Wird ei­ne eBay-Auk­ti­on ab­ge­bro­chen, weil we­gen ei­nes Ein­ga­be- oder ei­nes Sys­tem­feh­lers in dem Ver­kaufs­an­ge­bot ent­ge­gen der Ab­sicht des An­bie­ters kein Min­dest­preis ge­nannt wird, kommt kein Kauf­ver­trag mit dem im Zeit­punkt des Auk­ti­ons­ab­bruchs Höchst­bie­ten­den zu­stan­de.

OLG Hamm, Ur­teil vom 04.11.2013 – 2 U 94/13

Sach­ver­halt: Der Sohn des Be­klag­ten bot über des­sen eBay-Ac­count ei­nen Pkw zum Kauf ge­gen Höchst­ge­bot an, oh­ne ei­nen Min­dest­preis an­zu­ge­ben. We­ni­ge Mi­nu­ten nach Be­ginn der Auk­ti­on brach er die­se ab und bot das Fahr­zeug so­dann er­neut – dies­mal mit An­ga­be ei­nes Min­dest­prei­ses – zum Kauf an.

Zum Zeit­punkt des Ab­bruchs der eBay-Aut­ki­on war die frü­he­re Klä­ge­rin K, de­ren Be­trieb der Klä­ger über­nom­men hat, mit ei­nem Ge­bot von 7,10 € Höchst­bie­ten­de. Der Be­klag­te war nicht be­reit, ihr den Wa­gen zu über­eig­nen. Mit ih­rer Kla­ge hat K den Be­klag­ten des­halb auf Scha­den­er­satz in An­spruch ge­nom­men.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dass zwar ein Kauf­ver­trag zwi­schen den Par­tei­en zu­stan­de ge­kom­men sei. Das Scha­den­er­satz­be­geh­ren der K sei in­des­sen rechts­miss­bräuch­lich.

Ge­gen das Ur­teil hat K Be­ru­fung ein­ge­legt.

Der Se­nat hat den Sohn des Be­klag­ten per­sön­lich ge­hört. Die­ser hat im We­sent­li­chen an­ge­ge­ben, er ha­be den eBay-Ac­count des Be­kla­gen, sei­nes Va­ters, mit des­sen Wis­sen ge­nutzt, um Sa­chen zu ver­kau­fen. Von dem hier in­ter­es­sie­ren­den An­ge­bot ha­be der Be­klag­te al­ler­dings nichts ge­wusst. Er, der Sohn des Be­klag­ten, ha­be beim Er­stel­len des ers­ten An­ge­bots ei­nen Min­dest­preis ein­ge­ge­ben. Bei ei­ner Kon­trol­le des frei­ge­schal­te­ten An­ge­bots ha­be er dann aber fest­ge­stellt, dass kein Min­dest­preis an­ge­ge­ben war. Er ha­be des­halb nach Mög­lich­kei­ten ge­sucht, die Auk­ti­on ab­zu­bre­chen, aber bei den als Ab­bruch­grund vor­ge­ge­be­nen Mög­lich­kei­ten kei­ne pas­sen­de ge­fun­den. Des­halb ha­be er an­ge­ge­ben, dass der Ar­ti­kel nicht mehr ver­füg­bar sei.

Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … 1. Zwi­schen der K und dem Be­klag­ten ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts kein Kauf­ver­trag zu­stan­de ge­kom­men. Das be­ruht nicht et­wa dar­auf, dass die K nicht exis­tiert, die K kei­ne Er­klä­run­gen ab­ge­ge­ben hät­te oder auf­sei­ten des Be­klag­ten ein voll­macht­lo­ser Ver­tre­ter ge­han­delt hät­te (a–c), son­dern dar­auf, dass der Be­klag­te sein An­ge­bot wirk­sam wi­der­ru­fen hat (d).

a) So­weit der Be­klag­te gel­tend macht, die K ha­be nie exis­tiert, ist dem … nicht zu fol­gen. Die K ist im Ge­schäfts­ver­kehr auf­ge­tre­ten. Das er­gibt sich nicht zu­letzt aus dem Vor­brin­gen des Be­klag­ten, wo­nach die K ge­gen ver­schie­de­ne Ver­käu­fer Scha­den­er­satz­an­sprü­che gel­tend macht. War­um ei­ne Ge­sell­schaft, die im Ge­schäfts­ver­kehr auf­tritt, nicht exis­tie­ren soll­te, er­schließt sich nicht. Dar­über hin­aus hat der Klä­ger die … Ver­ein­ba­rung, wo­nach er den Ge­schäfts­be­trieb der mit Ver­trag vom 22.05.2012 ge­grün­de­ten Ge­sell­schaft über­nimmt, … im Ori­gi­nal vor­ge­legt. Auch dar­aus folgt, dass die Ge­sell­schaft exis­tent war.

b) So­weit der Be­klag­te gel­tend macht, die K sei nicht In­ha­be­rin des eBay-Ac­counts „…“ ge­we­sen, ist die­ses – strei­ti­ge – Vor­brin­gen neu. Ob es zu­zu­las­sen ist, mag da­hin­ste­hen. Denn Be­last­ba­res da­für, dass die K nicht In­ha­be­rin des Ac­counts und da­mit auf Bie­ter­sei­te Han­deln­de ge­we­sen ist, bringt der Be­klag­te nicht vor. Die von ihm über­reich­te Aus­kunft … gibt nur die „Kon­takt­da­ten“ wie­der, die nichts Aus­rei­chen­des dar­über be­sa­gen, wer In­ha­ber des Ac­counts war.

c) So­weit nach dem Er­geb­nis der An­hö­rung des Sohns des Be­klag­ten die­ser ge­han­delt hat, ist die­ses Vor­brin­gen neu und strei­tig. Ob es im Hin­blick auf et­wa feh­len­de Ver­tre­tungs­macht zu­zu­las­sen wä­re, kann da­hin­ste­hen. Der Be­klag­te wuss­te da­nach, dass sein Sohn sei­nen eBay-Ac­count be­nutzt, um Sa­chen zu ver­kau­fen. Dar­aus er­gibt sich ei­ne schlüs­sig er­teil­te Voll­macht des Be­klag­ten für sei­nen Sohn, in sei­nem Na­men zu han­deln. Dass er vom Ein­stel­len des Fahr­zeugs nichts ge­wusst ha­ben mag, än­dert an die­ser Be­wer­tung nichts …

d) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts hat der Be­klag­te sein An­ge­bot wirk­sam zu­rück­ge­zo­gen, wes­halb das Ge­bot der Klä­ge­rin kei­nen Ver­trags­schluss be­wir­ken konn­te.

(1.) Nach der Recht­spre­chung des BGH (Urt. v. 08.06.2011 – VI­II ZR 305/10) steht ein … bei eBay ab­ge­ge­be­nes An­ge­bot un­ter dem Vor­be­halt, dass kein Wi­der­rufs­grund nach den eBay-Be­din­gun­gen ge­ge­ben ist. Nach den eBay-Be­din­gun­gen kann ein An­ge­bot zu­rück­ge­zo­gen wer­den, wenn – was hier al­lein in Be­tracht kommt – dem An­bie­ter bei der Ein­stel­lung des An­ge­bots ein Feh­ler un­ter­lau­fen ist, wo­zu nach den vom Be­klag­ten über­reich­ten Er­läu­te­run­gen sei­tens eBay auch ein Feh­ler bei der An­ga­be des Min­dest­prei­ses ge­hört. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klä­gers be­darf es im Fal­le des Vor­lie­gens ei­nes Wi­der­rufs­grun­des nach den eBay-Be­din­gun­gen – auch im Fal­le ei­nes Irr­tums, so ein sol­cher hier vor­lie­gen soll­te – kei­ner ge­son­der­ten An­fech­tung. Der BGH hat in der ge­nann­ten Ent­schei­dung er­kannt, dass die er­läu­tern­den Hin­wei­se von eBay zu der Fra­ge, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ein Recht zur vor­zei­ti­gen An­ge­bots­be­en­di­gung be­steht, von Be­deu­tung sind. Die Ver­wei­sung des § 10 eBay-AGB … auf ei­ne „ge­setz­li­che“ Be­rech­ti­gung hat er nicht im en­gen Sin­ne ei­ner Ver­wei­sung nur auf die ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen über die An­fech­tung von Wil­lens­er­klä­run­gen ver­stan­den. Das gilt für den Wi­der­rufs­grund „Ver­lust des Ver­kaufs­ge­gen­stan­des“, der der Ent­schei­dung des BGH zu­grun­de lag, und für den Wi­der­rufs­grund „Feh­ler beim Ein­ge­ben des Min­dest­prei­ses“ glei­cher­ma­ßen.

(2.) Nach dem Er­geb­nis der An­hö­rung des Soh­nes des Be­klag­ten im Se­nats­ter­min ist bei der Ein­ga­be des Min­dest­prei­ses ein Feh­ler un­ter­lau­fen, mag der nun dar­in be­ste­hen, dass das Sys­tem ei­ne ent­spre­chen­de Ein­ga­be nicht an­ge­nom­men hat, oder dar­in, dass die Ein­ga­ben an sich nicht da­zu führ­ten, dass das Sys­tem ei­nen mit Min­dest­preis ver­se­he­nes An­ge­bot ge­ne­riert hat. Bei­des be­deu­tet ei­nen Feh­ler bei der Ein­ga­be im Sin­ne der eBay-Be­din­gun­gen.

(3.) Dass sich die Din­ge so er­eig­net ha­ben, wie vom Sohn des Be­klag­ten bei sei­ner An­hö­rung ge­schil­dert, steht zur Über­zeu­gung des Se­nat fest. Die Über­zeu­gung grün­det sich in der mehr als ho­hen in­ne­ren Wahr­schein­lich­keit des vom Sohn des Be­klag­ten dar­ge­leg­ten Vor­gangs.

Un­strei­tig ist die ers­te Ak­ti­on mit der An­ga­be, der Ar­ti­kel sei nicht mehr ver­füg­bar, nach kur­zer Zeit ab­ge­bro­chen und der Wa­gen un­mit­tel­bar da­nach wie­der als An­ge­bot auf eBay ein­ge­stellt wor­den. Da­für gibt es zwei denk­ba­re Er­klä­run­gen. Zum ei­nen er­scheint es mög­lich, dass den Be­klag­ten die Ein­stel­lung oh­ne Min­dest­preis ge­reut hat. Dann wä­re bei der Ein­stel­lung des ers­ten An­ge­bots kein Feh­ler un­ter­lau­fen. Zum an­de­ren ist denk­bar, dass das Sys­tem beim ers­ten An­ge­bot die Ein­ga­be ei­nes Min­dest­prei­ses nicht an­ge­nom­men hat oder da­bei ein Ein­ga­be­feh­ler un­ter­lau­fen ist. Dann wä­re bei Ein­stel­lung des ers­ten An­ge­bots ein re­le­van­ter Feh­ler un­ter­lau­fen.

(3.1) Die ers­te Mög­lich­keit (Reue, ei­nen Min­dest­preis nicht an­ge­ge­ben zu ha­ben) ist so fern­lie­gend, dass sie nicht ernst­haft in Be­tracht kommt. Dass folgt aus dem für den Ab­bruch an­ge­ge­be­nen Grund und der un­mit­tel­ba­ren Neu­ein­stel­lung des Fahr­zeugs da­nach. Die un­mit­tel­bar nach Ab­bruch er­folg­te Wie­der­ein­stel­lung führt den Ab­bruch­grund „Ar­ti­kel nicht mehr vor­han­den“ ad ab­sur­dum. Das ist auch für je­den, der ge­bo­ten hat, er­kenn­bar. Zwar ist nicht vor­ge­tra­gen, dass der Be­klag­te die Funk­ti­on Wie­der­ein­stel­len ge­wählt hät­te, über die je­der Bie­ter oh­ne­hin ei­nen Hin­weis er­hält, dass der Ar­ti­kel neu ein­ge­stellt ist. Un­ab­hän­gig da­von liegt die Sa­che aber so, dass je­der, der ei­nen be­stimm­ten Ar­ti­kel … sucht, auf das ers­te An­ge­bot ge­sto­ßen ist und dar­auf ge­bo­ten hat, bei wei­te­rer Su­che nach dem ge­wünsch­ten Ar­ti­kel sieht, dass der ent­spre­chen­de Ar­ti­kel neu ein­ge­stellt ist.

Lä­ge die Sa­che so, dass es den Be­klag­ten le­dig­lich ge­reut hät­te, das ers­te An­ge­bot oh­ne Min­dest­preis ein­zu­stel­len, und hät­te er des­halb die Auk­ti­on be­en­det, wä­re es dumm und tö­richt, als Ab­bruch­grund „Ar­ti­kel ist nicht mehr vor­han­den“ an­zu­ge­ben und das Fahr­zeug gleich­zei­tig neu ein­zu­stel­len. Da­durch hät­te er den Bie­tern auf das ers­te An­ge­bot selbst se­hen­den Au­ges ei­nen Grund ge­lie­fert, ihn Lü­gen zu stra­fen. Wä­re Reue, den Wa­gen oh­ne Min­dest­preis an­ge­bo­ten zu ha­ben, Grund für den Ab­bruch ge­we­sen, hät­te es viel­mehr mehr na­he­ge­le­gen, als Grund für den Ab­bruch nicht ei­nen der­art of­fen­sicht­lich fal­schen, son­dern ei­nen we­ni­ger wi­der­leg­ba­ren Grund, et­wa ei­nen Feh­ler bei der Er­stel­lung des An­ge­bots, als Ab­bruch­grund an­zu­ge­ben.

(1.3) Schei­det da­mit die ers­te Mög­lich­keit aus, bleibt nur die zwei­te, näm­lich die, dass das ers­te An­ge­bot … – ob das auf ei­nem Sys­tem­feh­ler oder auf ei­nem Ein­ga­be­feh­ler be­ruht, kann da­hin­ste­hen – nicht so ge­ne­riert wor­den ist, wie es ge­wollt war, näm­lich mit der An­ga­be ei­nes Min­dest­prei­ses.

Un­ab­hän­gig da­von, dass bei Aus­schluss der ers­ten Mög­lich­keit (Rück­zug des An­ge­bot we­gen Reue, das An­ge­bot so ab­ge­ge­ben zu ha­ben) nur die zwei­te Mög­lich­keit (Rück­zug des An­ge­bots, weil dar­in ein Min­dest­preis nicht ent­hal­ten war) ver­bleibt, ist die­se zwei­te Mög­lich­keit plau­si­bel. Denn die Zeit von elf Mi­nu­ten, die zwi­schen dem Ein­stel­len des ers­ten An­ge­bots und dem Ab­bruch liegt, ist denk­bar kurz. Dass es sich der Be­klag­te in die­sem Zeit­raum, was die An­ga­be ei­nes Min­dest­prei­ses an­geht, aus Reue dar­über, ei­nen Min­dest­preis nicht an­ge­ge­ben zu ha­ben, an­ders über­legt ha­ben soll­te, ist mehr als un­wahr­schein­lich. Denn der Wil­le, ob und un­ter wel­chen Be­din­gun­gen ein Fahr­zeug an­ge­bo­ten wird, wech­selt nor­ma­ler­wei­se nicht in­ner­halb von elf Mi­nu­ten. Vor dem Hin­ter­grund, dass das von eBay ge­ne­rier­te An­ge­bot nicht so aus­ge­fal­len war, wie ge­wollt, er­klä­ren sich dann auch der an­sons­ten völ­lig un­plau­si­ble Ab­bruch­grund, der Ar­ti­kel sei nicht mehr vor­han­den, und die Neu­ein­stel­lung. Da­für ist kein an­de­rer Grund er­kenn­bar, als der, den der Sohn des Be­klag­ten ge­schil­dert hat. Der Be­klag­te hat nach Mög­lich­kei­ten ge­sucht, das hin­sicht­lich des Min­dest­prei­ses nicht sei­nem Wil­len ent­spre­chen­de ers­te An­ge­bot mög­lichst schnell zu be­en­den. Dass er da­bei in der Hek­tik, sein An­ge­bot aus der Welt zu be­kom­men, die fal­sche Op­ti­on „Ar­ti­kel nicht mehr vor­han­den“ ge­wählt hat, än­dert an die­sem Be­fund nichts.

(2.) Aus­rei­chen­de An­halts­punk­te ge­gen die Glaub­wür­dig­keit des Soh­nes des Be­klag­ten, die das ge­fun­de­ne Er­geb­nis in­fra­ge stel­len könn­ten, sind nicht er­kenn­bar.

So hät­te es, wenn der Sohn des Be­klag­ten die Din­ge nicht wahr­heits­ge­mäß hät­te schil­dern wol­len, na­he ge­le­gen, dass der Sohn die Nut­zung des eBay-Ac­counts des Be­klag­ten mit des­sen Wis­sen in Ab­re­de ge­stellt hät­te, um ei­ne In­an­spruch­nah­me des Be­klag­ten, sei­nes Va­ters, zu ver­mei­den. Das hat der Sohn des Be­klag­ten nicht ge­tan, son­dern – wenn auch erst auf Nach­fra­ge – ein­ge­räumt, dass er den eBay-Ac­count sei­nes Va­ters mit des­sen Wis­sen ge­nutzt hat. Der Ur­sprungs­vor­trag des Be­klag­ten, beim Ein­stel­len des An­ge­bots den Min­dest­preis ver­ges­sen zu ha­ben, weicht nicht so sehr von der jet­zi­gen Dar­stel­lung ab, dass die An­nah­me, der Sohn des Be­klag­ten ha­be ge­lo­gen, in Be­tracht kä­me …

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