1. Baut der Inhaber einer freien Kfz-Werkstatt in einen Audi TT Roadster 1.8 quattro einen für dieses Fahrzeug nicht geeigneten Turbolader ein, macht er sich zwar grundsätzlich schadensersatzpflichtig. Bei der Bemessung des Schadensersatzanspruchs kann indes nicht darauf abgestellt werden, welchen Kostenaufwand die Anschaffung und der Einbau eines originalen Audi-Turboladers verursachen, wenn der Werkstattinhaber lediglich zum Einbau eines geeigneten Turboladers verpflichtet war.
  2. Ein Geschädigter muss sich zwar eine Kürzung oder einen Ausschluss seines Schadensersatzanspruchs gefallen lassen, wenn er es schuldhaft unterlässt, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Das ist aber nicht der Fall, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug (hier: einen Audi TT Roadster 1.8 quattro) abmeldet und einen in Anschaffung und Nutzung günstigeren Pkw (hier: einen Fiat Punto) erwirbt. Auch darf der Geschädigte, bevor er sein Fahrzeug reparieren lässt, den Ausgang eines selbstständigen Beweisverfahrens abwarten, weil ihm andernfalls ein Beweisverlust droht.

OLG Koblenz, Urteil vom 17.03.2015 – 3 U 655/14

Sachverhalt: Der Kläger nimmt den Beklagten, der eine Kfz-Werkstatt betreibt, nach einer fehlgeschlagenen Motorreparatur auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger beauftragte den Beklagten im Oktober 2011 damit, einen Motorschaden an seinem Fahrzeug, einem Audi TT Roadster 1.8 quattro, instand zu setzen. Der Beklagte baute in das Fahrzeug einen generalüberholten Motor und einen Turbolader, den er bei der Streithelferin bezogen hatte, ein. Dafür stellte er dem Kläger am 14.10.2011 insgesamt 3.595,18 € in Rechnung, wobei auf den Turbolader 500 € netto entfielen.

In der Folgezeit rügte der Kläger Aussetzer des Motors und beanstandete, dass das Fahrzeug bei Volllast in den Notlauf schalte. Gegen Berechnung vorgenommene Reparaturmaßnahmen des Beklagten blieben erfolglos. Nachdem der Beklagte weitere Maßnahmen abgelehnt und dem Kläger geraten hatte, das Fahrzeug unverzüglich reparieren zu lassen, meldete der Kläger das Fahrzeug am 21.09.2012 ab und erwarb am selben Tag einen Fiat Punto.

Am 05.10.2012 leitete der Kläger ein selbstständiges Beweisverfahren ein. In diesem Verfahren erstattete der Sachverständige Dipl.-Ing. G unter dem 18.02.2013 ein Gutachten und, nachdem der Beklagte Einwendungen erhoben hatte, unter dem 08.05.2013 ein Ergänzungsgutachten. Den Antrag des Beklagten, weitere Ergänzungsfragen an den Sachverständigen zu stellen, wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 04.07.2013 zurück und führte aus, das selbstständige Beweisverfahren sei abgeschlossen.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 7.271,14 € nebst Zinsen sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Es hat ferner ferner festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger zum Ersatz weiterer materieller Schäden verpflichtet sei, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, nach den Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. G stehe fest, dass der Beklagte einen für das Fahrzeug des Kläger ungeeigneten und nicht mehr fabrikneuen Turbolader verbaut habe. Da der Ladedruck nicht ordnungsgemäß geregelt werden könne, gehe der Motor bei Überschreitung des maximalen Ladedrucks in einen vom Steuergerät generierten Notlauf über.

Die Berufung des Beklagten hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: II. … 1. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 631, 634 Nr. 4, 280 I BGB besteht lediglich in Höhe von 4.627,44 €.

a) Aufgrund des zwischen den Parteien im Oktober 2011 geschlossenen Werkvertrags war der Beklagte verpflichtet, das Fahrzeug des Klägers nach dem erlittenen Motorschaden zu reparieren und in einen fahrtüchtigen Zustand zu versetzen. Diesen nach dem Vertrag geschuldeten Erfolg hat der Beklagte nicht erbracht, sodass seine Werkleistung mangelhaft war. Der Senat ist aufgrund der Feststellungen der Sachverständigen in seinen Gutachten davon überzeugt, dass der Beklagte eine für den Fahrzeugtyp des Klägers nicht passenden Turbolader eingebaut und hierdurch die vom Kläger beschriebenen Mängel an dem Fahrzeug verursacht hat.

aa) Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte im Fahrzeug des Klägers einen Turbolader des falschen Typs oder einer falschen Leistung eingebaut habe. Der Turbolader weise eine deutlich höhere Leistung als ein Originalteil auf. Die originale Ladedruckregelung, die zwar selbst einwandfrei funktioniere, passe in der Abstimmung nicht zu dem vom Beklagten eingebauten Turbolader. Dadurch könne eine ordnungsgemäße Ladedruckregelung nicht erfolgen. Zum Erreichen eines bestimmten durch den Abgasturbolader erzeugten Ladedrucks sei eine Begrenzung der Leistungsabgabe erforderlich. Dies geschehe in der Regel dadurch, dass durch Betätigen einer Waste-Gate-Klappe (vgl. Grafik 6.1 des Gutachtens vom 18.02.2013, S. 6) ein Teil des Abgasstroms an der Turbine vorbei durch einen Bypass direkt in den Auspufftrakt geleitet werde. Dadurch werde die Drehzahl der Welle nicht mehr weiter durch den Abgasstrom erhöht und die Förderleistung begrenzt. Der Ladedruck werde über einen Sensor, den Ladedruckgeber, auch an das Motorsteuergerät übermittelt. Im Falle des Totalausfalls der Ladedruckregelung werde bei Überschreiten eines festgelegten Maximalladedrucks ein Fehler im Motorsteuergerät erzeugt und gleichzeitig die Motorleistung durch das Motorsteuergerät im Sinne eines Notlaufs gedrosselt. Bei einer Probefahrt sei festgestellt worden, dass bei Erreichen eines Ladedrucks von 1,2 bis 1,3 bar ein Fehler im Motorsteuergerät erzeugt werde und der Motor nur noch im Notlaufprogramm laufe. Eine ordnungsgemäße Regelung des Ladedrucks sei offensichtlich nicht erfolgt. Der Sachverständige schloss ein festsitzendes Gestänge der Waste-Gate-Klappe als Schadensursache aus. Bei Vollgasbeschleunigung habe sich trotz offener Waste-Gate-Klappe keine zu erwartende Leistungsbegrenzung ergeben. Der Sachverständige stellte nach Ausbau des Turboladers fest, dass am Gestänge der Waste-Gate-Klappe in der Vergangenheit unsachgemäße und unfachmännische Schweißarbeiten im Bereich der Klappenlagerung durchgeführt worden seien und die Waste-Gate-Klappe ein erhöhtes Spiel an der Befestigung der Klappe aufweise (Lichtbild 32, S. 36 des Gutachtens). Am Verdichter-Turbinenrad sei zu erkennen, dass handschriftlich eine Nummer aufgeschrieben worden sei. An der Sechskant-Befestigungsschraube der Turboladerwelle sei an einer Stelle ein Teil der Mutter nachträglich abgeschliffen worden. Befestigungsschrauben des Abgasrohres am Turbolader seien nicht ausreichend fest angezogen worden. Aufgrund der Probefahrt und der daraus gewonnenen Erkenntnisse sei davon auszugehen, dass der verbaute Turbolader eine deutlich höhere Leistung als ein Originalteil besitze. Angesichts der geringeren Kilometerleistung von 14.700 km seit Einbau müsse davon ausgegangen werden, dass der eingebaute Turbolader nicht fabrikneu gewesen sei. Es habe sich vielmehr um ein aufbereitetes Gebrauchsteil gehandelt. Der Einbau des Motors und des Turboladers sei nicht vollständig und fachmännisch erfolgt.

In seinem auf Einwände des Beklagten erstellten Ergänzungsgutachten vom 08.05.2013 hat der Sachverständige seine Ausführungen aus dem Ausgangsgutachten bestätigt und dargelegt, dass der Mangel der Werkleistung insbesondere darauf beruhe, dass der eingebaute Turbolader, ob fabrikneu oder nicht, als solcher ungeeignet für den Pkw des Kläger sei.

Der Senat folgt den von Sachkunde getragenen, nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, die im Rahmen richterlicher Überprüfung keine Mängel, Auslassungen oder Fehler erkennen lassen, und macht sich diese zu eigen.

bb) Die gegen die Gutachten vorgebrachten Einwendungen des Beklagten und seiner Streithelferin rechtfertigen keine andere Einschätzung. Insbesondere ist die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht veranlasst.

Soweit der Beklagte mit seiner Berufung ausführt, er habe dem Kläger erfolglos den Rat erteilt, das Fahrzeug in einer Fachwerkstatt auf die Funktionsfähigkeit der Motorelektronik überprüfen zu lassen, vermag ihn dieser Einwand nicht zu entlasten. Da der Beklagte mit der Instandsetzung beauftragt war und den Motor und den Turbolader eingebaut hat, war es seine Sache, zu prüfen und sicherzustellen, dass die Motorelektronik nach der Reparatur funktionierte. Zudem hat der Sachverständige das Magnetventil der Ladedruckregelung und die elektronische Steuerung bzw. Taktung des Magnetventils umfassend überprüft, ohne dass sich ein Anlass zur Beanstandung ergeben hat.

Der Senat hat auch keinerlei durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Manipulationen am Gestänge vorgenommen hat. Auch die von dem Beklagten angeführten möglichen Tuningversuche des Klägers sind nicht ansatzweise belegt und gehen über Vermutungen nicht hinaus.

Mit den weiteren Einwendungen gegen das Gutachten sind der Beklagte und die Streithelferin präkludiert, nachdem diese im Beweissicherungsverfahren trotz Hinweises auf eine mögliche Zurückweisung wegen Verspätung nicht vorgebracht worden sind (§§ 492 I, 411 IV 2, 296 I, IV, 531 II ZPO).

b) Der Anspruch des Klägers besteht lediglich in Höhe von 4.627,44 €, wobei sich der Senat bei der nachfolgenden Prüfung an der Reihenfolge der Aufstellung des Klägers orientiert.

aa) Das Landgericht hat für den Einbau eines neuen Turboladers einen Betrag von 1.847,10 € netto in Ansatz gebracht und ist insoweit dem Sachverständigen gefolgt (Gutachten vom 18.02.2013, S. 12, 15). Hiergegen wendet die Berufung zu Recht ein, dass die Parteien den Einbau eines Original-Audi-Turboladers nicht vereinbart haben. Bei der Werkstatt des Beklagten handelte es sich nicht um eine Audi-Vertragswerkstatt, sondern um eine freie Werkstatt. Maßgebend kann daher nur sein, dass der Beklagte verpflichtet war, einen Turbolader einzubauen, der für den Fahrzeugtyp des klägerischen Fahrzeugs geeignet war. Der Beklagte hat für den von ihm eingebauten Turbolader UK 04 einen Betrag von 500 € netto berechnet. Diesen Betrag legt der Senat auch für den Schadensersatzanspruch zugrunde. Der Kläger kann nur den Nettobetrag in Ansatz bringen; die Umsatzsteuer gemäß § 249 Satz 2 BGB kann er nur verlangen wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Hinzu kommen die von dem Sachverständigen ermittelten Einbaukosten in Höhe von 465 € netto.

bb) Der Kläger kann außerdem die folgenden, kausal auf die mangelhafte Reparatur zurückgehenden Schadenspositionen ersetzt verlangen, die auch die Berufung nicht beanstandet:

Instandsetzung der Motoraufhängung (Netttobetrag) 126,00 €
Kosten für einen vom Beklagten eingebauten Sensor (Nettobetrag) 120,00 €
Auslesen des Fehlerspeichers bei Firma S, Rechnung vom 11.05.2012 19,94 €
6 Fahrten von U. nach W. für Nachbesserungsversuche (360 km × 0,30 €) 108,00 €
2 Fahrten von U. zur Firma S in H. (120 km × 0,30 €) 36,00 €
1 Fahrt zum Ortstermin des Sachverständigen am 05.02.2013 (20 km × 0,30 €) 6,00 €
Kosten für die Anmietung eines Anhängers 60,00 €

cc) Eine Nutzugsentschädigung für den Audi TT für den erfolglosen Reparaturaufenthalt von 22 Tagen kann der Kläger lediglich in Höhe von 50 €/Tag und damit insgesamt in Höhe von 1.100 € beanspruchen. Das Fahrzeug ist nach der Tabelle Sanden/Danners/Küppersbusch zwar in Gruppe G mit einem Tagessatz von 59 € eingestuft. Allerdings weist es mit der Erstzulassung am 21.01.2000 und einer – offenbar nach einer zwischenzeitlichen Stilllegung – erneuten Zulassung am 19.12.2007 und einem Kilometerstand von mehr als 164.000 km bereits ein höheres Alter auf, sodass es dem Senat gerechtfertigt erscheint, das Fahrzeug um eine Gruppe und damit in Gruppe F mit einem Tagessatz von 50 € herabzustufen (§ 287 ZPO; s. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 28.10.2005 – 24 U 111/05; OLG München, Urt. v. 24.11.2006 – 10 U 4845/06; OLG Saarbrücken, Urt. v. 27.02.2007 – 4 U 470/06, alle zitiert nach juris).

dd) Der Kläger kann ferner den Minderwert der Nutzung des Fiat Punto anstelle des Audi TT für die Zeit vom 21.09.2012 bis zur Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens am 04.07.2013 und damit für 283 Tage in Höhe von 2.122,50 € beanspruchen. Abweichend von der Berechnung des Klägers und des Landgerichts ist für den Audi TT eine Nutzungsentschädigung von 50 € und für den Fiat Punto … eine Nutzungsentschädigung von 35 € zugrunde zu legen. Da der Fiat Punto bereits älter als fünf Jahre war, ist eine Herabstufung aus Gruppe D mit 38 € in Gruppe C mit 35 € vorzunehmen (§ 287 ZPO). Der danach bestehende Minderwert von 15 € ist um die ersparten Aufwendungen zu kürzen, die der Senat gemäß § 287 ZPO auf 7,50 € schätzt. Es errechnet sich damit ein Anspruch in Höhe von 2.122,50 € (7,50 € × 283 Tage).

Der Kläger war unter Schadensminderungsgesichtspunkten (§ 254 II 2 BGB) nicht gehalten, seinen Pkw Audi TT schon zu einem früheren Zeitpunkt reparieren zu lassen. Der Geschädigte muss sich eine Kürzung oder einen Ausschluss seines Schadensersatzanspruchs gefallen lassen, wenn er es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Ihn trifft eine Mitverantwortung, wenn er vorwerfbare Sorgfaltspflichten außer Acht gelassen hat, deren Erfüllung jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (BGH, Urt. v. 18.04.1997 – V ZR 28/96, BGHZ 135, 235 = ZIP 1997, 1196 = NJW 1997, 2234 = VersR 1998, 106; OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.04.2008 – I-1 U 212/07, NJW-RR 2008, 1711; vgl. auch OLG Oldenburg, Urt. v. 01.07.2014 – 1 U 132/14, juris). Vorliegend ist der Kläger seiner Schadensminderungspflicht nachgekommen, indem er sich einen Pkw Fiat Punto gekauft und seinen Pkw Audi TT abgemeldet hat. Insbesondere durfte er den Ausgang des selbstständigen Beweisverfahrens abwarten, bevor er eine weitere Reparatur seines Pkw veranlasste, weil ihm andernfalls ein Beweisverlust gedroht hätte.

Insgesamt ergibt sich ein vom Beklagten an den Kläger zu erstattender Betrag von 4.627,44 €.

c) Zinsen kann der Kläger aus §§ 286 I, 288 I BGB … lediglich aus einem Betrag von 1.591 € (Reparatur Turbolader 500 € + 465 €; Instandsetzung der Motoraufhängung 126 € netto; Nutzungsentschädigung 10 Tage × 50 € = 500 €) und erst seit dem 13.04.2013 beanspruchen …

d) Der Kläger kann … Erstattung der außergerichtlichen Kosten nur aus einem Gegenstandswert von 1.581 € und mithin nur in Höhe von 255,85 € verlangen …

2. Zu Recht hat das Landgericht dem Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO entsprochen. Der Kläger kann derzeit nur den Nettobetrag der anfallenden Reparaturkosten in Ansatz bringen und erst nach durchgeführter Reparatur gemäß § 249 Satz 2 BGB die auf die Nettobeträge anfallende Mehrwertsteuer beanspruchen.

III. … Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens … waren in vollem Umfang dem Beklagten aufzuerlegen. Seine Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass er mit der geschuldeten Mängelbeseitigung in Verzug war (OLG Hamm, Urt. v. 22.11.2007 – 22 U 110/07, juris).

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