Ver­wei­gert ein Kfz-Käu­fer die Über­nah­me ei­nes Fahr­zeugs, weil er es (hier u. a. we­gen der Far­be der In­nen­aus­stat­tung) für nicht ver­trags­ge­mäß hält, muss ge­mäß § 363 BGB der Ver­käu­fer be­wei­sen, dass er dem Käu­fer ein den kauf­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen ent­spre­chen­des Fahr­zeug über­ge­ben woll­te.

OLG Mün­chen, Be­schluss vom 30.06.2014 – 27 U 1312/14

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­stell­te bei der Be­klag­ten am 15.05.2012 ei­nen Mer­ce­des-Benz GLK 350 4MA­TIC 204 und zahl­te 10.000 € auf den Kauf­preis an. Das Fahr­zeug, des­sen In­nen­aus­stat­tung in beige ge­hal­ten sein soll­te, soll­te un­ter an­de­rem mit ei­ner Au­to­gas­an­la­ge aus­ge­tat­tet sein.

Als ihm die Be­klag­te den Wa­gen am 17.08.2012 über­ge­ben woll­te, ver­wei­ger­te der Klä­ger die An­nah­me des Fahr­zeugs mit der Be­grün­dung, es sei nicht ver­trags­ge­mäß.

Er be­haup­tet, die Be­klag­te ha­be sei­ner­zeit zwei GLK-Fahr­zeu­ge über „mobile.​de“ zum Kauf an­ge­bo­ten, von de­nen aber nur ei­nes ei­ne kom­plett beige In­nen­aus­stat­tung auf­ge­wie­sen ha­be. Beim te­le­fo­nisch ge­führ­ten Ver­kaufs­ge­präch ha­be er, der Klä­ger, ein­deu­tig nur In­ter­es­se für die­ses Fahr­zeug be­kun­det; es sei als Ge­burts­tags­ge­schenk für sei­nen Va­ter ge­dacht war, der ge­ra­de ei­ne voll­stän­dig beige In­nen­aus­stat­tung wünsch­te. Die An­nah­me des Pkw sei ver­wei­gert wor­den, weil des­sen In­nen­aus­stat­tung nicht voll­stän­dig in beige ge­hal­ten ge­we­sen sei und das Fahr­zeug ei­ne zu ho­he Lauf­leis­tung so­wie ei­ne nicht fach­ge­recht ver­bau­te Au­to­gas­an­la­ge auf­ge­wie­sen ha­be.

Mit Schrift­satz vom 22.08.2012 for­der­te der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers die Be­klag­te auf, dem Klä­ger bis zum 06.09.2012 ei­nen ver­trags­ge­rech­ten Pkw zu über­ge­ben. Nach­dem die Frist er­folg­los ab­ge­lau­fen war, er­klär­te der Klä­ger un­ter dem 07.09.2012 sei­nen Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und for­der­te die Be­klag­te (ver­geb­lich) zur Rück­zah­lung der An­zah­lung auf.

Der im We­sent­li­chen auf Zah­lung von 10.000 € ge­rich­te­ten Kla­ge hat das Land­ge­richt (LG Augs­burg, Urt. v. 28.02.2014 – 092 O 4237/12) mit der Be­grün­dung statt­ge­ge­ben, dass der Klä­ger zu Recht vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten sei. Die Be­klag­te ha­be nicht nach­wei­sen kön­nen, dass das Fahr­zeug, das dem Klä­ger über­ge­ben wer­den soll­te und des­sen In­nen­aus­stat­tung le­dig­lich sa­ha­ra­beige war, die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit auf­ge­wie­sen ha­be. Da­für tra­ge sie je­doch nach § 363 BGB die Be­weis­last, nach­dem der Klä­ger die An­nah­me des Fahr­zeugs als Er­fül­lung ver­wei­gert ha­be. Der schrift­li­che Kauf­ver­trag hel­fe nicht wei­ter, weil dar­in hin­sicht­lich der In­nen­aus­stat­tung nur von „beige“, aber ge­ra­de nicht von „sa­ha­ra­beige“ die Re­de sei. Auf die Fra­ge, wel­che Be­schaf­fen­heit die Au­to­gas­an­la­ge auf­wei­sen soll­te, kom­me es des­halb nicht mehr an.

Das Ober­lan­des­ge­richt hat die Be­klag­te mit Be­schluss vom 30.06.2014 dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ih­re Ber­fung of­fen­sicht­lich kei­ne Aus­sicht auf Er­folg ha­be und es be­ab­sich­ti­ge, das Rechts­mit­tel ge­mäß § 522 II ZPO zu­rück­zu­wei­sen.

Aus den Grün­den: Das Erst­ge­richt weist we­der Rechts­feh­ler auf, noch recht­fer­ti­gen die nach § 529 ZPO zu­grun­de zu le­gen­den Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts ei­ne an­de­re Ent­schei­dung. Rechts­ver­let­zun­gen ge­mäß § 520 III Nrn. 2, 3 ZPO sind nicht dar­ge­tan.

Im Hin­blick auf die Be­ru­fungs­be­grün­dung sind fol­gen­de Aus­füh­run­gen ver­an­lasst:

1. Das Be­ru­fungs­ge­richt ist grund­sätz­lich ge­mäß § 529 I Nr. 1 ZPO an die Fest­stel­lun­gen des ers­ten Rechts­zu­ges ge­bun­den. Die Bin­dung des Be­ru­fungs­ge­richts an die Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen im an­ge­foch­te­nen Ur­teil gilt aus­nahms­wei­se nur dann nicht, wenn kon­kre­te An­halts­punk­te für feh­ler- oder lü­cken­haf­te Fest­stel­lun­gen be­ste­hen und durch die­se kon­kre­ten An­halts­punk­te Zwei­fel an der Rich­tig­keit oder Voll­stän­dig­keit der Tat­sa­chen­fest­stel­lung be­grün­det wer­den. Der­ar­ti­ge Zwei­fel be­ste­hen vor­lie­gend nicht.

Ins­be­son­de­re hat das Erst­ge­richt kei­ne ge­bo­te­ne Be­weis­er­he­bung un­ter­las­sen.

Das Gut­ach­ten ei­nes Wirt­schafts­prü­fers über den Fahr­zeug­be­stand ist zur Klä­rung der Fra­ge, wel­ches Fahr­zeug die Be­klag­te im In­ter­net an­ge­bo­ten, in den Ver­trag als Ver­trags­ge­gen­stand auf­ge­nom­men und ge­lie­fert hat, nicht taug­lich. Grund­sätz­lich kann ein Händ­ler oder ein Pri­vat­ver­käu­fer auch ein Fahr­zeug zum Kauf an­bie­ten, das er (noch) nicht in Be­sitz oder Ei­gen­tum hat. Auch ist von der Aus­wer­tung von Fahr­ge­stell­num­mern, mit­tels de­rer sich nach Be­klag­ten­vor­trag die Aus­stat­tung ei­nes Fahr­zeugs er­mit­teln las­se, kein Er­kennt­nis­ge­winn zu er­war­ten, da die Be­klag­te in dem von ihr ge­fer­tig­ten Kauf­ver­trag kei­ne Fahr­ge­stell­num­mer ein­ge­tra­gen hat.

Dass aus den An­ga­ben der ver­nom­me­nen Zeu­gen kei­ne si­che­re Über­zeu­gung für die Iden­ti­tät von Kauf­ver­trags­ge­gen­stand mit dem zur Er­fül­lung an­ge­bo­te­nen Ge­gen­stand ge­won­nen wer­den konn­te, hat das Land­ge­richt in sich schlüs­sig und über­zeu­gend dar­ge­legt.

Der schrift­li­che Kauf­ver­trag be­legt kei­nes­wegs zwei­fels­frei, dass das zur Er­fül­lung an­ge­bo­te­ne Fahr­zeug („sa­ha­ra­beige“) auch das im Kauf­ver­trag ver­ein­bar­te Fahr­zeug war.

  • Die vor­ge­se­he­nen Po­si­tio­nen für Fahr­ge­stell­num­mer und Kfz-Brief-Num­mer sind von der Be­klag­ten frei ge­las­sen wor­den.
  • Zur Aus­stat­tung heißt es „Pols­te­rung Le­der … ln­nen­aus­stat­tung beige“, was eher ein In­diz in Rich­tung des Klä­ger­vor­trags ist, dass ein Fahr­zeug mit kom­plet­ter In­nen­aus­stat­tung in der Far­be beige (wä­re lt. Be­klag­ter „man­del­beige“) … ver­ein­bart war.
  • Die … ge­nann­te Erst­zu­las­sung „01.08.2008“ weicht von der des zur Über­ga­be vor­ge­se­he­nen Fahr­zeugs ab: 20.08.2008. Die­sen Um­stand er­klär­te die Be­klag­te zu­nächst mit dem Ver­se­hen ei­nes Lehr­lings, der ei­ne fal­sche Erst­zu­las­sung ein­ge­ge­ben ha­be. Im Schrift­satz vom 31.01.2013 heißt es, das Fahr­zeug sei im In­ter­net mit „8/2010“ be­wor­ben wor­den, der Zeu­ge L ha­be als Erst­zu­las­sung den 01.08.2010 im Kauf­ver­trag ver­merkt. Der Zeu­ge führ­te je­doch aus, dass es sich nur um ei­nen Tipp­feh­ler ge­han­delt ha­be, des­sen Ein­ga­be von ei­nem Kol­le­gen vor sei­ner Tä­tig­keit stam­me.
  • Im Kauf­ver­trag vom 15.05.2012 ist als Ki­lo­me­ter­leis­tung an­ge­ge­ben „28.500 km“, das zur Über­ga­be vor­ge­se­he­ne Fahr­zeug hat­te ei­nen Ki­lo­me­ter­stand von 29.300. Die­sen Um­stand er­klär­te die Be­klag­te schrift­sätz­lich zu­nächst mit er­for­der­li­chen Pro­be­fahr­ten zwi­schen dem 15.05.2012 und dem 25.05.2012, die Zeu­gin Z mit der lan­gen Stand­zeit des Fahr­zeugs bis zum Ver­kauf und Be­we­gun­gen in die­ser Zeit.

Sämt­li­che Um­stän­de füh­ren bei ei­ner Ge­samt­be­trach­tung da­zu, dass die Be­klag­te die Iden­ti­tät des zur Über­ga­be an­ge­bo­te­nen Fahr­zeugs mit dem als Kauf­ge­gen­stand ver­ein­bar­ten Fahr­zeug nicht hat nach­wei­sen kön­nen.

Dass in ei­nem klä­ge­ri­schen Schrift­satz zu­nächst ei­ne Holz­ap­pli­ka­ti­on er­wähnt wur­de, wur­de schlüs­sig mit ei­nem Ver­se­hen des Klä­ger­ver­tre­ters er­klärt (Schrift­satz vom 08.04.2013) und führt so­mit nicht zu ei­ner Ein­schrän­kung der Glaub­haf­tig­keit des Klä­ger­vor­trags.

2. Das Erst­ge­richt hat auch nicht die Be­weis­last ver­kannt.

Auf­grund der in § 363 BGB ge­trof­fe­nen Re­ge­lung muss der Schuld­ner der Lie­fer­ver­pflich­tung (hier die Be­klag­te) be­wei­sen, dass er die Leis­tung ent­spre­chend der ver­trag­li­chen Ver­pflich­tung er­bracht bzw. zur Ab­nah­me an­ge­bo­ten hat (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 73. Aufl., § 363 Rn. 1).

In die­sem Zu­sam­men­hang geht die Be­klag­te auch fehl, wenn sie meint, die Un­ge­nau­ig­keit im Kauf­ver­trag (kei­ne Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen „sa­ha­ra­beige“ und „man­del­beige“) ge­he zu­las­ten des Klä­gers. Die Be­klag­te hat den Ver­trags­text er­stellt, sie ist ge­werb­li­cher Au­to­händ­ler und Mer­ce­des-Händ­ler; die­sem und nicht dem Kun­den ob­liegt ei­ne ge­naue Be­zeich­nung be­züg­lich der für die Un­ter­schei­dung ei­nes Fahr­zeugs re­le­van­ten Farb­be­zeich­nun­gen …

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