Auch ein so­ge­nann­ter Kom­fort­man­gel bei ei­nem Neu­wa­gen (hier: er­heb­li­ches Quiet­schen der Brem­sen über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum nach Fahrt­an­tritt) kann den Käu­fer zum Rück­tritt be­rech­ti­gen, wenn die Kom­fort­ein­bu­ße be­trächt­lich ist und der Käu­fer da­mit nicht rech­nen muss­te.

OLG Schles­wig, Ur­teil vom 25.07.2008 – 14 U 125/07

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin be­gehrt aus ab­ge­tre­te­nem Recht die Rück­ab­wick­lung des zwi­schen der Be­klag­ten als Ver­käu­fe­rin und ei­ner Lea­sing­ge­be­rin als Käu­fe­rin ab­ge­schlos­se­nen Kauf­ver­tra­ges über ei­nen Pkw. Sie über­nahm mit Wir­kung vom 01.08.2006 auf Lea­sing­neh­mer­sei­te ei­nen am 17.06.2005 ge­schlos­se­nen Lea­sing­ver­trag über ei­nen Pkw Mer­ce­des-Benz CLS 500 mit ei­ner Lauf­zeit von 36 Mo­na­ten be­gin­nend am 19.08.2005. Die dem Ver­trag zu­grun­de lie­gen­den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Lea­sing­ge­be­rin ent­hiel­ten ei­nen Aus­schluss von An­sprü­chen we­gen Fahr­zeug­män­geln ge­gen die Lea­sing­ge­be­rin und die er­satz­wei­se die Ab­tre­tung sämt­li­cher der Lea­sing­ge­be­rin ge­gen die Ver­käu­fe­rin des Fahr­zeugs zu­ste­hen­den Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che.

Nach ei­ner Lauf­leis­tung von we­ni­ger als 10.000 km kam es bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug En­de Au­gust 2005 zu ei­nem Quiet­schen der Brem­sen beim Rück­wärts­fah­ren, das spä­ter auch beim Vor­wärts­fah­ren auf­trat. Die Klä­ge­rin be­an­stan­de­te das Quiet­schen ge­gen­über dem aus­lie­fern­den Ver­trags­händ­ler. In der Fol­ge kam es un­ter an­de­rem am 08.12.2005, am 21.12.2005 so­wie am 05.01.2006 zu Werk­statt­be­su­chen, im Zu­ge de­rer im Er­geb­nis er­folg­los ver­sucht wur­de, das Quiet­schen ab­zu­stel­len. Ins­ge­samt kam es bin­nen acht Mo­na­ten zu fünf Werk­statt­ter­mi­nen. Bei ei­nem letz­ten Werk­statt­be­such Mit­te März 2006 wur­de der Klä­ge­rin mit­ge­teilt, dass an ei­ner neu­en Soft­ware und neu­en Ma­te­ria­li­en ge­ar­bei­tet wer­de, oh­ne dass ihr ei­ne er­folg­rei­che Män­gel­be­sei­ti­gung ver­bind­lich zu­ge­sagt wur­de.

Mit Schrei­ben vom 31.03.2006 kün­dig­te die Klä­ge­rin den Lea­sing­ver­trag mit Wir­kung zum 30.04.2006. Sie hat vor­ge­tra­gen, dass es sich um ein lau­tes, nach­hal­ti­ges Quiet­schen han­de­le, das un­ter an­de­rem von An­woh­nern auch durch Fens­ter­schei­ben als be­läs­ti­gend wahr­ge­nom­men wer­de und sich erst nach 10 bis 15 Mi­nu­ten Fahr­zeit ver­lie­re. Ein der­ar­ti­ges Quiet­schen sei bei Fahr­zeu­gen die­ser Klas­se un­üb­lich und nicht zu er­war­ten. Dar­über hin­aus be­ste­he zu­min­dest die Ge­fahr ei­ner Be­ein­träch­ti­gung der Brems­si­cher­heit.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Klä­ge­rin hat mit dem Schrei­ben vom 31.03.2006 wirk­sam ge­mäß § 346 BGB der Be­klag­ten ge­gen­über den Rück­tritt er­klärt mit der Fol­ge, dass der Kauf­ver­trag zwi­schen der Klä­ge­rin und der Lea­sing­ge­be­rin auf­ge­ho­ben wor­den ist.

a) Das Schrei­ben vom 31.03.2006 stell­te ei­ne Rück­tritts­er­klä­rung ge­gen­über der Be­klag­ten dar …

b) Die Klä­ge­rin hat­te ein Rück­tritts­recht nach §§ 433, 434 I Nr. 2, 437, 440, 323 I, V 2 BGB … Das Fahr­zeug weist ei­nen i. S. von § 323 V 2 BGB er­heb­li­chen Sach­man­gel auf. Man­gels ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung und ei­ner ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­ten Ver­wen­dung ist hin­sicht­lich der Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeu­ges auf des­sen Eig­nung zur ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung und ei­ne bei Sa­chen der glei­chen Art üb­li­che und vom Käu­fer zu er­war­ten­de Be­schaf­fen­heit ab­zu­stel­len (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

Ver­gleichs­maß­stab ist die üb­li­che Be­schaf­fen­heit bei Sa­chen glei­cher Art, so ins­be­son­de­re glei­chen Qua­li­täts­stan­dards. Hin­sicht­lich der be­rech­tig­ten Er­war­tun­gen des Käu­fers ist auf den Durch­schnitts­käu­fer ab­zu­stel­len, nicht je­doch auf im Ein­zel­fall über­zo­ge­ne An­sprü­che des je­wei­li­gen ein­zel­nen Käu­fers, auch wenn sie vor dem Kauf­ver­trags­ab­schluss für den Ver­käu­fer er­kenn­bar wa­ren. Da­bei ist für das, was der Käu­fer be­rech­tig­ter­wei­se er­war­ten darf, auch der ver­ein­bar­te Kauf­preis von Be­deu­tung.

Auf­grund des bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug auf­tre­ten­den Quiet­schens der Brem­sen ent­spricht die­ses nicht den An­for­de­run­gen, die an ein Fahr­zeug der Preis­klas­se von 75.000 € zu stel­len sind. Nach der Be­weis­auf­nah­me und der An­hö­rung des Ge­schäfts­füh­rers der Klä­ge­rin steht zur Über­zeu­gung des Se­nats fest, dass bei Feuch­tig­keit die Brem­sen über ei­ne län­ge­re Zeit nach Fahrt­an­tritt bei Brems­vor­gän­gen in er­heb­li­cher Laut­stär­ke quiet­schen. Der ge­richt­lich be­stell­te Sach­ver­stän­di­ge hat … über­zeu­gend aus­ge­führt, dass er bei sei­nen Pro­be­fahr­ten bei Ein­wir­kung von Feuch­tig­keit bei den ers­ten 16 bis 22 Brem­sun­gen ein deut­lich wahr­nehm­ba­res Quiet­schen wahr­ge­nom­men ha­be. Die ers­ten 16 Brem­sun­gen sei­en auch bei ge­schlos­se­nen Fens­tern deut­lich zu hö­ren ge­we­sen. Der Se­nat folgt den An­ga­ben des Sach­ver­stän­di­gen. Die­ser hat das Fahr­zeug ei­ner gründ­li­chen Un­ter­su­chung mit meh­re­ren Test­fahr­ten un­ter­zo­gen … Bei ei­nem Fahr­zeug der ge­ho­be­nen Ka­te­go­rie wie hier stellt die­ses Quiet­schen auch ei­nen er­heb­li­chen Man­gel dar, der zum Rück­tritt be­rech­tigt.

Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob hier auch die Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Brem­sen be­ein­träch­tigt ist bzw. die Ge­fahr ei­ner Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung we­gen ei­nes tech­ni­schen Man­gels be­steht, was der Sach­ver­stän­di­ge – der sich al­ler­dings ent­spre­chend der Be­weis­fra­ge nicht mit den Ur­sa­chen des Quiet­schens be­fasst hat – nicht fest­ge­stellt hat. Denn auch ein so­ge­nann­ter Kom­fort­man­gel stellt ei­nen er­heb­li­chen Man­gel dar, wenn die Kom­fort­ein­bu­ße be­trächt­lich ist und der Käu­fer be­rech­tig­ter­wei­se er­war­ten durf­te, dass ei­ne sol­che nicht auf­tritt. Für die Be­ur­tei­lung, ob es sich nur um ei­nen un­er­heb­li­chen Man­gel han­delt, der den Rück­tritt nicht recht­fer­ti­gen wür­de, ist ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung nach der Ver­kehrs­an­schau­ung und un­ter Wür­di­gung der Um­stän­de des Ein­zel­fal­les vor­zu­neh­men. Zu be­rück­sich­ti­gen sind da­bei vor al­lem der für ei­ne et­wai­ge Män­gel­be­sei­ti­gung er­for­der­li­che Auf­wand bzw. bei nicht be­heb­ba­ren Män­geln die von ih­nen aus­ge­hen­de funk­tio­nel­le, äs­the­ti­sche oder sons­ti­ge Be­ein­träch­ti­gung.

Da hier der Man­gel als nicht be­heb­bar ein­zu­stu­fen ist, weil ei­ne wirk­sa­me Mög­lich­keit zur end­gül­ti­gen Be­he­bung der Brems­ge­räu­sche nicht dar­ge­tan ist, kommt es auf die durch den Man­gel ver­ur­sach­ten Be­ein­träch­ti­gun­gen an. Die­se sind so be­trächt­lich, dass der Man­gel als er­heb­lich ein­zu­ord­nen ist. Ein wie­der­hol­tes Quiet­schen wäh­rend ei­ner län­ge­ren Pha­se nach Fahrt­an­tritt, das auch bei ge­schlos­se­nem Fens­ter zu ver­neh­men ist, be­deu­tet ei­ne er­heb­li­che Stö­rung. Bei Fahr­zeu­gen der ge­ho­be­nen Ka­te­go­rie in ei­ner Preis­klas­se von 75.000 €, bei de­nen auch der Fahr­kom­fort ei­ne wich­ti­ge Ei­gen­schaft ist, kann auch be­rech­tig­ter­wei­se er­war­tet wer­den, dass sol­che stö­ren­den Ge­räu­sche nicht vor­han­den sind. Auch dass die­se nach den Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen nur bei Feuch­tig­keit auf­tre­ten, än­dert nichts an der Er­heb­lich­keit, zu­mal bei den in Deutsch­land und ins­be­son­de­re Nord­deutsch­land vor­herr­schen­den Wit­te­rungs­be­din­gun­gen mit Feuch­tig­keits­ein­wir­kung häu­fig zu rech­nen ist.

Der Se­nat ist des Wei­te­ren da­von über­zeugt, dass der er­heb­li­che Man­gel be­reits zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs vor­lag …

Ei­ne Frist­set­zung durch die Klä­ge­rin nach § 323 I BGB war ent­behr­lich. Mit dem letz­ten er­folg­lo­sen Ver­such zur Nach­bes­se­rung war die­se i. S. des § 440 Satz 1 Fall 2 BGB fehl­ge­schla­gen. Dar­über hin­aus war ein er­neu­ter Re­pa­ra­tur­ver­such der Klä­ge­rin vor dem Hin­ter­grund der zahl­rei­chen ver­geb­li­chen Re­pa­ra­tur­ver­su­che auch un­zu­mut­bar. Nach al­le­dem la­gen die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Rück­tritt vor …

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