Ein werk­sei­tig auf­be­rei­te­ter, aus Alt- und Neu­tei­len be­ste­hen­der Aus­tausch­mo­tor ist kei­ne i. S. von § 478 I und II BGB neu her­ge­stell­te Sa­che.

AG Cux­ha­ven, Ur­teil vom 24.03.2015 – 5 C 289/11

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin be­treibt ei­ne Kfz-Werk­statt. Im Fe­bru­ar 2009 er­warb sie von der Be­klag­ten, ei­ner BMW-Ver­trags­händ­le­rin, ei­nen Aus­tausch­mo­tor, der ihr am 26.02.2009 ge­lie­fert wur­de. Die­sen Aus­tausch­mo­tor bau­te die Klä­ge­rin in ei­nen im Ei­gen­tum ih­res Kun­den K ste­hen­den BMW der Bau­rei­he E36 ein. An­schlie­ßend führ­te die Klä­ge­rin die­sen Pkw der Be­klag­ten zu, um un­ter an­de­rem die Ein­stel­lung der Ein­spritz­pum­pe nach Her­stel­ler­vor­ga­ben si­cher­zu­stel­len.

Bei den Ar­bei­ten, die die Be­klag­te am Fahr­zeug des K vor­nahm, er­ga­ben sich kei­ne An­halts­punk­te für ei­nen nicht ord­nungs­ge­mä­ßen Ein­bau des Mo­tors durch die Klä­ge­rin. Den­noch kam es in der Fol­ge­zeit zu ei­nem deut­li­chen Kühl­mit­tel­ver­lust. Die­sen zeig­te K der Be­klag­ten mit E-Mail vom 17.06.2009 an, nach­dem sein Fahr­zeug sei­tens ei­nes Drit­t­un­ter­neh­mens am 30.04.2009 ei­ner Leis­tungs­prü­fung un­ter­zo­gen wor­den war.

Mit Schrei­ben vom 22.02.2011 for­der­te K die Klä­ge­rin auf, sein Fahr­zeug bis zum 10.03.2011 nach­zu­bes­sern. Die Klä­ge­rin wand­te sich am 15.02.2011 an die Be­klag­te, die mit Schrei­ben vom sel­ben Tag mit­teil­te, dass kei­ne Ver­jäh­rung von Ga­ran­tie­an­sprü­chen ge­gen­über der Fahr­zeug­her­stel­le­rin dro­he. Am 23.02.2011 stell­te der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten G in ei­nem Te­le­fo­nat mit den spä­te­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten der Klä­ge­rin je­de Ver­ant­wor­tung in Ab­re­de und ver­wies die Klä­ge­rin auf den Kla­ge­weg.

Die Klä­ge­rin be­gann nach der Durch­füh­rung ei­ner Kom­pres­si­ons­prü­fung am 15.04.2011 mit der Re­pa­ra­tur des Aus­tausch­mo­tors. Nach­dem der Zy­lin­der­kopf de­mon­tiert wor­den war, for­der­ten die spä­te­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten der Klä­ge­rin die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 19.04.2011 – er­folg­los – auf, Män­gel­an­sprü­che bis zum 26.04.2011 dem Grun­de nach an­zu­er­ken­nen.

Mit ih­rer Kla­ge hat die Klä­ge­rin die Be­klag­te zu­letzt auf Zah­lung von 3.071,78 € nebst Zin­sen in An­spruch ge­nom­men. Sie hat be­haup­tet, K ha­be schon auf den ers­ten Ki­lo­me­tern, die er mit dem Aus­tausch­mo­tor ge­fah­ren sei, fest­ge­stellt, dass die Mo­tor­leis­tung merk­lich hin­ter der­je­ni­gen des al­ten Mo­tors zu­rück­blei­be. Dies sei der Be­klag­ten mit E-Mail vom 09.03.2009 mit­ge­teilt wor­den. Bei der am 30.04.2009 durch­ge­führ­ten Leis­tungs­prü­fung sei fest­ge­stellt wor­den, dass die ge­mes­se­nen Da­ten er­heb­lich von Da­ten, die die Fahr­zeug­her­stel­le­rin an­ge­be, ab­ge­wi­chen sei­en. So ha­be die Dif­fe­renz zwi­schen der an­ge­ge­be­nen und der er­mit­tel­ten Nenn­leis­tung 9,52 % und die Dif­fe­renz zwi­schen dem an­ge­ge­be­nen und dem er­mit­tel­ten Dreh­mo­ment 3,4 %be­tra­gen. Zu­dem ha­be sich das Ab­gas­ver­hal­ten des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs deut­lich ver­schlech­tert. Die vor­ge­nom­me­ne Kom­pres­si­ons­prü­fung ha­be er­ge­ben, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Mo­tor ei­ne deut­lich zu ho­he Kom­pres­si­on auf­ge­wie­sen ha­be, die sich nach­tei­lig auf Nenn­leis­tung und Dreh­mo­ment aus­ge­wirkt ha­be. Sie, die Klä­ge­rin, ha­be die Be­klag­te un­ter dem 15.02.2011 auf­ge­for­dert, die ge­rüg­ten Män­gel im Rah­men ei­ner güt­li­chen Ei­ni­gung zu be­sei­ti­gen.

Die Be­klag­te hat die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben und gel­tend ge­macht, K ha­be ein von der Fahr­zeug­her­stel­le­rin nicht frei­ge­ge­be­nes Kühl­mit­tel ver­wen­det, was ur­säch­lich für den Kühl­mit­tel­ver­lust ge­wor­den sei. Das Fahr­zeug des K sei ihr, der Be­klag­ten, auch nie zur Prü­fung von Leis­tungs­män­geln zur Ver­fü­gung ge­stellt wor­den. Ab­ge­se­hen da­von ha­be sie mit der Klä­ge­rin ver­trag­lich we­der ei­ne be­stimm­te Mo­tor­leis­tung noch ei­ne be­stimm­te Höchst­ge­schwin­dig­keit ver­ein­bart.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Ein An­spruch aus §§ 434 I, 437 Nr. 1, §§ 439 II, 478 II BGB be­steht nicht.

Nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me steht schon nicht zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest, dass der von der Be­klag­ten an die Klä­ge­rin ge­lie­fer­te Aus­tausch­mo­tor be­reits bei Lie­fe­rung an die Klä­ge­rin man­gel­haft war.

Ent­spre­chend dem Vor­schlag der Klä­ge­rin im Schrift­satz vom 13.09.2011 (dort S. 6) hat das Ge­richt die Be­weis­auf­nah­me auf den Ver­lust des Kühl­mit­tels und die Ur­sa­che des Scha­dens am Zy­lin­der­kopf bzw. der Zy­lin­der­kopf­dich­tung be­schränkt. Der Sach­ver­stän­di­ge S führt da­zu in sei­nem Gut­ach­ten vom 29.10.2012 aus, die Über­prü­fung des Zy­lin­der­kopfs lie­fe­re „de­fi­ni­tiv kei­nen Hin­weis auf ei­nen an­fäng­li­chen Scha­den am Zy­lin­der­kopf“ (S. 5 des Gut­ach­tens). Zu­sam­men­ge­fasst ha­be die sach­ver­stän­di­ge Un­ter­su­chung „kei­nen Hin­weis auf ei­nen be­reits bei der Über­ga­be des AT-Trieb­werks an die Klä­ge­rin be­ste­hen­den Man­gel“ er­ge­ben (S. 9 des Gut­ach­tens). In sei­nem Er­gän­zungs­gut­ach­ten vom 12.12.2013 kommt der Sach­ver­stän­di­ge zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin ist auch nicht die Be­klag­te be­weis­pflich­tig für die Man­gel­frei­heit bei der Über­ga­be ge­mäß §§ 478 III, 476 BGB, so­dass es der Be­ant­wor­tung der wei­te­ren Fra­gen im Schrift­satz vom 03.02.2014 nicht be­darf.

Die Par­tei­en sind zwar Un­ter­neh­mer ge­mäß § 14 BGB. Die Be­klag­te hat der Klä­ge­rin den Aus­tausch­mo­tor ver­kauft und ist mit­hin Lie­fe­ran­tin. Es liegt auch ein Ver­brauchs­gü­ter­kauf an den Zeu­gen K vor (§ 474 I 1 BGB). Das Ge­richt kann aber nicht fest­stel­len, dass der von der Klä­ge­rin in das Fahr­zeug des Zeu­gen K ein­ge­bau­te Aus­tausch­mo­tor ei­ne neu her­ge­stell­te Sa­che i. S. des § 478 I und II BGB ist. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin kommt es da­bei nicht dar­auf an, ob der streit­ge­gen­ständ­li­che Mo­tor ei­nem neu her­ge­stell­ten tech­nisch gleich­wer­tig ist, son­dern dar­auf, ob er tat­säch­lich neu her­ge­stellt ist. Denn § 478 BGB ist nach sei­nem kla­ren Wort­laut nur auf neu her­ge­stell­te Sa­chen an­wend­bar und nicht auf ge­brauch­te, neu her­ge­stell­ten Sa­chen aber qua­li­ta­tiv ent­spre­chen­de Sa­chen.

Der Be­griff der „neu her­ge­stell­ten Sa­che“ i. S. des § 478 I und II BGB ist wei­ter aus­zu­le­gen als der ei­ner „neu­en“ oder ei­ner „fa­brik­neu­en“ Sa­che (So­er­gel/​Wer­ten­bruch, BGB, 13. Aufl. [2009], § 478 Rn. 31; Faust, in: Bam­ber­ger/​Roth, BGB, 3. Aufl. [2012], § 478 Rn. 9; Münch­Komm-BGB/​Lo­renz, 6. Aufl. [2012], § 478 Rn. 8). Die­se Aus­le­gung ent­spricht dem Re­ge­lungs­zweck der Norm. Denn § 478 BGB soll ge­ra­de die­je­ni­gen Fäl­le er­fas­sen, in de­nen die be­weg­li­che Sa­che im Rah­men ei­ner Lie­fer­ket­te über län­ge­re Zeit bei den je­wei­li­gen Ver­käu­fern la­gert und da­her ih­rem Wort­laut nach nicht mehr neu ist (Münch­Komm-BGB/​Lo­renz, a. a. O., § 478 Rn. 8). Die „neu her­ge­stell­te Sa­che“ ist da­her der Ge­gen­be­griff zur ge­brauch­ten Sa­che, mit­hin gleich­be­deu­tend mit ei­ner un­ge­brauch­ten Sa­che zu ver­ste­hen (Münch­Komm-BGB/​Lo­renz, a. a. O., § 478 Rn. 8; So­er­gel/​Wer­ten­bruch, a. a. O., § 478 Rn. 31). Ge­braucht sind Sa­chen, die vom Her­stel­ler, vom Ver­käu­fer oder von ei­nem Drit­ten be­reits be­stim­mungs­ge­mäß be­nutzt, das heißt ih­rer ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung zu­ge­führt wur­den und da­durch ei­nem er­höh­ten Sach­män­gel­ri­si­ko aus­ge­setzt sind (Münch­Komm-BGB/​Lo­renz, a. a. O., § 474 Rn. 14). Der Sinn und Zweck der Be­schrän­kung des Un­ter­neh­mer­rück­griffs auf neu her­ge­stell­te Sa­chen liegt nicht le­dig­lich im Aus­schluss des ge­brauchs­be­ding­ten Sach­män­gel­ri­si­kos. Grund­sätz­lich muss im Rah­men des Sach­män­gel­ri­si­kos wei­ter das der Sa­che selbst an­haf­ten­de al­ters­be­ding­te Ri­si­ko Be­ach­tung fin­den, dies auch bei Ge­gen­stän­den, die sich nicht phy­sisch „ab­nut­zen“ ((Münch­Komm-BGB/​Lo­renz, a. a. O., § 474 Rn. 14).

Für ei­nen Aus­schluss ge­brauch­ter Sa­chen aus den Re­ge­lun­gen des Un­ter­neh­mer­rück­griffs spricht fer­ner der Wort­laut des § 478 I und II BGB, in dem das Wort „neu“ sei­ne Ver­wen­dung ge­fun­den hat. Auch kann nur im Fal­le von nicht ge­brauch­ten Sa­chen da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass der Man­gel be­reits bei Aus­lie­fe­rung an den Letzt­ver­käu­fer vor­lag. Grund hier­für sind die ty­pi­schen ge­schlos­se­nen Ver­triebs­ket­ten bei der Her­stel­lung neu­er Sa­chen.

Pro­ble­ma­tisch ist die Ein­ord­nung ei­nes Aus­tausch­mo­tors zwi­schen den Be­grif­fen neu her­ge­stell­te, al­so un­ge­brauch­te, und ge­brauch­te Sa­che. Un­strei­tig han­delt es sich bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tor nicht um ei­nen fa­brik­neu­en Mo­tor. Ein sol­cher zeich­net sich da­durch aus, dass bei sei­ner Her­stel­lung aus­schließ­lich neue Tei­le ver­wen­det wer­den und die Er­neue­rung im Her­stel­ler­werk oder ei­ner Ver­trags­werk­statt des Ori­gi­nal­her­stel­lers er­folgt ist (Ebel, NZV 1994, 15, 16). Da­ge­gen ist für die Ein­stu­fung als Aus­tausch­mo­tor er­for­der­lich, dass al­le be­weg­li­chen Mo­tor­tei­le und die sons­ti­gen Ag­gre­ga­te durch Neu­tei­le er­setzt, nach den Me­tho­den der Se­ri­en­fer­ti­gung her­ge­stellt und nach den Kri­te­ri­en für Neu­wa­gen er­folg­reich ge­prüft wor­den sind.

Ge­gen die Ein­ord­nung ei­nes Aus­tausch­mo­tors als un­ge­brauch­te und da­mit neu her­ge­stell­te Sa­che spricht so­mit, dass bei ei­nem ge­ne­ral­über­hol­ten Mo­tor nach RAL-GZ 797 nur die Ver­schleiß­tei­le mit Si­cher­heit ge­gen Neu­tei­le er­setzt wer­den. Die an­de­ren Tei­le des Alt­mo­tors wer­den auch nach dem Vor­trag der Klä­ge­rin da­ge­gen nach ei­ner Be­gut­ach­tung ent­we­der er­setzt oder wie­der­ver­wen­det. Mit­hin wird ein be­reits ge­brauch­ter Mo­tor aus­ein­an­der­ge­nom­men; im An­schluss, bei sei­ner er­neu­ten Zu­sam­men­set­zung fin­det nicht zwangs­läu­fig ein Aus­tausch al­ler Mo­tor­tei­le ge­gen un­ge­brauch­te Tei­le statt. Ein sol­cher kann al­so auch Ge­braucht­tei­le ent­hal­ten. Dies zeigt sich auch am Kauf­preis ei­nes Aus­tausch­mo­tors, wel­cher we­sent­lich güns­ti­ger als ein fa­brik­neu­er Mo­tor ist. Ge­ra­de we­gen des ge­rin­gen Kauf­prei­ses muss der Ver­brau­cher da­mit rech­nen, dass ein sol­cher Mo­tor in ir­gend­ei­ner Art und Wei­se hin­ter ei­nem fa­brik­neu­en Mo­tor zu­rück­steht. Es kommt da­her ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin nicht dar­auf an, ob der Aus­tausch­mo­tor in sei­ner Sach­ge­samt­heit als neu her­ge­stellt an­zu­se­hen ist. Denn nur der Käu­fer ei­nes fa­brik­neu­en Mo­tors hat in­fol­ge des im Ver­gleich zum Preis an­de­rer Tausch­mo­to­ren er­heb­lich hö­he­ren Kauf­prei­ses die be­rech­tig­te Er­war­tung, dass kei­nes der ver­bau­ten Tei­le be­reits in Be­trieb ge­we­sen ist. Da­her ist auch nur ein Mo­tor, des­sen sämt­li­che Ein­zel­tei­le noch nicht in Be­nut­zung wa­ren, als neu her­ge­stell­te Sa­che i. S. des § 478 I und II BGB an­zu­se­hen.

Der streit­ge­gen­ständ­li­che Aus­tausch­mo­tor könn­te mit­hin al­len­falls dann als neu her­ge­stell­te Sa­che be­han­delt wer­den, wenn er aus­schließ­lich aus Neu­tei­len zu­sam­men­ge­setzt wor­den wä­re und da­mit die Kri­te­ri­en ei­nes fa­brik­neu­en Mo­tors er­füll­te. Über den ent­spre­chen­den – von der Be­klag­ten be­strit­te­nen – Vor­trag der Klä­ge­rin konn­te das Ge­richt kei­nen Be­weis er­he­ben, weil die Klä­ge­rin den für die Ein­ho­lung des Gut­ach­tens ge­mäß Be­weis­be­schluss vom 23.06.2014 in der Fas­sung des Be­schlus­ses vom 23.07.2014 an­ge­for­der­ten Aus­la­gen­vor­schuss nicht ge­zahlt hat.

Auch ein An­spruch der Klä­ge­rin auf­grund an­de­rer Vor­schrif­ten be­steht nicht. …

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