Die Sicherstellung oder Beschlagnahme eines Pkw zu Beweiszwecken in einem Strafverfahren (§ 94 I, II StPO) begründet keinen Rechtsmangel, für den der Verkäufer nach §§ § 434, 440 BGB einzustehen hätte.
LG Bonn, Urteil vom 23.11.1976 – 2 O 87/76
Sachverhalt: Der Kläger kaufte von dem beklagten Gebrauchtwagenhändler am 20.08.1974 einen gebrauchten Mercedes-Benz 350 SL. Im schriftlichen Kaufvertrag verpflichtet sich der Kläger, bei Übergabe des Fahrzeugs 18.000 DM in bar zu entrichten und einen gebrauchten Mercedes-Benz 250/8, dessen Wert mit 3.500 DM angesetzt wurde, in Zahlung zu geben.
Das gekaufte Fahrzeug wurde dem Kläger am 21.08.1974 am 21.08.1974 übergeben. Über die in bar zu zahlenden 18.000 DM hinaus zahlte der Kläger aufgrund einer mündlichen Vereinbarung mit dem Beklagten diesem weitere 1.500 DM dafür, dass der Beklagte neue Reifen lieferte und eine Inspektion ausführte.
Ausweislich des Fahrzeugbriefs, der dem Kläger ebenfalls übergeben wurde, war der Mercedes-Benz 350 SL zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger auf S zugelassen. Aus dem Fahrzeugbrief ergibt sich ferner, dass das Fahrzeug zuvor in Italien zugelassen war, und dass dort der letzte Halter M aus M. gewesen ist. Die entsprechende Eintragung hatte S auf Betreiben des Beklagten, der das Fahrzeug von S erworben hatte, vornehmen lassen. Der Beklagte hatte vor dem Ankauf des Fahrzeugs den Leiter des Straßenverkehrsamtes B., T, konsultiert, um sich davon zu überzeugen, dass mit dem Geschäft alles in Ordnung sei. T hatte dem Beklagten gesagt, er – der Beklagte – könne den Mercedes-Benz 350 SL ohne Risiko kaufen, wenn im Fahrzeugbrief ergänzend auf die Zulassung des Fahrzeugs in Italien hingewiesen werde.
Das Fahrzeug auf den Kläger zugelassen, der es zunächst ungestört nutzen konnte.
Anfang April 1975 wurde der Kläger in einem Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei vernommen. Der von dem Kläger gekaufte Pkw war nämlich im Juni 1974 in M. von der damaligen Halterin B als gestohlen gemeldet worden. Er soll mit falschen italienischen Fahrzeugpapieren nach Deutschland gebracht worden sein, wo er durch mehrere Hände ging, bis er zu S gelangte, der das Fahrzeug auf den Namen seiner Ehefrau zuließ und an den Beklagten verkaufte.
Am 20.11.1975 erhielt der Kläger schließlich einen Beschluss des AG Bonn vom gleichen Tag, in dem es heißt:
"Auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Bonn wird gemäß §§ 94, 111b StPO die Beschlagnahme des Pkw Daimler-Benz mit der Fahrgestell-Nr: … (jetziges Kennzeichen: …) angeordnet, da dieser Pkw als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung ist.“
Die Beschlagnahme wurde noch am selben Tag ausgeführt. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 15.12.1975 den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil ihm nicht das Eigentum an dem Wagen verschafft worden sei. Er forderte den Beklagten auf, seine – des Klägers – Rückzahlungsansprüche bis zum 31.12.1975 anzuerkennen und sich zur Zahlung bereit zu erklären. Dies lehnte der Beklagte jedoch in einem Brief vom 29.12.1975 strikt ab, sodass sich der Kläger zur Klageerhebung veranlasst sah.
Im Juni 1976 gab die Staatsanwaltschaft das streitgegenständliche Fahrzeug dem Kläger als seinem letzten Besitzer zurück, nachdem die Ermittlungen hinsichtlich des Diebstahls ergebnislos verlaufen waren. Der Kläger hat den Wagen seitdem wieder in Gebrauch.
Mit der im März 1976 erhobenen Klage hatte der Kläger ursprünglich Zahlung von 20.950 DM begehrt. Er ist der Auffassung gewesen, der Beklagte sei aufgrund des Rücktritts vom Kaufvertrag zur Rückzahlung des Kaufpreises (23.000 DM) abzüglich einer Nutzungsentschädigung (4.550 DM) verpflichtet und müsse ihm, dem Kläger, Aufwendungen in Höhe von 2.500 DM ersetzen. Seinen Rücktritt hat der Kläger in erster Linie auf die Behauptung gestützt, das Fahrzeug sei der Eigentümerin B gestohlen worden, sodass der Beklagte ihm, dem Kläger, nicht das Eigentum an dem Pkw verschafft habe. Außerdem – so hat der Kläger gemeint – begründe die behördliche Beschlagnahme des Fahrzeugs ein Rücktrittsrecht, weil ihm, dem Kläger, das Fahrzeug mit Blick darauf nicht frei von Rechten Dritter verschafft worden sei.
Nach der Rückgabe des Fahrzeugs durch die Staatsanwaltschaft hat der Kläger die Hauptsache einseitig für erledigt erklärt. Der darin liegende Antrag, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Dem Antrag, die Erledigung der Hauptsache auszusprechen, kann nur entsprochen werden, wenn die nach Verfahrenseinleitung durch einen nicht in der Klägersphäre angesiedelten Umstand gegenstandslos gewordene Klage nach dem ursprünglichen Antrag zulässig und begründet war (BGH, Urt. v. 25.11.1964 – V ZR 187/62, NJW 1965, 537; Habscheidt, JZ 1963, 624 [625] m. w. Nachw.; Thomas/Putzo, ZPO, 8. Aufl. [1975], § 91a Anm. 7). Erledigen kann sich nur ein Anspruch, der zunächst einmal tatsächlich bestanden hat. Dem Kläger hat der ursprünglich geltend gemachte Rückzahlungsanspruch aber nicht zugestanden.
Ein solcher Anspruch hätte sich nur aus §§ 440 I, 325, 327 Satz 1, 346 Satz 1 BGB ergeben können.
Es steht jedoch nicht fest, dass der Beklagte seine Rechtsverschaffungspflicht nicht erfüllt hat, sodass sich der Kläger nicht auf § 440 I BGB berufen kann.
Soweit der Kläger sein Rücktrittsrecht daraus herleitet, der Beklagte habe ihm kein Eigentum am Fahrzeug verschafft, da dieses der Eigentümerin gestohlen worden sei, hat er seine Behauptung nicht zu beweisen vermocht. Auf den Nachweis, dass der Pkw wirklich gestohlen worden ist, kommt es aber entscheidend an, da nur in diesem Fall auch ein gutgläubiger Eigentumserwerb gemäß § 935 I BGB ausgeschlossen ist.
Aus den Ermittlungsakten ergibt sich positiv nur, dass B eine Diebstahlsanzeige erstattet hat. Ob tatsächlich ein Diebstahl vorgelegen hat, konnte die Staatsanwaltschaft nicht feststellen, da B unter der angegebenen Adresse nicht zu erreichen war und ihr neuer Aufenthaltsort unbekannt ist. Die Ermittlungen wurden deshalb in dieser Hinsicht eingestellt. Mangels einer ladungsfähigen Anschrift konnte auch dem Antrag des Klägers, B als Zeugin zu vernehmen, nicht gefolgt werden.
Die Beweislast dafür, dass der Verkäufer seine Eigentumsverschaffungspflicht nicht erfüllt hat, trägt gemäß § 442 BGB der Käufer, wenn er daraus Rechte ableitet (Palandt/Heinrichs, BGB, 35. Aufl. [1976], § 280 Anm. 6; Staudinger/Ostler, BGB, 11. Aufl. [1955], § 442 Rn. 1). Die mangelnde Aufklärbarkeit der Ereignisse in Italien trifft daher den Kläger.
Ein Rücktrittsrecht des Klägers ergibt sich auch nicht daraus, dass das gekaufte Fahrzeug beschlagnahmt worden ist:
Nach § 434 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können. Diese Vorschrift ist nicht auf dingliche oder obligatorische Privatrechte beschränkt, sondern erfasst auch öffentlich-rechtliche Befugnisse. So hat das Reichsgericht (Urt. v. 21.03.1919 – Rep. II. 410/18, RGZ 96, 77; Urt. v. 11.03.1921 – II 462/20, RGZ 101, 413; Urt. v. 24.06.1921 – Rep. II. 80/21, RGZ 102, 292; Urt. v. 20.10.1922 – III 707/21, RGZ 105, 273; Urt. v. 09.06.1925 – II 411/24, RGZ 111, 86; RG, JW 1919, 182; JW 1926, 2738 m. zust. Anm. Plum) wiederholt ausgesprochen, dass die staatliche Befugnis der Beschlagnahme einen Rechtsmangel der betroffenen Sache darstellt, für den der Verkäufer einstehen muss, soweit von diesem Recht tatsächlich Gebrauch gemacht worden ist und die Beschlagnahme zu Recht erfolgte (ebenso KG, Urt. v. 09.01.1953 – 9 U 2039/52, MDR 1953, 614; OLG Hamburg, OLGZ 40, 292; Erman/Weitnauer, BGB, 5. Aufl. [1972], § 434 Rn. 3; Palandt/Putzo, BGB, 35. Aufl. [1976], § 434 Anm. 2c; Soergel/Ballerstedt, BGB, 10. Aufl. [1967], § 434 Rn. 4; Staudinger/Ostler, a. a. O., § 434 Rn. 14). Eine unberechtigte Beschlagnahme ist hingegen ein vom Käufer zu tragender Zufall.
Alle diese Entscheidungen betreffen aber Beschlagnahmen, die der Ausführung von Verfallerklärungen oder Einziehungen oder deren Sicherung dienten. Der Staat machte in den zugrunde liegenden Sachverhalten von seiner Befugnis Gebrauch, einzelne Gegenstände ihrem jeweiligen Besitzer auf Dauer zu entziehen und seinem Vermögen zuzuführen. Darin ist in der Tat eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Käufers zu sehen, die derjenigen durch privatrechtliche Rechtspositionen gleichzustellen ist. Die Gewährleistungsrechte des Käufers mögen selbst bei nur vorübergehender Beschlagnahme dann zu bejahen sein, wenn wenigstens die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer Verfallerklärung oder Einziehung vorliegen (in diesem Sinne wohl RG, JW 1926, 2738; OLG Hamburg, OLGZ 40, 292).
Die Beschlagnahme des vom Kläger erworbenen Kraftfahrzeugs erfolgte aber – soweit sie rechtmäßig ist – nicht zum Zwecke der Verfallerklärung oder Einziehung. Im Beschlagnahmebeschluss ist zwar auch § 111b StPO aufgeführt, der eine Sicherstellung von Gegenständen für den Fall vorsieht, dass dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen für ihren Verfall oder ihre Einziehung vorliegen. Da der Kläger jedoch weder Täter oder Teilnehmer einer Straftat gewesen ist noch zu dem in § 74a StGB bezeichneten Personenkreis gehört, konnte eine Verfallerklärung oder Einziehung gemäß §§ 73 ff. StGB nicht infrage kommen. Die Tatsache, dass die Beschlagnahme gleichwohl jedenfalls zusätzlich auch auf § 111b StPO gestützt wurde, mag auf einem Versehen oder auf einem Irrtum des Richters beruhen, der von der falschen Annahme ausgegangen sein könnte, der Kläger sei selber der Hehlerei beschuldigt. Wie aus den Ermittlungsakten hervorgeht, ist gegen ihn jedoch nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Er ist lediglich einmal im Laufe der Ermittlungen … vernommen worden. Die Anordnung der Beschlagnahme ist daher, soweit sie sich auf § 111b StPO stützt, rechtswidrig, sodass der Kläger in dieser Hinsicht aus ihr keine Rechte gegen den Beklagten als den Verkäufer der Sache herleiten kann.
Die im Beschluss mitgeteilte Begründung zeigt aber, dass die Zwangsmaßnahme vor allem deshalb erfolgte, weil das Fahrzeug als Beweismittel von Bedeutung war. Die Beschlagnahme aus diesem Grund rechtfertigte sich aus § 94 II StPO.
Die Frage, ob eine vorläufige Beschlagnahme nach § 94 II StPO die Rechtsmängelhaftung des Verkäufers auslöst, ist – soweit ersichtlich – in veröffentlichten Urteilen noch nicht entschieden worden. RGZ 101, 413 (RG, Urt. v. 11.03.1921 – II 462/20) erwähnt § 94 StPO in Zusammenhang mit § 459 BGB, ohne jedoch abschließend Stellung zu nehmen. Die Kammer ist der Auffassung, dass die vorläufige Beschlagnahme im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, durch die sich die Staatsanwaltschaft vorübergehend den Besitz an Gegenständen verschafft, die für ihre Ermittlung von Bedeutung sind, keine Beeinträchtigung der Rechtsposition des Käufers darstellt, für die der Verkäufer nach §§ § 434, 440 BGB einzustehen hätte.
Öffentlich-rechtliche Befugnisse hinsichtlich eines Gegenstandes stellen sich nicht regelmäßig als Rechtsmängel i. S. von § 434 BGB dar. Vielfach handelt es sich dabei um allgemeine Einschränkungen der Privatrechte, die der Gesetzgeber zugunsten des Gemeinwohls für notwendig erachtet hat und hinsichtlich derer es nicht angebracht erscheint, den Verkäufer haften zu lassen. Auch das Beschlagnahmerecht nach § 94 II StPO stellt eine derartige allgemeine Beschränkung des Umfangs des Eigentumsrechts oder des Besitzrechts dar. Die Möglichkeit der Beschlagnahme zum Zwecke der Beweissicherung besteht für alle Gegenstände im Geltungsbereich der StPO. Wenn die Behörde von dieser ihrer Befugnis Gebrauch macht, so realisiert sich für den Betroffenen ein allgemeines Lebensrisiko, das ihm im Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung von Straftaten auferlegt ist. Das Opfer ist vom jeweiligen Besitzer zu tragen. Es erscheint nicht als sachgerecht, dass der Käufer einer Sache, an der vor der Übergabe an ihn ein Beschlagnahmerecht entstanden ist, sich deswegen beim Verkäufer schadlos halten kann. Die Beschlagnahmemöglichkeit nach § 94 II StPO ist im Vergleich zu den Fällen des Verfalls und der Einziehung ein Eingriff, der die Rechtsposition nur vorübergehend einschränkt, sie im Kern aber bestehen lässt. Sie ist deshalb auch von vergleichsweise geringen Voraussetzungen abhängig. Schon eine falsche Anzeige kann zu einer rechtmäßigen Beschlagnahme führen. Bedenkt man, dass der Verkäufer für anfängliche Leistungshindernisse ohne Rücksicht darauf haftet, ob ihn ein Verschulden trifft (st. Rspr. seit RG, Urt. v. 21.10.1908 – V 598/07, RGZ 69, 355; z. B. BGH, Urt. v. 16.12.1952 – I ZR 29/52, BGHZ 8, 222 [231]; Urt. v. 28.10.1953 – II ZR 78/53, BGHZ 11, 16 [22]; BAG, Urt. v. 26.03.1965 – 3 AZR 248/63, BB 1965, 948), so würde die Einbeziehung der vorläufigen Beschlagnahme zu Beweiszwecken in die Rechtsmängelhaftung den Verkauf einer Sache mit unabwägbaren Risiken belasten. Durch jede nach Vertragsschluss erhobene Anzeige würde selbst dann, wenn sie sich später als ungerechtfertigt herausstellt, der Bestand des Vertrages bedroht. Das entspricht nicht dem Sinn der §§ 434, 440 BGB.