1. Auch bei einem Stückkauf ist eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung möglich, wenn das Leistungsinteresse des Käufers durch die ersatzweise Lieferung einer gleichartigen und gleichwertigen zufriedengestellt werden kann (im Anschluss an LG Ellwangen, Urt. v. 13.12.2002 – 3 O 219/02, NJW 2003, 517).
  2. Die Einrede, dass eine Nacherfüllung – hier: durch Ersatzlieferung – nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich sei und er sie deshalb verweigern dürfe (§ 439 III 1 BGB), muss der Verkäufer nicht unverzüglich erheben.
  3. Wann eine Nacherfüllung (hier: durch Ersatzlieferung) nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, sodass der Verkäufer sie verweigern darf, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei trägt der Verkäufer für sämtliche Tatsachen, die bei der nach § 439 III BGB anzustellenden Abwägung zu berücksichtigen sind, die Darlegungs- und Beweislast.
  4. Die Kosten für die Ersatzlieferung eines Neuwagens sind nicht identisch mit dem Listenpreis oder Beschaffungskosten für das ersatzweise zu liefernde Fahrzeug. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der Verkäufer das mangelhafte Fahrzeug zurückerhält, sich dessen Wert aber möglicherweise vermindert hat (Haltereintragung, Benutzung im Straßenverkehr).

LG Münster, Urteil vom 07.01.2004 – 2 O 603/02

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten mit Kaufvertrag vom 25.08.2002 einen Pkw Peugeot 307 SW zum Preis von 23.495 €. Das Fahrzeug wurde am 03.09.2002 auf den Kläger zugelassen. Bereits wenige Tage danach bemerkte der Kläger krachende Geräusche beim Auskuppeln, die nach Auskunft eines Mitarbeiters der Beklagten von der Kupplung stammten.

Mit Anwaltsschreiben vom 15.10.2002 ließ der Kläger die Beklagte deshalb auffordern, ihm bis zum 22.10.2002 einen mangelfreien Peugeot 307 SW zu übergeben und zu übereignen, und zwar Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs. Dieses Verlangen wies die Beklagte mit Schreiben vom 22.10.2002 zurück und bat den Kläger, einen Termin für eine Nachbesserung zu vereinbaren. Dies lehnte der Kläger ab.

Im November und Dezember 2002 brachte der Kläger das Fahrzeug mehrfach zu dem Peugeot-Vertragshändler M in S. Dem lag zum Beispiel zugrunde, dass der Pkw zeitweise nur auf drei statt auf vier Zylindern lief, der Katalysator defekt war und die Lambdasonde ausgewechselt werden musste.

Mit der Behauptung, der von ihm erworbene Pkw weise diverse, im Einzelnen aufgeführte Mängel auf, hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm ein – näher beschriebenes – mangelfreies Neufahrzeug Peugeot 307 SW zu liefern, und zwar Zug um& Zug gegen Rückgabe des von der Beklagten erhaltenen Fahrzeugs. Außerdem hat der Kläger beantragt, den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen.

Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht ein Anspruch auf eine Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs Peugeot 307 SW gemäß §§ 437 Nr 1, 439, 434 BGB zu.

Der dem Kläger von der Beklagten … übereignete Peugeot 307 SW weist mehrere Sachmängel i. S. des § 434 I 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BGB auf. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. X vom 05.09.2003 sowie dem mündlichen Ergänzungsgutachten vom 17.12.2003 weist das streitgegenständliche Fahrzeug folgende Mängel auf:

  1. Ein Mangel an der Motorsteuerung verursacht einen unrunden Leerlauf bei kaltem Motor.
  2. An der Auspuffanlage ist eine verspannte Einbaulage vorhanden.
  3. An der linken Seite stellen sich im Bereich der Fondtür und der sogenannten B-Säule beim Überfahren unebener Fahrbahndecken Knarrgeräusche ein.
  4. Die Stoffstruktur der Beifahrersitzlehne ist mangelhaft und weicht von der der übrigen Sitze ab.
  5. Der linke Außenspiegel ist nicht beheizt.
  6. Bei einer Geschwindigkeit von ca. 120–130 km/h zittert das Lenkrad.
  7. Beim Öffnen und Schließen des Panoramadachs löst sich die hintere Dichtung.
  8. Beim Zuschlagen der vorderen Türen gerät Blech an Blech, sodass inzwischen Lackschäden vorhanden sind.

Des Weiteren steht fest, dass die elektronische Anlage nach dem Anlassen des Motors beim ersten Anfahren ein ABS- und ESP-systembedingtes Geräusch erzeugt. Im ersten und zweiten Gang erzeugt das Fahrzeug Fahrgeräusche, welche auf Schwingungen an den Getriebebinnenteilen zurückzuführen sind. Hierbei ist laut der Aussage des Gutachters zum heutigen Zeitpunkt nicht abschließend feststellbar ist, ob auch darin ein Mangel liegt. Dass der Benzinverbrauch deutlich über den Herstellerangaben liegt, konnte der Kläger nicht beweisen, da er aus Kostengründen seinen hierzu erfolgten Beweisantritt zurückzog.

Der Kläger kann erwarten, dass bei einem Neuwagen solche Mängel nicht vorhanden sind. Aufgrund dieser zahlreichen Mängel steht ihm daher ein Recht auf Nacherfüllung gemäß § 439 I BGB zu. Im Rahmen dieses Rechts auf Nacherfüllung hat der Käufer grundsätzlich die freie Wahl zwischen Nachbesserung und Nachlieferung (vgl. z. B. Huber, NJW 2002, 1005; Reinking, in DAR 2002, 15 [18]). Der Kläger verlangte mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 15.10.2002 gegenüber der Beklagten die Nacherfüllung in Form der Lieferung eines mangelfreien Peugeot 307 SW mit identischer Ausstattung.

Dieser Wahlmöglichkeit stand vorliegend, selbst wenn es sich möglicherweise um einen Stückkauf handelte (für die Beibehaltung einer Unterscheidung zuwischen Gattungs- und Stückkauf auch nach neuem Recht: Huber, NJW 2002, 1005 [1006]), auch weder eine Unmöglichkeit gemäß § 275 I BGB noch eine Einrede gemäß § 439 III BGB entgegen.

Auch im Fall eines Stückkaufes wäre eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung möglich, wenn es sich um einen Gegenstand handeln würde, der einer vertretbaren Sache wirtschaftlich entsprechen und das Leistungsinteresse des Käufers zufriedenstellen würde (vgl. LG Ellwangen, Urt. v. 13.12.2002 – 3 O 219/02, NJW 2003, 517 m. w. Nachw.). Ein solcher Fall läge hier vor. Somit bedurfte es vorliegend keiner Klärung, ob es sich bei dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs um einen Stück- oder Gattungskauf handelte (bereits grundsätzlich gegen eine solche Unterscheidung im neuen Schuldrecht auch OLG Braunschweig, Beschl. v. 04.02.2003 – 8 W 83/02, NJW 2003, 1053 [1054]).

Für eine Unmöglichkeit nach § 275 I BGB liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.

Sein Wahlrecht hatte der Kläger auch nicht bereits durch die Vorstellung des Fahrzeugs bei der Beklagten verloren, zumal ohnehin vereinbart worden war, dass der Kläger der Beklagten das Fahrzeug zum Zwecke der Ausstellung einige Tage überlassen würde. Zu diesem Zeitpunkt ging der Kläger im Übrigen nur von einem und nicht von acht und mehr Mängeln aus.

Mit Schreiben vom 22.10.2002 lehnte die Beklagte die Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung ab und verwies den Kläger auf die Möglichkeit der Mangelbeseitigung.

Unabhängig von der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob eine Einrede gemäß § 439 III BGB unverzüglich erhoben werden muss, wofür es nach Dafürhalten des Gerichts keinen rechtlichen Ansatzpunkt gibt, berief sich die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 22.10.2002 konkludent auf die Einrede der Unverhältnismäßigkeit, sodass diese entgegen der Ansicht des Klägers im Zweifel auch unverzüglich erhoben wurde.

Die von der Beklagten erhobene Einrede der Unverhältnismäßigkeit der Ersatzlieferung gemäß § 439 III BGB greift … jedoch nicht durch. Die vom Kläger begehrte Nachlieferung ist weder im Verhältnis zum Wert des Fahrzeugs im mangelfreien Zustand noch im Verhältnis zu den Kosten einer Nachbesserung unverhältnismäßig.

Bei der Bestimmung der Unzumutbarkeit sind insbesondere der Wert der Sache im mangelfreien Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte (§ 439 III 2 BGB). Wann eine Unzumutbarkeit anzunehmen ist, ist somit vom Einzelfall abhängig. Das vom Gesetzgeber im Rahmen der amtlichen Begründung (BT-Drs. 14/6040, S. 232) gewählte „Waschmaschinenbeispiel“ kommt im vorliegenden Fall als Richtschnur kaum in Betracht. Ebenso wenig können die bisher in Rechtsprechung (z. B. LG Ellwangen, Urt. v. 13.12.2002 – 3 O 219/02, NJW 2003, 517 m. w. Nachw.) und Literatur (vgl. Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2120 [2122 f.]; Schubel, JZ 2001, 1113 [1116]) aufgestellten Wertgrenzen zur Frage der Unverhältnismäßigkeit – unabhängig von der Frage, ob diese überhaupt sinnvoll gezogen sind – nicht starr übernommen werden (so auch Reinking, DAR 2002, 15 [18]).

Allerdings hat die Beklagte zu der Frage der absoluten Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung zum einen nichts vorgetragen. Zum anderen dürfte eine solche auch nicht gegeben sein, da der Wert des streitgegenständlichen Pkw im mangelfreien Zustand nicht unter den Kosten einer Nachlieferung liegen dürfte. Dies wäre aber wohl die Mindestvorrausetzung für die Annahme der absoluten Unverhältnismäßigkeit.

Ebenso wenig steht die Unverhältnismäßigkeit der Kosten einer Ersatzlieferung gegenüber den Kosten der Nachbesserung in Form der Mangelbeseitigung fest.

Die Kosten für die Beseitigung der Mängel 2 bis 8 liegen nach Angabe des Sachverständigen bei 1.178,27 €. Dem Sachverständigen war es aus schlüssig dargelegten Gründen nicht möglich, die Kosten für die Behebung des unruhigen Motorlaufs zu beziffern. Er führte dazu glaubhaft aus, dass die Fehlerquelle durch die Beklagte allenfalls im Wege von Reparaturversuchen gefunden werden könnte. Die Kosten einer solchen Maßnahme lägen zwischenwenigen 100 € und 4.524,53 € an reinen Materialkosten zuzüglich Stundenlöhnen. Die weitere vom Sachverständigen erläuterte Maßnahme, der Anschluss des Pkw durch einen Spezialisten von Peugeot an einen Zentralrechner des Herstellers um weitere Computerdaten auszuwerten, führt nicht mit Sicherheit zu einem Auffinden des Fehlers und erst recht nicht zur Beseitigung des Mangels, sodass dem Kläger diese Alternative bereits nicht zugemutet werden kann.

Die Beklagte trägt als Verkäuferin für die Frage der Unverhältnismäßigkeit und die dieser Abwägung zugrunde liegenden Tatsachen die Beweislast (vgl. LG Ellwangen, Urt. v. 13.12.2002 – 3 O 219/02, NJW 2003, 517). Da nach dem Gutachten nicht feststeht, dass die Kosten der Reparatur unter 5.702,80 € liegen, ist somit bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Kosten diese Summe für eine Nacherfüllung in Form der Nachbesserung anzusetzen.

Zu den Kosten einer Nachlieferung hat sich die Beklagten auf den Neuwagenpreis für einen vergleichbaren Pkw in Höhe von 23.495 € bezogen. Dieser Wert stellt jedoch nicht die für eine Nachlieferung entstehenden Kosten dar, da die Beklagte das Fahrzeug des Klägers zurückerhalten würde. Die Kosten einer Nachlieferung berechnen sich aus den Beschaffungskosten für ein identisch ausgestattetes Neufahrzeug abzüglich des Wertes der Kaufsache in mangelfreiem Zustand unter Berücksichtigung eines möglichen Wertverlustes des streitgegenständlichen Pkw (z. B. durch Eintragung eines weiteres Halters sowie durch den zwischenzeitlichen Gebrauch; vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 04.02.2003 – 8 W 83/02, NJW 2003, 1053 [1054]; LG Ellwangen, Urt. v. 13.12.2002 – 3 O 219/02, NJW 2003, 517). Zu der Frage des Wertverlustes hat die Beklagte nichts vorgetragen. Somit ergibt sich, dass eine Unverhältnismäßigkeit durch die Beklagte nicht bewiesen werden konnte, da die Kosten für eine Ersatzlieferung nicht feststehen.

Allerdings hätte nach Ansicht des Gerichts selbst ein Wertverlust von 50 % im vorliegenden Fall nicht zur Annahme der Unverhältnismäßigkeit geführt. In diesem Fall hätten die Nachlieferungskosten die Nachbesserungskosten zwar um das doppelte übertroffen, gleichwohl hätte dies nicht dazu geführt, dass der Kläger auf die Möglichkeit der Nachbesserung beschränkt gewesen wäre. Das von der Beklagten ausgelieferte Fahrzeug weist derartig viele Mängel auf, dass man von einem sogenannten Zitronenauto sprechen kann. Neben den acht durch den Gutachter festgestellten Mängeln besteht weiterhin die Möglichkeit, dass die feststehenden Schwingungen im Getriebebereich sich zu einem Mangel auswachsen. Darüber hinaus traten im November/Dezember 2002 weitere Probleme auf, der Motor lief nur auf drei Zylindern, es lag eine Störung im Katalysator vor, eine Lambdasonde musste ausgewechselt werden. Bei dieser Vielzahl von zum Teil gravierenden Mängeln kann dem Kläger, dessen Vertrauen in die ordnungsgemäße Beschaffenheit des Pkw, wie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.12.2003 deutlich wurde, erschüttert ist, eine Nachbesserung nicht zugemutet werden. Hinzu kommt, dass dem Kläger zugemutet werden müsste, sich mit einem weiteren Autohändler bezüglich sämtlicher Mängelbeseitigungen in Verbindung zu setzen, da die Beklagte inzwischen kein Peugeot-Vertragshändler mehr ist, auf die Ersatzteile bei einer Reparatur durch die Beklagte mithin keinerlei Herstellergarantie gewährt würde.

Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet. Der Anspruch auf Nachlieferung steht dem Kläger nur Zug um Zug gegen die Herausgabe des streitgegenständlichen Pkw zu (vgl. Reinking, DAR 2002, 15 [19]). Somit stellt spätestens die auf Leistung Zug um Zug gerichtete Klageerhebung ein wörtliches Angebot des Klägers gemäß § 295 Satz 1 BGB dar. Dieses ist zur Begründung des Annahmeverzuges ausreichend, da der Beklagte es ablehnt, die berechtigte Forderung auf Ersatzlieferung zu erfüllen (vgl. BGH, NJW 1997, 582) …

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