Ein Kfz-Händler, der einen erheblich unfallgeschädigten Gebrauchtwagen mit zumindest bedingtem Täuschungsvorsatz als „fahrbereit“ bezeichnet, kann sich vom Vorwurf der Arglist nicht ohne Weiteres durch den Hinweis entlasten, dass das Fahrzeug über eine TÜV-Plakette verfügt habe.

OLG Koblenz, Urteil vom 18.05.2000 – 5 U 1928/98

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von dem beklagten Gebrauchtwagenhändler im Oktober 1997 einen gebrauchten VW Polo.

Dieses Fahrzeug hatte 1994 auf der linken Seite einen Unfallschaden erlitten und war 1995 erstmals in den Besitz des Beklagten gelangt, der es beschädigt weiterverkaufte. Der Erwerber ließ den VW Polo reparieren und gab ihn später bei dem Beklagten in Zahlung. Dieser verkaufte das Fahrzeug sodann im Januar 1996 an S, musste es aber 1997 zurücknehmen, nachdem S ihn gerichtlich auf Rückabwicklung des Kaufvertrages in Anspruch genommen hatte. In dem Rechtsstreit hatte S dem Beklagten vorgeworfen, ihn unzureichend über den Unfallschaden, den das Fahrzeug 1994 erlitten hatte, aufgeklärt zu haben, und dazu auf ein im Januar 1995 erstelltes Sachverständigengutachten verwiesen. Darin ist unter anderem von Deformierungen der linken Fahrzeugseite und von einer Verschiebung des Frontbereichs nach rechts die Rede.

Die vom Kläger unterzeichnete Kaufvertragsurkunde weist einen Kaufpreis von 12.850 DM aus und sieht vor, dass eine Haftung des Beklagten für Fahrzeugmängel ausgeschlossen ist. Handschriftlich ist hinter „Unfallschäden lt. Vorbesitzer“ vermerkt:

„Frontschaden mit rahmentragenden Teilen, Mängelrüge ausgeschlossen, da preisreduziert (Totalschaden)“.

Dass dem Verkäufer auf andere Weise Unfallschschäden bekannt seien, wurde durch Ankreuzen der Möglichkeit „Nein“ verneint; die vorgedruckte Frage, ob das Fahrzeug fahrbereit sei, wurde bejaht.

Der Kläger, der den größten Teil des Kaufpreises durch ein Bankdarlehen finanziert und 2.000 DM durch Hingabe eines Altfahrzeugs getilgt hat, legte mit dem VW Polo mehr als 13.000 km zurück. Nachdem er bereits im März 1998 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt hatte, ließ er das Fahrzeug Im Juni 1998 durch den Zeugen O begutachten. Dieser schrieb, dass der Wagen „völlig unzureichend“ instand gesetzt worden sei und im Bereich des Bodens und des linksseitigen Rahmens Deformierungen aufweise. Die weiterhin vorhandenen Schäden seien so gravierend, dass das Auto als „absolut verkehrsunsicher“ bezeichnet werden müsse.

Vor diesem Hintergrund begehrte der Kläger die Feststellung, dass der im Oktober 1997 geschlossene Kaufvertrag nichtig ist.

Er hat behauptet, der Beklagte habe bei den Vertragsverhandlungen die Frage nach Unfallschäden lediglich mit dem Hinweis auf „einen kleinen Schaden rechts vorne“ beantwortet. Die Angaben zum Vorschaden in der – bei dem Beklagten verbliebenen – Kaufvertragsurkunde habe der Beklagte erst nachträglich eingefügt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat keine gesicherte Grundlage dafür gesehen, dass der Beklagte den Kläger durch mündliche Erklärungen irregeleitet oder die im Kaufvertrag enthaltenen Angaben zu den Unfallschäden erst im Nachhinein in die Vertragsurkunde eingefügt habe. Darüber hinaus hat das Landgerichte eine Nichtigkeit des Kaufvertrags wegen Wuchers verneint.

Mit seiner Berufung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, der Beklagte habe ihm die Fahrbereitschaft des VW Polo bewusst wahrheitswidrig zugesichert. Unzutreffend sei auch die Erklärung des Beklagten, er habe von Unfallschäden des Fahrzeugs lediglich durch dessen Vorbesitzer Kenntnis erlangt. Das – nicht zuletzt durch das Sachverständigengutachten vermittelte – Wissen des Beklagten um die gravierende Vorschädigung des Wagens habe eine eingehende Untersuchung vor Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages erforderlich gemacht. Habe eine solche Untersuchung stattgefunden, sei dem Beklagten die Verkehrsuntauglichkeit des VW Polo bewusst gewesen. Sei die gebotene Untersuchung dagegen unterblieben, habe der Beklagte die Unrichtigkeit seiner Erklärung zur Fahrbereitschaft jedenfalls billigend in Kauf genommen.

Auf der Grundlage dieses Vortrags ist ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil ergangen. Der dagegen gerichtete Einspruch des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Berufung des Klägers führt unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils zur Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages und damit zum Zuspruch der Klage.

Deren Zulässigkeit (§ 256 I ZPO) hat das Landgericht zutreffend unter Hinweis auf § 9 III 1 VerbrKrG bejaht; der Kläger hat im Hinblick auf seine Haftung gegenüber der kaufpreisfinanzierenden Bank ein Interesse an der Klärung seines Rechtsverhältnisses mit dem Beklagten.

Der Kaufvertrag der Parteien vom Oktober 1997 hat keinen Bestand.

1. Das ergibt sich freilich – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht bereits aus § 138 BGB. Sein Vorbringen, er sei in sittenwidriger Weise übervorteilt worden, weil das erworbene Fahrzeug nur einen Bruchteil des von dem Beklagten verlangten Entgelts wert gewesen sei, ist grundsätzlich allein unter dem Gesichtspunkt von Mängelgewährleistungsansprüchen und der Vertragsanfechtbarkeit von Belang. Denn der Klagevorwurf zielt nicht dahin, dass die beiderseitigen vertraglichen Verpflichtungen in erheblichem Maße ungleichgewichtig gewesen seien, sondern dass der Beklagte nicht das geleistet habe, was versprochen war.

2. Indessen ist der Kaufvertrag hinfällig, weil er von dem Kläger wirksam angefochten worden ist (§ 142 I BGB).

Anfechtungsgrund ist eine arglistige Täuschung durch den Beklagten (§ 123 I BGB). Auf eine Vertragsanfechtung wegen falscher Eigenschaftszusicherung (§ 119 II BGB), die der Kläger ergänzend geltend macht, kommt es daneben nicht mehr an. Insofern bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine solche Anfechtung nicht von vornherein am Vorrang der kaufrechtlichen Mängelgewährleistungsregelung scheitern müsste (vgl. dazu Palandt/Putzo, BGB, 58. Aufl., vor § 459 Rn. 9).

a) Der Kläger ist durch falsche Angaben des Beklagten zum Vertragsschluss verleitet worden.

Dabei kann auf sich beruhen, ob dies, wie der Kläger behauptet, schon dadurch geschah, dass das verkaufte Fahrzeug – mangels entsprechender Eintragungen an der dafür in der Vertragsurkunde vorgesehenen Stelle – als unfallfrei hingestellt wurde. Der Kläger ist nämlich auch dann irregeführt worden, wenn – wie der Beklagte vorbringt – der Vermerk „Frontschaden mit rahmentragenden Teilen, Mängelrüge ausgeschlossen, da preisreduziert (Totalschaden)“ von Anfang an in der Vertragsurkunde enthalten war und der Kläger zudem mündlich auf eine Unfallschädigung aufmerksam gemacht wurde.

Die Irreführung liegt darin, dass der Wagen gleichzeitig als „fahrbereit“ bezeichnet wurde. Die wiederholte Interpretation dieses Begriffs durch die Berufung hat der Senat geprüft; er hält sie für nicht zutreffend. Vielmehr kam mit dieser Bezeichnung zum Ausdruck, dass das Auto – trotz des gravierenden Unfallschadens, auf den nach der Darstellung des Beklagten hingewiesen wurde – nicht mit verkehrsgefährdenden Mängeln behaftet war (vgl. BGH, Urt. v. 21.04.1993 – VIII ZR 113/92, NJW 1993, 1854 [1855]). Danach konnte der Kläger davon ausgehen, dass der Schaden mittlerweile sachgerecht behoben und die Sicherheit des Wagens wiederhergestellt war. Anders wäre es nur gewesen, wenn ihn der Beklagte in ausdrücklicher Relativierung der Mitteilung über die Fahrbereitschaft des Fahrzeugs besonders aufgeklärt hätte (OLG Hamm, Urt. v. 09.09.1996 – 32 U 70/96, DAR 1996, 499 [500]; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl., Rn. 1589 f). Das ist jedoch weder behauptet noch sonst ersichtlich.

Tatsächlich war die Verkehrssicherheit des Autos indessen nicht gewährleistet. Das geht zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Ingenieurbüros Dr. B und der glaubhaften schriftlichen Aussage des sachverständigen Zeugen O hervor. Deren Feststellungen und Schlussfolgerungen sind durch die auf eine Probefahrt und eine allgemeine Vermessung gegründete Stellungnahme des von dem Beklagten eingeschalteten Büros X vom 14.09.1999 und die formularmäßigen TÜV-Angaben vom selben Tage nicht entscheidend erschüttert.

Der Zeuge O hat den Wagen im Juni 1998 besichtigt und eine unfallschadensbedingte Fahruntauglichkeit festgestellt, weil eine sachgemäße Reparatur nicht stattgefunden habe. Der Mutmaßung des Beklagten, die festgestellte Fahruntauglichkeit beruhe nicht auf dem vor dem Verkauf liegenden Altunfall, sondern auf einem Unfallereignis während der Besitzzeit des Klägers, hat der Zeuge nachdrücklich widersprochen. Er hat bekundet, dass die verkehrsgefährlichen Schadstellen, die auf einen Bruch des Rahmenlängsträgers vorn links zurückgehen, mit denjenigen übereinstimmen, auf die der Sachverständige B schon im Januar 1995 abgehoben hatte, als er einen „nicht verkehrssicheren Zustand“ attestierte.

Den hiergegen vorgebrachten Bedenken des Beklagten ist der Senat durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgegangen. Danach spricht alles dafür, dass die zur Verkehrsunsicherheit führenden Beschädigungen mit nachfolgender unvollständiger Reparatur der Fahrzeugbodengruppe bereits vorhanden waren, als das Fahrzeug in den Besitz des Klägers überging.

Diese Überzeugung des Senats (…) lässt sich durch die vom Beklagten benannten Zeugen nicht erschüttern. Ihre Vernehmung war daher entbehrlich. Im Einzelnen:

Aufgrund der im August 1997 erhobenen Wandelungsklage des Vorerwerbers S war der Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises von 12.500 DM (abzüglich gezogener Nutzungen) verurteilt worden … In jenem Rechtsstreit ist unstreitig geblieben, dass der Vorschaden sachgemäß nur mit einem Kostenaufwand von 11.708,32 DM hätte beseitigt werden können. Das klagestattgebende Urteil des Amtsgerichts Bad Kreuznach ist dem Beklagten am 09.09.1997 zugestellt worden. Hiernach ließ er das Fahrzeug bei der Firma F für 1.023,50 DM „reparieren“. Das war zur Überzeugung des Senats vor dem Hintergrund des tatsächlichen Schadensumfangs, den der soeben erst beendete Rechtsstreit bei dem Amtsgericht Bad Kreuznach dem Beklagten vor Augen geführt hatte, völlig unzureichend. Das gilt um so mehr, als die Rechnung der Firma F vom 20.10.1997 dahin interpretiert werden kann, dass ausschließlich Mess- und Einstellarbeiten an der Vorderachse durchgeführt wurden. Damit war es jedoch nach dem unbestritten gebliebenen Sachvortrag im Vorprozess erkennbar nicht getan.

b) Im Hinblick auf die Sicherheitsmängel des Autos, von denen nach alledem auszugehen ist, trifft den Beklagten der Vorwurf der Arglist.

Dieser Vorwurf ist nicht nur dann begründet, wenn der Beklagte das Fahrzeug vor dem Verkauf an den Kläger untersucht und dabei die fortdauernde gravierende Schädigung entdeckt hatte, die – wie der Senat nach dem Gutachten des Sachverständigen überzeugt ist – bei einer Untersuchung jedenfalls im Bereich der mangelhaften Schweiß- und Verbindungsstellen nicht zu übersehen war. Vielmehr handelte der Beklagte auch dann arglistig, wenn er das Auto nach der Rücknahme von S ohne oder jedenfalls ohne fachgerechte Prüfung und Reparatur an den Kläger weitergab.

Die Untersuchung durch die Firma F war aus den bereits dargestellten Gründen erkennbar unzureichend.

Unter diesen Umständen erfolgte die Angabe zur Fahrbereitschaft – was für ein arglistiges Verhalten ausreicht – wenigstens mit bedingtem Täuschungsvorsatz. Denn der Beklagte hatte keinen verlässlichen Hinweis darauf, dass der alte Unfallschaden ordnungsgemäß behoben und damit die Fahrbereitschaft hergestellt worden war. Gegen eine solche Annahme und damit für die fortbestehende Verkehrsunsicherheit sprach nachdrücklich, dass S den Wagen 1997 unter Hinweis auf das Gutachten B und die darin beschriebene Fehlerhaftigkeit („nicht verkehrssicherer Zustand“) zurückgegeben hatte. Der Kaufvertrag mit dem Kläger datiert vom 15.10.1997; die „Reparaturrechnung“ wurde erst fünf Tage später ausgestellt. Sie ist inhaltlich nichtssagend. Welche konkreten tatsächlichen Umstände den Beklagten gleichwohl zu der Erklärung vom 15.10.1997 veranlassten, der Wagen sei „fahrbereit“, ist nicht ausreichend nachvollziehbar.

Der Beklagte wird auch nicht dadurch entlastet, dass das Auto nach seinem Vorbringen über eine TÜV-Plakette vom August 1996 verfügte. Denn alles deutete darauf hin, dass diese Plakette in Unkenntnis des Schadens erteilt worden war, der auch S während des gesamten Jahres 1996 nicht auffiel.

Der Beklagte kann sich auch in subjektiver Hinsicht nicht durch die Behauptung entlasten, er habe den Wagen vor dem Verkauf an den Kläger durch eine Werkstatt untersuchen lassen, ohne dass dort besondere Mängel aufgefallen seien. Ein solches Untersuchungsergebnis war nämlich letztlich nichtssagend, solange es nicht in Auseinandersetzung mit den Feststellungen des Gutachtens B erarbeitet worden war. Dass dies geschehen wäre, ist jedoch nicht zu erkennen. So ist nicht einmal behauptet, dass der Werkstatt das Gutachten B überhaupt zugänglich gemacht worden wäre …

3. Die Anfechtung des Kaufvertrages hat der Kläger innerhalb der Jahresfrist des § 124 I BGB gegenüber dem Beklagten (§ 143 I BGB) erklärt. Dies ist zunächst durch das Schreiben vom März 1998 geschehen, das – durch den Hinweis auf die fehlende Funktionsfähigkeit des Wagens und den Vorwurf einer Schadensbagatellisierung durch den Beklagten – den einschlägigen Anfechtungstatbestand hinreichend umriss (vgl. Soergel/Hefermehl, BGB, 12. Aufl., § 143 Rn. 2; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 143 Rn. 3; Staudinger/Roth, BGB, 13. Aufl., § 143 Rn. 1). Darüber hinaus hat der Kläger dann auch im Verlaufe des – alsbald eingeleiteten – Rechtsstreits vor Fristende ergänzende Angaben (vgl. dazu BGH, Urt. v. 11.10.1965 – II ZR 45/63, NJW 1966, 39) gemacht …

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