 bis zum 25.06.2013 in der Werkstatt der Beklagten. Diese erneuerte die Kupplung, die bereits bei der Probefahrt Geräusche gemacht hatte, und tauschte den Bremskraftverstärker aus.

Mit E-Mail vom 25.06.2013 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass die Kupplung jetzte keine Geräusche mehr mache und auch die Probleme beim Bremsen (teigiges Gefühl, Zischen) verschwunden sei, das Bremspedal aber jetzt klemme. Die Beklagte tauschte daraufhin am 15.07.2013 erneut den Bremskraftverstärker aus. Einen Tag später informierte der Kläger die Beklagte per E-Mail unter anderem darüber, dass die Bremse wider Erwarten schlechter geworden sei; der Bremspunkt habe sich weiter nach hinten verschoben, es fühle sich nach wie vor an, als würde ein Bauteil leicht klemmen.

Unter dem 22.07.2013 erklärte der Kläger schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Seine im Wesentlichen auf Erstattung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgewähr des streitgegenständlichen Fahrzeugs, gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr des Fahrzeugs aus §§ 437 Nr. 2, 323, 346 BGB zu.

Danach kann ein Käufer vom Vertrag gemäß §§ 440, 323 BGB und § 326 V BGB zurücktreten, wenn die Sache mangelhaft ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es liegt kein Mangel vor, der zum Rücktritt berechtigt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen die behaupteten Mängel an der Bremse nicht vor. Nach den Ausführungen des Sachverständigen S ist die Betriebsbremsanlage des Fahrzeugs mängelfrei. Ein technischer Mangel ist nicht festzustellen. Der Sachverständige hat sowohl vor der Zerlegung des Fahrzeugs als auch hinterher mehrere Probefahrten mit diversen Betriebs- und Gefahrenbremsungen gemacht, bei denen sich keine Hinweise auf Mängel an der Bremsanlage ergaben. Die bei Betätigung des Bremspedals entstehenden Geräusche (von geringer Intensität) sind systembedingt und stellen keine technischen Mängel dar …

Hinsichtlich der Kupplung liegt zwar ein technischer Mangel vor. Der Sachverständige hat sporadisch das Hängenbleiben des Kupplungspedals bedingt durch einen Defekt des Kupplungsgeberzylinders festgestellt. Dabei handelt es sich um eine Gebrauchsbeeinträchtigung. Gleichwohl berechtigt dieser Mangel nicht zum Rücktritt.

Gemäß § 323 V 2 BGB kann der Gläubiger bei einem behebbaren Mangel vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung des Schuldner unerheblich ist, das heißt, wenn der Mangel geringfügig ist (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, NJW 2014, 3229). Die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB ist, erfordert nach der Rechtsprechung des BGH eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls. Dabei ist zunächst grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung und nicht auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung abzustellen. Von einer Geringfügigkeit eines behebbaren Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ist in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind. Der BGH hat die Frage, wann eine solche Geringfügigkeit vorliegt, inzwischen dahin gehend entschieden, dass bei einem behebbaren Mangel im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gemäß § 323 V 2 BGB in der Regel dann nicht mehr auszugehen ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand mehr als 5 % des Kaufpreises beträgt (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, NJW 2014, 3229).

Davon ausgehend ist hier die Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten. Die vom Sachverständigen veranschlagten Mängelbeseitigungskosten in Höhe von insgesamt 433,49 € betragen 3,5 % des Kaufpreises und liegen damit deutlich unter der 5 %-Grenze. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände gibt es keinen Grund, dem Kläger ein Rücktrittsrecht gleichwohl zuzubilligen; denn Grund für den Ausschluss des Rücktrittsrechts ist, dass das Interesse des Käufers an einer Rückabwicklung bei nur geringfügigen Vertragsstörungen regelmäßig gering ist, wohingegen der Verkäufer oft erheblich belastet wird (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, NJW 2014, 3229). Daher überwiegt in diesen Fällen das Interesse des Verkäufers am Bestand des Vertrages (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, NJW 2014, 3229). Der Käufer wird auch nicht rechtlos gestellt. Dem Käufer ist zuzumuten, am Vertrag festzuhalten und sich mit Nachbesserung bzw. Minderung des Kaufpreises oder mit der Geltendmachung des kleinen Schadenersatzes zu begnügen. Den Verkäufer vermag diese Lösung in ausreichendem Maß vor den wirtschaftlich meist nachteiligen Folgen eines Rücktritts wegen geringfügiger Mängel zu schützen.

Diese Erwägungen treffen hier zu. Bei dem – sporadisch – hängengebliebenen Kupplungspedal handelt es sich sicher um eine – lästige – Gebrauchsbeeinträchtigung, jedoch bestand die Möglichkeit, die Nachbesserung, Minderung oder kleinen Schadenersatz – auch klageweise – durchzusetzen. Es handelte sich um einen vollständig behebbaren Mangel, wie der vom Sachverständigen vorgenommene Austausch des Kupplungsgeberzylinders gezeigt hat. Der Beseitigungsaufwand einschließlich des Ausbaus der Kupplung … war geringfügig.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsprechung zu den oben genannten Grundsätzen entwickelten Ausnahmen. So soll das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung dann Prüfmaßstab sein, wenn der Mangel nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungewiss ist, weil auch der Verkäufer sie nicht feststellen konnte, sodass die Ungewissheit der Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zum Rücktritt berechtigen soll, auch wenn sich später herausstellt, dass nur eine geringfügige Mangelursache vorliegt.

Ungeklärte Mangelursache meint die Situation, dass auch der Verkäufer nicht weiß, worauf der Mangel zurückzuführen ist (Reinking/Eggert, Der Autokauf, Rn. 1040). Maßgebend ist die Beurteilung durch den Verkäufer aus der Sicht eines verständigen Käufers. Ungewissheit auf Käuferseite für sich allein genügt nicht; denn es ist der Geltendmachung des Rücktritts wegen Mängeln immanent, dass regelmäßig der Käufer Mängel behauptet und der Verkäufer diese bestreitet. Der Grund dafür, einen Bagatellfall zu verneinen, ist nicht der Ursachenzweifel in der Person einer Vertragspartei. Entscheidend ist der Gesichtspunkt, dass bei auch aus Sicht des Verkäufers ungeklärter Mangelursächlichkeit zugleich ungewiss ist, von welcher Schwere der Mangel ist und ob und vor allem mit welchem Aufwand an Kosten der Mangel behoben werden kann, das heißt, auch der Verkäufer hat ein Mangelsymptom erkannt, dieses jedoch nicht beheben können.

Dieser Fall liegt hier nicht vor. Die Beklagte hat nach Überprüfung hinsichtlich der Kupplung einen Mangel verneint. Es gab lediglich eine Unsicherheit in der Person des Käufers, dies ist aber nicht ausreichend …

Hinweis: Die Berufung des Klägers hatte im Wesentlichen Erfolg (s. OLG Schleswig, Urteil vom 02.10.2015 – 17 U 43/15).

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