Der Er­klä­rungs­in­halt ei­nes im Rah­men ei­ner In­ter­net­auk­ti­on ab­ge­ge­be­nen Ver­kaufs­an­ge­bots ist un­ter Be­rück­sich­ti­gung der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen des Un­ter­neh­mens zu be­stim­men, das auf sei­ner in­ter­net­platt­form das Fo­rum für die Auk­ti­on bie­tet. Kommt nach die­sen All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen im Fal­le der Rück­nah­me des An­ge­bots ein Kauf­ver­trag mit dem zu die­ser Zeit Höchst­bie­ten­den nicht zu­stan­de, so­fern der An­bie­ten­de ge­setz­lich da­zu be­rech­tigt war, sein An­ge­bot zu­rück­zu­zie­hen, ist dies aus der Sicht der an der In­ter­net­auk­ti­on teil­neh­men­den Bie­ter da­hin zu ver­ste­hen, dass das An­ge­bot des Ver­käu­fers un­ter dem Vor­be­halt ei­ner be­rech­tig­ten An­ge­bots­rück­nah­me steht (Be­stä­ti­gung von BGH, Urt. v. 08.06.2011 – VI­II ZR 305/10, NJW 2011, 2643).

BGH, Ur­teil vom 08.01.2014 – VI­II ZR 63/13

Sach­ver­halt: Der Be­klag­te bot En­de De­zem­ber 2011 über die In­ter­net­platt­form eBay ei­nen Kraft­fahr­zeug­mo­tor zum Ver­kauf an. Am 04.01.2012 be­en­de­te er sein An­ge­bot und strich die bis da­hin vor­lie­gen­den Ge­bo­te. Zu die­sem Zeit­punkt war der Klä­ger Höchst­bie­ten­der mit ei­nem Be­trag von 1.509 €. Als Grund für die Be­en­di­gung des An­ge­bots gab der Be­klag­te ge­gen­über dem Klä­ger vor­pro­zes­su­al an, er ha­be au­ßer­halb der In­ter­net­auk­ti­on ein bes­se­res An­ge­bot für den Mo­tor er­hal­ten. Im Rechts­streit be­grün­de­te er die An­ge­bots­rück­nah­me da­mit, der Mo­tor ha­be sei­ne Zu­las­sung im Stra­ßen­ver­kehr ver­lo­ren; dies ha­be er bei der Frei­schal­tung des eBay-An­ge­bots noch nicht ge­wusst.

Die Ver­stei­ge­rung des Mo­tors er­folg­te auf der Grund­la­ge der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen von eBay. Dort heißt es aus­zugs­wei­se:

„§ 10

1. … Bei Ab­lauf der Auk­ti­on oder bei vor­zei­ti­ger Be­en­di­gung des An­ge­bots kommt zwi­schen An­bie­ter und Höchst­bie­ten­dem ein Ver­trag über den Er­werb des Ar­ti­kels zu­stan­de, es sei denn der An­bie­ter war ge­setz­lich da­zu be­rech­tigt, das An­ge­bot zu­rück­zu­neh­men und die vor­lie­gen­den Ge­bo­te zu strei­chen …

7. Bie­ter dür­fen ein Ge­bot nur dann zu­rück­neh­men, wenn sie da­zu ge­setz­lich be­rech­tigt sind. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen.“

In den „Wei­te­ren In­for­ma­tio­nen“ wird auf Fol­gen­des hin­ge­wie­sen:

„Nach den Vor­schrif­ten des Bür­ger­li­chen Ge­setz­buchs (BGB) kön­nen Sie sich von ei­ner ver­bind­li­chen Wil­lens­er­klä­rung … lö­sen, wenn ein so ge­nann­ter An­fech­tungs­grund vor­liegt. Ein An­fech­tungs­grund liegt vor, wenn Sie sich bei der Ab­ga­be ei­ner Wil­lens­er­klä­rung in ei­nem re­le­van­ten Irr­tum be­fan­den …

So­fern ein An­fech­tungs­grund vor­liegt, der Sie da­zu be­rech­tigt, sich von Ih­rem An­ge­bot zu lö­sen, kön­nen Sie dies durch das vor­zei­ti­ge Be­en­den des An­ge­bots und Strei­chung be­reits vor­han­de­ner Ge­bo­te tech­nisch um­set­zen. Sie soll­ten auf je­den Fall den Grund für die vor­zei­ti­ge Be­en­di­gung des An­ge­bots dem Höchst­bie­ten­den ge­gen­über zu­sätz­lich ge­son­dert in Form ei­ner An­fech­tungs­er­klä­rung gel­tend ma­chen. Die An­fech­tung muss da­bei un­ver­züg­lich ge­gen­über dem Höchst­bie­ten­den er­klärt wer­den. Ge­ben Sie hier­bei den Grund für die vor­zei­ti­ge Be­en­di­gung an.“

Mit sei­ner Kla­ge nimmt der Klä­ger den Be­klag­ten auf Zah­lung von 3.500 € nebst Zin­sen in An­spruch. Er be­haup­tet, der vom Be­klag­ten an­ge­bo­te­ne Mo­tor ha­be ei­nen Markt­wert von 5.009 €; für die­sen Preis hät­te er den Mo­tor ver­kau­fen kön­nen. Durch die An­ge­bots­rück­nah­me sei ihm ein ent­spre­chen­der Scha­den ent­stan­den.

Das Amts­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Land­ge­richt hat das erst­in­stanz­li­che Ur­teil auf die Be­ru­fung des Klä­gers ab­ge­än­dert und die Kla­ge dem Grun­de nach für ge­recht­fer­tigt er­klärt. Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten hat­te Er­folg; das Ur­teil des Land­ge­richts wur­de auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: [10]   I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[11]   Der Klä­ger kön­ne vom Be­klag­ten nach §§ 281 I 1, 280 I 1, III BGB Scha­dens­er­satz ver­lan­gen, der die noch fest­zu­stel­len­de Dif­fe­renz zwi­schen dem Ge­bot des Klä­gers bei Rück­nah­me des An­ge­bots durch den Be­klag­ten und dem tat­säch­li­chen Wert des Mo­tors um­fas­se.

[12]   Zwi­schen dem den Mo­tor an­bie­ten­den Be­klag­ten und dem zum Zeit­punkt der Be­en­di­gung der Auk­ti­on das höchs­te Ge­bot ab­ge­ben­den Klä­ger sei ein Kauf­ver­trag zu­stan­de ge­kom­men.

[13]   Der An­bie­ter in ei­ner eBay-Auk­ti­on sei nur un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen be­rech­tigt, die Auk­ti­on zu be­en­den und sein An­ge­bot zu­rück­zu­zie­hen. Zie­he er das An­ge­bot un­be­rech­tigt zu­rück, sei er den­noch auf­grund des zu­stan­de ge­kom­me­nen Ver­trags zur Leis­tung ver­pflich­tet.

[14]   Der Be­klag­te sei vor­lie­gend zwar „wohl be­rech­tigt“ ge­we­sen, sein An­ge­bot zu­rück­zu­neh­men, weil ihm ein ge­setz­li­cher Grund i. S. des § 10 Zif­fer 1 der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen von eBay zu­ge­stan­den ha­be. Denn er ha­be sich über Ei­gen­schaf­ten des an­ge­bo­te­nen Ge­gen­stands ge­irrt und ha­be den Kauf­ver­trag da­her mög­li­cher­wei­se nach § 119 BGB an­fech­ten kön­nen.

[15]   Aber die­ses An­fech­tungs­recht hät­te den mit der Be­en­di­gung der Auk­ti­on zu­stan­de ge­kom­me­nen Ver­trag nur dann be­en­den kön­nen, wenn der Be­klag­te von der Mög­lich­keit der An­fech­tung ge­gen­über dem Klä­ger auch rechts­wirk­sam Ge­brauch ge­macht hät­te. Dar­an feh­le es, denn der Be­klag­te ha­be sei­nen Irr­tum über die Ei­gen­schaf­ten des Mo­tors erst wäh­rend des Rechts­streits of­fen­bart und da­mit er­sicht­lich nicht mehr un­ver­züg­lich ge­mäß § 121 I BGB an­ge­foch­ten.

[16]   Es be­ste­he kein An­lass, im Fall der In­ter­net­auk­ti­on be­reits die Be­rech­ti­gung zur An­ge­bots­rück­nah­me we­gen ei­nes zur An­fech­tung be­rech­ti­gen­den Irr­tums zur Auflösung des Ver­trags füh­ren zu las­sen oder so­gar da­von aus­zu­ge­hen, dass ein sol­cher nicht erst zu­stan­de kom­me, an­statt sei­ne Auflösung von ei­ner An­fech­tungs­er­klä­rung ab­hän­gig zu ma­chen. Denn das Ver­trau­en des Bie­ten­den in den Be­stand des mit der Be­en­di­gung der Auk­ti­on zu­stan­de ge­kom­me­nen Ver­trags sei ge­nau­so schüt­zens­wert wie in an­de­ren Fäl­len an­fecht­ba­rer Ver­trä­ge. § 10 Zif­fer 1 der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen von eBay ste­he dem nicht ent­ge­gen. Dort wür­den die Fol­gen der An­ge­bots­rück­nah­me nicht ab­schlie­ßend ge­re­gelt, son­dern auf die ge­setz­li­che La­ge ver­wie­sen.

[17]   II. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Über­prü­fung nicht stand. Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Be­grün­dung kann ein Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers dem Grun­de nach nicht be­jaht wer­den. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts ist zwi­schen den Par­tei­en kein Kauf­ver­trag zu­stan­de ge­kom­men, wenn der Be­klag­te, was re­vi­si­ons­recht­lich zu un­ter­stel­len ist, zur An­fech­tung sei­nes An­ge­bots nach § 119 BGB be­rech­tigt war.

[18]   Nach der Recht­spre­chung des Se­nats ist der Er­klä­rungs­in­halt ei­nes im Rah­men ei­ner In­ter­net­auk­ti­on ab­ge­ge­be­nen Ver­kaufs­an­ge­bots un­ter Be­rück­sich­ti­gung der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen des Un­ter­neh­mens zu be­stim­men, das auf sei­ner In­ter­net­platt­form das Fo­rum für die Auk­ti­on bie­tet (Se­nat, Urt. v. 08.06.2011 – VI­II ZR 305/10, NJW 2011, 2643 Tz. 15 ff.).

[19]   Nach § 10 Zif­fer 1 Satz 5 der im Streit­fall gel­ten­den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen von eBay kommt ein Kauf­ver­trag bei Ab­lauf der Auk­ti­on oder bei vor­zei­ti­ger Be­en­di­gung des An­ge­bots – in­so­weit über­ein­stim­mend mit den §§ 145 ff. BGB – durch An­nah­me des Ver­kaufs­an­ge­bots durch den Höchst­bie­ten­den zu­stan­de, es sei denn, der An­bie­ter war ge­setz­lich da­zu be­rech­tigt, das An­ge­bot zu­rück­zu­neh­men und die vor­lie­gen­den Ge­bo­te zu strei­chen. Un­ter wel­chen Um­stän­den der An­bie­ten­de sein An­ge­bot zu­rück­zie­hen kann, wird in § 10 Zif­fer 7 der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen und den dar­an an­knüp­fen­den „Wei­te­ren In­for­ma­tio­nen“ nä­her er­läu­tert.

[20]   Der Se­nat hat im Ur­teil vom 08.06.2011 (VI­II ZR 305/11, NJW 2011, 2643), bei dem in­halt­lich gleich­lau­ten­de Be­stim­mun­gen zu be­ur­tei­len wa­ren, aus­ge­führt, dass auf der Grund­la­ge die­ser Re­ge­lun­gen kein Kauf­ver­trag zu­stan­de kommt, so­fern der An­bie­ten­de ge­setz­lich da­zu be­rech­tigt war, sein An­ge­bot zu­rück­zu­zie­hen. Denn auf­grund der ge­nann­ten Be­stim­mun­gen ist das An­ge­bot des Ver­käu­fers aus der Sicht der an der Auk­ti­on teil­neh­men­den Bie­ter (§§ 133, 157 BGB) da­hin zu ver­ste­hen, dass es un­ter dem Vor­be­halt ei­ner be­rech­tig­ten An­ge­bots­rück­nah­me steht. Ein sol­cher Vor­be­halt, der die Bin­dungs­wir­kung des Ver­kaufs­an­ge­bots ein­schränkt, ver­stößt nicht ge­gen Grund­sät­ze über die Bin­dungs­wir­kung von An­ge­bo­ten (§§ 145, 148 BGB), son­dern ist zu­läs­sig. Denn ge­mäß § 145 BGB kann der An­tra­gen­de die Bin­dungs­wir­kung sei­nes An­ge­bots aus­schlie­ßen; eben­so kann er sie ein­schrän­ken, in dem er sich den Wi­der­ruf vor­be­hält (Se­nat, Urt. v. 08.06.2011 – VI­II ZR 305/10, NJW 2011, 2643 Tz. 17).

[21]   Die­se recht­li­chen Vor­ga­ben hat das Be­ru­fungs­ge­richt im Streit­fall nicht hin­rei­chend be­ach­tet. Denn es ist der Auf­fas­sung, dass ein Kauf­ver­trag un­ge­ach­tet der An­ge­bots­rück­nah­me selbst dann zu­stan­de ge­kom­men sei, wenn dem Be­klag­ten ein An­fech­tungs­recht nach § 119 BGB we­gen Irr­tums über ei­ne ver­kehrs­we­sent­li­che Ei­gen­schaft des an­ge­bo­te­nen Mo­tors (feh­len­de Zu­las­sung für den Stra­ßen­ver­kehr) zu­ge­stan­den ha­be. Da­bei hat das Be­ru­fungs­ge­richt über­se­hen, dass nach § 10 Zif­fer 1 Satz 5 der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen von eBay schon das An­ge­bot des Ver­käu­fers nicht bin­dend ist, wenn ein Tat­be­stand vor­liegt, der den Ver­käu­fer bei ei­nem zu­stan­de ge­kom­me­nen Ver­trag zur Lö­sung vom Ver­trag be­rech­ti­gen wür­de.

[22]   III. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist da­her auf­zu­he­ben (§ 562 I ZPO). Ei­ne ab­schlie­ßen­de Ent­schei­dung in der Sa­che ist dem Se­nat nicht mög­lich, da den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts nicht mit aus­rei­chen­der Si­cher­heit ent­nom­men wer­den kann, ob dem Be­klag­ten tat­säch­lich ein An­fech­tungs­recht zu­stand, auf­grund des­sen er be­rech­tigt war, sein An­ge­bot zu­rück­zu­zie­hen. Dies wird das Be­ru­fungs­ge­richt zu klä­ren ha­ben. Die Sa­che ist da­her zu neu­er Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 563 I ZPO).

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