1. Ein unbenutztes Kraftfahrzeug ist nur „fabrikneu“, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert hergestellt wird (im Anschluss an BGH, Urt. v. 06.02.1980 – VIII ZR 275/78, NJW 1980, 1097 f.). Deshalb fehlt einem Fahrzeug, das so nicht mehr hergestellt wird und im Gegensatz zu Fahrzeugen aus der aktuellen Serienproduktion weder mit einer Wegfahrsperre noch mit einem Antiblockiersystem (ABS) ausgestattet ist, die Eigenschaft, „fabrikneu“ zu sein. Ein solches – nicht „fabrikneues“ – Fahrzeug kann aber in dem Sinne „neu“ sein, dass es aus neuen Materialien hergestellt und unbenutzt ist; denn die Bezeichnungen „fabrikneu“ und „neu“ sind nicht synonym.
  2. Der Verkäufer eines unbenutzten und aus neuen Materialien hergestellten Lagerfahrzeugs, das nicht als „fabrikneu“ angeboten wird und für den Käufer erkennbar nicht fabrikneu ist, muss den Käufer dann nicht ungefragt über das Alter des Fahrzeugs aufklären, wenn durch das Alter die Eignung des Fahrzeugs zum gewöhnlichen Gebrauch nicht eingeschränkt wird.
  3. Besonders günstige Konditionen beim Kauf eines (Lager-)Fahrzeugs – hier: ein überdurchschnittlicher Preisnachlass bei gleichzeitiger Inzahlungnahme eines Altfahrzeugs – können ein Hinweis darauf sein, dass der Verkäufer das Alter des Fahrzeugs nicht zusichern will.

OLG Zweibrücken, Urteil vom 05.05.1998 – 5 U 28/97

Sachverhalt: Die Klägerin will einen Kfz-Kaufvertrag, den sie im April 1996 mit der beklagten Kfz-Händlerin geschlossen hat, im Wege des „großen“ Schadensersatzes (§ 463 BGB) rückabwickeln.

Sie erwarb von der Beklagten einen im Januar 1993 produzierten Citroën ZX Furio für 23.200 DM, wobei dieser Kaufpreis fast 25 % unter dem früheren Neupreis des Fahrzeugs lag. Ihr Altfahrzeug, einen Opel Kadett E Caravan, gab die Klägerin zum Wert von 7.300 DM bei der Beklagten in Zahlung.

Die Beklagte bestätigte die Bestellung der Klägerin bei Auslieferung des bestellten Fahrzeugs auf einem Formular, das im Betrieb der Beklagten für die Bestellung von Neufahrzeugen verwendet wird. Gleichzeitig erhielt die Klägerin eine Rechnung.

Die Klägerin hat behauptet, ihr sei seitens der Beklagten gesagt worden, der Citroën ZX Furio sei ein sechs Monate altes Fahrzeug mit Tageszulassung auf die Beklagte vom 29.02.1996. Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, diese Angaben hätten sich auf ein anderes (blauses) Fahrzeug, für das sich die Klägerin ursprünglich interessiert habe, bezogen. Bezüglich des Fahrzeugs, das die Klägerin schließlich gekauft habe, sei der Klägerin erklärt worden, dass es sich dabei um ein älteres Lagerfahrzeug aus einer vorangegangenen Serie handele. Deswegen sei der Kaufpreis sehr günstig gewesen. Das Fahrzeug sei auch länger auf sie – die Beklagte – zugelassen gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass die Beklagte ihr gegenüber bezüglich des Alters des gekauften Fahrzeugs unrichtige Angaben gemacht habe. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Klägerin gewusst habe, dass sie ein Fahrzeug erwerbe, das im Gegensatz zu einem Fahrzeug aus der aktuellen Serie nicht mit einer Wegfahrsperre und ABS ausgestattet sei, und dass sich die Altersangabe von sechs bis neun Monaten auf das blaue Fahrzeug bezogen habe und sich nur darauf habe beziehen sollen.

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 463 BGB. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass sie durch eine arglistige Täuschung zum Abschluss des Kaufvertrags bestimmt worden ist.

1. Die Parteien haben keinen Kaufvertrag über ein Neufahrzeug geschlossen.

a) Ein Fahrzeug darf nur dann als „fabrikneu“ bezeichnet werden, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs weiterhin unverändert hergestellt wird und es keine durch eine längere Standzeit bedingten Mängel aufweist. Fehler in der Produktion beeinträchtigen die Eigenschaft „fabrikneu“ nicht (vgl. BGH, Urt. v. 06.02.1980 – VIII ZR 275/78, NJW 1980, 1097 f.; Urt. v. 18.06.1980 – VIII ZR 185/79, NJW 1980, 2127, 2128). Die Bezeichnungen „fabrikneu“ und „neu“ sind daher nicht synonym. Letztere besagt nur, dass die Sache aus neuen Materialen hergestellt wurde und unbenutzt ist (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl., Rn. 446).

Es kann dahinstehen, ob Änderungen der Technik und der Ausstattung im Vergleich zur laufenden Modellreihe erheblich sein müssen, damit die Eigenschaft der Fabrikneuheit für ein Vormodell verlorengeht (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 464). Die hier vorliegenden Änderungen sind erheblich. ABS und Wegfahrsperre sind wichtige Ausstattungsmerkmale, die die aktive und passive Sicherheit des Fahrzeugs maßgeblich erhöhen. Der Vergleich der Klägerin mit einer geringfügigen Veränderung der Lackierung und des Herstellungsverfahrens ist ersichtlich interessenorientiert und überzeugt nicht (vgl. wegen weiterer Beispiele Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 465).

Weil schon technische Änderungen die Eigenschaft „fabrikneu“ beseitigen, kommt es in diesem Zusammenhang auf die Standzeit des Fahrzeugs nicht mehr an.

b) Aus dem verwendeten Formular ergibt sich nicht, dass dennoch ein Kaufvertrag über ein Neufahrzeug geschlossen werden sollte. Es ist unstreitig, dass die Klägerin dieses Formular erst bei Übergabe des Fahrzeugs – am 02.05.1996 – unterschrieben hat, während schon vorher – am 26.04.1996 – ein Kaufvertrag mündlich geschlossen worden war.

2. Die Klägerin wusste von der Beklagten, dass das gekaufte Fahrzeug aus einer nicht mehr produzierten Modellreihe stammt und das Nachfolgemodell mit wesentlichen technischen Veränderungen gebaut wird und sie deshalb kein Neufahrzeug erwirbt. Sie wurde daher in Bezug hierauf nicht getäuscht.

a) Die Klägerin hat in der Berufungsschrift selbst eingeräumt, dass sie Kenntnis von den Tatsachen hatte, die die Fabrikneuheit des Fahrzeugs ausschlossen. Sie trägt vor, der Zeuge V habe ihr gesagt, ohne Tageszulassung wäre das Fahrzeug so teuer wie ein aktuelles Modell. Das beinhaltet die Kenntnis, dass das Fahrzeug ungeachtet der Angemessenheit des Preises jedenfalls kein aktuelles Modell ist. Die Klägerin trägt weiter vor, sie habe vor dem Kauf erfahren, dass die neuen Modelle ABS und Wegfahrsperre hätten. Auch aus dieser Mitteilung wusste sie, dass das Fahrzeug, an dem sie interessiert war, mit der dort vorhandenen Sicherheitsausstattung nicht mehr produziert wurde. Die Klägerin zieht insoweit lediglich den unzutreffenden Schluss, die technischen Veränderungen seien unerheblich. Das ist nicht der Fall.

b) Im Übrigen hat auch die Beweisaufnahme des Einzelrichters dieses Wissen der Klägerin zur Überzeugung des Senats ergeben. Ihre Rügen gegen die Beweiswürdigung dringen nicht durch.

Das angefochtene Urteil führt nachvollziehbar aus, weshalb es den Angaben des Zeugen V größeres Vertrauen schenkt als der Aussage des Zeugen L. Aus der Gegenüberstellung beider Zeugen, wie sie sich aus der Niederschrift vom 25.03.1997 ergibt, lässt sich sehr deutlich erkennen, dass der Zeuge L um eine Gefälligkeitsaussage zugunsten der Klägerin bemüht war und erst auf eindringlichste Vorhalte aus den Angaben des Zeugen V – das war der Verkäufer – diese im Wesentlichen einräumte. Demgegenüber hat der Zeuge V den Vortrag der Beklagten plausibel bestätigt. Ohnedies kommt der Vortrag der Beklagten dem Geschehen erheblich näher als der Vortrag der Klägerin, die die Verkaufsverhandlungen eher oberflächlich schildert, den Tatsachen, die die Beklagte detailliert vorbringt, jedoch nichts entgegensetzt. Dementsprechend gelingt die Auseinandersetzung der Klägerin mit den Angaben des Zeugen V nicht ohne Widerspruch zum eigenen Vortrag.

c) Auch der Senat stellt daher fest, dass der Klägerin die wesentlichen Faktoren genannt wurden, aufgrund derer sie selbst beurteilen konnte, dass sie kein Neufahrzeug erwerben werde.

Modellaktualität war ihr nicht zugesichert worden. Das unterscheidet den hiesigen Sachverhalt von demjenigen, der dem von ihr in Bezug genommenen Urteil des OLG Koblenz (Urt. v. 27.06.1996 – 5 U 82/96, NZV 1997, 358) zugrunde lag. Dort waren die Veränderungen nicht mitgeteilt, sondern lediglich gesagt worden, es handele sich um ein Lagerfahrzeug. Das genügt nicht (s. auch OLG Koblenz, Urt. v. 22.12.1994 – 5 U 803/94, NZV 1995, 399; anders noch, aber durch die Rechtsprechung des BGH [Urt. v. 06.02.1980 – VIII ZR 275/78, NJW 1980, 1097; Urt. v. 18.06.1980 – VIII ZR 185/79, NJW 1980, 2127] überholt, Senat, Urt. v. 20.11.1969 – 5 U 25/69, MDR 1970, 325).

d) Aus dem Kraftfahrzeugbrief konnte die Klägerin erkennen, dass das Fahrzeug nicht nur für einen Tag auf die Beklagte zugelassen war.

Nichts Erhebliches hat die Klägerin schließlich dem Vortrag der Beklagten entgegengesetzt, bei der ersten Probefahrt im blauen Fahrzeug sei das Alter (nur) dieses Fahrzeugs mit etwa sechs Monaten angegeben worden.

Unbestritten hat die Klägerin desweiteren einen Preisvorteil von fast 25 % auf den ursprünglichen Neupreis erlangt, obwohl sie ein Gebrauchtfahrzeug für 7.300 DM in Zahlung gab. Eine solche Kombination – die Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens neben einem überdurchschnittlichen Preisnachlass – ist jedenfalls nicht ohne Weiteres üblich. Dies ist ein deutlicher Hinweis, dass es der Klägerin besonders darauf ankam, die Erwerbsvorteile, die nur für dieses konkrete Fahrzeug gewährt wurden, in Anspruch zu nehmen.

3. Die Klägerin ist nicht getäuscht worden, weil ihr nicht ungefragt das Alter des Fahrzeugs genannt wurde. Eine Zusicherung wurde ihr wegen des Alters des Fahrzeugs ebenfalls nicht gemacht. Die gegenteilige Argumentation der Klägerin, auch die im Schriftsatz vom 02.04.1998, basiert auf der Übertragung der für den Neuwagenkauf geltenden Grundsätze. Auf diese kann sich die Klägerin aber nicht berufen.

a) Es mag dahinstehen, dies liegt aber nicht fern, ob eine Offenbarungspflicht schon deswegen nicht bestand oder die Beklagte subjektiv nicht arglistig handelte, weil die Klägerin bei einem vorangegangenen Gespräch selbst nach dem Alter des blauen Fahrzeugs gefragt hatte, außerdem, weil auf die fehlende Modellaktualität hingewiesen wurde, der Klägerin sehr günstige Konditionen eingeräumt wurden und die Beklagte deswegen annehmen durfte, das Alter des Fahrzeugs sei für die Klägerin nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Dass die Klägerin möglicherweise eine Angabe, die sich auf ein anderes Fahrzeug bezogen hatte, auf ein wieder anderes übertragen würde, musste die Beklagte nicht in ihre Überlegungen einbeziehen.

b) Eine Offenbarungspflicht dahin, dass das Fahrzeug nicht mehr fabrikneu war, bestand nicht. Diese Eigenschaft hatte die Beklagte schon deswegen nicht zugesichert, sondern deren Fehlen offenbart, weil sie auf den Modellwechsel und die technischen Neuerungen der neuen Modelle hingewiesen hatte. Der Umfang der Offenbarungspflicht richtet sich deswegen nicht nach den Anforderungen für Neuwagen. Im Gebrauchtwagenkaufrecht ist nach der Rechtsprechung des BGH ein höheres Alter des Fahrzeugs, wenn nicht dadurch dessen Eignung zum gewöhnlichen Gebrauch eingeschränkt wird, kein Fehler i. S. von § 459 I BGB (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1978 – VII ZR 202/76, NJW 1979, 160, 161, insoweit in BGHZ 72, 252 nicht abgedruckt; Urt. v. 09.10.1980 – VII ZR 332/79, BGHZ 78, 216, 218 = NJW 1981, 224, 225), sondern nur eine zusicherungsfähige Eigenschaft i. S. von § 459 I BGB (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1991 – VIII ZR 140/90, BGHR BGB § 459 II Eigenschaft, zugesicherte 13). Dementsprechend darf keine unrichtige Angabe über das Alter eines Fahrzeugs gemacht werden. Es ist aber nicht arglistig, überhaupt keine Angabe zum Alter zu machen. Eine Zusicherung muss nicht gegeben werden.

Die Anforderungen an den Verkäufer eines nicht fabrikneuen Fahrzeugs, das nach den oben genannten Merkmalen aber immer noch ein neues Fahrzeug ist, sind nicht strenger. Die Risiken, die den Bewertungsfaktor prägen, sind jedenfalls nicht höher zu bewerten als bei einem Gebrauchtfahrzeug.

Die von der Klägerin vorgetragenen Reparaturen beruhen nicht auf Mängeln, die dem Fahrzeug altersbedingt anhafteten. Die Reifen zeigten eine Unwucht, das Fahrzeug hatte Probleme beim Geradeauslauf. Für solche Schäden, deren Ursache auch unbekannt ist, ist das Alter des Fahrzeugs nicht offensichtlich von Belang. Die Klägerin stellt selbst einen solchen Zusammenhang nicht her.

c) Eine Zusicherung hat die Beklagte auch konkludent (vgl. zu den Voraussetzungen BGH, Urt. v. 10.07.1991 – VIII ZR 224/90, LM BGB § 459 Nr. 110) nicht gegeben. Auch für die Klägerin war aufgrund der besonders günstigen Konditionen unschwer erkennbar, dass die Beklagte eine Garantie insoweit nicht übernehmen, sondern das Fahrzeug, wie von den Zeugen mehrfach gesagt, „vom Hof“ haben wollte. …

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