Ein Agenturgeschäft, bei dem ein Verbraucher einen Gebrauchtwagen durch Vermittlung eines Händlers von einem anderen Verbraucher kauft, ist nicht generell als unzulässiges Umgehungsgeschäft i. S. von § 475 I 2 BGB zu qualifizieren. Vielmehr kann es für einen Kraftfahrzeughändler legitime Gründe geben, ein Gebrauchtfahrzeug nicht anzukaufen, sondern seinen Weiterverkauf nur zu vermitteln.

AG Hamburg-Altona, Urteil vom 04.09.2003 – 317 C 145/03

Sachverhalt: Der Kläger war Eigentümer und Halter eines 1991 erstzugelassenen Pkw. Im Dezember 2001 wollte er dieses Fahrzeug mithilfe des Gebrauchtwagenhändlers R, auf dessen Betriebsgelände der Wagen abgestellt wurde, verkaufen.

Im Januar 2002 interessierte sich der Beklagten für das Fahrzeug. Nach mindestens einer Probefahrt händigte R dem Beklagten am 31.01.2002 den Pkw nebst Schlüsseln und den Fahrzeugbrief, in dem der Kläger als Halter eingetragen war, aus. Bei dieser Gelegenheit zahlte der Beklagte an R einen Geldbetrag in Höhe von 700 € (so der Kläger) oder 1.000 € (so der Beklagte). Der Beklagten meldete das Fahrzeug auf sich um und händigte R anschließend den Fahrzeugbrief wieder aus.

Im Februar 2002 führten der Kläger und der Beklagte ein Telefonat, in dem es darum ging, dass der Beklagte noch einen Satz Sommerräder und Glühlampen erhalten sollte. Mit R sprach der Beklagte zwischenzeitlich noch über die Reparatur eines defekten Reifens.

Am 20.05.2002 brachte der Beklagte das Fahrzeug mit einem Motorschaden zu R zurück.

Der Kläger behauptet, er habe dem Beklagten das streitgegenständliche Fahrzeug durch Vermittlung des R für 2.500 € verkauft. R habe den Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er das Fahrzeug nicht im eigenen Namen, sondern für ihn, den Kläger, verkaufe. Den die Anzahlung übersteigenden (restlichen) Kaufpreis in Höhe von 1.800 € habe der Beklagte ab Februar 2002 in monatlichen Raten von jeweils 400 bis 500 € begleichen sollen. Ein schriftlicher Kaufvertrag habe im Februar 2002 aufgesetzt werden sollen; dazu sei es aber nicht gekommen, weil der Beklagte sich nicht mehr bei R gemeldet habe.

Der Beklagte hat beantragt, die auf Zahlung von 1.800 € nebst Zinsen gerichtete Klage abzuweisen. Er behauptet, das Fahrzeug habe einen Schaden an den Radlagern aufgewiesen, und er, der Beklagte habe sich mit R darauf geeinigt, dass dieser den Pkw noch instand setze. Nach der Reparatur habe man dann einen schriftlichen Kaufvertrag schließen wollen. Auf den nicht näher bekannten Restkaufpreis habe er, der Beklagte, 1.000 € angezahlt, und ihm sei der Pkw schon vor dem Abschluss des Kaufvertrags zur Nutzung überlassen worden. Umgemeldet worden sei das Fahrzeug nur aus versicherungstechnischen Gründen. Dass das Fahrzeug nicht Eigentum des R, sondern des Klägers (gewesen) sei, habe er, der Beklagte, erst bei der Rückgabe des Pkw im Mai 2002 erfahren. Bei dieser Gelegenheit habe er erklärt, dass er nun am Abschluss eines Kaufvertrags nicht mehr interessiert sei. R habe das Fahrzeug daraufhin ohne Weiteres zurückgenommen.

Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klage ist begründet. Der Beklagten ist gemäß § 433 II BGB in Verbindung mit einem mündlich durch Vermittlung des Zeugen R abgeschlossenen Kaufvertrag verpflichtet, den eingeklagten Restkaufpreis von 1.800 € an den Kläger zu zahlen.

Das Gericht ist nach der Aussage des Zeugen R in Verbindung mit weiteren Indizien zu dem Ergebnis gelangt, dass die Parteien tatsächlich einen mündlichen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw abgeschlossen haben, wonach der Beklagte einen Kaufpreis von 2.500 € zu zahlen hatte. Da der Beklagte seinerseits nicht beweisen konnte, dass er mehr als die zugestandenen 700 € auf den Kaufpreis gezahlt hat, muss der eingeklagte Betrag von 1.800 € als ausstehender Restbetrag zugrunde gelegt werden.

Der Zeuge R hat bekundet, dass er das Fahrzeug für den Kläger an den Beklagten verkauft habe. Die Schilderung des Verkaufs wird objektiv gestützt durch den Umstand, dass der Zeuge dem Beklagten das Fahrzeug überließ und dass sich der Beklagten als Halter des Fahrzeugs anmeldete.

Es mutet allerdings merkwürdig an, dass der Zeuge als Gebrauchtwagenhändler nicht sofort einen schriftlichen Kaufvertrag mit dem Beklagten abgeschlossen hat. Hierzu hat der Zeuge erklärt, der schriftliche Vertrag habe eigentlich nach der Ummeldung des Fahrzeugs, bei Rückgabe des Fahrzeugbriefs an den Zeugen, gefertigt werden sollen. Der Beklagte sei aber bei dieser Gelegenheit sehr in Eile gewesen, sodass das Schriftliche verschoben worden sei. Aus früheren Geschäften, bei denen ebenfalls Ratenzahlungen vereinbart worden seien, sei man bereits miteinander bekannt gewesen und er habe dem Beklagten vertraut.

Kann sich ein Gebrauchtwagenhändler so verhalten? Vielleicht nicht jeder, aber einer, der dem Interessenten, ohne dass dieser bezahlt hat, das Fahrzeug nebst Fahrzeugbrief aushändigt, sicherlich. Dies ist nur bei wirklich vorhandenem Vertrauen in die Verlässlichkeit des Gegenübers erklärlich.

Gegen den Verkauf spricht auch nicht, dass die Rückgabe des Fahrzeugbriefs nach der Ummeldung des Fahrzeugs vereinbart war. Dies ist bei vereinbarten Ratenzahlungen ein übliches Sicherungsmittel. Die Rückgabe des Fahrzeugbriefs ist damit gleichzeitig ein Indiz dafür, dass ein Restkaufpreis noch bezahlt werden sollte, wie es auch der Zeuge schilderte.

Demgegenüber ist die Schilderung des Beklagten in Anbetracht der objektiven Tatsachen wenig plausibel. Wenn ihm das Fahrzeug nur im Hinblick auf einen eventuellen späteren Erwerb überlassen worden wäre, dann hätte es nahegelegen, eine konkrete Nutzungsentschädigung für einen konkreten Zeitraum zu bestimmen und bereits einen Restkaufpreis zu vereinbaren. Beides ist nach der Schilderung des Beklagten nicht erfolgt. Auch erscheint es zweifelhaft, dass bei einer derartigen Überlassung bereits eine Ummeldung des Fahrzeugs vorgenommen wird, obwohl nicht einmal sicher ist, dass es überhaupt später erworben wird. Auch versicherungstechnische Vorteile dieser Handhabung erklären nicht, wieso das Fahrzeug auf unbestimmte Zeit genutzt werden sollte, um dann zu einem unbestimmten Restkaufpreis erworben zu werden. Die geleistete Anzahlung vereinfacht die entstehenden Probleme nicht, weil keine Seite gewusst hätte, wie lange der Beklagte dafür fahren durfte, falls er das Fahrzeug am Ende doch nicht abnähme.

Soweit der Beklagte behauptet, es sei vereinbart worden, dass der Zeuge R noch eine Reparatur an den Radlagern vornehme, wird dies ebenfalls durch die Aussage des Zeugen R widerlegt. Diese Aussage ist gegenüber der Darstellung des Beklagten vorzuziehen, weil keinerlei Bemühungen des Beklagten ersichtlich sind, einen Termin für die vereinbarte Reparatur zu vereinbaren. Als Nutzer des Fahrzeugs wäre das seine Sache gewesen.

Ferner ergibt sich aus der Aussage des Zeugen R in Verbindung mit weiteren Indizien, dass Vertragspartner des Beklagten nicht etwa der Zeuge R, sondern der Kläger ist. Dass der Beklagte wusste, dass das Fahrzeug nicht durch den Zeugen R veräußert werden sollte, ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass der Zeuge R nicht im Fahrzeugbrief eingetragen war. R konnte das Fahrzeug erworben haben, ohne es (schon) auf seinen Namen angemeldet zu haben. Es ist jedoch unstreitig, dass der Beklagte bereits im Februar mit dem Kläger telefoniert hat, um noch zum Fahrzeug gehörende Reifen und Glühbirnen zu bekommen. Wäre der Beklagten der Meinung gewesen, R sei der Verkäufer, wäre eine solche Kontaktaufnahme ziemlich ungewöhnlich. Insofern glaubt das Gericht auch insoweit dem Zeugen R, zumal der Zeuge R – im Unterschied zum Beklagten – plausibel auch die Preisverhandlungen geschildert hat. In diesen Verhandlungen ging es sowohl um die Höhe des Preises, 2.750 € (bzw. 5.000 DM) oder 2.500 € als auch um die Bereitschaft, Ratenzahlungen zu akzeptieren. Hinsichtlich beider Punkte waren nach der glaubhaften Darstellung des Zeugen Rücksprachen mit dem Kläger erforderlich, aus denen für den Beklagten ebenfalls deutlich wurde, dass R hier kein eigenes Fahrzeug verkaufen wollte.

Schließlich ergibt sich aus der Aussage des Zeugen R nicht, dass das Fahrzeug einvernehmlich, unter Aufhebung des bestehenden Vertrags, zurückgenommen wurde. Zwar sind die Details, wie diese Rückgabe vonstatten ging, ungeklärt. Dazu gehört auch die Frage einer Vertragsaufhebung, für die der Beklagte beweispflichtig ist. Diesen Beweis konnte er nicht erbringen. Schon nach seiner eigenen Darstellung hätte dafür auch kein Anlass bestanden, denn nach seiner Darstellung bestand kein Vertrag, den man hätte aufheben können.

Dass das Fahrzeug am 24.05.2002 stillgelegt wurde und dass der Kläger erst im Februar des Jahres 2003 Ansprüche bei dem Beklagten anmeldete, kann indizieren, dass seitens des Klägers bzw. des Zeugen R eine anderweitige Verwertung des Fahrzeugs versucht wurde, nachdem der Beklagte die Vertragserfüllung abgelehnt hatte. Daraus aber kann der Beklagte im Hinblick auf seine zuvor eingegangenen Verpflichtungen nichts herleiten.

Auf der Grundlage der vorstehenden Feststellungen schuldet der Beklagte den restlichen Kaufpreis. Soweit ein Schaden an den Radlagern vorgelegen haben sollte, kann der Beklagte daraus nichts herleiten, weil nicht ersichtlich ist, dass bezüglich dieses Mangels eine Reparatur verlangt wurde. Aus dem im Mai 2002 vorliegenden Motorschaden kann der Beklagte ebenfalls nichts herleiten. Es ist nichts dazu vorgetragen, dass dieser Schaden bzw. seine Ursache bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs vorhanden war. Zugunsten des Beklagten gilt auch nicht die Vermutung des § 476 BGB, weil der Beklagte das Fahrzeug eben nicht von einem Unternehmer, dem Zeugen R, sondern nur – durch Vermittlung eines Unternehmers – von dem Kläger erworben hat.

Dafür, dass diese Vermittlung im vorliegenden Fall als nach § 475 I 2 BGB unzulässige Umgehung des Gewährleistungsrechts zu werten ist, bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte. Für die vorliegende Gestaltung gibt es nämlich auch dann wirtschaftliche Gründe, wenn das Gewährleistungsrecht außer Betracht gelassen wird: Das Risiko, dass das Fahrzeug schwer oder gar nicht verkäuflich ist, bleibt beim ursprünglichen Eigentümer. Der Händler muss auch nicht Kapital durch den Ankauf des Fahrzeugs binden. Dafür werden andererseits seine Verdienstmöglichkeiten eingeschränkt sein, weil der Kaufpreis abzüglich einer zu erwartenden Provision dem ursprünglichen Eigentümer zufließt. Ein solches Geschäft hat seine eigene wirtschaftliche Berechtigung gegenüber dem schlichten Zwischenhandel (billig einkaufen, teuer verkaufen) und kann daher nicht als bloße Umgehung angesehen werden. Eine Umgehung beruht regelmäßig darauf, dass zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Erfolgs eine an sich dafür nicht geschaffene rechtliche Form zweckentfremdet wird, das wirtschaftlicher Inhalt und der zur Verwirklichung gewählte Weg nicht übereinstimmen. Eine derartige Feststellung lässt sich hier nicht treffen.

Die Zinsentscheidung beruht auf den § 286 I 1, § 288 I BGB. Der Beklagte schuldet Zinsen jedoch erst ab dem 21.2.2003, weil der Betrag erst zu diesem Datum angemahnt wurde. Eine exakte kalendermäßige Bestimmung der Fälligkeit der einzelnen Raten bzw. der Schlusszahlung ist nicht getroffen bzw. bewiesen worden. …

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