Der Be­griff der „Durch­ros­tung“ bei ei­ner Her­stel­ler­ga­ran­tie für Neu­fahr­zeu­ge um­fasst nicht je­den äu­ßer­lich sicht­ba­ren und op­tisch stö­ren­den Ro­st­an­satz der Fahr­zeug­ka­ros­se­rie. Er­for­der­lich ist viel­mehr, dass die Kor­ro­si­on ein sol­ches Aus­maß er­reicht hat, dass aus tech­ni­schen Grün­den Maß­nah­men er­for­der­lich sind, um ei­ne un­mit­tel­bar be­vor­ste­hen­de voll­stän­di­ge Durch­ros­tung zu ver­hin­dern oder die Ver­kehrs­si­cher­heit des Fahr­zeugs nicht zu ge­fähr­den.

OLG Stutt­gart, Ur­teil vom 14.10.2008 – 1 U 74/08

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nahm die Be­klag­te we­gen Rost­schä­den an sei­nem Pkw aus ei­nem Ga­ran­tie­ver­spre­chen in An­spruch. Kla­ge und Be­ru­fung blie­ben oh­ne Er­folg.

Aus den Grün­den: Wie der Se­nat be­reits in sei­nem Hin­weis­ver­fü­gung vom 06.10.2008 … dar­ge­legt hat, schei­tert die Kla­ge be­reits dar­an, dass die for­ma­len Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Ga­ran­tie­an­spruchs nicht ge­ge­ben sind. Zu­dem liegt auch ei­ne „Durch­ros­tung von in­nen nach au­ßen“ im Sin­ne der Ga­ran­tie­be­din­gun­gen nicht vor.

I. 1. Nach den Be­din­gun­gen der so­ge­nann­ten „Mo­bi­lo­Li­fe-Ga­ran­tie“ der Be­klag­ten kön­nen An­sprü­che der Kun­den we­gen Rost­schä­den ei­nes Neu­fahr­zeu­ges ab dem fünf­ten Jahr nur gel­tend wer­den, wenn der letz­te War­tungs­dienst in ei­ner au­to­ri­sier­ten Mer­ce­des-Benz-Werk­statt nicht län­ger als zwei Jah­re zu­rück­liegt. Ge­gen die recht­li­che Wirk­sam­keit die­ser den Ga­ran­tie­an­spruch ein­schrän­ken­den Ver­trags­klau­sel be­ste­hen im Hin­blick auf die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen der Be­klag­ten an ei­ner län­ger­fris­ti­gen Kun­den­bin­dung kei­ne durch­grei­fen­den recht­li­chen Be­den­ken. Die Klau­sel hält ins­be­son­de­re der In­halts­kon­trol­le nach Maß­ga­be des § 307 I BGB stand (BGH, Urt. v. 12.12.2007 – VI­II ZR 187/06, NJW 2008, 843 = DAR 2008, 141).

2. Das Fahr­zeug wur­de am 08.05.2000 erst­mals zum öf­fent­li­chen Stra­ßen­ver­kehr zu­ge­las­sen, so­dass es zum Zeit­punkt der In­an­spruch­nah­me der Be­klag­ten (An­walts­schrei­ben vom 01.02.2007) be­reits mehr als vier Jah­re alt war. Dass der Klä­ger be­reits zu­vor ge­gen die Ver­trags­händ­le­rin der Be­klag­ten ver­geb­lich vor­ge­gan­gen war, ist im Ver­hält­nis zur Be­klag­ten oh­ne Be­lang. Zu­dem er­folg­te auch in­so­weit die In­an­spruch­nah­me we­gen der streit­ge­gen­ständ­li­chen Schä­den erst nach dem 08.05.2004.

3. Es ist un­strei­tig, dass der Klä­ger kei­ne War­tungs­diens­te in au­to­ri­sier­ten Mer­ce­des-Benz-Werk­stät­ten durch­füh­ren ließ. Da­her sind die for­ma­len Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Ga­ran­tie­an­spruchs nicht ge­ge­ben. Ei­ne Zu­rück­wei­sung des dies­be­züg­li­chen „Ein­wan­des“ der Be­klag­ten kommt we­der ge­mäß § 296 ZPO noch ge­mäß § 531 II ZPO in Be­tracht. Un­strei­ti­ges Vor­brin­gen kann nicht nach § 531 II ZPO zu­rück­ge­wie­sen wer­den (BGH, NJW 2005, 291). Auch ei­ne Zu­rück­wei­sung ge­mäß § 296 ZPO kann schon des­halb nicht er­fol­gen, weil durch die Zu­las­sung ei­ne Ver­zö­ge­rung des Recht­streits nicht ein­tritt. Oh­ne­hin han­delt es sich bei den durch­zu­füh­ren­den War­tun­gen um ei­ne in­halt­li­che Vor­aus­set­zung des gel­tend ge­mach­ten An­spruchs und nicht um ei­ne Ein­wen­dung der Be­klag­ten, so dass es zur Dar­le­gungs­last des Klä­gers stand, die ent­spre­chen­de Be­haup­tung auf­zu­stel­len.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten auf die nicht durch­ge­führ­ten War­tungs­ar­bei­ten ver­stößt auch nicht ge­gen Treu und Glau­ben (§ 242 BGB). Es ist nicht er­sicht­lich, dass die Be­klag­te den Ein­druck er­weckt hät­te, sie wer­de sich im Streit­fal­le nicht auf das Feh­len die­ser An­spruchs­vor­aus­set­zung be­ru­fen. Noch we­ni­ger ist er­sicht­lich, dass der Klä­ger ge­ra­de im Ver­trau­en dar­auf da­von ab­ge­se­hen hat, War­tungs­diens­te in au­to­ri­sier­ten Werk­stät­ten durch­füh­ren zu las­sen.

II. Die Be­ru­fung hat aber auch des­halb kei­nen Er­folg, weil ei­ne „Durch­ros­tung von in­nen nach au­ßen“ im Sin­ne der Ga­ran­tie nicht ge­ge­ben ist. Das Land­ge­richt hat die Klau­sel zu­tref­fend da­hin­ge­hend aus­ge­legt, dass nicht je­der Ro­st­an­satz an der Ka­ros­se­rie Ga­ran­tie­an­sprü­che aus­löst.

Un­ter ei­ner „Durch­ros­tung“ ist im all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch min­des­tens ei­ne kor­ro­si­ons­be­ding­te, die Sub­stanz er­heb­lich schä­di­gen­de Schwä­chung des Ka­ros­se­rieblechs zu ver­ste­hen. So­weit kei­ne voll­stän­di­ge Durch­ros­tung im en­ge­ren Sin­ne ge­ge­ben ist, muss die Kor­ro­si­on we­nigs­tens ein Aus­maß er­reicht ha­ben, dass aus tech­ni­schen Grün­den Maß­nah­men er­for­der­lich sind, um ei­ne un­mit­tel­bar be­vor­ste­hen­de voll­stän­di­ge Durch­ros­tung zu ver­hin­dern oder die Ver­kehrs­si­cher­heit des Fahr­zeugs nicht zu ge­fähr­den. Da­ge­gen ge­nü­gen rein op­ti­sche und ober­fläch­li­che Be­ein­träch­ti­gun­gen auch dann nicht, wenn sie – wie hier – das äu­ße­re Er­schei­nungs­bild stö­ren und bei ei­nem Fahr­zeug der so­ge­nann­ten „Pre­mi­um­klas­se“ ei­gent­lich nicht zu er­war­ten sind.

Die­se Aus­le­gung steht auch im Ein­klang mit den Er­war­tun­gen ei­nes durch­schnitt­li­chen Kun­den. Im Hin­blick auf den 30-jäh­ri­gen Ga­ran­tie­zeit­raum kann ein ver­stän­di­ger Kun­de nicht ernst­haft an­neh­men, dass die Be­klag­te die Ver­pflich­tung über­neh­men woll­te, selbst ge­gen En­de der Ga­ran­tie für je­de sicht­ba­re Ros­ter­schei­nung ein­zu­ste­hen …

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