- Grundsätzlich steht es den Parteien eines Kfz-Kaufvertrags frei, Gewährleistungsansprüche auszuschließen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Ausschluss einseitig im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgegeben wird oder es sich um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 I BGB handelt.
- Ein Verbraucher kann sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) jedenfalls dann nicht auf seine Verbrauchereigenschaft berufen und den damit verbundenen Schutz in Anspruch nehmen, wenn er sich einem Unternehmer gegenüber selbst als Unternehmer ausgegeben hat. Das gilt nur dann nicht, wenn auch der Unternehmer – wofür der Verbraucher die Beweislast trägt – böswillig war und wusste, dass er es eigentlich mit einem Verbraucher zu tun hat.
LG Bochum, Urteil vom 24.06.2011 – I-4 O 202/10
(nachfolgend: OLG Hamm, Urteil vom 29.03.2012 – I-28 U 147/11)
Sachverhalt: Die Parteien streiten über Gewährleistungsansprüche aus einem Gebrauchtwagenkaufvertrag.
Am 26.11.2009 kaufte der Kläger bei dem Beklagten einen Mercedes E 320 (Kilometerstand: 130.000) zum Preis von 13.900 €. Auf das Fahrzeug war der Kläger durch ein Inserat im Internet, in dem der Kaufpreis mit 13.950 € angegeben war, aufmerksam geworden. Nach telefonischem Kontakt suchte der Kläger mit dem Zeugen X das Geschäft des Beklagten auf. Er brachte rote Kenneichen, die er von einem ihm bekannten Fahrzeughändler bekommen hatte, mit, um das Fahrzeug später überführen zu können. Der Kaufvertrag wurde im Büro des Beklagten in Anwesenheit des Klägers und des Zeugen Z, der die Verkaufsverhandlungen führte, geschlossen.
In dem Kaufvertrag wurde handschriftlich vermerkt und vom Kläger gesondert unterschrieben: „Käufer ist Gewerbetreibender, somit keine Gewähr auf Sachmangel. Probefahrt wurde gemacht. Kein Rückgaberecht! Preisminderung!“ Nachdem der Kläger bei dem Punkt „Unfallschäden“ zunächst „nein“ angekreuzt hatte, wurde dies auf Verlangen des Zeugen Z dahin geändert, dass nunmehr „ja“ angekreuzt wurde. Im dazugehörigen Feld mit dem Titel „Wenn ja, folgende:“ wurde eeingetragen: „Art und Umfang unbekannt“.
Kurz nach dem Kauf stellte der Kläger Probleme mit der Schaltung des Fahrzeugs fest. Am 08.12.2009 forderte er den Beklagten zur Nacherfüllung auf. Sodann beauftragte er einen Gutachter mit der Begutachtung des Fahrzeugs. Dessen Gutachten vom 11.02.2010, das einen Kilometerstand bei Kauf von 135.000 zugrunde legt, kommt zu dem Ergebnis, dass die Schaltungsprobleme auf den Verschleiß verschiedener Getriebebauteile zurückzuführen seien. Aufgrund der vergleichsweise geringen Laufleistung von 5.300 km ergäben sich belastbare Anhaltspunkte dafür, dass der Verschleiß bereits in der Anlage bei Übergabe des Fahrzeugs vorlag. Die Behebung der Mängel würde 1.360 € netto, das heißt 1618,40 € brutto kosten. Für das Gutachten wurden dem Kläger 3.279,02 € in Rechnung gestellt, wobei 2.000 € als Barvorschuss gezahlt wurden.
Am 08.12.2009 setzte der Kläger dem Beklagten vergeblich eine Frist zur Nacherfüllung bis zum 15.12.2009. Am 18.12.2009 lehnte der Beklagte eine Nacherfüllung unter Berufung auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss ab.
Der Kläger behauptet, er sei kein Gewerbetreibender und habe sich dem Beklagten gegenüber auch nie als Gewerbetreibender ausgegeben. Der handschriftliche Zusatz sei auf Druck des Zeugen Z erfolgt, der den Verkauf von der Unterzeichnung abhängig gemacht habe.
Seine auf Zahlung von 6.456,02 € nebst Zinsen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 437, 281 BGB nicht zu, da Gewährleistungsansprüche wirksam ausgeschlossen wurden.
Grundsätzlich steht es Parteien eines Kaufvertrags im Rahmen ihrer Privatautonomie frei, Gewährleistungsansprüche auszuschließen. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn der Ausschluss einseitig im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgegeben wird oder wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 BGB handelt.
Der handschriftliche Zusatz erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Allgemeinen Geschäftsbedingung i. S. der §§ 305 ff. BGB. Nach Auffassung des Gerichts liegt auch kein Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 BGB vor.
Ein Verbrauchsgüterkauf nach dieser Vorschrift ist gegeben, wenn ein Verbraucher i. S. des § 13 BGB von einem Unternehmer i. S. des § 14 BGB eine bewegliche Sache kauft. Die in der Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob es bei der Bestimmung der Verbraucher- bzw. Unternehmereigenschaft der Parteien allein auf den objektiv verfolgten Zweck (so z. B. MünchKomm-BGB/Lorenz, 5. Aufl. [2008], § 474 Rn. 23) oder (auch) auf die äußeren Umstände (so z. B. Palandt/Weidenkaff, 69. Aufl. [2010], § 474 Rn. 4) ankommt, hat der BGH bislang offengelassen (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780). Allerdings kommt es hierauf im vorliegenden Fall auch nicht maßgeblich an. Nach Auffassung des BGH, der sich das Gericht anschließt, kann sich ein Verbraucher nämlich jedenfalls dann nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht auf seine Verbrauchereigenschaft berufen und den damit verbundenen Schutz in Anspruch nehmen, wenn er sich selbst als Unternehmer ausgibt (vgl. BGH, Urt. v. 22.12.2004 – VIII ZR 91/04, NJW 2005, 1045). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Unternehmer selbst böswillig war und von der eigentlichen Verbrauchereigenschaft des Käufers wusste, wofür der Käufer die Beweislast trägt.
Das Gericht ist zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger dem Beklagten gegenüber eine Unternehmereigenschaft vorgetäuscht hat. Der Nachweis für eine Böswilligkeit des Beklagten ist dem Kläger nicht gelungen.
Für eine Vortäuschung der Unternehmereigenschaft spricht zum einen, dass der Kläger bereits mit den – nur für Händler vorgesehenen – roten Kennzeichen bei dem Geschäft des Beklagten erschienen ist. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass dies unter Umständen auch von Privatleuten so praktiziert werden mag, um teurere Kurzzeitkennzeichen zu vermeiden. Allerdings hat der Kläger hiermit dem Beklagten gegenüber zunächst einmal den Anschein erweckt, zu dem Führen solcher Kennzeichen berechtigt zu sein. Nach Auffassung des Gerichts liegen zudem keine Hinweise dafür vor, dass dieser Anschein im Folgenden durch den Kläger beseitigt wurde – im Gegenteil hat der Kläger unstreitig den Gewährleistungsausschluss unter Hinweis auf seine Stellung als Gewerbetreibender und auf einen gewährten Preisnachlass unterzeichnet, obwohl ihm bewusst war, dass nach Art und Umfang unbekannte Unfallschäden an dem Fahrzeug vorlagen.
Der Beklagte hat glaubhaft geschildert, dass der Kläger bereits im Rahmen des vorausgehenden Telefonats geäußert habe, er sei Gewerbetreibender. Der Zeuge Z hat, ebenfalls glaubhaft, ausgesagt, dass der Kläger seine Eigenschaft als Gewerbetreibender danach ausdrücklich bestätigt habe. Der Zeuge hat weiter glaubhaft und für das Gericht nachvollziehbar erklärt, dass der vereinbarte Preis eben aufgrund der Möglichkeit eines Gewährleistungsausschlusses nur mit Unternehmern geschlossen worden wäre bzw. dass bei einem Geschäft mit einem Privatmann zwingend eine sogenannte Car-Garantie abgeschlossen worden wäre, um dieses Risiko zu vermindern.
Die Tatsache, dass das Internetinserat … ebenfalls lediglich einen Preis von 13.950 € ausschreibt, spricht nicht gegen die Aussage des Zeugen X und den sonstigen diesbezüglichen Beklagtenvortrag. Es mag zwar für Privatkunden unangenehm sein, das Geschäft des Beklagten mit einer bestimmten Preisvorstellung zu besuchen, um dann zu erfahren, dass sie zwingend eine zusätzliche, Kosten verursachende Garantie abschließen sollen. Dies macht die Aussage aufgrund der nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründe für eine solche Herangehensweise des Beklagten jedoch nicht weniger glaubhaft. Die Aussage des Zeugen ist daher insgesamt nachvollziehbar und findet ihren Niederschlag in den geschilderten Umständen. Sie wird auch nicht widerlegt durch die Aussage des Zeugen X. Dieser wurde von Klägerseite dafür benannt, dass der Kläger dem Beklagten gegenüber nicht geäußert haben soll, er sei Gewerbetreibender, und dass der Beklagte bzw. der Zeuge Z den Beklagten zu der Unterzeichnung des Gewährleistungsausschlusses gedrängt haben soll. Die Aussage des Zeugen war jedoch in weiten Teilen nicht ergiebig. Zu der Frage, ob der Kläger gegenüber dem Beklagten bzw. dem Zeugen Z geäußert habe, er sei Gewerbetreibender bzw. Privatmann, konnte er nichts sagen. Bei den Verhandlungen selbst war er ebenfalls nicht zugegen, sondern hielt sich auf dem Vertriebsgelände des Beklagten auf. Auch die Aussage des Zeugen X, er habe mitbekommen, dass auf dem Tisch etwas lag, auf dem etwas angekreuzt wurde, was dem Kläger nicht gefallen hat, und dass es daraufhin zu einer Diskussion zwischen den Parteien gekommen sei, erschüttert die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen Z nicht und bestätigt im Ergebnis nicht den Vortrag des Klägers. Bei dieser Diskussion könnte es sich nämlich ebenso gut um die vom Beklagten angeführte und von Kläger nicht bestrittene Diskussion um die Angaben zur Unfallfreiheit handeln. Hierfür spricht auch, dass der Zeuge ausgesagt hat, es habe etwas angekreuzt werden sollen, was dem Kläger nicht gefiele. Bei dem Feld zu den Unfallvorschäden gab es die Möglichkeit, „ja“ oder „nein“ anzukreuzen; der handschriftliche Gewährleistungsausschluss wurde lediglich hinzugefügt, eine Möglichkeit des Ankreuzens gab es hier nicht.
Auch aus anderen Anspruchsgrundlagen steht dem Beklagten kein Anspruch zu .…
Hinweis: Das OLG Hamm hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 29.03.2012 – I-28 U 147/11 – zurückgewiesen.