Der Käufer eines Neufahrzeugs darf die Angabe des Verkäufers, das Fahrzeug sei mit „Leder“ ausgestattet, so verstehen, dass für die Innenausstattung nur echtes Leder und nicht sowohl Leder als auch Kunstleder verwendet wurde.
LG Saarbrücken, Beschluss vom 17.12.2008 – 9 O 188/08
Sachverhalt: Der Kläger bestellte bei der Beklagten für ca. 34.000 € ein Neufahrzeug, das innen mit „Leder“ ausgetattet sein sollte. Nach Lieferung des Fahrzeugs nahm der Kläger die Beklagte auf Nacherfüllung (§ 439 I BGB) in Anspruch, weil jedenfalls die inneren Türverkleidungen, die Kopfstützen und die Sitzwangen nicht mit Leder, sondern mit Kunstleder bezogen waren. Die Parteien schlossen sodann einen gerichtlichen Vergleich, und das Gericht erlegte der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf.
Aus den Gründen: Infolge des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergleichs war gemäß § 91a I ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.
Haben die Parteien – wie hier – einen Vergleich durch eine sogenannte negative Kostenregelung im protokollierten Vergleichstext ausdrücklich auf die Hauptsache beschränkt, so ist diese damit erledigt, und das Gericht muss sodann über die Kosten nach § 91a ZPO entscheiden (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 98 Rn. 3) … Bei der Entscheidung gemäß § 91a ZPO hat in Anbetracht der übereinstimmenden Erledigungserklärung eine Prüfung des Vorliegens eines erledigenden Ereignisses zu unterbleiben. Grundsätzlich trifft somit die Partei die Kostenlast insgesamt, die ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich ganz unterlegen wäre und der dann gemäß § 91 I ZPO die Kosten auferlegt worden wären (Musielak/Wolst, ZPO, 6. Aufl., § 91a Rn. 23). Bei dieser Prognoseentscheidung darf sich das Gericht aus prozessökonomischen Gründen mit einer summarischen Prüfung begnügen (BVerfG, NJW 1993, 1060 [1061]; vgl. BGHZ 67, 343 [345]).
1. Nach diesen Maßstäben sind vorliegend der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, weil sie gegenüber dem Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 439 I BGB voraussichtlich unterlegen gewesen wäre, dementsprechend die Voraussetzungen des Annahmeverzugs gegeben waren (§§ 293 ff. BGB) und die Beklagte auch die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung unter dem Gesichtspunkt des Verzugs (§ 286 I BGB) zu tragen hatte.
a) Das gekaufte Fahrzeug ist mangelhaft, weil die Türinnenverkleidungen, die Kopfstützen und die Sitzwangen nicht mit Leder, sondern mit Kunstleder bezogen sind.
Gemäß § 434 I 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist die Sache, soweit ihre Beschaffenheit nicht vereinbart ist, frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (Nr. 1), sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (Nr. 2). Nach § 446 Satz 1 BGB geht die Gefahr mit Übergabe der verkauften Sache über. Die Beschaffenheit muss vereinbart sein. Das setzt beiderseitige, zumindest konkludente Willenserklärungen beider Parteien voraus. Nicht erforderlich ist ein besonderer Einstandswille des Verkäufers, wie er früher für die Zusicherung verlangt wurde; andererseits reicht eine einseitige Beschreibung seitens des Verkäufers, auf die der Käufer nicht wenigstens schlüssig eingegangen ist, nicht aus. Es genügt auch, wenn der Käufer beschreibt, welche Eigenschaften der Kaufsache er erwartet, und der Verkäufer darauf zustimmend reagiert, dies insbesondere, wenn er als Fachmann die geäußerten Vorstellungen des Käufers von bestimmten Eigenschaften und Umständen widerspruchslos stehen lässt. Das bloße Wissen des Verkäufers um die Vorstellungen des Käufers bezüglich der Beschaffenheit der Sache genügt aber nicht (MünchKomm-BGB/Westermann, 5. Aufl., § 434 Rn. 12).
Demnach ist hier vom Zustandekommen einer Vereinbarung über eine Innenausstattung aus (echtem) Leder auszugehen. Die ohne jede Einschränkung und ohne Hinweis auf Zusätze erfolgte Beschaffenheitsangabe der Beklagten „Leder …“ im Rahmen des mit sogenanntem Premium-Paket erworbenen Opel GT 2.0 Turbo war aus Sicht des Klägers bei vernünftiger Würdigung dahin zu verstehen, dass für die Innenausstattung echtes Leder und nicht etwa eine Zusammenfassung von Leder- und Kunstlederelementen verwendet worden ist. Der Einholung eines – von der Beklagten beantragten – Sachverständigengutachtens hätte es insoweit nicht bedurft, weil das Gericht gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen hat, wie die Vertragserklärung der Beklagten aus der Sicht des Klägers als Verbraucher zu verstehen ist. Ausdrückliche (mündliche) Abreden über die Bedeutung des Begriffs „Leder“ haben die Parteien nicht getroffen, vielmehr ging es nach dem Vorbringen der Beklagten beim Verkaufsgespräch gerade nicht um Details der Innenausstattung. Bei dieser Sachlage kann der Einwand der Beklagten, der Kläger habe den von ihm im Verkaufsraum in Augenschein genommenen GT bestellt, keinen Erfolg haben. Der Vortrag der Beklagten, Kunstleder sei wesentlich pflegeleichter als Leder und nahezu komplett nässeunempfindlich, ändert daran nichts. Ist ein vereinbartes Ausstattungsmerkmal wie hier in einem eindeutigen Sinne auszulegen, kann eine davon abweichende Ausstattung nicht mit sonstigen Vorteilen gerechtfertigt werden, das heißt, dem Käufer eines bearbeiteten Naturprodukts kann nicht entgegengehalten werden, das verarbeitete Kunstprodukt weise bessere Materialeigenschaften auf.
b) Die Beklagte war nicht gemäß § 439 III BGB zur Verweigerung der Nacherfüllung berechtigt. Der Verkäufer, der den Nacherfüllungsanspruch nicht glaubt erfüllen zu können oder (noch) zu müssen, hat Unmöglichkeit i. S. des § 275 I BGB, die Unverhältnismäßigkeit i. S. des § 439 III BGB sowie auch die Voraussetzungen von § 275 II und III darzutun und zu beweisen. Dies betrifft also vor allem die bei ihm anfallenden Kosten einer Nachbesserung oder Nachlieferung (MünchKomm-BGB/Westermann, a. a. O., § 439 Rn. 28). Die Unverhältnismäßigkeit ist festzustellen durch eine Vergleichsrechnung entweder zwischen den Kosten der geforderten Art der Nacherfüllung mit den für die andere Art aufzuwendenden (relative Unverhältnismäßigkeit) oder zwischen den Nacherfüllungskosten und dem Interesse des Käufers an der Nacherfüllung (absolute Unverhältnismäßigkeit; MünchKomm-BGB/Westermann, a. a. O., § 439 Rn. 21). Diese Voraussetzungen lassen sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen. Ohne Erfolg hat die Beklagte schließlich eingewandt, es gebe keinen einzigen lieferbaren Neuwagen mit Lederbezug der Sitzwangen und Innenverkleidung der Türen. Dass ein Neuwagen mit Lederbezug ausgestattet werden kann, geht schon aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich hervor. In Anbetracht einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheit kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob andere (Serien-)Fahrzeuge die vereinbarte Beschaffenheit nicht aufweisen …