1. Ein Pkw ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil es sich um ein Importfahrzeug handelt. Denn auf die Beschaffenheit des Fahrzeugs wirkt es sich nicht unmittelbar aus, ob die erste Auslieferung innerhalb des nationalen Händlernetzes oder über das Ausland erfolgt ist. Ein Sachmangel liegt aber vor, wenn die Ausstattung des Fahrzeugs hinter der in Deutschland üblichen Serienausstattung zurückbleibt.
  2. Klärt der Verkäufer den Käufer nicht darüber auf, dass das – nicht für den deutschen Markt bestimme – Fahrzeug ein Einzelimport ist, verletzt er seine Pflichten bei Vertragsschluss. Geschieht dies schuldhaft, also zumindest fahrlässig, so ist der Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt.

OLG Hamm, Urteil vom 13.05.2003 – 28 U 150/02

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten einen gebrauchten Renault Espace zum Preis von 7.700 €. Das Fahrzeug – ein Einzelimport aus Italien, der nicht für den deutschen Markt produziert wurde – wurde in Deutschland erstmals am 18.07.1995 zugelassen und wies beim Verkauf eine Laufleistung von rund 197.000 km auf.

Bei Übergabe des Fahrzeugs am 05.04.2002 stellte der Kläger durch Einsichtnahme in den Kfz-Brief fest, dass das Fahrzeug aus Italien nach Deutschland eingeführt worden war. Darüber hatte die Beklagte den Kläger bei Abschluss des Kaufvertrags nicht informiert. Der Kläger erklärte deshalb unter dem 10.04.2002 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Das LG Dortmund hat der auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Klage stattgegeben. Es hat in der Eigenschaft des Fahrzeugs als Importfahrzeug wegen der damit verbundenen Nachteile und des Marktwerts einen Sachmangel gesehen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: B. … I. Der Kläger kann von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen Verschuldens beim Vertragsschluss gemäß §§ 280 I, 211 II Nr. 1 BGB i. V. mit § 241 II BGB verlangen, weil sie ihm verschwiegen hat, dass es sich bei dem Renault Espace um einen Einzelimport aus Italien handelt und dies in dem Fahrzeugbrief dokumentiert ist.

1. Die Rückabwicklung des zwischen den Parteien geschlossenen Verbrauchsgüterkaufvertrags i. S. von § 474 I 1 BGB erfolgt vorliegend nicht über das Gewährleistungsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 433, 323 BGB, § 326 V BGB, § 346 I BGB. Die Anwendung dieser Vorschriften würde das Vorliegen eines Sachmangels i. S. von § 434 BGB erfordern. Dazu fehlt allerdings schlüssiger Sachvortrag des Klägers.

a) Ein Sachmangel i. S. des § 434 BGB setzt voraus, dass es sich bei dem Umstand des Imports des Pkw aus Italien um eine Beschaffenheit handelt. Die Beschaffenheit ist mit dem tatsächlichen Zustand der Sache gleichzusetzen. Unter die Beschaffenheit fällt jede Eigenschaft und jeder der Sache anhaftende tatsächliche wirtschaftliche oder rechtliche Umstand (Palandt/Putzo, BGB, Ergänzungsband zur 61. Aufl., § 434 Rn. 10 ff., 14). Die Eigenschaft/der Umstand muss in der Beschaffenheit der Kaufsache wurzeln und ihr unmittelbar (physisch) auf eine gewisse Dauer anhaften (vgl. Palandt/Putzo, a. a. O., § 434 Rn. 11; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rn. 179; Reinking, DAR 2002, 15 [16]; st. Rspr. des BGH zum vor dem 01.01.2002 geltenden Recht, z. B. NJW 1992, 2564 m. w. Nachw.). Zwar hat der Gesetzgeber den Begriff der Beschaffenheit nicht definiert und offengelassen, ob die vorgenannte Unmittelbarkeitsbeziehung gegeben sein muss (vgl. BT-Dr. 14/6040, S. 213; Palandt/Putzo, a. a. O., § 434 Rn. 9; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1062, 1217; Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, 2002, Rn. 711; Häublein, NJW 2003, 388 [389]). Da allerdings die Neuregelung des Sachmangelbegriffs den nach alter Rechtslage geltenden Fehlerbegriff nicht verändern wollte, und die Neuregelung dem subjektiv objektiven Fehlerbegriff folgt, ist auch weiterhin der Beschaffenheitsbegriff restriktiv im vorgenannten Sinne aufzufassen (ebenso Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1062, 1217; Palandt/Putzo, a. a. O., § 434 Rn. 9).

b) Auf die Beschaffenheit der Kaufsache wirkt es sich in dem oben gesagten Sinne nicht unmittelbar aus, ob die erste Auslieferung innerhalb des nationalen Händlernetzes oder über das Ausland erfolgt ist. Der Umstand des Imports des Pkw ist daher allein keine ihm anhaftende Beschaffenheit, also kein Sachmangel i. S. von § 434 BGB (ebenso Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1767).

Auch die vom Kläger behauptete, mit dem Import zusammenhängende Nichterfassung des Fahrzeugs bei Rückrufaktionen, Wertminderung wegen einer Offenbarungspflicht bei Weiterveräußerung und Verweigerung der Reparaturen durch Vertragswerkstätten begründet keinen Sachmangel. Diese Umstände werden gerade daraus hergeleitet, dass es sich um ein Importfahrzeug handelt. Da aber diese Tatsache gerade keine Beschaffenheit der Kaufsache ist, gilt dies ebenfalls für die von dem Kläger behaupteten Konsequenzen.

Ein Unterschied des Renault Espace gegenüber Fahrzeugen mit der in Deutschland üblichen Serienausstattung wäre demgegenüber zwar eine unmittelbare Beschaffenheit, sodass eine Abweichung einen Sachmangel i. S. von § 434 BGB begründen könnte. Allerdings fehlt zu einer derartigen Abweichung schlüssiger Sachvortrag des Klägers. Er hat keinerlei Ausstattungsmerkmale genannt, die von denen der in oder für Deutschland hergestellten Fahrzeugen abweichen und eine Minder-/Magerausstattung darstellen (vgl. dazu Reinking/Eggert, a. a. O. Rn. 447, 449, 1694). Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der von dem Kläger erworbene Renault Espace in seiner Ausstattung von den nach der Straßenverkehrszulassungsordnung in der BRD erforderlichen Standards abweicht (s. dazu Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 447 a.E.). Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig und aus dem Fahrzeugbrief ersichtlich, dass er die Betriebserlaubnis für Deutschland 1995 erhalten hat und seitdem hier für unterschiedliche Halter zugelassen worden ist.

2. Da es nach vorstehenden Ausführungen hier nicht um Merkmale des Fahrzeugs geht, die einer Beschaffenheitsvereinbarung zugänglich sind, kann sich der Anspruch nur aus Verschulden der Beklagten beim Vertragsschluss gemäß §§ 280 I, 311 II Nr. 1 BGB i. V. mit § 241 II BGB ergeben (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1766, 1771; Palandt/Heinrichs, BGB, Ergänzungsband zur 61. Aufl., § 311 Rn. 17; Palandt/Putzo, a. a. O., § 437 Rn. 51; Häublein, NJW 2003, 388 [389]).

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen vor, sodass der Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt war.

a) Die Beklagte hat schuldhaft, zumindest fahrlässig, ihre Pflichten beim Abschluss des Kaufvertrags über den Renault Espace verletzt.

Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, den Kläger darüber aufzuklären, dass es sich bei dem Renault Espace um einen Einzelimport aus Italien handelt und dieser Einzelimport im Fahrzeugbrief vermerkt ist. Insoweit hat der … Sachverständige Dipl.-Ing. V ausgeführt, dass dieser Umstand bei einer Weiterveräußerung des Fahrzeugs zu einem deutlich niedrigeren Marktpreis führt. Der Sachverständige hat insoweit zu den Marktgegebenheiten für das Jahr 2002, dem Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger, überzeugend ausgeführt, dass ein potenzieller Erwerber wegen der in dem Fahrzeugbrief dokumentierten Importeigenschaft misstrauisch gegen das Fahrzeug gewesen wäre. Dieses Misstrauen beruht noch aus früherer Zeit und galt bis zum Jahr 2002 fort. Erst danach habe sich nach und nach das Marktverhalten im Hinblick auf Importfahrzeuge geändert. Das psychologisch bedingte Mißtrauen gegen das Importfahrzeug schlägt sich in seinem Marktwert nieder. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … bedingte der im Fahrzeugbrief manifestierte Umstand des Imports des Renault Espace aus Italien – auch unter Berücksichtigung seines Alters – einen fortdauernden niedrigeren Marktpreis von 10 % des vom Kläger bezahlten Kaufpreises, der nach den Ausführungen des Sachverständigen marktgerecht gewesen ist. Der Sachverständige hat weiterhin überzeugend ausgeführt, dass für diesen erheblich niedrigeren Marktpreis unerheblich ist, ob das Fahrzeug vor seinem Import in Italien bereits benutzt worden ist.

Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob diese Einschätzung der Marktgegebenheiten auch noch für das Jahr 2003 und in Zukunft gilt. Maßgeblich für die Feststellung der Pflichtverletzung sind insoweit die Marktgegebenheiten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also das Jahr 2002.

b) Damit steht fest, dass die Beklagte beim Kaufabschluss dem Kläger einen preisbildenden Faktor verschwiegen hat, der den Marktwert des Kraftfahrzeugs mehr als unerheblich beeinträchtigt. Dass der Beklagten bzw. ihrem Abschlussvertreter nicht bewusst gewesen wäre, dass der vom Kläger erworbene Renault Espace ein Einzelimport aus Italien gewesen ist, macht die Beklagte nicht geltend. Dies ist im Übrigen aus dem Fahrzeugbrief ersichtlich. Als branchenerfahrene Händlerin – wenn auch nicht Renault-Vertragshändlerin – wusste sie, dass solche Importfahrzeuge einen deutlich niedrigeren Marktpreis haben. Angesichts dessen durfte der Kläger nach Treu und Glauben einen Hinweis auf den Import des Fahrzeugs und die Eintragung im Kraftfahrzeugbrief von der Beklagten erwarten. Umstände, die diesen gebotenen Hinweis überflüssig gemacht hätten, sind weder dargetan noch ersichtlich.

Das schuldhafte Unterlassen dieses Hinweises ist für den Kaufabschluss zumindest mitursächlich geworden. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass das Verschweigen eines wertmindernden Umstands den Kaufentschluss zumindest mitbeeinflusst (BGH, NJW 1995, 2361 [2362]; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1999, 1063 [1064]).

4. Aufgrund der schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten konnte der Kläger vom Kaufvertrag zurücktreten und dessen Rückabwicklung verlangen (vgl. dazu nur Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1772). Es ist der Kaufpreis in Höhe von 7.700 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Renault Espace zurückzugewähren.

Zwar hätte der Kläger im Rahmen der Rückabwicklung auch gezogene Nutzungen gemäß §§ 346 I, 281 V BGB herauszugeben (vgl. dazu Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1398 f.). Allerdings steht aufgrund der Anhörung des Klägers im Termin vor dem Senat fest, dass er das Fahrzeug niemals zugelassen hat und es seit dem Erwerb im März 2002 in seiner Garage steht. Diese Angaben werden bestätigt durch die Feststellungen des Sachverständigen V, der bekundet hat, der Pkw weise einen Kilometerstand von 196.771 auf. Dieser liegt damit jedenfalls nicht höher als der Kilometerstand beim Ankauf des Fahrzeugs. Der Kläger hat somit keine Nutzungen gezogen, die herauszugeben wären und seinen Rückzahlungsanspruch herabsetzen würden …

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