1. Angaben zur Serien- und Sonderausstattung eines Neuwagens in einem vom Fahrzeughersteller herausgegebenen Prospekt und der dazugehörigen Preisliste sind öffentliche Äußerungen i. S. des § 434 I 3 BGB, die ein Vertragshändler des Herstellers kennen muss.
  2. Derartige öffentliche Äußerungen werden im Regelfall schon dadurch „in gleichwertiger Weise berichtigt“, dass der Fahrzeughersteller einen neueren Prospekt bzw. eine neuere Preisliste veröffentlicht. Denn der (potenzielle) Käufer eines Neuwagens wird seine Kaufentscheidung regelmäßig nicht auf veraltetes Informationsmaterial stützen, sondern sich insoweit auf den neuesten Stand bringen. Der Verkäufer kann indes ausnahmsweise gehalten sein, den Käufer bei Abschluss des Kaufvertrags darauf hinzuweisen, dass es einen neuen Verkaufsprospekt gibt. Der Käufer ist dann gewarnt und kann anhand des neuen Prospekts prüfen, ob das ihn interessierende Fahrzeug (serienmäßig) die gewünschten Ausstattungsmerkmale aufweist.

AG Essen-Steele, Urteil vom 04.11.2003 – 17 C 352/02

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten auf der Grundlage eines schriftlichen Angebots vom 22.05.2002 und einer verbindlichen Bestellung vom 01.07.2002 einen Opel Zafira CNG in der Ausstattungsvariante „Selection Executive“ zum Preis von 20.966 €. Das mit einem Radio CDR 500 ausgestattete Fahrzeug sollte ausweislich eines von der Fahrzeugherstellerin herausgegebenen Prospekts und der dazugehörigen Preisliste (Stand 25.01.2002) über eine Lenkradfernbedienung für das Radio verfügen.

In dem Angebot der Beklagten vom 22.05.2002 hieß es unter anderem: „Wir haben für Sie ein individuelles Angebot kalkuliert und bieten ihnen freibleibend nachstehend näher spezifiziertes Fahrzeug an.“ Die in den streitgegenständlichen Kaufvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehen vor, dass nur die Angaben in bei Vertragsabschluss gültigen Prospekten Inhalt des Kaufvertrags werden. Als der Kläger den Opel Zafira am 01.07.2002 bestellte, hatte die Fahrzeugherstellerin bereits neue Prospekte und Preislisten mit Stand 14.06.2002 herausgegeben. Danach gehört zwar ein Radio CDR 500, aber keine Lenkradfernbedienung zur Serienausstattung eines Opel Zafira in der Ausstattungsvariante „Selection Executive“, wohingegen insbesondere das Radio CCR 600 über eine Lenkradfernbedienung verfügen soll.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass eine Lenkradfernbedienung für das Radio nicht Gegenstand des Verkaufsgesprächs war.

Nachdem dem Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug übergeben worden war und er das Fehlen einer Lenkradfernbedienung festgestellt hatte, forderte er die Beklagte mit Schreiben seiner späteren Prozessbevollmächtigten vom 16.09.2002 auf, bei seinem Pkw bis zum 30.09.2002 eine Lenkradfernbedienung nachzurüsten. Nach dem erfolglosen Ablauf dieser Frist holte der Kläger einen Kostenvoranschlag ein, für den er 189,18 € aufwandte. Danach kostet die Nachrüstung einer Lenkradfernbedienung 1.891,61 €.

Mit Schreiben vom 04.11.2002 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm Schadensersatz in Höhe von (1.891,61 € + 189,18 € =) 2.080,79 € zu leisten. Dies lehnte die Beklagte unter dem 11.11.2002 ab.

Der Kläger behauptet, er habe den Fahrzeugprospekt und die Preisliste mit Stand 25.01.2002 von der Beklagten erhalten. Er meint, die darin enthaltene Angabe, dass das streitgegenständliche Fahrzeug über eine Lenkradfernbedienung für das Radio verfüge, sei bei Abschluss des Kaufvertrags nicht i. S. von § 434 I 3 BGB „in gleichwertiger Weise berichtigt“ gewesen. Der Pkw sei deshalb mangelhaft, sodass die Beklagte – die eine Nachbesserung nicht vorgenommen habe – ihm, dem Kläger, Schadensersatz leisten müsse. Die Nachrüstung einer Lenkradfernbedienung – so behauptet der Kläger – erfordere wie veranschlagt einen Kostenaufwand von 1.891,61 €.

Die Beklagte macht geltend, für den Kaufentschluss des Klägers sei die Ausstattung des bestellten Fahrzeugs mit einer Lenkradfernbedienung nicht entscheidend gewesen. Deren Nachrüstung erfordere im Übrigen allenfalls einen Kostenaufwand von 541,16 € brutto, wie sich aus einem von ihr – der Beklagten – erstellten Kostenvoranschlag vom 24.03.2003 ergebe. Sie müsse dem Kläger indes keinen Schadensersatz leisten, weil aufgrund ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen allenfalls die Angaben im Verkaufsprospekt bzw. der Preisliste mit Stand 14.06.2002 Inhalt des Kaufvertrags geworden seien, aber nicht die Angaben in früher veröffentlichten Prospekten oder Preislisten. Diese Angaben seien im Übrigen durch Veröffentlichung neuer Prospekte und Preislisten „in gleichwertiger Weise berichtigt“ worden.

Die Klage hatte nur zum Teil Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 730,34 €. Dieser Anspruch ergibt sich aus den §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I, III, 281 BGB in der seit der Schuldrechtsreform geltenden Neufassung. Zwischen den Parteien ist unter dem 01.07.2002 mit der verbindlichen Bestellung eines Pkw Opel Zafira unter nähere Benennung des Modells ein Kaufvertrag über einen solchen Pkw zustande gekommen. Dieser Pkw weist einen sogenannten Sachmangel auf, da er nicht die Beschaffenheit aufweist, die der Kläger als Käufer aufgrund der Werbeprospektangaben des Herstellers Opel erwarten konnte (vgl. § 434 I 2 Nr. 2, Satz 3 BGB).

Nach der Neufassung des § 434 BGB aufgrund der Schuldrechtsreform haftet der Verkäufer auch für Werbeangaben des Herstellers. Wesentlich sind hier die Angaben zur Sonderausstattung in dem Verkaufsprospekt der Firma Opel mit Stand 25.01.2002, wonach der von dem Kläger letztlich bestellte Opel Zafira „Selection Executive“ ein CD-Radio CDR 500 mit Lenkradfernbedienung aufweisen sollte. Unbeachtlich ist hierbei, ob diese Sonderausstattung Inhalt der Verkaufsgespräche zwischen den Parteien war. Es kommt allein darauf an, dass der Kläger aufgrund der Angaben in dem Verkaufsprospekt mit Stand 25.01.2002 erwarten konnte, dass der von ihm bestellte Opel Zafira „Selection Executive“ mit einer Lenkradfernbedienung ausgestattet ist. Die Beklagte kann auch nicht mit dem Einwand durchdringen, dass nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vertragsinhalt nur die Prospektangaben zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sind. Durch eine solche Klausel wird die Haftung des Verkäufers für Prospektangaben über den Wortlaut des § 434 I 3 BGB hinaus eingeschränkt. Dies ist unwirksam, und zwar zum einen bei dem hier vorliegenden Verbrauchsgüterkauf gemäß § 475 I 1 BGB und zum anderen als Allgemeine Geschäftsbedingung, die die Sachmängelhaftung im Fall von Prospektangaben ausschließt, gemäß § 309 Nr. 8 lit. b sublit. aa BGB.

Eigenschaften, die der Käufer nach Angaben des Herstellers insbesondere in der Werbung erwarten kann, gehören dann nicht zur Beschaffenheit der Kaufsache, wenn der Verkäufer die entsprechende Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, wenn sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder wenn sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte. Die Angaben der Firma Opel in ihren Verkaufsprospekten muss die Beklagte als Opel-Vertraghändlerin kennen. Soweit die Beklagte behauptet, die Kaufentscheidung des Klägers sei allein durch die Lenkradfernbedienung als Sonderausstattung nicht beeinflusst worden, hat der Kläger hierzu vorgetragen, dass er bereits bei seinem vorherigen Pkw als Sonderausstattung eine Lenkradfernbedienung gehabt habe, was ein Indiz dafür darstellt, dass dieses Sonderausstattungsmerkmal für den Kläger kaufentscheidend war. Zudem ist aufgrund der negativen Formulierung des § 434 I 3 a. E. BGB die Beklagte dafür beweisbelastet, dass dieses Merkmal nicht kaufentscheidend war. Einen entsprechenden Beweis hat die Beklagte allerdings nicht angetreten.

Die Prospektangabe aus dem Verkaufprospekt Stand 25.01.2002 hinsichtlich der Sonderausstattung mit der Lenkradfernbedienung war auch nicht in gleichwertiger Weise berichtigt worden. Hierzu hätte es aufgrund der Umstände dieses Falls eines gesonderten Hinweises an den Kläger als Käufer bedurft. Der vorliegende Fall ist dadurch geprägt, dass die verbindliche Bestellung an ein vorheriges Angebot der Beklagten anknüpfte, wobei Letzteres zum Zeitpunkt der Geltung des Verkaufsprospekts vom 25.01.2002 gemacht worden ist. Der Zeuge Z hat ausgesagt, dass im Regelfall, wenn vorher ein Angebot gemacht wird, mit dem Kunden sodann bei der Bestellung abgeklärt wird, ob es gegenüber dem Angebot Änderungswünsche gibt, und dass sodann die Bestellung auf dem Angebot fußend aufgenommen wird. Das Gericht geht daher davon aus, dass das Angebot vom 22.05.2002 Grundlage der verbindlichen Bestellung vom 01.07.2002 war. Daher sind im vorliegenden Fall auch die Angaben im Verkaufsprospekt Stand 25.01.2002, der zum Zeitpunkt des Angebots vom 22.05.2002 noch aktuell war, maßgeblich und nicht die Angaben in dem Verkaufsprospekt Stand 14.06.2002, der zum Zeitpunkt der verbindlichen Bestellung am 01.07.2002 aktuell war.

An eine gleichwertige Berichtigung der Prospektangaben i. S. von § 434 I 3 BGB sind im vorliegenden Fall gerade aufgrund der Tatsache, dass bereits ein konkretes Angebot erstellt war, erhöhte Anforderungen zu stellen. Mit der Aufnahme der Haftung des Verkäufers für Werbeangaben hat der Gesetzgeber die europäische Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Richtlinie 1999/44/EG) umgesetzt, hierbei insbesondere die Vorgaben über die Vertragsmäßigkeit von Gütern in Art. 2 II lit. d und IV der Richtlinie. Der Gesetzgeber hat hiermit eine Stärkung des Verbraucherschutzes bezweckt. Der Verkäufer soll an den Aussagen in der Werbung festgehalten werden können. Allerdings soll auch ein Festhalten an Werbeaussagen für alle Zeit ausgeschlossen werden, sodass eine Berichtigung von Werbeaussagen als Ausschlusstatbestand der Haftung formuliert ist. Gleichwertig ist eine Berichtigung dann, wenn sie denselben Wirkungsgrad wie die Werbung hat. Hierbei kommt es entscheidend nicht auf die bloße Form der Berichtigung an, da in diesem Fall der Gesetzgeber nicht die „Gleichwertigkeit“ der Berichtigung sondern lediglich deren „Gleichartigkeit“ vorgeschrieben hätte. Der Begriff der Gleichwertigkeit geht über eine bloße Formvorschrift hinaus und stellt gerade auf den Wirkungsgrad eine Erklärung ab.

Vom Sinn und Zweck der Vorschrift her ist daher zu fordern, dass für den Käufer, der einer Werbeaussage vertraut hat, erkennbar eine Berichtigung durch den Verkäufer vorgenommen worden ist. Aufseiten des Verbrauchers ist zu fordern, dass die Berichtigung nicht nur bloß im Verborgenen abläuft. Aufseiten des Verkäufers ist allerdings zu berücksichtigen, dass aufgrund des Wirkungsgrades und der Wandelbarkeit der Werbung keine überzogenen Anforderungen an den Verkäufer gestellt werden. Grundsätzlich sollte eine Berichtigung von Prospektangaben in den Nachfolgeprospekten ausreichen. Der Verkäufer kann grundsätzlich davon ausgehen, dass Kaufinteressenten sich hinsichtlich Werbeprospekten auf den neuesten Stand bringen. Jedenfalls muss er gerade beim Automarkt nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Käufer seine Kaufentscheidung auf veraltete Prospekte stützt. Beim Automarkt ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass Neuwagen einem häufigen Modellwechsel unterliegen und dass hier oftmals in kurzen zeitlichen Abständen neue Prospekte auf den Markt kommen. Der vorliegende Fall weist aber dadurch eine Besonderheit auf, dass der Kläger zur der Beklagten bereits vor Abgabe der verbindlichen Bestellung in einen engeren Verkaufskontakt getreten war. So hatte die Beklagte unter dem 22.05.2002 ein Angebot bezüglich des Pkw erstellt. Auf das Wort „freibleibend“ in diesem Angebot kann sich die Beklagte nicht berufen, da auch dies eine zulasten des Klägers gehende Abweichung von den Gewährleistungsvorschriften darstellt, was gemäß § 475 I 1 BGB unzulässig ist. Da nach der Aussage des Zeugen Z davon auszugehen ist, dass das vorgenannte Angebot Grundlage für die verbindliche Bestellung vom 01.07.2002 war, musste der Kläger ohne gesonderten Hinweis davon ausgehen, dass die Grundlagen der verbindlichen Bestellung dieselben sein würden wie die für das Angebot. Er musste daher davon ausgehen, dass auch die Prospektangaben mit Stand 25.01.2002 weiterhin ihre Gültigkeit in diesem Vertragsverhältnis hatten. Aufseiten der Beklagten hätte es eines gesonderten Hinweises dahin gehend bedurft, dass sich die Grundlagen geändert haben und ein neuer Verkaufsprospekt herausgekommen ist. Hierzu hätte der schlichte Hinweis gereicht, dass der Kläger bitte beachten möge, dass von der Firma Opel in der Zwischenzeit – zwischen dem Datum des Angebots und der jetzigen verbindlichen Bestellung – ein neuer Verkaufsprospekt bezüglich des bestellten Modells herausgekommen ist. Dann wäre der Kläger gewarnt gewesen und hätte sich anhand eines neuen Verkaufsprospekts dahin gehend überzeugen können, ob der Opel Zafira „Selection Executive“ noch dieselben Ausstattungsmerkmale aufweist wie in dem alten Verkaufsprospekt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist im vorliegenden Fall der § 434 I 3 BGB in seiner vollen Länge einschlägig. Zwar geht es im vorliegenden Fall nicht um einen Sachmangel im Verständnis des früheren Gewährleistungsrechts, sondern um einen Sachmangel, der dadurch charakterisiert ist, dass die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit nach den Werbeangaben abweicht. Doch hat gerade die entsprechende Ausweitung des Sachmangelbegriffs durch § 434 I 3 BGB eine solche Abweichung als Sachmangel definiert. Daher ist es auch folgerichtig, von einer „Berichtigung“ von Werbeaussagen zu sprechen, obwohl es nicht um das Beheben eines Defekts geht, was zum Beispiel der Hintergrund für eine Rückrufaktion bei Vorliegen eines solchen bei einem bestimmten Pkw-Modell ist. Durch die weite Definition des Sachmangelbegriffs wird eine Kaufsache auch durch Werbeaussagen definiert, und die Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der beworbenen Soll-Beschaffenheit stellt einen Sachmangel dar. Dementsprechend muss auch ein solcher Sachmangel durch Berichtigung der Werbeaussagen berichtigt werden.

Der Kläger hat der Beklagten erfolglos eine Nachfrist zur Nachrüstung des gekauften Pkw mit einer Lenkradfernbedienung gesetzt. Infolgedessen ist die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.

Der Schaden bemisst sich im vorliegenden Fall nach den Kosten für eine Nachrüstung des Pkw mit einer Lenkradfernbedienung. Diese belaufen sich nach dem eingeholten und überzeugenden Gutachten des Sachverständigen S und nach dem insoweit zugrunde zu legenden Kostenvoranschlag der Beklagten vom 24.03.2003 auf 541,15 € inklusive Mehrwertsteuer.

Daneben hat die Beklagte dem Kläger die Kosten für den Kostenvoranschlag der Firma X zu erstatten. Diese Kosten sind dem Kläger bei der Schadensermittlung entstanden. Den Kläger trifft kein Verschulden daran, dass die Firma X die Kosten einer Nachrüstung womöglich irrtümlich höher angesetzt hatte als die Beklagten und der Sachverständige S. Nach den Angaben des Sachverständigen S sind 10 % der veranschlagten Reparaturkosten für einen Kostenvoranschlag ortsüblich und angemessen. Damit hat die Beklagte dem Kläger die Kosten für den Kostenvoranschlag der Firma X vom 15.10.2002 mit 189,18 € zu erstatten.

Der Gesamtschaden beläuft sich somit auf 730,34 €. …

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