1. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kfz-Händlers, wonach der Käufer bei der (unberechtigten) Nichtabnahme eines Neuwagens Schadensersatz in Höhe von pauschal 15 % des Kaufpreises leisten muss, ist wirksam, wenn dem Käufer gemäß § 309 Nr. 5b BGB der Nachweis gestattet wird, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale sei.
  2. Der Käufer eines Land Rover Discovery kann dessen Abnahme und Bezahlung nicht erfolgreich wegen der Befürchtung verweigern, das Fahrzeug verfüge über – tatsächlich nicht vorhandene – Vorrichtungen zur unzulässigen permanenten Speicherung und Ausspähung persönlicher Daten des Nutzers.

OLG Hamm, Beschuss vom 02.07.2015 – 28 U 46/15
(nachfolgend: OLG Hamm, Beschluss vom 28.07.2015 – 28 U 46/15)

Sachverhalt: Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen der Nichtabnahme eines Neuwagens.

Der Beklagte bestellte am 13.03.2014 bei der Klägerin verbindlich einen von ihm individuell konfigurierten Neuwagen (Land Rover Discovery) zum Preis von 60.450 €. Gleichzeitig vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin das von dem Beklagten bis dahin genutzte Fahrzeug – ebenfalls ein Land Rover – für 17.450 € in Zahlung nimmt.

In dem Bestellformular, das der Beklagte unterzeichnete, wird auf die „nachfolgenden Neuwagen-Verkaufsbedingungen“ verwiesen. Diese sehen vor, dass die Klägerin im Fall der Nichtabnahme des Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von pauschal 15 % des Kaufpreises hat; allerdings wird dem Käufer der Nachweis gestattet, dass der Klägerin als Verkäuferin überhaupt kein Schaden entstanden oder dieser niedriger als die Pauschale sei.

In der Folgezeit entstand bei dem Kläger der Eindruck, das bestellte Fahrzeug könnte mit einem Permanentspeicher ausgestattet sein, in dem fortlaufend Daten, insbesondere mit Informationen aus dem Navigationssystem verknüpfte Informationen über das Fahrzeug (Gas- und Bremsstellung, Licht, Scheibenwischer etc.), abgeleget werden, die der Fahrzeugnutzer nicht löschen kann.

Am 27.05.2014 verlangte der Beklagte die Übersendung einer Betriebsanleitung von der Klägerin und untersagte ihr die Weitergabe ihn betreffender Daten an Dritte. Außerdem verlangte der Beklagte, dass der Land Rover Discovery nicht „Ort, Zeit und Kilometerstand“ abspeichern dürfe, ein mit dem Fahrzeug verbundenes Mobiltelefon nur mit eingelegter SIM-Karte funktionieren und die Navigationsantenne keine Daten senden dürfe, benutzergenerierte Daten sich löschen lassen müssten und Dritte von außen keinen funktechnischen Zugang zum Fahrzeug haben dürften. Die Klägerin leitete diese Anfrage des Beklagten an den Fahrzeughersteller weiter, der dazu möglicherweise nicht Stellung nahm.

Am 10.07.2014 forderte die Klägerin den Beklagten zur Abnahme des bestellten Fahrzeugs auf. Dieser Aufforderung kam der Beklagte nicht nach, weshalb die späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin ihm schließlich eine Frist zur Abnahme des Fahrzeugs bis zum 07.08.2014 setzen.

Am 02.08.2014 erwiderte der Beklagte darauf, dass er das bestellte Fahrzeug nicht abnehmen müsse, weil er eine mit der Fahrzeugnutzung einhergehende Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung befürchte und keine Bereitsschaft bestehe, dieses Recht zu respektieren.

Die Klägerin ließ daraufhin unter dem 08.08.2014 ihren Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und forderte den Beklagten unter Hinweis auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf, Schadensersatz in Höhe von 9.067,50 € zu leisten. Auf diese Aufforderung entgegnete der Beklagte am 16.08.2014, dass der Kfz-Kaufvertrag nichtig sei, weil ihm die Klägerin arglistig verschwiegen habe, dass bei der Nutzung des bestellten Fahrzeugs sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht respektiert werde.

Das Landgericht (LG Paderborn, Urt. v. 03.02.2015 – 2 O 343/14) hat den Beklagten auf die im Anschluss daran erhobene Klage verurteilt, an die Klägerin 9.067,50 € nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, die Abnahme des bestellten Fahrzeugs zu verweigern. Denn nach den Feststellungen des Kfz-Sachverständigen Dr.-Ing. C – dem allerdings das von dem Beklagten bestellte Fahrzeug nicht zur Verfügung stand – weise der bestellte Land Rover keinen Permanentspeicher, wie ihn der Beklagte sich vorstelle, auf. Gespeichert würden lediglich – event-bezogen – Daten, die für eine Fehlersuche oder eine Unfallauswertung relevant seien, und diese würden nach Einschätzung des Sachverständigen nicht mit Daten aus dem Navigationsgerät verknüpft. Auch das Risiko einer Datenausspähung durch Dritte sei nach Feststellung des Sachverständigen nicht gegeben, weil das Navigationssystem weder über WLAN noch über Bluetooth verfüge. Schließlich sei eine Aushändigung der vom Kläger angeforderten Betriebsanleitung erst bei der Fahrzeugübergabe geschuldet gewesen.

Gegen dieses Urteil richtete sich die Berufung des Beklagten. Das Berufungsgericht hat den Beklagten darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, das Rechtsmittel nach § 522 II ZPO zurückzuweisen, weil es offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.

Aus den Gründen: II. … 1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin der in den Neuwagen-Verkaufsbedingungen vorgesehene Anspruch auf pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 15 % des Kaufpreises, im Streitfall also in Höhe von 9.067,50 €, zusteht.

a) Die Klägerin hat die Einbeziehung dieser Verkaufsbedingungen entgegen dem Berufungsangriff des Beklagten schlüssig dargetan, denn die im oberen Drittel der vorgelegten Vertragsurkunde enthaltene Formulierung „… bestellt nach Kenntnisnahme und unter Anerkennung der nachfolgenden Neuwagen-Verkaufsbedingungen“ wurde vom Beklagten am 13.03.2014 unterzeichnet. Die Einbeziehung der Verkaufsbedingungen ist erstinstanzlich zudem unstreitig geblieben …

Soweit der Beklagte die Einbeziehung der Verkaufsbedingungen mit der Berufungsbegründung erstmals bestreiten lässt, handelt es sich um ein neues Verteidigungsvorbringen, das einerseits gemäß § 531 II ZPO nicht zu berücksichtigen, andererseits aber gerade wegen der Unterschriftsleistung des Beklagten auch inhaltlich nicht nachzuvollziehen ist. Gegen die Einbeziehung der Verkaufsbedingungen spricht auch nicht deren Alter aus 03/2008, denn dies entsprach im Jahr 2014 dem aktuellen Stand der Empfehlungen des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V. (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. [2014], Rn. 372). Im Übrigen folgt auch aus der namentlichen Erwähnung des Beklagten in der Kopfzeile dieser Bedingungen, dass das zur Akte gereichte Exemplar der Verkaufsbedingungen zum Bestandteil der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien geworden ist.

b) Es bestehen keine Bedenken gegen die inhaltliche Wirksamkeit der in den Verkaufsbedingungen vorgesehenen Schadensersatzklausel. Die Pauschalierung des Anspruchs auf einen Anteil von 15 % des Kaufpreises ist als angemessen anzusehen (BGH, Urt. v. 27.09.1995 – VIII ZR 257/94, NJW 1995, 3380; Beschl. v. 27.06.2012 – VIII ZR 165/11, NJW 2012, 3230). Auch die Formulierung, dass der Käufer einen niedrigeren Schaden bzw. das Ausbleiben eines Schadenseintritts nachweisen kann, ist vor dem Hintergrund des § 309 Nr. 5b BGB rechtlich unbedenklich (BGH, Urt. v. 14.04.2010 – VIII ZR 123/09, NJW 2010, 2122).

c) Soweit der Beklagte in der Berufungsbegründung zur Höhe des Pauschalbetrages andeutet, die Inzahlungnahme seines Altfahrzeugs habe im Streitfall einen versteckten Rabatt beinhaltet, handelt es sich prozessual gesehen um neuen Vortrag, der gemäß § 531 II ZPO nicht zu berücksichtigen ist. Abgesehen davon ist dieser Vortrag aber auch unsubstanziiert, denn für den Senat ergeben sich keine greifbaren Anhaltspunkte, dass der Inzahlungnahmepreis für den Land Rover (Erstzulassung 2011) mit 17.450 € eine über dem Marktüblichen liegende Begünstigung des Beklagten darstellte, die von dem Kaufpreis für den Land Rover Discovery in Abzug gebracht werden müsste.

2. Der Beklagte hatte kein Recht, die Abnahme des Neufahrzeugs zu verweigern.

a) Ein solches Leistungsverweigerungsrecht ließ sich nicht aus dem Anschreiben des Beklagten vom 27.05.2014 herleiten.

Soweit der Beklagte darin die Übersendung einer Betriebsanleitung verlangte, bestand darauf vor Fahrzeugübergabe kein Rechtsanspruch. Auch der vom Beklagten ausgesprochenen Untersagung einer Datenweitergabe an Dritte kam keine rechtliche Relevanz zu, weil die Klägerin keinen Anlass für die Annahme gegeben hatte, sie werde persönliche Daten des Beklagten unbefugt an Dritte weitergeben. Soweit die Klägerin personenbezogene Daten des Beklagten für eigene Zwecke im Rahmen der Vertragsabwicklung, der Kundenbetreuung und -information verarbeiten wollte, hatte der Beklagte sich damit am 13.03.2014 durch seine Unterschriftsleistung einverstanden erklärt.

Soweit der Beklagte in seinem Schreiben anführte, der Land Rover Discovery dürfe nicht „Ort, Zeit und km-Stand“ abspeichern, das fahrzeugverbundene Handy dürfe nur mit eingelegter SIM-Card funktionieren, die Navigationsantenne dürfe keine Daten senden, benutzergenerierte Daten müssten zu löschen sein, und Dritte dürften von außen keinen funktechnischen Zugang zu dem Fahrzeug haben, handelte es sich rechtlich gesehen um Vorgaben, die die Beschaffenheit der Kaufsache betrafen. Es bestand aber keine Rechtspflicht der Klägerin, sich mehr als zwei Monate nach Unterzeichnung der verbindlichen Neuwagenbestellung auf diese Vorgaben des Beklagten einzulassen, zumal die Klägerin ohnehin nicht Herstellerin des Neufahrzeugs war und somit auf dessen Bauteile keinen Einfluss nehmen konnte.

3. Der Beklagte durfte die Abnahme des Land Rover Discovery auch nicht deshalb ablehnen, weil das Fahrzeug i. S. des § 434 I BGB als mangelhaft anzusehen gewesen wäre.

Das Landgericht konnte sich nach den Feststellungen des Sachverständigen mit Recht die Überzeugung bilden, dass das angebotene Fahrzeug keinen Mangel aufwies. Es bestehen keine Anhaltspunkte i. S. des § 529 I 1 ZPO, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht getroffenen Feststellungen gebieten.

a) Soweit in der Berufungsbegründung ausgeführt wird, der Kfz-Sachverständige Dr.-Ing. C sei wegen fehlender Sachkunde nicht in der Lage gewesen, die aufgeworfenen schwierigen EDV-technischen Fragen zu beantworten, bietet dies keinen Anlass, ein weiteres Gutachten durch einen anderen Sachverständigen erstellen zu lassen (§ 412 ZPO).

Der Sachverständige Dr.-Ing. C ist dem Senat seit Jahren bekannt; er konnte sich in unterschiedlichste technische Fragestellungen einarbeiten und diese überzeugend bearbeiten. Zu dem Tätigkeitsfeld eines Kfz-Sachverständigen gehört in den letzten Jahren auch zunehmend der Bereich der Fahrzeugelektronik, sodass dieses Sachgebiet für den Sachverständigen Dr.-Ing. C nicht fremd ist. Im Übrigen konnte der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Gutachtenerstattung vor dem Landgericht auch die Nachfragen des Beklagten beantworten. Selbst mit der Berufung werden keine inhaltlichen Fehler bei der Beantwortung der Beweisfragen aufgezeigt.

Der Beklagte verweist zwar auf eine – vermeintliche – inhaltliche Widersprüchlichkeit, weil der Sachverständige doch selbst … ausgeführt habe: „Der Permanentspeicher sitzt nicht direkt im Navi-Gerät, sondern im Fahrzeug selbst.“ Allerdings beruht dies offenbar auf einem Missverständnis der Sitzungsniederschrift, denn die zitierte Passage beinhaltet eine wörtliche Wiedergabe der Behauptungen des „Klägers“ (gemeint wohl: des Beklagten) bei der Anhörung. Diese Mutmaßungen wurden aber gerade durch die nachfolgenden Ausführungen des Sachverständigen widerlegt.

b) Soweit der Beklagte beanstandet, dass der Sachverständige das verkaufte Fahrzeug gar nicht untersucht, sondern seine Erörterungen auf ein bei eBay gekauftes Navigationsgerät beschränkt habe, greift dieser Einwand nicht durch.

Der Vortrag des Beklagten geht nicht dahin, dass einzig und allein der ihm angebotene Land Rover über Vorrichtungen zum Ausspähen und zur Permanentspeicherung seiner persönlichen Daten verfügt habe, sondern der Beklagte behauptet, diese Datenspeicherung hänge bauartbedingt damit zusammen, dass das Navigationsgerät Daten über die zeitliche und örtliche Befindlichkeit des Fahrzeugs empfange, die anschließend in bestimmten Bauteilen des Fahrzeugs für ihn unzugänglich abgelegt würden.

Vor diesem Hintergrund war das Vorgehen des Kfz-Sachverständigen Dr.-Ing. C durchaus sachgerecht, der Frage nachzugehen, welche Bauteile das Navigationsgerät aufweist, das in Fahrzeugen vom Typ Land Rover Discovery Verwendung findet. Der Sachverständige hat diese Bauteile bei seiner Anhörung im Einzelnen aufgeführt und ergänzt, dass im Navigationsgerät selbst allenfalls das Flashmodul (64 MB) als Speicher für eingehende Daten über den Fahrzeugstandort in Betracht komme. Eine Vorrichtung, nach der diese Daten an andere Bauteile des Fahrzeugs weitergeleitet würden, konnte der Sachverständige nicht feststellen. Der Sachverständige hielt eine solche Datenweiterleitung technisch auch nicht für plausibel, weil diese Daten zum Beispiel für eine Fehlerauswertung nicht relevant seien. Nach der Feststellung des Sachverständigen ist die vom Beklagten vermutete Permanentspeicherung allenfalls mittels CD möglich. Solche CD-Laufwerke seien aber weder in Steuergeräten noch in Navigationssystemen verbaut.

c) Im Übrigen ist der mit der Berufungsbegründung weiterverfolgte Ansatz des Beklagten, eine Datenspeicherung im Fahrzeug sei wegen eines Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung per se als Sachmangel anzusehen, ohnehin verfehlt. Denn der Beklagte sollte das Fahrzeug, in dem nach seiner Einschätzung Daten abgelegt werden, übereignet bekommen, sodass er darüber selbst verfügen konnte. Ähnlich verhält es sich bei der Anschaffung eines Computers oder eines Smartphones, bei denen ebenfalls Daten der Nutzer gespeichert werden, ohne dass dieser Umstand einen technischen Fehler dieser Geräte bedeutet.

Vor diesem Hintergrund verfängt auch der erstinstanzliche Verweis auf eine unzulässige Vorratsdatenspeicherung oder etwaige Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz nicht.

Allenfalls wenn eine nicht beeinflussbare Weiterleitung personenbezogener Daten von dem Fahrzeug an unbefugte Dritte zu befürchten stünde, wäre in Erwägung zu ziehen, ob dies eine Beschaffenheit ausmacht, die bei vergleichbaren Fahrzeugen nicht üblich ist und die ein Käufer nicht erwarten muss (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

Eine solche Negativabweichung ist aber nach den Feststellungen des Sachverständigen auszuschließen, weil es nicht zu einer Permanentspeicherung persönlicher Daten des Fahrzeugnutzers kommt und das Navigationsgerät auch keine Schnittstellen im Sinne von WLAN oder Bluetooth aufweist, die eine Datenabfrage von außen ermöglichen würden. Der Sachverständige hält vielmehr fest, dass in dem verkauften Land Rover elektronische Teile verbaut seien, die auch bei anderen Fahrzeugherstellern (Ford, Jaguar, Mazda, Volvo) verwendet würden. Daraus konnte das Landgerichts rechtsfehlerfrei die Schlussfolgerung ziehen, dass der dem Beklagten angebotene PKW dem technischen Stand der Automobilindustrie entsprach. …

Hinweis: Mit Beschluss vom 28.07.2015 hat das OLG Hamm die Berufung des Beklagten „aus den im Senatsbeschluss vom 02.07.2015 dargestellten Gründen“ zurückgewiesen.

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