Die Garantiezusage eines Autoverkäufers, durch die der Käufer gegen Entgelt nach seiner Wahl einen Reparaturanspruch gegenüber dem Verkäufer oder einen Reparaturkostenersatzanspruch gegenüber einem Versicherer erhält, ist steuerpflichtig (Änderung der Rechtsprechung).
BFH, Urteil vom 10.02.2010 – XI R 49/07
Sachverhalt: Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt eine Reparaturwerkstatt und einen Handel mit Kfz. Beim Verkauf von Kfz bot er den Käufern den Abschluss einer Garantievereinbarung an. Dieser lagen in den Streitjahren 1996 bis 1998 die „Garantiebedingungen B 196“ zugrunde.
Die Garantie war bei der X-Versicherungs-AG – im Folgenden: X – (rück-)versichert. In dem „Sammelvertrag für Baugruppen-Garantieversicherung (ABRK)“ zwischen dem Kläger und X ist festgelegt, dass X für alle vom Händler an X gemeldeten Fahrzeuge eine Gesamtabrechnung erstellt. Für die garantieversicherten Fahrzeuge werden keine Einzelversicherungsscheine ausgefertigt. Der Händler verpflichtet sich, jeden ihm vom Garantienehmer zur Reparatur gemeldeten Garantiefall vor Reparaturbeginn zu melden. In einem Zusatzvertrag zum (Rück-)Versicherungsvertrag ist vereinbart, dass der Kläger von X eine auf die Netto-Versicherungsprämie bezogene und von der Anzahl der abgeschlossenen Verträge abhängige Provision erhält.
Die vierundzwanzig Monate gültige Garantievereinbarung begann beim Erwerb eines Gebrauchtwagens sofort und beim Kauf eines Neuwagens nach Ablauf der einjährigen Werksgarantie.
Die „Garantiebedingungen B 196“ lauten unter anderem wie folgt:
„§ 1 Inhalt der Garantie
1. Der Verkäufer/Garantiegeber gibt dem Käufer/Garantienehmer eine Garantie, die die Funktionsfähigkeit der in § 2 Nr. 1 genannten Bauteile für die vereinbarte Laufzeit umfasst. Diese Garantie ist durch die X-Versicherungs-AG versichert.
2. Verliert ein solches Bauteil innerhalb der Garantielaufzeit unmittelbar und nicht infolge eines Fehlers nicht garantierter Bauteile seine Funktionsfähigkeit, hat der Käufer/Garantienehmer Anspruch auf eine dadurch erforderliche fachgerechte Reparatur durch Ersatz oder Instandsetzung des Bauteils. Die Regelung über den Selbstbehalt und über die Grenze des Wiederbeschaffungswertes (§ 6 Nr. 2) gilt entsprechend … Schlägt die Reparatur zweimal fehl, so kann der Käufer/Garantienehmer verlangen, dass eine andere Fachwerkstatt mit der Durchführung der Reparatur beauftragt wird …
§ 6 Reparatur in einer Fremdwerkstatt (Fremdreparatur)
1. Reparaturberechtigte Betriebe
Lässt der Käufer/Garantienehmer die Reparatur nicht beim Verkäufer/Garantiegeber durchführen, ist er verpflichtet, diese bei einer (sonstigen) vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen zu lassen (Fremdreparatur).2. Ansprüche des Käufers/Garantienehmers
Dem Käufer/Garantienehmer werden garantiebedingte Lohnkosten nach den Arbeitszeitrichtwerten des Herstellers voll erstattet. Garantiebedingte Materialkosten werden im Höchstfall nach den unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers, ausgehend von der Betriebsleistung des beschädigten Bauteils bei Schadenseintritt, wie folgt bezahlt: …3. Geltendmachung der Ansprüche
Der Käufer/Garantienehmer ist berechtigt, alle Rechte aus der versicherten Garantie im eigenen Namen unmittelbar gegenüber X geltend zu machen. Im Hinblick darauf verpflichtet sich der Käufer/Garantienehmer, stets vorrangig X in Anspruch zu nehmen.4. Versicherte Gefahren, Umfang der Entschädigung
X leistet Entschädigung, wenn und soweit der Versicherungsnehmer als Verkäufer/Garantiegeber aufgrund der abgegebenen Garantie eine Leistung erbringen muss …“
Beim Abschluss einer Garantievereinbarung erhielt der Autokäufer „Wichtige Hinweise für den Garantiefall“. Diese lauten wie folgt:
„Melden Sie bitte in dem Fall, dass die Reparatur von dem garantiegebenden Händler durchgeführt werden soll, den Garantiefall diesem Händler. Bitten Sie den Händler, X vor Reparaturbeginn vorab fernmündlich über den Garantiefall zu informieren. Für den Fall, dass Sie die Reparatur nicht bei dem garantiegebenden Händler durchführen lassen, melden Sie bitte X vor Reparaturbeginn telefonisch den Garantiefall … Wird die garantiepflichtige Reparatur von dem garantiegebenden Händler durchgeführt, erfolgt die Garantiebearbeitung direkt mit diesem Händler. In diesem Fall haben Sie nur die nicht erstattungspflichtigen Reparaturkosten zu tragen, die Ihnen der Händler gesondert in Rechnung stellt. Wird die garantiepflichtige Reparatur nicht von dem garantiegebenden Händler durchgeführt, gleicht X die einzureichende Rechnung direkt Ihnen gegenüber aus, wenn die Rechnung quittiert ist. Nach Absprache mit dem Sachbearbeiter der X kann die Bezahlung dieser Reparatur jedoch auch direkt an die ausführende Werkstatt erfolgen. In diesem Fall haben Sie lediglich die nicht erstattungspflichtigen Reparaturkosten zu tragen, die Ihnen der Händler gesondert in Rechnung stellt.“
In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1996 bis 1998 behandelte der Kläger die von den Käufern gezahlten Garantieprämien und die von X geleisteten Provisionszahlungen nicht als Entgelt für umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Dagegen sah der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt) im Anschluss an eine Außenprüfung in der Garantiezusage eine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung. Er unterwarf diese Einnahmen mit Bescheiden vom 16.08.2000 als Entgelte der Umsatzsteuer und setzte diese für 1996, 1997 und 1998 fest.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Es entschied, die von den Fahrzeugkäufern gezahlten Entgelte für die Garantie sowie die von X gewährten Provisionen seien umsatzsteuerfrei zu belassen, und die unmittelbar damit zusammenhängenden Vorsteuerbeträge seien vom Abzug auszuschließen. Die Eigenreparatur der Fahrzeuge sei entgegen der Ansicht des Finanzamts nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Eine Kürzung des Vorsteuerabzugs nach § 15 II UStG 1993 in Bezug auf die für die Eigenreparaturen verwendeten Eingangsumsätze (Gemeinkosten, Ersatzteile) sei nicht vorzunehmen.
Das Finanzamt macht mit der Revision im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Finanzgerichts stelle sich aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Leistung des Verkäufers bei Abschluss der Garantie als ein einheitlicher Vorgang dar. Das Rechtsmittel hatte Erfolg und führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Festsetzung der Umsatzsteuer gemäß dem Revisionsbegehren.
Aus den Gründen: Die Umsätze aus den Garantiezusagen des Klägers sind entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BFH und der darauf gestützten Auffassung des Finanzgerichts steuerpflichtig.
1. Zu den im Streitfall einschlägigen „Garantiebedingungen B 196“ hat der V. Senat des BFH in dem Urteil vom 16.01.2003 (V R 16/02, BFHE 201, 343 = BStBl II 2003, 445) entschieden, dass die entgeltliche Garantieleistung des Autoverkäufers keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine eigenständige Leistung sei. Dieser Auffassung schließt sich – wie bereits das Finanzamt im Klageverfahren – der erkennende Senat an.
2. Der V. Senat des BFH hat in dem zitierten Urteil die Würdigung der Vorinstanz, die Leistungen des Händlers seien nach § 4 Nr. 8 lit. g UStG steuerfrei, soweit dieser sich verpflichtet habe, die Reparatur an den Fahrzeugen selbst vorzunehmen, nicht beanstandet. Er hat ausgeführt, dass die Garantieleistungen, denen die „Garantiebedingungen B 196“ zugrunde liegen, „jedenfalls nach § 4 Nr. 8 lit. g UStG und/oder nach § 4 Nr. 10 lit. b UStG“ steuerfrei seien (unter II 1 der Gründe). An dieser Auffassung kann nicht mehr festgehalten werden.
a) Die Rechtsauffassung des V. Senats des BFH, es liege eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 lit. g UStG vor, ist durch das zwischenzeitlich ergangene Urteil des EuGH vom 19.04.2007 – Rs. C-455/05, Velvet & Steel Immobilien – (Slg. 2007, I-3225 = BFH/NV Beilage 2007, 294) überholt.
aa) Nach § 4 Nr. 8 lit. g UStG sind von den unter § 1 I Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei „die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze“.
Soweit der Kläger sich gegen Zahlung einer Prämie verpflichtet hat, innerhalb der Garantielaufzeit die erforderliche fachgerechte Reparatur durch Ersatz oder Instandsetzung des Bauteils selbst durchzuführen, handelt es sich zwar um einen nach § 1 I Nr. 1 UStG steuerbaren Leistungsaustausch. Der weitere Tatbestand des § 4 Nr. 8 lit. g UStG ist jedoch nicht erfüllt. Denn diese Vorschrift „beruht“ auf Art. 13 Teil B lit. d Nr. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer „die Vermittlung und die Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber“.
Zu dieser Bestimmung hat der EuGH in der Rechtssache Velvet & Steel Immobilien (Slg. 2007, I-3225 = BFH/NV Beilage 2007, 294) entschieden, der Begriff der „Übernahme von Verbindlichkeiten“ sei dahin auszulegen, dass er andere als Geldverbindlichkeiten, wie die Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausschließe. Es stehe fest, dass es sich bei allen in Art. 13 Teil B lit. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Umsätzen ihrer Art nach um Finanzdienstleistungen handele. Dasselbe gelte für die anderen Umsätze, auf die in Art. 13 Teil B lit. d der Richtlinie 77/388/EWG hingewiesen werde (vgl. Tz. 22 des Urteils). Die Übernahme der Verpflichtung zur Renovierung einer Immobilie falle daher nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung.
bb) Im Streitfall hat sich der Kläger nach § 1 Nr. 2 der „Garantiebedingungen B 196“ zur Durchführung einer Reparatur im Falle des Schadenseintritts und nicht zu einer Schadensersatzleistung in Geld verpflichtet. Danach hat der Käufer/Garantienehmer einen Anspruch gegen den Kläger, dass er die entsprechenden Reparaturarbeiten durchführt, also Naturalrestitution leistet. Bei diesem Anspruch handelt es sich ebenso wenig wie bei der Verpflichtung zur Renovierung einer Immobilie um eine Finanzdienstleistung. Bei einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung liegen damit die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 lit. g UStG hinsichtlich der Verpflichtung des Klägers zur Durchführung der Reparatur nicht vor.
b) Der V. Senat des BFH hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er an seiner gegenteiligen Auffassung … nicht mehr festhält.
3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz handelt es sich bei der Garantiezusage gemäß den „Garantiebedingungen B 196“ umsatzsteuerrechtlich um eine einheitliche Leistung und nicht um zwei selbstständige Leistungen.
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Aus Art. 2 I der Richtlinie 77/388/EWG ergebe sich, dass zwar jede Dienstleistung in der Regel als eigene, selbstständige Dienstleistung zu betrachten sei. Es dürfe aber eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich gespalten werden. Deshalb sei das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbstständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringe, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen sei. Eine einheitliche Leistung liege insbesondere vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile aber Nebenleistungen darstellten, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen (vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 25.02.1999 – Rs. C-349/96, Card Protection Plan Ltd (CCP), Slg. 1999, I-973 = UR 1999, 254).
Eine einheitliche Leistung sei aber auch dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornehme oder Elemente liefere, die aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers so eng miteinander verbunden seien, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bildeten, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. EuGH, Urt. v. 27.10.2005 – Rs. C-41/04, Levob Verzekeringen und OV Bank, Slg. 2005, I-9433 = BFH/NV Beilage 2006, 38; Urt. v. 29.03.2007 – Rs. C-111/05, Aktiebolaget NN, Slg. 2007, I-2697 = UR 2007, 420; Urt. v. 21.02.2008 – Rs. C-425/06, Part Service Srl., Slg. 2008, I-897 = UR 2008, 461; Urt. v. 11.06.2009 – Rs. C-572/07, RLRE Tellmer Property sro, BFH/NV 2009, 1368).
b) Die letztgenannten Voraussetzungen einer untrennbaren wirtschaftlichen Leistung sind im Streitfall bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Garantiezusage entgegen der Auffassung des Finanzgerichts erfüllt.
Der Kläger hat gegenüber den Käufern der Kfz eine „Garantie“ abgegeben. Diese umfasste die Funktionsfähigkeit bestimmter Bauteile für die vereinbarte Laufzeit. Der Kläger war damit Garantiegeber für jeden in den Garantiebedingungen bezeichneten Schadensfall und der Kunde schuldete das Entgelt für dieses Versprechen. Durch die Garantiebedingungen wurde dem Gläubiger („Garantienehmer“) zwar ein Wahlrecht in der Weise eingeräumt, dass es in seinem Belieben stand, im Schadensfall entweder die Reparatur durch seinen Händler durchführen zu lassen (Reparaturanspruch) oder den verschafften Versicherungsschutz in Anspruch zu nehmen und die Reparatur durch einen anderen Vertragshändler ausführen zu lassen (Reparaturkostenersatzanspruch). Die Garantiezusage hat für den Gläubiger („Garantienehmer“) aber den wirtschaftlichen Zweck, dass ein evtl. künftiger Schaden an seinem Fahrzeug in dem garantierten Umfang beseitigt wird, ohne dass er für die Kosten aufkommen muss. Die nach der Wahl des Kunden zu erbringende Leistung entweder des Händlers oder der Versicherung dient diesem einheitlichen wirtschaftlichen Zweck, so dass die Verpflichtung zur Eigenreparatur und die Verschaffung des Versicherungsschutzes so eng miteinander verbunden sind, dass ihre Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Die Garantiezusage stellt sich damit aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers als eine einheitliche untrennbare Leistung dar, für die er auch einen einheitlichen Preis zu zahlen hat.
Zwar kommt bei der Gesamtbetrachtung dem Umstand, dass ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, nach der Rechtsprechung des EuGH keine entscheidende Bedeutung zu; der EuGH räumt aber ein, dass es für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung sprechen könne, wenn ein Leistungserbringer seinen Kunden eine aus mehreren Teilen zusammengesetzte Dienstleistung gegen Zahlung eines Gesamtpreises erbringe (vgl. Slg. 1999, I-973 = UR 1999, 254 – Card Protection Plan Ltd. (CPP)).
c) Der Senat ist bei der Würdigung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt oder ob zwei getrennte Leistungen gegeben sind, nicht an die anderslautende Entscheidung der Vorinstanz gebunden. Denn die Gesamtbetrachtung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt, ist zwar im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das Finanzgericht (vgl. z. B. BFH, Urt. v. 17.04.2008 – V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712 [unter II 2d und 3b der Gründe] m. w. Nachw.). Es ist aber anerkannt, dass der BFH im Rahmen der revisionsrechtlichen Nachprüfung der Auslegung von Verträgen durch das Finanzgericht auch nachzuprüfen hat, ob das Finanzgericht die für die Auslegung bedeutsamen Begleitumstände, insbesondere die Interessenlage der Beteiligten erforscht und zutreffend gewürdigt hat (vgl. BFH, Urt. v.19.10.2001 – V R 75/98, BFH/NV 2002, 547 [unter II 4a]; Urt. v. 31.07.2002 – X R 48/99, BFHE 200, 504 = BStBl II 2003, 282 [unter II 1a cc]; Urt. v. 11.01.2005 – IX R 15/03, BFHE 209, 77 = BStBl II 2005, 477 [unter II 2b aa]). Entsprechendes gilt für die hier vorzunehmende umsatzsteuerrechtliche Beurteilung eines Leistungsbündels aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers auf der Grundlage von Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen gelten. Der BFH würde seiner gesetzlichen Verpflichtung, eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern (vgl. § 115 II Nr. 2 Fall 2 FGO), nicht gerecht werden, wenn er sich insoweit auf die Prüfung eines Verstoßes gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze beschränken und damit die Möglichkeit einander widersprechender finanzgerichtlicher Urteile in Kauf nehmen würde.
d) Davon, dass das hier angebotene „Garantie-Paket“ eine einheitliche Leistung darstellt und nicht in zwei Leistungen aufgespalten werden kann, gehen auch die Beteiligten aus. Der Kläger spricht insoweit zutreffend von „miteinander verzahnten Leistungen“.
4. Bei der danach vorliegenden einheitlichen Leistung handelt es sich um eine sonstige Leistung eigener Art i. S. des § 3 IX UStG, die aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht durch die – gem. § 4 Nr. 10 lit. b UStG steuerfreie – Verschaffung von Versicherungsschutz, sondern durch das Versprechen der Einstandspflicht des Händlers (Garantie) geprägt ist.
a) Die umsatzsteuerrechtliche Qualifizierung einer einheitlichen Leistung verlangt nach der Rechtsprechung des EuGH eine Bestimmung ihrer dominierenden (vgl. Slg. 2005, I-9433 = BFH/NV Beilage 2006, 38 – Levob Verzekeringen und OV Bank) oder wesentlichen (Slg. 2007, I-2697 = UR 2007, 420 – Aktiebolaget NN) Bestandteile.
b) Bei den im Streitfall zu beurteilenden Garantiebedingungen dominiert das Versprechen des Händlers, für bestimmte, evtl. eintretende Schäden einzustehen.
aa) Sie unterscheiden sich damit erheblich von denjenigen Garantiebedingungen, die dem BFH-Urteil vom 09.10.2002 – V R 67/01, BFHE 200, 126 = BStBl II 2003, 378 – zugrunde lagen. Dort hat der BFH den Umstand, dass Ansprüche aus der versicherten Händlergarantie vom Käufer stets und nicht nur bei der Reparatur durch eine Fremdwerkstatt „ausschließlich und unmittelbar“ gegenüber der Versicherungsgesellschaft geltend gemacht werden müssen, dahin gewürdigt, dass es sich insgesamt um eine steuerfreie Leistung, nämlich die Verschaffung von Versicherungsschutz nach § 4 Nr. 10 lit. b UStG handelt. Er hat dabei darauf abgestellt, dass die Versicherung die Einstandspflicht des Händlers vollständig ersetzt habe.
Dem entsprach die Beurteilung des OLG Frankfurt, wonach bei einer reinen Reparaturkostenversicherung die Werbung mit dem Begriff „Garantie“ irreführend i. S. des § 3 UWG sei. Mit diesem Begriff sei die Erwartung verknüpft, dass im Garantiefall durch den Hersteller oder Händler Reparaturteile kostenlos abgegeben und Reparaturarbeiten nicht berechnet würden. Die Verwendung des Begriffs „Garantie“ sei daher irreführend, wenn sich in der Garantie keine Leistung des Händlers mehr niederschlage; das sei der Fall, wenn den Händler überhaupt keine Einstandspflicht gegenüber seinem Kunden mehr treffe (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 21.12.1995 – 6 U 148/95, NJW-RR 1996, 1386).
bb) Dagegen ist sowohl nach der Bezeichnung der vom Kläger seinen Kunden geschuldeten Leistung als „Garantie“ als auch nach dem Inhalt der vorliegenden „Garantiebedingungen B 196“ die –umfassende – Verpflichtung des Händlers als „Garantiegeber“ prägend gegenüber der dem „Garantienehmer“ eingeräumten Möglichkeit, im Schadensfall die Reparatur auch in einer Fremdwerkstatt durchführen zu lassen und in diesem Fall die Versicherung in Anspruch nehmen zu können.
Nach § 1 Nr. 1 Satz 1 der „Garantiebedingungen B 196“ gibt der „Verkäufer/Garantiegeber“ dem „Käufer/Garantienehmer“ eine „Garantie“, die die in § 2 Nr. 1 dieser Garantiebedingungen genannten Bauteile umfasst. Das ist der Kern der Leistung des Klägers. Dass diese Garantie – wie es nachfolgend in § 1 Nr. 1 Satz 2 dieser Garantiebedingung heißt – „durch die X-Versicherungs-AG versichert“ ist, mag zwar aus Sicht der Kunden diese Garantie besonders werthaltig erscheinen lassen, weil sie durch eine Versicherung abgedeckt ist. Daraus folgt aber nicht, dass das Garantieversprechen des Klägers dadurch geprägt würde, dass dem Kunden ein Versicherungsschutz verschafft wird.
Die umfassende Einstandspflicht des Händlers, bei dem das Kfz gekauft wurde, macht aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers das Wesen und die Bedeutung der Garantiezusage aus, weil zu diesem Händler ein Vertrauensverhältnis besteht, das eine unkomplizierte Abwicklung des evtl. Schadensfalls verspricht.
cc) Die dagegen vom Kläger vorgebrachten Argumente belegen lediglich, dass bei dem hier zu beurteilenden „Kombinationsmodell“ der Verschaffung von Versicherungsschutz neben der Händlergarantie eigenständiges Gewicht zukommt, nicht aber, dass nunmehr die Gesamtleistung insgesamt als „Verschaffung von Versicherungsschutz“ i.S. von § 4 Nr. 10 lit. b UStG anzusehen ist.
Der Hinweis des Klägers in diesem Zusammenhang, die Verschaffung von Versicherungsschutz habe aus Käufersicht in den letzten Jahren im Verhältnis zur reinen Händlergarantie auch im Hinblick darauf noch einmal erheblich an Bedeutung und Gewicht zugenommen, dass heutzutage Fahrzeuge in zunehmenden Maße über das Internet bundesweit erworben würden, hat für den Streitfall, der die Sicht der Kunden des Klägers als (ortsansässiger oder jedenfalls in der Nähe ansässiger) Betreiber einer Reparaturwerkstatt und eines Kfz-Handels in den Jahren 1996 bis 1998 betrifft, keine Bedeutung.
dd) Der Kläger beruft sich zur Stützung seiner Auffassung ohne Erfolg auf das BFH-Urteil in BFHE 201, 343 (= BStBl II 2003, 445).
Dort hat der BFH zu den auch im Streitfall einschlägigen Garantiebedingungen zwar ausgeführt, die Garantieleistung des Verkäufers habe neben der Fahrzeuglieferung einen eigenen Zweck; sie habe ähnlich wie eine Kaskoversicherung den Zweck, das erworbene Fahrzeug gegen Schäden zu versichern (vgl. unter II 2 der Gründe).
Mit diesen Ausführungen hat der BFH aber ausschließlich begründet, dass die Garantieleistung nicht (lediglich) das Mittel darstellte, um die Hauptleistung des Leistenden – die Fahrzeuglieferung – unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, und dass deshalb das Finanzgericht zu Recht keine unselbstständige Nebenleistung zur Veräußerung der Neu- und Gebrauchtwagen angenommen habe. Dass die Verschaffung von Versicherungsschutz die Gesamtleistung prägt, ergibt sich daraus nicht.
ee) Soweit der Kläger ferner auf das (nicht rechtskräftige) Urteil des FG Münster vom 08.06.2009 – 5 K 3002/05 U, EFG 2009, 2068 – verweist, wonach eine reine Händlergarantie als bloße Verlängerung der ursprünglichen Werksgarantie kein besonderes eigenes Gewicht habe und deshalb aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers als eine unselbstständige Nebenleistung zum jeweiligen Fahrzeugverkauf anzusehen sei, ergibt sich aus diesem Urteil ebenfalls nicht, dass bei einem „Kombinationsmodell“ die Gesamtleistung insgesamt als Verschaffung von Versicherungsschutz zu qualifizieren ist.
Dasselbe gilt für das vom Kläger vorgelegte Urteil des AG Freiburg i. Br. vom 26.01.2010 – 7 C 2181/09 –, wonach bei einem „Kombinationsmodell“ – unabhängig vom Innenverhältnis zwischen „Händler/Verkäufer“ und Versicherer – dem „Käufer/Garantienehmer“ ein direkter Versicherungsanspruch gegenüber dem Versicherer zusteht.
ff) Den weiteren Einwand des Klägers, nur die Beurteilung des „Gesamtpakets“ als (umsatzsteuerfreie) „Verschaffung von Versicherungsschutz“ sei systemgerecht und vermeide entsprechend dem Zweck des § 4 Nr. 10 lit. b UStG, dass die Leistung des Garantiepakets im „Kombinationsmodell“ im Gegensatz zur „reinen Händlergarantie“ und im Gegensatz zum „reinen Versicherungsmodell“ sowohl mit Umsatzsteuer als auch mit Versicherungsteuer belastet werde, hält der Senat nicht für durchgreifend.
Umsatzsteuerfrei sind nach § 4 Nr. 10 lit. b UStG nur „die Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird“. Die Vorschrift rechtfertigt kein Abgehen von den vom EuGH aufgestellten allgemeinen Grundsätzen zur umsatzsteuerrechtlichen Qualifizierung von Leistungsbündeln (vgl. dazu oben unter II 4a). Sie kann deshalb nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass eine einheitliche Leistung bereits immer dann steuerfrei ist, wenn ein Element in der Verschaffung von Versicherungsschutz besteht.
c) Damit ist die Garantiezusage als einheitliche Leistung eigener Art steuerpflichtig, die aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht durch die Verschaffung von Versicherungsschutz, sondern durch das Versprechen einer Einstandspflicht des Händlers im Schadensfall geprägt ist.
Sie ist nicht etwa deshalb nach § 4 Nr. 10 lit. b UStG steuerfrei, weil sich der Händler für seine Verpflichtung rückversichert hat. Denn der Umsatz zwischen einem Unternehmer und seinem Kunden beurteilt sich nach dem Rechtsgeschäft, das zwischen diesen abgeschlossen worden ist, und nicht danach, ob der Unternehmer für seine Verpflichtung aus diesem Rechtsgeschäft eine Rückversicherung abgeschlossen hat.
Dem steht das BFH-Urteil in BFHE 201, 343 (= BStBl II 2003, 445) nicht entgegen. Denn darin hat der BFH die Frage, ob die Steuerfreiheit der Garantieleistung auf § 4 Nr. 10 lit. b UStG oder auf § 4 Nr. 8 lit. g UStG beruht, offengelassen …
5. Da die Vorentscheidung von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, muss sie aufgehoben werden.
6. Der Senat entscheidet gem. § 126 III 1 Nr. 1 FGO in der Sache selbst. Der Rechtsstreit ist entgegen der Auffassung des Klägers spruchreif. Zwar hat sich das Finanzgericht – ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt – nicht zu der Frage geäußert, welches der Leistungselemente der einheitlichen Gesamtleistung des Klägers das Gepräge gibt. Es ist aber nicht ersichtlich, welche Tatsachenfeststellungen dazu noch getroffen werden sollen …