Bei einem Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung sind für die Bemessung des mängel- oder beschädigungsbedingten Minderwertausgleichs weder der vom Leasinggeber vorab intern kalkulierte Restwert noch der nach Vertragsablauf erzielte Verwertungserlös von Bedeutung (im Anschluss an Senat, Urt. v. 14.11.2012 – VIII ZR 22/12, DB 2012, 2865 Rn. 24; Urt. v. 14.07.2004 – VIII ZR 367/03, NJW 2004, 2823; Aufgabe von Senat, Urt. v. 22.01.1986 – VIII ZR 318/84, BGHZ 97, 65 ff.).
BGH, Urteil vom 24.04.2013 – VIII ZR 265/12
Sachverhalt: Die Klägerin, eine Leasinggesellschaft, schloss im August 2007 mit der Beklagten einen Leasingvertrag über einen Pkw Audi Q7 mit Kilometerabrechnung und einer Laufzeit von 36 Monaten. Dem Vertrag lagen die Leasingbedingungen der Klägerin für Geschäftsfahrzeuge in der Fassung von Dezember 2005 (im Folgenden: AGB-LV) zugrunde. Dort heißt es in Abschnitt IV Nr. 1:
„Die Leasingraten, eine vereinbarte Sonderzahlung und eine Mehrkilometerbelastung nach Ziffer 3 sind Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs.“
Unter Abschnitt XVI ist im Hinblick auf die Rückgabe des Fahrzeugs unter anderem Folgendes bestimmt:
„2. Bei Rückgabe muss das Fahrzeug in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher sein. Normale Verschleißspuren gelten nicht als Schaden. Über den Zustand wird bei Rückgabe ein gemeinsames Protokoll angefertigt und von beiden Vertragspartnern oder ihren Bevollmächtigten unterzeichnet.
3. Bei Rückgabe des Fahrzeugs nach Ablauf der bei Vertragsabschluss vereinbarten Leasingzeit gilt folgende Regelung:
Entspricht das Fahrzeug bei Verträgen ohne Gebrauchtwagenabrechnung nicht dem Zustand gemäß Ziffer 2 Absatz 1, ist der Leasingnehmer zum Ersatz des entsprechenden Schadens verpflichtet. …“
Die Beklagte gab das Fahrzeug nach Ablauf der regulären Vertragslaufzeit im November 2010 zurück. Ein Übergabeprotokoll wurde nicht erstellt. Im März 2011 ließ die Klägerin das Fahrzeug durch einen Sachverständigen begutachten. Im Anschluss verkaufte sie das Fahrzeug – wie branchenüblich – zum kalkulierten Restwert an einen Vertragshändler.
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter Mängel und Schäden an dem Fahrzeug auf Ausgleich des Minderwerts nebst Zinsen in Anspruch. Den Minderwert beziffert sie unter Bezugnahme auf das Gutachten mit 4.600 € netto. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Ihre Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Aus den Gründen: [6] I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
[7] Der Klägerin stehe ein Minderwertausgleich weder als vertraglicher Erfüllungsanspruch noch als Schadensersatzforderung zu. Der Anspruch auf Ausgleich eines beschädigungsbedingten Minderwerts ziele nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darauf ab, die Differenz zwischen dem tatsächlichen Erlös aus der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs und dem Wert bei einer Rückgabe im vertragsgemäßen Zustand bis zu dem Betrag aufzufüllen, der zusammen mit den Leasingraten zur Amortisation des Gesamtaufwandes der Leasinggeberin beitrage. Der Minderwert sei nicht nur bei einem vorzeitig beendeten, sondern auch bei einem regulär abgelaufenen Leasingverhältnis durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Verkaufserlös und dem kalkulierten Restwert des Fahrzeugs bei vertragsgemäßer Rückgabe zu ermitteln.
[8] Einen solchen Anspruch habe die Klägerin nicht dargelegt. Denn sie habe keine Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Erlös aus der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs und dem anzusetzenden Fahrzeugwert bei Rückgabe in vertragsgemäßem Zustand vorgetragen. Stattdessen habe sie angegeben, das Fahrzeug, wie branchenüblich, an einen Händler zu dem auf der Basis eines vertragsgemäßen Erhaltungszustands kalkulierten Restwert weiterveräußert zu haben. Ein etwaiger beschädigungsbedingter Minderwert sei damit bei der Klägerin nicht verblieben. Hieran ändere auch eine etwaige Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Vertragshändler nichts, nach der sie verpflichtet sei, einen Minderwert von mehr als 2.000 € netto gerichtlich gegen den Leasingnehmer geltend zu machen und den titulierten Betrag an den Händler auszukehren. Denn eine solche Abrede lasse den Minderwert nicht in der Person der Klägerin „wiederaufleben“.
Aus denselben Gründen scheide auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus. Nach der Veräußerung des Fahrzeugs zum kalkulierten Restwert sei bei der Klägerin kein ersatzfähiger Schaden verblieben.
[9] II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Wertverlusts, der auf eine über normale Verschleißerscheinungen hinausgehende Verschlechterung des geleasten Fahrzeugs zurückzuführen ist, nicht verneint werden.
[10] 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen, dass die Parteien eine vertragliche Vereinbarung über einen als Erfüllungsanspruch ausgestalteten Anspruch auf Ausgleich eines etwaigen Minderwerts des Leasingfahrzeugs bei dessen Rückgabe in vertragswidrigem Zustand getroffen haben. Dieser Erfüllungsanspruch ergibt sich – was auch die Revisionserwiderung einräumt – aus der Regelung in Abschnitt XVI Nr. 3 AGB-LV. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils für eine identische Vertragsklausel entschieden hat, wird hierdurch ein Anspruch begründet, der aufgrund seiner leasingtypischen Amortisationsfunktion in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht als vertraglicher Erfüllungsanspruch zu charakterisieren ist (eingehend Senat, Urt. v. 14.11.2012 – VIII ZR 22/12, DB 2012, 2865 Rn. 19 ff.; vgl. auch Senat, Urt. v. 24.04.2013 – VIII ZR 336/12 [unter II 1, 2]). Dem steht nicht entgegen, dass der Leasinggeber nach dem Wortlaut der Klausel „zum Ersatz des entsprechenden Schadens“ verpflichtet wird. Denn die Begriffe „Minderwert“ und „Schaden“ werden hier synonym gebraucht; dies gilt ebenso für die Begriffe „Ausgleich“ und „Ersatz“ (Senat, Urt. v. 14.11.2012 – VIII ZR 22/12, DB 2012, 2865 Rn. 21 f.; Urt. v. 24.04.2013 – VIII ZR 336/12 [unter II 2 c]).
[11] 2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch den geltend gemachten Minderwertausgleich daran scheitern lassen, dass die Klägerin den kalkulierten Restwert des Fahrzeugs bei der anschließenden Veräußerung habe realisieren können und sie daher in vermögensrechtlicher Sicht genauso gestellt sei wie bei einer Rückgabe des Leasingfahrzeugs in vertragsgemäßem Zustand. Das Berufungsgericht hat hierbei den Inhalt des Minderwertausgleichs und die Eigenart eines Kfz-Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung nicht hinreichend erfasst.
[12] a) Die Parteien haben einen Kfz-Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung und einer festen Laufzeit von 36 Monaten geschlossen. Zwar zielt auch ein solches Geschäftsmodell insgesamt darauf ab, dass der Leasinggeber bei planmäßigem Vertragsablauf die volle Amortisation des zum Erwerb des Fahrzeugs eingesetzten Kapitals einschließlich des kalkulierten Gewinns erlangt. Der Anspruch des Leasinggebers auf Amortisation seines Anschaffungs- und Finanzierungsaufwands wird im Wege der „Mischkalkulation“ durch die vom Leasingnehmer geschuldeten Zahlungen und durch die Verwertung des Leasingfahrzeugs erreicht, für dessen ordnungsgemäßen Zustand der Leasingnehmer einzustehen hat (Senat, Urt. v. 01.03.2000 – VIII ZR 177/99, NJW-RR 2000, 1303 [unter II 2 b] m. w. Nachw.; Senat, Urt. v. 14.11.2012 – VIII ZR 22/12, DB 2012, 2865 Rn. 17 m. w. Nachw.; Urt. v. 24.04.2013 – VIII ZR 336/12 [unter II 3 b aa]).
[13] b) Bei einer solchen Vertragsgestaltung finden jedoch typischerweise kein Ausgleich und keine Abrechnung des vom Leasinggeber intern kalkulierten Restwerts statt (Senat, Urt. v. 14.07.2004 – VIII ZR 367/03, NJW 2004, 2823 [unter II 2 a bb]; Urt. v. 14.11.2012 – VIII ZR 22/12, DB 2012, 2865 Rn. 17, 24). Die mit einem Kfz-Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung bezweckte Vollamortisation des Aufwands des Leasinggebers baut folglich nicht auf einer Restwertabrechnung auf (Senat, Urt. v. 14.11.2012 – VIII ZR 22/12, DB 2012, 2865 Rn. 17, 24; Urt. v. 24.04.2013 – VIII ZR 336/12 [unter II 3 b bb]). Das Verwertungsrisiko und die Verwertungschance liegen vielmehr allein beim Leasinggeber (Senat, Urt. v. 14.07.2004 – VIII ZR 367/03, NJW 2004, 2823 [unter II 2 a bb] m. w. Nachw.; Urt. v. 24.04.2013 – VIII ZR 336/12 [unter II 3 b bb]). Dieser trägt bei Rückgabe des Fahrzeugs in vertragsgemäßem Zustand das Risiko, dass er bei dessen Veräußerung die volle Amortisation des zum Erwerb des Fahrzeugs eingesetzten Kapitals einschließlich des kalkulierten Gewinns erzielt (Senat, Urt. v. 14.07.2004 – VIII ZR 367/03, NJW 2004, 2823 [unter II 2 a bb] m. w. Nachw.; Urt. v. 24.04.2013 – VIII ZR 336/12 [unter II 3 b bb]). Andererseits ist er nicht verpflichtet, den Leasingnehmer an einem durch Veräußerung des Fahrzeugs nach Vertragsablauf erzielten Gewinn zu beteiligen (Senat, Urt. v. 24.04.1996 – VIII ZR 150/95, NJW 1996, 2033 [unter II 1 b cc]; Urt. v. 24.04.2013 – VIII ZR 336/12 [unter II 3 b bb]).
[15] c) Diese Grundsätze gelten auch für die Bemessung des Minderwertausgleichs bei Rückgabe des Fahrzeugs in vertragswidrigem Zustand. Ein solcher Anspruch ist auf Zahlung des Betrags gerichtet, um den der Wert des Leasingfahrzeugs bei Vertragsablauf wegen der vorhandenen Schäden oder Mängel hinter dem Wert zurückbleibt, den das Fahrzeug in vertragsgemäßem Zustand hätte (Senat, Urt. v. 24.04.2013 – VIII ZR 336/12 [unter II 3 b cc]; Urt. v. 14.11.2012 – VIII ZR 22/12, DB 2012, 2865 Rn. 18 f.; Urt. v. 01.03.2000 – VIII ZR 177/99, NJW-RR 2000, 1303 [unter II 2 a, b]). Da er in Anbetracht der von den Leasingparteien bezweckten Vollamortisation zusammen mit dem in vertragswidrigem Zustand zurückgegebenen Fahrzeug wirtschaftlich und rechtlich an die Stelle des ursprünglichen Anspruchs des Leasinggebers auf Rückgabe des Fahrzeugs in einem vertragsgerechten Erhaltungszustand tritt (vgl. Senat, Urt. v. 14.11.2012 – VIII ZR 22/12, DB 2012, 2865 Rn. 18, 20), ändert sich an der oben beschriebenen Verteilung des Verwertungsrisikos und der Verwertungschancen nichts (Senat, Urt. v. 24.04.2013 – VIII ZR 336/12 [unter II 3 b cc]). Daher sind für die Bemessung des mängel- oder beschädigungsbedingten Minderwertausgleichs weder der vom Leasinggeber vorab intern kalkulierte Restwert noch der nach Vertragsablauf erzielte Verwertungserlös von Bedeutung (Senat, Urt. v. 14.11.2012 – VIII ZR 22/12, DB 2012, 2865 Rn. 24; Senat, Urt. v. 24.04.2013 – VIII ZR 336/12 [unter II 3 b cc]; vgl. ferner Senat, Urt. v. 14.07.2004 – VIII ZR 367/03, NJW 2004, 2823, zum Fall einer konkreten Schadensberechnung bei vorzeitiger Beendigung eines Kfz-Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung).
[16] Soweit sich aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen Senatsurteil vom 22.01.1986 – VIII ZR 318/84, BGHZ 97, 65 ff. – etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat hieran nicht fest.
[17] 3. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hat die Klägerin den geltend gemachten Minderwertausgleich substanziiert dargelegt. Sie hat die von ihr beanstandeten Schäden und Mängel in der Klageschrift unter Bezugnahme auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten konkret beschrieben. Die Revisionserwiderung überspannt die Substanziierungsanforderungen, wenn sie eine Offenlegung verlangt, in welchem Umfang „die vertraglich geschuldete Vollamortisation nicht eingetreten ist“. Es genügt, wenn die Klägerin darlegt, in welchem Umfang und in welcher Hinsicht der Zustand des zurück gegebenen Fahrzeugs aus ihrer Sicht von dem Erhaltungszustand abweicht, der nach Ablauf der Vertragslaufzeit und der vertraglich vereinbarten Kilometerleistung zu erwarten gewesen wäre. Ob ihre Einschätzung zutrifft oder nicht, ist keine Frage der Substanziierung, sondern der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs.
[18] III. Nach alledem hat das angefochtene Urteil keinen Bestand; es ist aufzuheben (§ 562 I ZPO). Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, da das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen zu dem von der Klägerin behaupteten Wertverlust des Fahrzeugs getroffen hat. Sie ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 I 1 ZPO). Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob alle von der Klägerin geltend gemachten Positionen erstattungsfähig sind.