1. Ein deutlich störender Kratzer auf dem Display eines fest eingebauten Navigationsgeräts ist bei einem drei Jahre alten Gebrauchtwagen, der eine Laufleistung von weniger als 50.000 km aufweist, insbesondere dann ein Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB und nicht lediglich eine vom Käufer hinzunehmende Gebrauchsspur, wenn das Display kein Touchscreen ist.
  2. Der Verkäufer eines Gebrauchtwagens muss dem Käufer jedenfalls dann nicht durch Vorlage der Fahrzeughistorie oder von EDV-Unterlagen Auskunft über den Reparaturzustand des Fahrzeugs geben, wenn der Käufer sich über den Reparaturzustand ohne Weiteres beim Vorbesitzer des Fahrzeugs informieren kann.

AG Hannover, Urteil vom 17.05.2017 – 502 C 10372/16

Sachverhalt: Der Kläger, ein Verbraucher, kaufte von der beklagten Unternehmerin am 23.01.2013 einen gebrauchten BMW 325d Touring zum Preis von 26.070 €. Zu diesem Zeitpunkt wies das im Oktober 2009 erstzugelassene Fahrzeug eine Laufleistung von 46.797 km auf. Im schriftlichen Kaufvertrag heißt es unter anderem: „unfallfrei (lt. Vorbesitzer): nein“.

Der BMW 325d Touring wurde dem Kläger am 27.02.2013 übergeben, nachdem er das Fahrzeug erstmals zwei Tage nach Abschluss des Vertrages, am 25.01.2013, besichtigt hatte.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz für den Austausch des im Fahrzeug installierten Navigationsgeräts (1.482 €) und für die Beseitigung von Lackabplatzungen am vorderen Kotflügel und an der hinteren Stoßfängerverkleidung (1.415 €). Außerdem begehrt er den Ersatz der Kosten, die er für ein DEKRA-Bewertungsgutachten vom 11.03.2016 aufgewendet hat (159,34 €).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Bildschirm des Navigationsgeräts schon bei Übergabe des Fahrzeugs einen Kratzer aufwies, den die Beklagte durch Polieren nicht zu beseitigen vermochte. Eine Beseitigung des Kratzers erfordert einen Austausch des Navigationsgeräts, und dieser ist mit einem Kostenaufwand von 1.482 € verbunden. Weiter ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das Fahrzeug mittlerweile kleinere Lackabplatzungen im Bereich des vorderen Kotflügels und der hinteren Stoßfängerverkleidung aufweist. Die Parteien haben einstweilen unstreitig gestellt, dass die Kosten für die erforderliche Nachlackierung 242,50 € betragen.

Der Kläger meint, dass sein Fahrzeug wegen des Kratzers auf dem Display des Navigationsgeräts mangelhaft sei, und behauptet infolge des erfolglosen Nachbesserungsversuchs der Beklagten seien nunmehr auch Schlieren auf dem Display vorhanden. Die Lackabplatzungen sind nach der Behauptung des Klägers darauf zurückzuführen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vor der Übergabe am 27.02.2013 unsachgemäß lackiert worden sei.

Darüber hinaus nimmt der Kläger die Beklagte auf Auskunft über den Reparaturzustand des BMW 325d Touring durch Aushändigung der Fahrzeughistorie, hilfsweise Vorlage der EDV-Unterlagen, in Anspruch. Er behauptet, ihm sei vor Abschluss des Kaufvertrages erklärt worden, das Fahrzeug habe lediglich einen – reparierten – geringfügigen Unfallschaden an der vorderen Stoßfängerverkleidung erlitten, der mit Reparaturkosten von 1.500 € verbunden gewesen sei. Tatsächlich müsse das Fahrzeug indes weitere reparierte Unfallschäden erlitten haben, wie sich aus dem im DEKRA-Gutachten ausgewiesenen weiteren Nachlackierungen ergebe. Der Kläger meint, der geltend gemachte Auskunftsanspruch stehe ihm schon deshalb zu, weil er bei einem Weiterverkauf des Fahrzeugs sämtliche Vorschäden angeben müsse.

Die Klagte hatte nur teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: Wegen des Kratzers auf dem Display des Navigationsgeräts hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 1.482 € gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB.

Das an den Kläger verkaufte gebrauchte Kraftfahrzeug weist aufgrund des gegebenen Kratzers einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Kratzer um eine Beschaffenheit handelt, die bei drei Jahre alten Gebrauchtfahrzeugen mit einer Laufleistung von unter 50.000 km nicht üblich und vom Käufer nicht zu erwarten ist. Es handelt sich hier demgemäß insbesondere nicht um eine bloße vom Käufer hinzunehmende Gebrauchsspur.

Hieran besteht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kein Zweifel. Auf dem vom Kläger vorgelegten, das Display abbildenden Foto war der Kratzer deutlich zu erkennen. Aufgrund seines Verlaufs auf der Bildschirmoberfläche ist die Betrachtung der Abbildungen auf dem Bildschirm ersichtlich deutlich gestört. Er stört damit gravierend die Darstellungen auf dem Bildschirm.

Hier handelt es sich auch deshalb nicht um eine bloße Gebrauchsspur, weil die Bildschirmoberfläche üblicherweise nicht dem Kontakt der Fahrzeuginsassen ausgesetzt ist. Unstreitig handelt es sich nicht um einen Bildschirm im Sinne eines Touchscreens, über dessen Berührung Softwarefunktionen ausgelöst werden. Vielmehr erfolgt die Steuerung der Software über entsprechende Funktionstasten.

Der Anspruch des Klägers ist hier auch nicht gemäß § 442 I BGB ausgeschlossen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger, wie es § 442 I 1 BGB voraussetzt, bereits bei Vertragsschluss Kenntnis von dem Kratzer an dem Display hatte. Unstreitig wurde der Vertrag zwei Tage vor der Erstbesichtigung des Fahrzeugs durch den Kläger geschlossen. Die Beklagte hat auch nicht dargetan, den Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages von diesem Mangel in Kenntnis gesetzt zu haben.

Soweit sich die Parteien anlässlich der Erstbesichtigung des Fahrzeues darüber verständigt haben sollten, dass die Beklagte hier den Versuch unternehmen solle, die Beeinträchtigungen durch Nachpolieren zu verbessern, steht dies dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Insbesondere ist aus einer solchen Verständigung nicht abzuleiten, dass der Kläger im Falle eines erfolglosen Nachbesserungsversuchs auf seine weiteren Nacherfüllungsansprüche verzichten wollte. Gleiches gilt für die von der Beklagten behauptete widerspruchslose Entgegennahme des Fahrzeugs durch den Kläger. Demgemäß kann dahinstehen, ob der Versuch der Beseitigung des Mangels durch die Beklagte hier entsprechend dem Vortrag des Klägers zu weiteren Schäden am Display geführt hat.

Nachdem die Beklagte auch nach Ablauf der ihr vom Kläger gesetzten Frist die geschuldete Nacherfüllung nicht geleistet hat, sind die Voraussetzungen für den geltend gemachten Schadensersatz gegeben. Da die erforderlichen Kosten für den Austausch des Displays mit 1.482 € von der Beklagten unstreitig gestellt wurden, ist der Anspruch auch der Höhe nach gegeben.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zudem dem Grunde nach Anspruch auf Schadensersatz wegen der Lackschäden gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB, dies jedoch nur in Höhe von 242,50 €, da die Parteien diesen Betrag als erforderlichen Betrag zur Beseitigung der Schäden für die erste Instanz unstreitig gestellt haben.

Nach dem Ergebnis von mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme besteht kein Zweifel, dass die Ursache für die Lackschäden in unsachgemäßen Lackierarbeiten vor Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger liegt.

Hier ist dem Vortrag des Klägers im Rahmen seiner Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung zu folgen, dass nach Übergabe des Fahrzeugs an ihn keine Lackiererarbeiten an dem Fahrzeug durchgeführt wurden. Der Kläger hat dies im Rahmen seiner Parteianhörung glaubhaft geschildert. Seine Angaben werden durch die glaubhaften Bekundungen seiner Lebensgefährtin gestützt, die trotz ständigen Kontakts zum Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum von entsprechenden Reparaturaufträgen oder Reparaturmaßnahmen keine Kenntnis erlangt hat. Aufgrund des persönlichen Eindrucks, den die Zeugin bei ihrer gerichtlichen Einvernahme hinterließ, besteht auch kein Zweifel, dass sie hier nicht wahrheitsgemäß ausgesagt haben könnte. Die Beklagte hat hier zudem eingeräumt, dass sie vor dem Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen üblicherweise kleinere Lackiererarbeiten durchzuführen pflegt. Es wäre danach ihre Aufgabe gewesen, vor dem Hintergrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast konkret vorzutragen, inwieweit hier Lackiererarbeiten zur Aufbereitung des Fahrzeugs vor Übergabe an den Kläger stattgefunden haben.

Es ist überdies davon auszugehen, dass vor Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger ausgeführte Lackarbeiten zu den vom Kläger vorgetragenen Beschädigungen geführt haben. Für den Kläger streitet das vom Kläger vorgelegte Bewertungsgutachten der DEKRA vom 11.03.2016, wonach die festgestellten Klarlackabplatzungen auf eine unzureichende Lackvorbereitung vor der Nachlackierung zurückzuführen sind. Diesem mit der Vorlage des Privatgutachtens untermauerten Vortrag des Klägers ist die Beklagte nicht substanziiert entgegengetreten.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zudem Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Einholung des DEKRA-Gutachtens in Höhe von 159,34 €, dies gemäß § 439 II BGB. Es handelt sich hier um zum Zwecke der Nacherfüllung erforderliche Aufwendungen im Sinne dieser Regel. Der Kläger durfte es in seiner Eigenschaft als Verbraucher für erforderlich erachten, zum Zwecke der Klärung der Mängel sachverständige Feststellungen auch zur Frage erfolgter Lackarbeiten treffen zu lassen.

Die geltend gemachten Zinsen sind gemäß §§ 286, 288 BGB begründet.

Die Klage ist hingegen hinsichtlich des geltend gemachten Auskunftsanspruchs unbegründet.

Ein wie hier nur aus den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB abzuleitender Auskunftsanspruch im Rahmen der Vertragsbeziehung setzt jedenfalls unter anderem voraus, dass die Partei über ihre Rechte entschuldbar im Ungewissen ist und sich auch nicht auf andere zumutbare Weise Kenntnis verschaffen kann. Schon diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger sich hier bei dem Vorbesitzer des Fahrzeugs ohne Weiteres kundig machen könnte. Die von ihm vorgelegte E-Mail vom 30.01.2015 zeigt, dass er Kenntnis von der Identität des Vorbesitzers hatte. Der Kläger hat auch nicht dargetan, beim Vorbesitzer erfolglos um die ihn interessierenden Informationen nachgesucht zu haben.

Der Kläger hat schließlich dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, dies gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB. Der Kläger durfte es hier für erforderlich erachten, einen Rechtsanwalt mit dem Versuch der außergerichtlichen Beitreibung seiner Forderungen zu beauftragen, da er hier als Verbraucher einem Unternehmer gegenüberstand.

Der Höhe nach ist der Anspruch jedoch nur mit einem Betrag von 255,85 € gegeben. Eine Ersatzpflicht besteht nur in Höhe der Rechtsanwaltsgebühren nach dem begründeten Gegenstandswert. Die Forderungen des Klägers sind lediglich nach einem Gegenstandswert von bis zu 2.000 € begründet. Es ergibt sich danach folgende Berechnung:

1,3-fache Geschäftsgebühr 195,00 €
Post- und Telekommunikationspauschale + 20,00 €
Zwischensumme 215,00 €
19 % Umsatzsteuer + 40,85
Summe 255,85 €

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