Ein Ge­braucht­wa­gen, des­sen Ver­kaufs­wert trotz völ­li­ger und ord­nungs­ge­mä­ßer Be­sei­ti­gung ei­nes er­heb­li­chen Sach­man­gels al­lein des­halb ge­min­dert ist (mer­kan­ti­ler Min­der­wert), weil bei ei­nem gro­ßen Teil des Pu­bli­kums ei­ne den Preis be­ein­flus­sen­de Ab­nei­gung ge­gen den Er­werb ent­spre­chen­der Fahr­zeu­ge be­steht, weist (wei­ter­hin) ei­nen zur Min­de­rung des Kauf­prei­ses be­rech­ti­gen­den Sach­man­gel auf.

AG Nürn­berg, Ur­teil vom 24.03.2015 – 13 C 8730/14

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten nach der Be­sei­ti­gung von Män­geln ei­nes Ge­braucht­wa­gens um Scha­den­er­satz we­gen ei­nes mer­kan­ti­len Min­der­werts.

Der Klä­ger kauf­te von der Be­klag­ten mit Ver­trag vom 08.05.2014 ei­nen ge­brauch­ten Au­di Q5 zum Preis von 43.500 €.

Nach­dem ihm das Fahr­zeug über­ge­ben wor­den war, be­merk­te der Klä­ger nach ei­ner Wa­gen­wä­sche, dass Was­ser in den rech­ten vor­de­ren Fuß­raum des Fahr­zeugs ein­ge­tre­ten war. Vom 04.06. bis zum 05.06.2014 wur­de des­halb in ei­ner Werk­statt ein Re­pa­ra­tur­ver­such durch­ge­führt, bei dem ein Ge­häu­se­bau­teil und ein Schlauch der Kli­ma­an­la­ge aus­ge­tauscht wur­den. Nach die­sem Re­pa­ra­tur­ver­such kam es bei Re­gen je­doch zu wei­te­ren Was­ser­ein­trit­ten in das Fahr­zeug. Vom 24.06. bis zum 25.06.2014 wur­de des­halb ei­ne wei­te­re Re­pa­ra­tur (Front­schei­be) un­ter­nom­men; doch trat bei ei­ner Be­gut­ach­tung des Fahr­zeugs am 28.06.2014 er­neut Feuch­tig­keit in den In­nen­raum ein. Au­ßer­dem wur­den an der Lenk­säu­le des Fahr­zeugs deut­li­che Kor­ro­si­ons­spu­ren fest­ge­stellt. Dar­auf­hin ließ die Be­klag­te das Fahr­zeug am 08.07.2014 ab­ho­len und führ­te dar­an um­fang­rei­che Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten durch, bei de­nen un­ter an­de­rem die Lenk­säu­le, ein Ge­blä­se­mo­tor und der Tep­pich­bo­den aus­ge­tauscht wur­den. Der Au­di Q5, in den nach die­sen Ar­bei­ten kein Was­ser mehr ein­trat, wur­de dem Klä­ger am 27.07.2014 wie­der zur Ver­fü­gung ge­stellt.

Die­ser for­der­te mit Schrei­ben vom 28.08.2014 von der Be­klag­ten we­gen des er­höh­ten Re­pa­ra­tur­ri­si­kos und des Min­der­werts des Fahr­zeugs Scha­den­er­satz in Hö­he von 10 % des Kauf­prei­ses (4.350 €). Die Be­klag­te wies die­sen An­spruch mit Schrei­ben vom 09.09.2014 zu­rück.

Die Kla­ge hat­te nur zum Teil Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger kann von der Be­klag­ten die Zah­lung von 1.250 € aus § 441 I 1 BGB ver­lan­gen. Der ver­kauf­te Ge­braucht­wa­gen weist ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 BGB auf, der in Form des mer­kan­ti­len Min­der­werts auch nach der voll­stän­di­gen Re­pa­ra­tur wei­ter be­steht.

Grund­sätz­lich wird der mer­kan­ti­len Min­der­wert nur im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Un­fall­scha­den an­er­kannt. Der Be­griff ist nicht als Be­schrei­bung ei­nes Sach­man­gels ent­stan­den, son­dern als Scha­dens­po­si­ti­on nach ei­nem Un­fall, der ei­ne de­lik­ti­sche Haf­tung aus­löst. Der BGH hat im Ur­teil vom 20.05.2009 – VI­II ZR 191/07 – dar­ge­legt, dass dem Ge­dan­ken ei­nes mer­kan­ti­len Min­der­werts bei ei­nem Un­fall­fahr­zeug der Ge­dan­ke zu­grun­de liegt, dass trotz völ­li­ger und ord­nungs­ge­mä­ßer In­stand­set­zung ei­nes er­heb­lich be­schä­dig­ten Kraft­fahr­zeugs bei ei­nem gro­ßen Teil des Pu­bli­kums, vor al­lem we­gen ei­nes nicht aus­zu­schlie­ßen­den Ver­dachts ver­bor­gen ge­blie­be­ner Schä­den und des Ri­si­kos hö­he­rer Scha­den­s­an­fäl­lig­keit in Fol­ge nicht fach­ge­rech­ter Re­pa­ra­tur, ei­ne den Preis be­ein­flus­sen­de Ab­nei­gung ge­gen den Er­werb ei­nes der­art be­schä­dig­ten Kraft­fahr­zeugs be­ste­he. In dem Fall, den der BGH zu ent­schei­den hat­te, lag der Kla­ge ei­ne fach­ge­rech­te Neu­la­ckie­rung nach Kratz­schä­den zu­grun­de. Hier stand nach Auf­fas­sung des BGH nicht zu be­fürch­ten, dass ver­bor­gen ge­blie­be­ne Schä­den zu­rück­ge­blie­ben sei­en oder sonst un­kal­ku­lier­ba­re Ri­si­ken ei­ner hö­he­ren Scha­den­s­an­fäl­lig­keit be­stün­den. Glei­ches gel­te bei dem Aus­tausch ge­schä­dig­ter Tei­le an ei­nem Kraft­fahr­zeug.

Auf­grund des­sen war der Be­weis­be­schluss vom 30.12.2014 in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 03.03.2015 nä­her kon­kre­ti­siert wor­den. Die Fra­ge war dem Sach­ver­stän­di­gen da­hin ge­hend ein­ge­engt vor­ge­legt wor­den, dass er aus sach­ver­stän­di­ger Sicht dar­le­gen sol­le, ob … zu be­fürch­ten ste­he, dass das Fahr­zeug wei­te­re ver­bor­gen ge­blie­be­ne Schä­den auf­wei­se, oder sonst un­kal­ku­lier­ba­re Ri­si­ken ei­ner er­höh­ten Scha­den­s­an­fäl­lig­keit be­stün­den.

Die­se Fra­ge hat der Sach­ver­stän­di­ge in ei­nem über­zeu­gen­den Gut­ach­ten be­jaht. Der Sach­ver­stän­di­ge be­zog sich da­bei auf die Tat­sa­che, dass der Bo­den­be­lag vor der Re­pa­ra­tur nass ge­we­sen war, sich an der Lenk­säu­le ober­fläch­li­che Kor­ro­si­on ge­zeigt hat­te und am Hei­zungs­kas­ten Was­ser­trop­fen und Feuch­tig­keit vor­han­den ge­we­sen wa­ren. Der Sach­ver­stän­di­ge be­zog sich zu­dem auf die durch­ge­führ­te Re­pa­ra­tur und hier ins­be­son­de­re auf ei­ne In­stand­set­zung am Ka­bel­baum, de­ren ge­nau­er Um­fang vom Sach­ver­stän­di­gen je­doch nicht mehr fest­ge­stellt wer­den konn­te.

Auf die­ser Grund­la­ge kam der Sach­ver­stän­di­ge zu dem Schluss, dass Feuch­tig­keit, ins­be­son­de­re wenn die­se auch Steu­er­ge­rä­te und Ka­bel­bäu­me be­trif­fet, ein er­heb­li­ches Re­pa­ra­tur­ri­si­ko mit sich bringt. Hier ist ins­be­son­de­re die Ka­pil­lar­wir­kung der Feuch­tig­keit zu be­ach­ten. Feuch­tig­keit wird dem­ge­mäß über die Ste­cker der Lei­tungs­sät­ze in die Ka­bel hin­ein­ge­zo­gen, was zu ei­nem spä­te­ren Zeit­punkt zur Kor­ro­si­on und zum Aus­fall des Ka­bels füh­ren kann. Da­bei ist zu se­hen, dass im In­nen­raum der Fahr­zeu­ge bau­seits auf die Ab­dich­tung der Ste­cker und der Ka­bel­strän­ge kein ge­stei­ger­ter Wert ge­legt wird, da in der Re­gel im In­nen­raum nicht mit Feuch­tig­keit zu rech­nen ist. Die­ser Um­stand er­höht die Ge­fahr von erst lang­fris­tig wir­ken­der Kor­ro­si­on. Der Sach­ver­stän­di­ge hat­te zur Vor­be­rei­tung des Gut­ach­tens spe­zi­fi­sche Gut­ach­ten bei­ge­zo­gen, die nach Hoch­was­se­rer­eig­nis­sen ge­fer­tigt wor­den wa­ren. Die­se Un­ter­su­chun­gen von Hoch­was­ser­schä­den konn­ten be­le­gen, dass zu­vor kal­ku­lier­te Re­pa­ra­tur­kos­ten nicht zu­tref­fend ge­we­sen wa­ren und auf­grund der spe­zi­el­len Pro­ble­ma­tik von Feuch­teschä­den ganz er­heb­li­che, nicht vor­her­seh­ba­re Re­pa­ra­tu­ren er­for­der­lich ge­we­sen wa­ren. Aus die­sen Grün­den ist aus sach­ver­stän­di­ger Sicht der hier auf­ge­tre­te­ne Feuch­te­scha­den eher mit ei­nem Un­fall­scha­den ver­gleich­bar als mit dem Aus­tausch ein­zel­ner Tei­le oder der La­ckie­rung ei­nes Fahr­zeugs …

Auf die­ser Grund­la­ge hat der Sach­ver­stän­di­ge nach ver­schie­de­nen Be­rech­nungs­me­tho­den den mer­kan­ti­len Min­der­wert auf durch­schnitt­lich zwi­schen 1.000 € und 1.500 € fest­ge­setzt.

Auf die­ser Grund­la­ge schätzt das Ge­richt den mer­kan­ti­len Min­der­wert auf 1.250 € (§ 287 ZPO). Das Ge­richt kann die­se Schät­zung selbst vor­neh­men. Es ist auf­grund sei­nes Auf­ga­ben­zu­schnitts mit ei­ner Viel­zahl von Strei­tig­kei­ten auf dem Ge­biet von Ver­kehrs­un­fäl­len bzw. dem Kauf oder Ver­kauf von Kraft­fahr­zeu­gen be­fasst.

Der Klä­ger kann von der Be­klag­ten wei­ter­hin die gel­tend ge­mach­ten Ver­zugs­zin­sen ver­lan­gen, al­ler­dings erst ab dem 25.09.2014. Mit die­sem Da­tum hat die Be­klag­te die An­sprü­che des Klä­gers end­gül­tig zu­rück­ge­wie­sen. Das Schrei­ben selbst, mit dem zur Zah­lung auf­ge­for­dert wor­den war, kann kei­nen Ver­zug be­grün­den, da ei­ne schuld­recht­li­che und kei­ne de­lik­ti­sche Haf­tung vor­liegt.

Der Klä­ger kann wei­ter­hin die Kos­ten der vor­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gung nicht ver­lan­gen. Auch hier ist zu se­hen, dass ein schuld­recht­li­cher An­spruch be­steht. Der Klä­ger hat­te sei­nen Pro­zess­ver­tre­ter be­reits vor Ein­tritt des Ver­zugs be­auf­tragt. Der Ver­zug war da­mit nicht ur­säch­lich für die Ent­ste­hung der Kos­ten der Rechts­ver­fol­gung …

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