1. Der Begriff „Neuwagen“ in einem Kfz-Kaufvertrag ist regelmäßig so zu verstehen, dass es sich um einen fabrikneuen Wagen handeln soll. Denn ein Käufer der einen „Neuwagen“ erwirbt, geht selbstverständlich davon aus, dass das zu liefernde Fahrzeug „fabrikneu“ ist. Der ausdrücklichen Verwendung des Begriffs „fabrikneu“ im Kaufvertrag bedarf es nicht.
  2. Ein Fahrzeug ist nicht mehr (fabrik-)neu, wenn zwischen Herstellung und Abschluss des Kaufvertrags mehr als zwölf Monate vergangen sind.

LG Köln, Urteil vom 15.05.2008 – 37 O 1054/07

Sachverhalt: Der Kläger schloss mit dem Beklagten einen auf den 13.07.2006 datierenden Vertrag über die verbindliche Bestellung eines neuen EU-Import-Fahrzeugs zum Preis von 21.316 €. Ferner schloss der Kläger mit einer Firma T einen Vertrag über die Vermittlung eines Neuwagens, welcher sich durch kommerzielle Werbung für 12–15 Monate selbst tragen sollte. Der Kläger sollte als Kunde dafür, dass er die Anbringung eines Werbeaufdrucks an das Fahrzeug gestattet, einen monatliche Zuschuss von max. 350 € von der Firma T erhalten. Der Kläger und die Firma T einigten sich letztlich auf einen monatlichen Zuschuss von 345,97 €. Ferner schlossen der Kläger und die Firma T einen Vertrag, in dem sich der Kläger verpflichtete, der vorgenannten Firma eine Vermittlungsprovision von 600 € zu zahlen. Der Kläger schloss des Weiteren zur Finanzierung des Neuwagens einen Kreditvertrag mit der C-GmbH & Co. KG, der eine monatliche Rate von 345,97 € bei insgesamt 84 Raten vorsah.

Der Kläger erhielt den Pkw im August 2006 ausgehändigt. Mit Schreiben vom 10.07.2007 erklärte er den Rücktritt vom Vertrag wegen behaupteter Mängel, und mit Schreiben vom 24.07.2007 erklärte er den Widerruf der auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Willenserklärung aufgrund der Fernabsatzvorschriften des BGB. Mit Schreiben vom 07.11.2007 erklärte der Kläger vorsorglich auch die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung.

Bis dato erhielt der Kläger Zahlungen in Höhe von 5 × 345,97 € von der Firma T. Das Fahrzeug weist eine Laufleistung von 27.000 km auf.

Der Kläger behauptet unter anderem, das Fahrzeug sei entgegen der vertraglichen Vereinbarung weder ein EU-Import noch ein Neuwagen. Es sei am 07.05.2006 hergestellt worden und daher im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags schon älter als zwölf Monate gewesen. Die Klage hatte überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von 19.013,81 € aus § 346 BGB zu.

Der Kläger ist zu Recht vom Kaufvertrag zurückgetreten, da das Fahrzeug einen Mangel aufweist. Das Fahrzeug hat nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit, sodass es gemäß § 434 BGB mangelhaft und der Kläger daher zur Recht gemäß § 437 Nr. 2 BGB vom Kaufvertrag zurückgetreten ist. Im Kaufvertrag haben die Parteien vereinbart, dass es sich um einen Neuwagen handeln soll. Dies ist so zu verstehen, dass es sich um einen fabrikneuen Wagen handeln sollte. Ein Käufer der einen Wagen als Neuwagen erwirbt, geht regelmäßig in der selbstverständlichen Erwartung davon aus, dass das zu beliefernde Fahrzeug „fabrikneu“ ist. Der ausdrücklichen Verwendung des Begriffs „fabrikneu“ bedarf es dabei nicht (BGH, Urt. v. 22.03.2000 – VIII ZR 325/98, DAR 2000, 301). Eine Situation, in der der Begriff „neu“ nicht per se in der vorgenannten Weise auszulegen sein könnte (vgl. BGH, Urt. v. 22.03.2000 – VIII ZR 325/98, DAR 2000, 301), ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Ein Fahrzeug ist dann nicht mehr (fabrik-)neu, wenn zwischen Herstellung und Abschluss des Kaufvertrags mehr als zwölf Monate vergangen sind (BGH, Urt. v. 06.02.1980 – VIII ZR 275/78, NJW 1980, 1097; Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 256, 261).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das streitgegenständliche Fahrzeug im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags schon älter als zwölf Monate war.

Die Zeugin C hat bekundet, dass sie die zur Akte gereichten Fotos von dem in Rede stehenden Fahrzeug gemacht habe. Die Aussage der Zeugin war insoweit nachvollziehbar … Aus den Fotos ergeben sich diverse Angaben auf dem Auto, die den Rückschluss auf einen Fertigungsprozess im April/Mai 2005 zulassen. Gestützt wird dies zusätzlich durch die Bescheinigung des Herstellers, dass das Fahrzeug am 07.05.2005 hergestellt worden sei. Aus diesen Angaben ergibt sich für das Gericht die sichere Überzeugung, dass das Fahrzeug im Mai 2005 hergestellt wurde …

Damit war das Fahrzeug im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags am 13.07.2006 schon älter als zwölf Monate und damit mangelhaft. Dieser Mangel konnte auch nicht mehr nachgebessert werden, sodass es keiner Einräumung einer Nachbesserungsfrist bedurfte.

Der Kläger muss sich bei seinem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises allerdings gemäß § 347 BGB die gezogenen, nicht mehr herausgebbaren Nutzungen in Form des Wertersatzes anrechnen lassen . Der Wertersatz berechnet sich nach der Anzahl der gefahrenen Kilometer, dem Bruttoverkaufspreis und der Gesamtfahrleistung:

$$\text{Gebrauchsvorteil} = {\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{erwartete Gesamtfahrleistung}}}$$

… Nach dieser Formel lässt sich die Nutzungsvergütung mit 0,4 % des Bruttoverkaufpreises pro gefahrene 1.000 km bei Wagen der Oberklasse bei einer erwarteten Gesamtfahrleistung von 250.000 km (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 466 m. w. Nachw.) ansetzen. Damit beträgt der anzurechnende Nutzungsvorteil 2.302,19 €.

Die seitens der Firma T vereinnahmten 5 × 345,97 € muss sich der Kläger hingegen nicht anrechnen lassen. Die erhaltenen Gelder stammen nicht vom Beklagten, sondern resultieren aus einem Rechtsgeschäft mit einem Dritten … Es handelt sich um Zahlungen, die die Gegenleistung dafür darstellen, dass der Kläger das erworbene Fahrzeug zur Anbringung eines Werbeaufdrucks zur Verfügung gestellt hat. Dieses Geschäft hängt zwar wirtschaftlich als Teil der Kaufpreisfinanzierung mit dem in Rede stehenden Kaufvertrag zusammen, ist aber rechtlich getrennt zu betrachten. Die Zahlungen stellen insbesondere keine Rückzahlung des Kaufpreises dar, sodass sich der Kläger auch vor diesem Hintergrund diese Zahlungen im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses nicht anrechnen lassen muss …

Ob der Vertrag schon durch Anfechtung nichtig und damit der Kaufpreis zurückzuzahlen ist, kann dahinstehen. Zum einen hat sich der Kläger nur vorsorglich, also hilfsweise, auf die Anfechtung gestützt, sodass dies nur nachrangig zu prüfen wäre … Im Übrigen ist der Vortrag zum Anfechtungsgrund unsubstanziiert, und die Anfechtungsfrist des § 124 I BGB dürfte im Zeitpunkt der Erklärung auch abgelaufen gewesen sein.

Der Kläger kann seinen Anspruch auch auf §§ 357, 346 BGB stützen.

Bei dem Kaufvertrag handelt es sich um ein Fernabsatzgeschäft zwischen einem Unternehmer und dem Kläger als Verbraucher i. S. des § 312b BGB. Ob jemand Verbraucher i. S. des § 13 BGB ist, hängt davon ab, dass das Rechtsgeschäft weder der gewerblichen oder der selbstständigen beruflichen Tätigkeit des Handelnden zugerechnet werden kann. Über die Zuordnung entscheidet nicht der innere Wille des Handelnden, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 13 Rn. 4). Vorliegend handelte es sich um den Kauf des Pkw für die privaten Zwecke des Klägers … Soweit mit dem Erwerb des Fahrzeugs auch die Zurverfügungstellung desselben für Werbezwecke und der Erhalt einer monatlichen Zahlung verbunden war, stellt dies allenfalls einen untergeordneten gewerblichen Zweck dar. Die Werbeeinnahme diente der Finnanzierung des Kredits, den der Kläger zur Zahlung des Kaufpreises aufgenommen hatte. Damit einher ging allenfalls eine nebenberufliche gewerbliche Tätigkeit.

Ob ein nebengewerblich (also außerhalb seines Hauptberufes) Tätiger bei Abschluss eines Vertrags im Rahmen seiner Nebentätigkeit als Unternehmer oder als Verbraucher anzusehen ist, ist auf der Basis der Anforderungen zu ermitteln, die an die Ausübung einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zu stellen sind. Hier wird man mehr verlangen müssen als nur die Feststellung eines formalen Status. Überschreitet der nebengewerblich Tätige die Grenzen zur Gewerbsmäßigkeit oder zur selbstständigen beruflichen Tätigkeit, ist er nicht mehr Verbraucher i. S. von § 13 BGB. Der monatliche Umsatz dürfte zumindest als Indikator dienen. Wer durch die Nebenerwerbstätigkeit nur ein „Taschengeld“ verdient, ist kein Unternehmer i. S. des § 14 BGB (vgl. zu den vorstehenden Ausführungen MünchKomm-BGB/Micklitz, 5. Aufl., § 13 Rn. 57).

Ausgehend von diesen Kriterien ist festzustellen, dass die Einnahmen relativ gering waren, und der Schwerpunkt des Geschäfts privaten Charakter hatte. Damit ergibt sich, dass der Kläger den Kaufvertrag als Verbraucher abgeschlossen hat.

Der Vertrag über die Lieferung einer Ware, hier des Kraftfahrzeugs, ist auch durch ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen …

Aus dem Fernabsatzgeschäft i. S. von § 312b BGB folgt gemäß § 312d BGB ein Widerrufsrecht. Da der Kläger keine Belehrung über das Widerrufsrecht erhalten hat, konnte er gemäß § 355 III 2 BGB noch am 24.07.2007 von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Als Folge des erklärten Widerrufs ist der Vertrag nach den Regeln des Rücktrittsrechts rückabzuwickeln (§ 357 BGB). Auch hierbei muss sich der Widerrufende die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 357 Rn. 7) …

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