Der Käufer eines Gebrauchtwagens muss grundsätzlich auch einem Verkäufer ohne eigene Werkstatt Gelegenheit zur Beseitigung eines Mangels geben. Denn wie er die – trotz Fehlens einer Werkstatt mögliche – Mangelbeseitigung vornimmt, bleibt dem Verkäufer überlassen.

AG Schorndorf, Urteil vom 15.12.2011 – 6 C 710/11
(nachfolgend: LG Stuttgart, Beschluss vom 15.05.2012 – 3 S 7/12)

Sachverhalt: Der Kläger begehrt von dem Beklagten den Ersatz ihm entstandener Reparaturkosten.

Der Kläger erwarb von dem Beklagten einen gebrauchten VW Passat 2.0 TDI Variant mit Gebrauchtwagengarantie. Nach den dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist der Käufer, wenn das Fahrzeug aufgrund eines Sachmangels betriebsunfähig ist, berechtigt, sich mit Zustimmung des Verkäufers an den nächstgelegenen Kfz-Meisterbetrieb zu wenden, sofern sich der Ort des betriebsunfähigen Fahrzeugs mehr als 50 Kilometer vom Verkäufer entfernt befindet.

Am 29.04.2011 blieb das Fahrzeug liegen. Der Beklagte ließ den Wagen – ohne zuvor den Beklagten über die Panne informiert zu haben – abschleppen und lieh ein Ersatzfahrzeug. Nachdem er den Kostenvoranschlag für die beabsichtigte Reparatur seines Fahrzeugs erhalten hatte, rief der Kläger bei dem Beklagten an und sprach mit dessen Sohn. Der Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger ließ das Fahrzeug danach reparieren. Hierfür fielen laut Rechnung vom 03.05.2011 Kosten in Höhe von 728,80 € brutto an, die mit Anwaltsschreiben vom 11.05.2011 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht wurden. Für die anwaltliche Tätigkeit fielen Gebühren in Höhe von 60,33 € an.

Der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei liegen geblieben, weil die Spannrolle bzw. der Zahnriemen locker und damit defekt gewesen sei. In dem Telefonat mit dem Sohn des Beklagten habe dieser ihm zugesagt, die Hälfte der anfallenden Reparaturkosten für den defekten Zahnriemen, mithin 300–400 €, zu übernehmen.

Der Kläger ist der Ansicht, er sei nicht verpflichtet gewesen, dem Beklagten Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben, da er aus familiären und beruflichen Gründen dringend auf das Fahrzeug angewiesen gewesen sei. Dieses habe daher sofort habe repariert werden müssen. Außerdem sei er, der Kläger, aufgrund der Gebrauchtwagengarantie davon ausgegangen, er müsse das Fahrzeug zwingend in einer Fachwerkstatt reparieren lassen. Da der Beklagte über eine solche nicht verfüge, habe er ihn auch nicht zur Nacherfüllung auffordern müssen.

Die auf Zahlung von insgesamt 859,52 € nebst Zinsen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I und III, 281 BGB. Dabei kann offenbleiben, ob ein Mangel des Fahrzeugs bei Gefahrübergang tatsächlich vorlag. Denn der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung setzt – wenn nicht einer der gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestände eingreift – jedenfalls voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) bestimmt hat. Dies ist vorliegend unstreitig nicht geschehen.

Der Kläger kann sich diesbezüglich auch nicht auf Ziffer VI Nr. 2b der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen. Denn dass der Sohn des Beklagten als dessen Vertreter die entsprechende Zustimmung zur Reparatur in einer anderen Fachwerkstatt erteilt hat, steht zur Überzeugung des Gerichtes nicht fest. Zwar könnte die Erklärung des Sohns der Beklagten, die Hälfte der Reparaturkosten übernehmen zu wollen, möglicherweise dahingehend ausgelegt werden, dass Einverständnis mit der Reparatur in einer fremden Werkstatt bestand. Dies kann vorliegend aber dahingestellt bleiben, da der Beklagte diesen Vortrag des Klägers bestritten und der darlegungs- und beweisbelastete Kläger hierfür keinen Beweis angeboten hat. Insoweit ist er beweisfällig geblieben.

Die Nachfristsetzung war vorliegend auch nicht gemäß § 281 II Halbsatz 2 BGB entbehrlich. Dies ist nur dann der Fall, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.

Der Kläger hat nicht dargetan, dass oder aus welchen Gründen es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar war, dem Beklagten Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben. Er hat zwar behauptet, er sei auf das Fahrzeug beruflich wie persönlich angewiesen gewesen. Aus dem Vortrag des Klägers sowie der vorgelegten Reparaturrechnung und der Benachrichtigung der Firma F über die festgestellten Mängel ergibt sich jedoch, dass auch die Firma F das Fahrzeug nicht unmittelbar nach der Panne am 28.04.2011 reparieren konnte, der Kläger deshalb zunächst einen geliehenen Ersatzwagen in Anspruch nahm und den reparierten Wagen erst am 03.05.2011 wieder abholte. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, warum er nicht – statt den Schaden durch die Firma F beheben zu lassen – zunächst den Beklagten informieren und diesem hätte Gelegenheit geben können, den Mangel selbst zu beseitigen. Für einen Anruf beim Beklagten und die Einräumung der Gelegenheit zur Mangelbeseitigung war ebenso Zeit wie für die Benachrichtigung der Firma F.

Die Nacherfüllung durch den Beklagten war vorliegend auch nicht unmöglich i. S. von § 275 BGB. Zwar trägt der Kläger vor, der Beklagte verfüge über keine Reparaturwerkstatt. Dies führt aber nicht zur Unmöglichkeit der Nacherfüllung, da der Beklagte die Reparatur auch ohne Weiteres durch eine von ihm beauftragte Fachwerkstatt bzw. einen Automechaniker hätte durchführen lassen können. Denn dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass der Beklagte höchstpersönlich zur Nacherfüllung verpflichtet ist. Insoweit hilft dem Kläger auch nicht der Verweis auf die vermeintlichen und auch nicht belegten Voraussetzungen der Gebrauchtwagengarantie der Reparatur in einer Fachwerkstatt weiter.

Aus diesen Gründen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die begehrten Nebenforderungen …

Hinweis: Das LG Stuttgart hat den Kläger mit Beschluss vom 15.05.2012 – 3 S 7/12 – darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, seine Berufung gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen. Zur Begründung heißt es:

„I. Zutreffend stellt das Amtsgericht fest, dass der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten gemäß §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB hat, da er dem Beklagten jedenfalls keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB gesetzt hat.

1. Die Fristsetzung war nicht entbehrlich, weil sich der Kläger auf die Regelung VI Nr. 2b der in den Kaufvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen konnte. Rechtsfehlerfrei stellt das Amtsgericht fest, dass der Kläger im Hinblick auf die Zustimmung des Beklagten zur Reparatur im nächstgelegenen dienstbereiten Kfz-Meisterbetrieb beweisfällig geblieben ist.

Der erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2011 gehaltene Vortrag des Klägers wurde vom Beklagten bestritten. Einen Beweis hat der Kläger hierfür nicht angeboten. Angesichts der informatorischen Anhörung der Parteien konnte sich das Amtsgericht keine Überzeugung i. S. des § 286 I ZPO von der Richtigkeit des Klägervortrags bilden. Das Berufungsgericht ist gem. § 529 I Nr. 1 ZPO an die Feststellungen des Amtsgerichts gebunden. Anhaltspunkte, die an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen begründen, liegen nicht vor. Das Beweisangebot des Klägers in der Berufungsbegründung vom 21.02.2012 ist gem. § 531 II ZPO in der Berufungsinstanz nicht mehr zuzulassen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 21.12.2011 – sechs Tage nach der Urtellsverkündung – eine E-Mail des Klägers vorlegte, in der er sich mit dem angeblichen Angebot des Beklagten auseinandersetzt, die Hälfte der Reparaturkosten zu übernehmen.

2. Die Fristsetzung war nicht gemäß § 281 II Fall 2 BGB entbehrlich. Besondere Umstände, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen, lagen nicht vor.

a) Die Tatsache, dass der KIäger am Tag nach dem Unfall ein wichtiges Konzert zu spielen hatte, stellt keinen besonderen Umstand i. S. des § 281 II BGB dar, wonach die Interessenabwägung zugunsten des Klägers ausgehen müsste. Hiervon wäre nur auszugehen, wenn bei einem mit der Nachfristsetzung notwendigerweise verbundenen Zeitverlust ein wesentlich größerer Schaden drohte als bei einer vom Käufer sofort vorgenommenen Mängelbeseitigung (BGH, NJW 2005, 3211 ). Dem Kläger war hier ohne Weiteres zuzumuten, den Beklagten zur Nacherfüllung binnen einer Frist aufzufordern und sich für diese Zeit ein Ersatzfahrzeug zu mieten. Letzteres hat er schließlich auch getan.

b) Des Weiteren ist auch die Überzeugung des Klägers, er sei zum Erhalt seiner Gebrauchtwagengarantie gezwungen, das Fahrzeug in einer Vertragswerkstatt reparieren zu lassen, nicht geeignet, ihn von der Fristsetzung zur Nacherfüllung zu entbinden und ihm die Selbstvornahme zu gestatten. Der Gesetzgeber ordnet in §§ 437, 439, 440, 281 den Vorrang der Nacherfüllung an. Der Käufer soll erst Schadensersatz verlangen können, wenn die Frist zur Nacherfüllung erfolglos verstrichen ist. lnsofern schützt der Gesetzgeber die Belange des Verkäufers. Beseitigt der Käufer den Mangel selbst, ohne dass er Nacherfüllung verlangt, verliert er grundsätzlich seine Rechte gemäß § 437 BGB (Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl., § 437 Rn. 4a). Der Käufer nimmt damit nämlich in unzulässiger Weise dem Verkäufer das Recht zur zweiten Andienung (BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04, NJW 2005, 1348). Die Nacherfüllung wird für den Verkäufer unmöglich. Auch vorliegend wäre deshalb der Kläger verpflichtet gewesen – selbst wenn er der Meinung war, der Wagen müsse in einer Vertragswerksatt repariert werden –, dem Beklagten die Nacherfüllung zu ermöglichen.

c) Ob der Beklagte selbst eine Reparaturwerkstatt unterhält, ist für die Frage der Erforderlichkeit der Nachfristsetzung nicht relevant. Der Gesetzgeber verpflichtet den Käufer, dem Verkäufer im Wege der Nachfristsetzung eine zweite Andienungsmöglichkeit zu geben, d. h. im Fall des Gebrauchtwagenkaufs ihm gem. § 439 I BGB die Möglichkeit der Mangelbeseitigung zu eröffnen. ln welcher Weise der Käufer die Mangelbeseitigung vornimmt, bleibt diesem überlassen.

d) Der Vortrag des Klägers, das Fahrzeug sei vor dem Verkauf nicht ordnungsgemäß repariert worden, und der Beklagte hätte den Kläger hierauf hinweisen müssen, ist ebenfalls nicht geeignet, auf eine Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung zu schließen. Zum einen ist dieser Vortrag neu i. S. von § 531 II ZPO und in zweiter Instanz daher nicht zuzulassen. Zum anderen ist der Vortrag nicht geeignet, um ein arglistiges Verhalten des Beklagten anzunehmen …“

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